Herrschaftsideologie der Flavier

@gromZen:
Als Kaiser mit "Migrationshintergrund" würde ich Vespasian nicht bezeichnen. Er stammte aus einer italischen Kleinstadt, deren Bewohner seit langer Zeit das römische Bürgerrecht hatten und längst als Römer galten. Neu war Vespasian insofern, als er aus keiner senatorischen Familie, sondern aus dem Ritterstand stammte.
"Migrationshintergrund" in Deinem Sinne hätte bereits Augustus gehabt, da sein leiblicher Vater Octavius ebenfalls aus einer italischen Kleinstadt und aus dem Ritterstand stammte. Erst durch seine Adoption durch Caesar gehörte der Sohn dann zu einer altrömischen senatorischen Familie.

Der erste Kaiser, der nicht aus Italien stammte, war Trajan, wenngleich er vielleicht in Rom geboren wurde. Aber seine Vorfahren waren in Italica in Spanien zuhause. Iberer war Trajan freilich trotzdem nicht, da seine Vorfahren als Kolonisten nach Spanien gekommen waren, aber aus Italien stammten.

Der erste Kaiser ohne römische/italische Vorfahren war Septimius Severus aus Leptis Magna in Nordafrika.
 
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Moment. Verwechsele ich da was? *naschschlag*
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Ihr habt recht, ich habe ihn mit Trajan verwechselt und wollte mit dem "Migr.hintergrund" eigentlich das Kommen aus einer "unteren Schicht" bezeichnen - der Ritterstand war imho kein allzu angesehenes Privileg im Gegensatz zum Senatorenstand?!

EDIT

Wäre demzufolge der Satz so richtig:
Die Zeit der Flavier verdeutlicht auch, dass Römer aus einer nicht dem Senatorenstand gewachsenen sozialen Schicht in oberste Führungspositionen aufsteigen können.
?

Ich glaube es war Pfeiffer, der daraufhin weißt.
 
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Wäre demzufolge der Satz so richtig:
Die Zeit der Flavier verdeutlicht auch, dass Römer aus einer nicht dem Senatorenstand gewachsenen sozialen Schicht in oberste Führungspositionen aufsteigen können.
Dem stimme ich zu. Später wurde es noch extremer: Im 3. Jhdt. stammten einige Kaiser überhaupt aus niedrigsten sozialen Verhältnissen.
Das war übrigens auch im Byzantinischen Reich so, auch dort brachten es manche einfachen Bürger zur Kaiserwürde. Zur selben Zeit in den meisten Gegenden Europas undenkbar!
 
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Diesen Satz würde ich auch nicht ganz so im Bezug auf die Flavier stehen lassen, denn das beschrieben Phänomen ist eigentlich sehr alt, nämlich das des "homo novus". Ich würde darin keine spezifische Besonderheit des flavischen Systems sehen, denn die römische Gesellschaft war bis zu einem gewissen Grad sehr leistungsorientiert und daher auch für untere (das ist für das heutige "untere"-Verständnis oft etwas mißverständlich, weil untere nicht gleich arm i.S.v. sozialer Unterschicht zu verstehen ist) leistungsbereite und -fähige Gruppen durchaus offen. Andererseits war es enorm wichtig, sich in den oberen Schichten verankern zu können. Das war ein besonderes Problem der Flavischen Dynstie, weil ihr das eigentlich nie richtig geglückt ist.
Die Flavier blieben in der römischen Gesellschaft - trotz aller Leistungen und Pracht - immer die Underdogs. Das konnten sie nie abbauen und das äußert sich in den Schwierigkeiten mit dem Senat, die nicht nur Domitian, sondern bereits Vespasian hatte. Darin würde ich ein kennzeichnendes Merkmal der Flavier sehen.
Augustus gelang es nicht zuletzt auch durch die Verbindung mit Livia in die Hocharistokratie Roms einzusteigen. Die Flavier schafften das nicht wirklich. Sie versuchten zwar in ihren Ritualen und Präsentationen an das Julisch-Claudische Kaiserhaus anzuknüpfen und sich damit eine gewisse Quasi-Legitimation zu verschaffen, aber eine blutsmäßige Anbindung durch Heirat etc. ist ihnen nicht vergönnt gewesen. So konnten sie sich nicht im Nobilitätsnetzwerk Roms verankern. Ein weiteres Kennzeichen der Flavier war das Fruchtbarkeitsproblem. Vespasian hatte wie Augustus zwei Söhne und damit zunächst einmal die besten Voraussetzungen eine gute und starke Linie zu begründen, doch die brachten keine ausreichende Kinderzahl zuwege. Der enorme Kinderreichtum durch die Gebährmaschinen im julisch-claudischen Hause blieb den Flaviern versagt, denn die flavischen Frauen verstarben alle zu früh oder bekamen zu wenige Kinder, die noch dazu nicht überlebten.
 
Die Standeszugehörigkeit spielte schon eine große Rolle. Caligula soll, laut Suetonius behauptet haben, seine Mutter Agrippina entspränge eines Inzests von Augustus mit seiner Tochter Julia, um seine eigene Herkunft nicht mit dem standesniedrigen Agrippa in Verbindung zu bringen.
 
Diesen Satz würde ich auch nicht ganz so im Bezug auf die Flavier stehen lassen, denn das beschrieben Phänomen ist eigentlich sehr alt, nämlich das des "homo novus". Ich würde darin keine spezifische Besonderheit des flavischen Systems sehen
Ich habe gromZens Satz nicht so verstanden, dass er sagen wollte, das sei eine Neuheit der Zeit der Flavier gewesen. Falls doch, hast Du mit Deinem Einmand natürlich recht.

Vespasian hatte wie Augustus zwei Söhne und damit zunächst einmal die besten Voraussetzungen eine gute und starke Linie zu begründen, doch die brachten keine ausreichende Kinderzahl zuwege.
Vor allem hatte Vespasian zwei leibliche Söhne, während Augustus sich mit Adoptionen begnügen musste.

Vespasian hatte wie Augustus zwei Söhne und damit zunächst einmal die besten Voraussetzungen eine gute und starke Linie zu begründen, doch die brachten keine ausreichende Kinderzahl zuwege. Der enorme Kinderreichtum durch die Gebährmaschinen im julisch-claudischen Hause blieb den Flaviern versagt, denn die flavischen Frauen verstarben alle zu früh oder bekamen zu wenige Kinder, die noch dazu nicht überlebten.
Der Kindermangel war bei beiden Häusern nicht das eigentliche Problem, sondern dass einzelne Herrscher eigene Verwandte ausschalteten.
Titus hatte zwar "nur" eine Tochter, und Domitians Sohn verstarb als Kind, aber es gab noch die Nachfahren von Titus Flavius Sabinus, dem Bruder Vespasians. Seine Söhne Titus Flavius Clemens und Titus Flavius Sabinus ließ Domitian aber hinrichten. Clemens' Söhne Vespasianus und Domitianus waren von Kaiser Domitian adoptiert worden, aber nach der Hinrichtung ihres Vaters verliert sich ihre Spur.
Auch in der Julisch-Claudischen Dynastie starb so mancher potentielle Erbe auf unnatürliche Weise, um einen möglichen Rivalen auszuschalten oder weil er sonstwie missfällig worden war, z. B. Tiberius Gemellus oder Britannicus.
 
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@ Galeotto: Ich habe die Sueton-Stelle so nicht nachgeprüft und glaube Dir einfach mal. Wenn das so ist, dann sehe ich hier keine direkte Abwertung der Standesniedrigkeit Agrippas, denn der war immerhin der nächststehendste Vertraute des Augustus, sondern vielmehr den Versuch sich in eine direkte Linie zu Divus Augustus zu setzen. Sicherlich wäre das über Iulia ohnehin der Fall gewesen, aber das ist eben nur die mütterliche Linie, die auch bei den Römern immer als die schwächere betrachtet wurde, während die väterliche immer als die stärkere galt. Väterlicherseits stammte Caligula durchaus von sehr angesehenen Männern ab, die in die alte römische Aristokratie hineinreichte und die in der römischen Gesellschaft hohes Ansehen genossen, wie Drusus und Germanicus. Aber anders als aus der mütterlichen Linie gab es hier keinen Divus und mir erscheint eher das als wichtig. Caligula hatte Livia ja nicht vergöttlichen lassen, was erst unter Claudius der Fall war, so dass die väterliche Linie aus göttlicher Warte zu unspektakulär blieb. Daher hat man wohl versucht den Stammbaum etwas göttlicher einzufärben, was in der Antike, wie auch in späteren Zeiten, nicht unüblich war. Der einzige Divus war Augustus und wollte man zu dem auch über die stärkere väterliche Linie eine Verbindung aufbauen, dann ging das nur über den Inzest.
Ähnliches können wir auch bei Nero beobachten. Der war der Sohn des Cn. Domitius Ahenobarbus und damit eigentlich schon Spross einer uralten Senatsaristokratie und dennoch wurde er dann auch in der öffentlichen Repräsentation zum Sohn des Claudius als dieser zum Divus avancierte. Adoptiert war Nero schon vorher, aber in der Präsentation (z.B. Münzen) findet sich in der Frühzeit noch der echte Vater, während er später nur noch Sohn des göttlichen Claudius ist.
Nach meiner Meinung ist darin keine Abwertung eines unwürdigen Vaters zu sehen, als vielmehr ein Versuch die eigene Position schon zu Lebzeiten zu divinisieren.

@ Ravenik zur Adoption: Ich stimme Dir zu, dass leibliche Söhne immer besser als adoptierte sind, aber es war in der römischen Gesellschaft nicht unüblich den Mangel männlicher Nachkommen und die Gefahr des Aussterbens der eigenen männlichen Linie durch Adoption abzuhelfen. Rechtlich gesehen waren beide Arten von Söhnen gleichwertig.

@ Ravenik zum Familiensterben: Also ein Blick auf den Stammbaum der Juli-Claudier und der Flavier zeigt schon deutliche Fruchtbarkeitsunterschiede, die wesentlich einer Julia mit 4-5 Kindern und einer Agrippina d.Ä. mit 6 Kindern zuzuschreiben sind. Da wurde ein starkes Potential geschaffen, das für das Überleben der Dynastie geeignet war. Sicherlich sind unter den Nachkommen dann Rangkämpfe zu erwarten, die nicht anders als tödlich enden konnten. Denn gemordet wurde scheinbar auf gleicher Ebene, so dass unliebsame Stiefbrüder und Cousins um die Ecke gebracht wurden, während jüngere Generationen eher verschont blieben. Das Problem der Julisch-Claudischen Dynastie war am Ende das gleiche wie bei den Flaviern: Es fehlte an männlichen Nachkommen, die die Thronfolge hätten übernehmen können. Im Fall des Julisch-Claudischen Hauses war es hier noch übler bestellt als bei den Flaviern. Denn dort hätte es, wie Du ja richtig anmerkst, durch Adoption zwei potentielle Nachfolger gegeben. Deren Spur verliert sich aber nicht nach der Hinrichtung ihres Vaters, dem Cousin des Kaiser Domitian, sondern nach der im folgenden Jahr erfolgten Ermordung Domitians. Sie erlitten wohl das Schicksal vieler zu junger Thronprätendenten und wurden - wie auch immer - ausgeschaltet. Wir haben hier keine historische Parallele wie im Fall der Söhne Edwards IV., die wohl ihrem bösen Onkel Richard zum Opfer gefallen waren. Domitianus und Vespasianus erlangten ihre herausragende Position nicht durch ihren Vater, sondern ihren Onkel, der sie adoptiert hatte. Andere legitime Nachkommen für eine mögliche Thronfolge fehlten.
 
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Ich habe die Sueton-Stelle so nicht nachgeprüft und glaube Dir einfach mal.
Sie steht in Caligula 23: "Agrippae se nepotem neque credi neque dici ob ignobilitatem eius volebat suscensebatque, si qui vel oratione vel carmine imaginibus eum Caesarum insererent. Praedicabat autem matrem suam ex incesto, quod Augustus cum Iulia filia admisisset, procreatam;" ("Als Agrippas Enkel wollte er wegen dessen geringer Geburt weder gelten noch benannt werden und geriet in heftigen Zorn, wenn jemand denselben, sei es in Prosa oder in Versen, in die kaiserliche Familie einreihte. Statt dessen rechnete er es seiner Mutter zum Ruhme an, daß sie einem Inzest, den Augustus mit seiner Tochter Julia begangen, ihr Dasein verdanke.")

Denn dort hätte es, wie Du ja richtig anmerkst, durch Adoption zwei potentielle Nachfolger gegeben. Deren Spur verliert sich aber nicht nach der Hinrichtung ihres Vaters, dem Cousin des Kaiser Domitian, sondern nach der im folgenden Jahr erfolgten Ermordung Domitians. Sie erlitten wohl das Schicksal vieler zu junger Thronprätendenten und wurden - wie auch immer - ausgeschaltet.
Eine interessante Feststellung. Worauf stützt Du sie? Ich kenne keine Erwähnung für die Zeit nach der Hinrichtung ihres Vaters 95.
So oder so: Dass sie noch ihren Status als Erben behalten hätten, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.
 
@Amalaswintha, hier das Zitat aus Suetons Caligula-Biographie: "Als Agrippas Enkel wollte er wegen dessen niedriger Geburt weder gelten noch bezeichnet werden und geriet in heftigen Zorn, wenn jemand den Agrippa ,sei es in Prosa oder Versen, in die kaiserliche Familie einreihte. Statt dessen rechnete er es seiner Mutter zum Ruhm an, dass sie einem Inzest, den Augustus mit seiner Tochter Julia begangen hätte, ihr Dasein verdankte."
 
@Ravenik: Ich stütze meine Ansicht darauf, dass wir nichts von einer Hinrichtung, Ermordung, Verbannung etc. hören, was die nachdomitianischen Autoren zu erwähnen sicherlich nicht unterlassen hätten, weil das das Bild des Tyrannen Domitian nur zu gut untermauert hätte.
Außerdem ist die Quellenlage zu Domitian generell sehr fragmentiert und weiter der zeitliche Abstand zwischen Hinrichtung und Ermordung sehr kurz und schließlich gibt es von ihnen überhaupt nicht so viele Quellenberichte, als dass wir von einem Abreißen der Informationen nach der Hinrichtung des Blutsvaters sprechen könnten.
Weiter dienten beide Adoptivsöhne ja gerade dazu die kaiserliche Linie zu erhalten.
Gegenfrage: Warum sollten die Adoptivsöhne in Ungnade fallen? Nach der Adoption, die ja noch vor der Hinrichtung des Titus Flavius Clemens stattgefunden hatte, waren sie aus dem blutsväterlichen Familienverband in den des Adoptivvaters, sprich Domitian übergewechselt. Die Schande des Blutsvaters traf sie damit nicht mehr. Zudem hätte es auch keinen Grund dazu gegeben, denn meines Wissens nach wurde über TFC keine damnatio memoriae verhängt, die evtl. auch Konsequenzen für die Familie hätte haben können, sofern sie sich nicht von der betreffenden Person distanzierte.
 
Rein rechtlich gesehen hast Du recht, aber ich dachte mehr an die menschliche Komponente. Musste Domitian nicht fürchten, dass seine beiden Adoptivsöhne irgendwann ihren leiblichen Vater rächen würden? Ich würde mich jedenfalls nicht wohl fühlen, wenn ich die beiden Söhne von jemandem, den ich hinrichten ließ, in meiner Umgebung hätte, und Domitian soll in seinen letzten Lebensjahren ohnehin hochgradig paranoid gewesen sein, wozu er auch allen Grund hatte.

Ich stütze meine Ansicht darauf, dass wir nichts von einer Hinrichtung, Ermordung, Verbannung etc. hören, was die nachdomitianischen Autoren zu erwähnen sicherlich nicht unterlassen hätten, weil das das Bild des Tyrannen Domitian nur zu gut untermauert hätte.
Ich finde Deine Überlegung plausibel, aber letztlich ist es nur eine Vermutung.
Festzuhalten bleibt, dass es keinerlei Quellen gibt, die die beiden Jungs für die Zeit nach dem Tod ihres Vaters erwähnen. Ob das nur an der auch von Dir konstatierten schlechten Quellenlage liegt oder ob sie doch "verschwunden" sind, muss dahingestellt bleiben.
 
Ob die Beiden in der Nähe des misstrauischen Kaisers lebten ist fraglich. Eine Adoption bedeutet nicht automatisch dass sie Tür an Tür mit ihm gewohnt haben. Eine Liebesadoption war es sicher nicht sondern nur aus dynastischen Gründen. Falls Domitian noch einmal Vater eines überlebensfähigen Sohnes geworden wäre hätten die Beiden eventuell nicht mehr lang gelebt.
 
Um mal die spannende Diskussion wieder mit dem Thema zu vereinen: Hat denn Domitian seine beiden Adoptivsöhne irgendwie präsentiert? Dienten sie also der Dynastiedarstellung und damit einer auf Herrschaftsdauer angelegten Ideologie? Ich denke da an Münzbilder, Gemmen oder ähnliches?
 
Um mal die spannende Diskussion wieder mit dem Thema zu vereinen: Hat denn Domitian seine beiden Adoptivsöhne irgendwie präsentiert? Dienten sie also der Dynastiedarstellung und damit einer auf Herrschaftsdauer angelegten Ideologie? Ich denke da an Münzbilder, Gemmen oder ähnliches?
Mir sind keine Abbildungen bekannt aber gegeben hat es sie bestimmt. Auch bei öffentlichen Auftritten ,wie bei Opferhandlungen oder Gedenktagen werden die Brüder sicher an der Seite des Kaisers gestanden haben. Da Domitian im Privatbereich eher als ungesellig galt (er nahm selten an Gastmählern teil und aß lieber ganz allein) waren sie wohl da weniger präsent. Erzogen wurden die Sprösse von reichen Familien ohnehin nicht von den Eltern sondern von Pädagogen.
 
Stimmt, die beiden Knaben wurden vom Redner Quintilianus erzogen.

Was die Darstellung betrifft: Es gibt Münzen, die vermutlich den jungen Vespasianus darstellen.

Aber generell ist zu sagen, dass, wie Amalaswintha bereits gesagt hat, die Quellenlage bzgl. der beiden Knaben miserabel ist. Sueton, Quintilianus, ein paar Münzen - das war's. Von Cassius Dios Darstellung der Zeit Domitians ist leider nur eine Zusammenfassung erhalten, in der sie nicht erwähnt werden.
 
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