Und der letzte Satz sagt es ganz deutlich: Diejenigen, die vermutliche Hexen oder vermutliche Kommunisten oder vermutliche Terroristen anzeigten, wähnten sich im Dienst der Gemeinschaft.
Das Problem ist nur, dass es gute Gründe dafür gibt diesen Satz für ziemlich unsinnig zu halten.
Mag sein fanatische Nazis hatten neben persönlichen Hass- Rache- oder Bereicherungsmotiven auch die verschrobene Vorstellung, sie würden durch das Denunzieren dem Regime unliebsamer Personen oder von Leuten, die solche deckten der Gesellschaft einenn Gefallen tun, wobei man schon hier zwischen Deutschland und den besetzten Ländern im besonderen im Osten unterscheiden muss, weil z.B. das Verstecken jüdischer Personen, wenn es den NS-Behörden bekannt wurde, da ganz andere Konseuquenzen hatte.
In Deutschland und Teilen des bestetzten Nord- und Westeuropas hatte das für Personen, die so handelten, wenn sie auffielen zwar sicherlich massiv negative Konsequenzen führte in der Regel aber nicht dazu dass denjenigen Personen, die andere versteckten, selbst die Todesstrafe drohte.
Im besetzten Polen und anderen Gebieten des Ostens die einer völlig willkürlichen Terrorherrschaft unterlagen konnte das anders aussehen und hier konnten Denunziationen von Nachbarn etc. durchaus dem Selbstschutz dienen.
Schon der Vergleich der Bevölkerung unter dem NS-System lebte mit derjenigen, die unter Stalin lebte, den du oben mehr oder minder mit Verweis auf Hitler und Stalin anstellst taugt insofern nichts, als dass er die Andersartigkeit der nationalsozialistischen und der sowjetischen Terrorherschaft nicht berücksichtigt:
Das NS-System definierte im Gegensatz zum Stalin-Regime die Gruppen, die es als Feinde betrachtete relativ klar.
- Juden
- Sinti und Roma
- Politische Dissidenten, im Besonderen Kommunisten
- Homosexuelle
- Behinderte
etc.
Das war für die Angehörigen dieser Gruppen, wenn man sie als solche identifizierte oft ein potentielles Todesurteil, zumal einige Merkmale von denn Nazis ja so definiert waren, dass die betroffenen Personen diese Merkmale nicht ablegen konnten.
Die Kehrseite der Medallie ist allerdings, dass diejenigen, auf die das alles nicht zutraf, sich einigermaßen sicher fühlen konnten, so lange sie sich von regimekritischen Aktivitäten fernhielten.
Bedeutet die Mehrheit der Bevölkerung hatte keinen Grund zu fürchten, dass dieses Regime zu Terrormaßnahmen und Mordkampagnen auch gegen ihre Person übergehen könnnte.
Der stalinistische Terror war aber insofern völlig andersartig, als dass es in der Sowjetunion überhaupt keine klar umrissenen von Staat als "Feind" definierten Gruppen gab.
Natürlich, es gab Schlagworte wie "Kapitalistischer Ausbeuter", "Kulak" "Ausländischer Spion", "Saboteur" etc., aber die waren in keiner Weise definiert und wurden höchst willkührlich angewandt.
Schaut man sich die Schauprozesse in der Zeit des "großen Terrors" Mitte der 1930er Jahre an, lief das so ab, dass Stalin oder annderen involvierten Funktionären unliebsame Personen vom NKWD eingesackt, verschleppt und so lange gefoltert wurden, bis sie Geständnisse unterschrieben und in den entsprechenden Schauprozessen verlasen, die ganz offensichtlich vollkommen zusammengedichtet waren und mit der Realität nichts zu tun hatten.
In der Sowjetunion wurde unliebsamen Personen alles das vorgeworfen, was dem Kreml gerade recht war, vollkommen egal ob das mit der Wirklichkeit irgendwas zun hatte.
Dagegen schützten keine Lippenbekenntnisse zu politischen Direktiven (die sich ohnehin laufend änderten, was dannn zum Anlass genommen wurde Leute, die allzu Laut der vorherigen direktive Zugestimmt hatten als "Abweichler" zu verdächtigen), dagegen schützte kein Parteibuch, keine Auszeichnungen, dagegen schützte auch nicht Verdienter Genosse gwesen zu sein, der in der Oktoberrevolution oder im russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Bolschewiki stand und sich da Verdienste und Auszeichnungen erworben hatte, dagegen schützte nichtmal selbst hochrangiger Geheimdienstoffizier zu sein (Stalin ließ seine NKWD-Chefs Jagoda und Jeschow hinrichten) oder zum engeren Kreis um Stalin zu gehören.
Stalin verfügte teilweise, dass kannst du in entsprechenden Biographien oder Werken über den Stalinistischen Terror (z.b. bei Barberowski) nachlesen, Hinrichtungen nach Quoten.
Heißt im Klartext, er verfügte, dass in Provinz XY so und so viele tausend Pesonen als "Saboteure" in Gulags zu verschleppen und/oder zu erschießen waren, wobei es ihm völlig egal war, ob es überhaupt Saboteure gab oder das NKWD und die örtlichen Parteigliederungen völlig willkürlich Kandidaten für das Mordprogramm auswählte um sich nicht selbst dem Verdacht der Illoylaität auszusetzen und auf entsprechenden Listen zu landen und in letzter Konsequenz dem Terror zum Opfer zu fallen.
Im Gegensatz zum NS-Reich, in dem jeder der nicht zu den von denn Nazis definierten "Feindgruppen" gehörte einigermaßen sicher war, wenn er sich konform verhielt, war in der Sowjetunion tatsächlich niemand sicher, nicht auf irgendeiner Todesliste beim NKWD zu landen, jedenfalls in der Stalinzeit.
Entsprechend des Umstands, dass das Leben sämtlicher Einwohner der Sowjetunion in der Stalinzeit permanent durch das Regime bedroht wurde, konnten Denunziationen um wenigstens den Anschein von Kooperation zu entwickeln und sich für die NKWD-Funktionäre weniger interessant zu machen hier durchaus eher dem Selbstschutz dienen.
Nach Ende der Stalinzeit und in den realsozialistischen Ländern Europas, hat dieses Motiv sicherlich insofern ann Zugkraft verloren, als dass mit der Entsatlinisierung die Bedrohung durch den exzessiven staatlichen Terror wegfiel.
Trotzdem bliebt Selbstschutz weiterhin ein Motiv.
In der DDR rekrutiete das MfS durchaus gern Personen, gegen die es selbst etwas in der Hand hatte (nach DDR-Maßsstäben) als IMs.
Das bespielte zum einen den gleichen Reflex, in dem es die Betroffenen Personen dazu nötigte sich kooperativ zu zeigen und andere anzuschwärzen um nicht selbst Repressionen zu erleiden.
Zum anderen, wäre diese Praxis IMs durchus auch gegen deren Willen durch die Wahl zwischen Kooperation oder Gefängnis zu rekrutieren nicht nötig gewesen, wenn die Bevölkerung en gros qua Ideologie einfach hirngewachsen gewesen wäre und es für ihre Staatsbürgerliche Pflicht gehalten hätte ihre Nachbarn auch auch so ohne Druckmittel oder Belohnung anzuschwärzen.
Auch hier spielten persönliche Vorteile (Vergünstigungen) und Selbstschutz (Erpressung wegen eigener "Vergehen" des Spitzels) durchaus extrem gewichtige Rollen.
Das ganze mit der Hexenhyterie in der frühe Neuzeit zu vergleichen (oder überhaupt mit anderen Hysteriephänomenen) krankt schon daran, dass die Feindbilder der Terror und die Denunziationen im NS und im Stalinismus und später Realsozialismus durch entsprechende Regimes selbst inszeniert und damit in einem top-down-Modell organisiert waren.
Das ist aber bei Hyteriephänomenen, die sich häufig in Reaktion auf katastrophenzustände aus der Bevölkerung selbst herausbildeten und die insofern durchaus ein "demokratisches Element" hatten, nicht unbedingt der Fall.
Auch vom Vergleich der Hexenverfolgungen mit der McCarthy-Ära halte ich nichts.
Bei den Hexenverfolgungen in der frühen Neuzeit, lagen in der Regel Anlässe (Klimaphänomene, Seuchen etc.) als handfeste Ereignisse mit schlimmen Folgen vor, die sich die Bevölkerung nicht erklären konnte und für die sie schuldige suchte.
Die Erklärung, die sich diese Menschen zurecht bastelten war falsch (was sie in Teilen nicht wissen konnten), aber die Hysterie war in der Regel genuin aus der Bevölkerung heraus selbst entstanden, nicht durch Hetzkampagnen und Terror irgendeines Regimes künstlich erzeugt und sie reagierten auf reale Gegebenheiten.
Demgegenüber war allerdings was in der McCarthy-Ära passierte eine durchaus aus der Politik selbst (McCarthy) angestoßene Phantomjagt (denn McCarthy wusste ja, dass er seine angebliche Kommunistenliste selbst erfunden hatte und dass es realiter keine Unterwanderung der US-Regierung gab).
Insofern entwickelte sich zwar eine Welle der Hysterie, die mit den (irrationalen) Ängesten vieler US-Amerikaner spielte, das Phänomen unterscheidet sich aber doch vor allem in seiner Entstehung recht deutlich von der Hexenverfolgung der Neueit.