Indoeuropäisch / Indogermanisch

hyokkose schrieb:
Von den sprachlichen Eigenheiten abgesehen, sind die meisten dieser "Eigenheiten" so trivial, daß sie bei den meisten nicht-indoeuropäischen Völker ebenso zu finden sind.

Zwei Ohren, zwei Augen und eine Nase dazwischen ... hat man zuletzt auch auch bei den Basken und Semiten entdeckt.

:grübel:

Es muss doch noch weitere Anhaltspunkte geben! :mad:
 
Ich persönlich denke ebenfalls, dass das ganze, wie schon heinz angesprochen hat, stark mit der Verbreitung des Pferdes als arbeitstier zu tun hat. Ich denke dass der Ursprung in der Steppe im Nord-Osten zu suchen ist, da man ja davon ausgeht, dass dort zuerst Pferde genutzt wurden, was einem enormen taktischen Vorteil bringt. Auch glaube ich davon gehört zu haben dass einige indoeuropäisch-sprechende Völker ursprünglich von diesem Gebiet abstammen. Dazu kommt, dass die Welt zu dieser Zeit noch nicht so stark bevölkert war, man musste also nicht so viele Völker "versklaven, bekehren" um etwas grossflächig zu verbreiten. Ich halte es sowieso für unwahrscheinlicher, dass die Indoeuropäische Sprache ihre Verbreitung alleine durch kriegerische Handlungen fand, ausserdem neigt der Mensch zur Ablehnung auferzwungenem. Die Griechen haben ja beispielsweise auch die keltische Kunst beeinflusst, nicht weil sie sie besiegt haben, sondern weil sie Transportmittel zur Verfügung hatten, ihre Kultur zu verbreiten. Wenn wir die Auswahl zwischen einem Faustkeil und einer Axt aus Eisen zum fällen eines Baumes hätten, würden wir wohl das bessere nehmen und versuchen nachzubauen. Die Indoeuropäische Sprache war den damaligen Sprachen möglicherweise im Wortschatz, der Ausdrucksfähigkeit überlegen oder brachte einfach fortschrittlichere Kultur mit sich.

Ich halte es ebenso für wahrscheinlich, dass die Indoeuropäische Sprache nicht von einem einzigen Urvolk stammt, sondern dass die Menschen parallel nebeneinander verschiedene Sprachen entwickelten und ihren Nachbarn jeweils abgekupfert haben. Und der Ursprung der Indoeuropäischen Sprachen vieleicht schon viel früher zu suchen sind.

Ich halte es generell für wahrscheinlicher, dass die Sprache als solches, den damaligen Völkern nicht aufgezwungen wurde, sondern dass sie einander abgeschaut haben und sich die Sprachen miteinander verschmolzen und sich ständig den Umständen nach verändert haben, was ja auch im moment der Fall ist. Hätte man vor 200 Jahren noch von Drogen gesprochen, hätte man trockene Fässer gemeint und nicht Rauschmittel. Auch werden zunehmends englische Wörter in unseren Sprachschatz importiert, vorallem in den bereichen Kultur und Technologie, indem vileicht auch gewisse Uhrahnen der Indoeuropäischen Sprache ihre Stärken hatten.

Mag sein dass das alles völliger schwachsinn ist, was ich hier geschrieben habe, aber für mich klingt es wesentlich realistischer, als dass die Sprache, eine Errungenschaft welche einen gehobeneren kulturellen Status voraussetzt, durch ein blutrünstiges, machtgeiles, eroberungsfreudiges Barbarenvolk den achso schwachen umherliegenden Völkern auferzwungen wurde.

netcom
 
netcom schrieb:
... aber für mich klingt es wesentlich realistischer, als dass die Sprache, ... durch ein blutrünstiges, machtgeiles, eroberungsfreudiges Barbarenvolk den achso schwachen umherliegenden Völkern auferzwungen wurde.

Wir schreiben das Jahr 1.500 v.Chr., da sich zwischen Rhein und Indus, Ostsee und Persischem Golf - über Entfernungen von mehr als 10.000 km - Menschen wiederfinden, die ein und dieselbe Sprache sprechen.

Das Ausmaß dieser "Sprachexpansion" (-explosion?) kann nur durch mehrere Faktoren ergründet werden - wie auch die Verbreitung der griechischen Kultur sowohl durch Eroberung, als auch Handel, Kolonialismus, Literatur, Kunst, usw. bedingt war.

Ich frage mich daher, ob die Nutzung des Pferdes alleine so revolutionär war, dass man diese Menschen und ihre Sprache - woauchimmer sie auftraten - aufnahm.

Da ich aufgrund der zeitlichen Divergenz ausschließe, dass Indoeuropäer die Landwirtschaft einführten, gehe ich davon aus, dass sie zum einen technische Entwicklungen aus dem Zweistromland aufgenommen hatten, und zum anderen ein Herrschaftssystem mit sich brachten, das derart vereinahmend war, dass das Indoeuropäische als offizielle "Amts"Sprache annerkant wurde. Sonst wäre - wie von Hyokkose schon erwähnt - das Indoeuropäische im Laufe der Jahre einfach untergegangen.

my 2 cents
 
netcom schrieb:
Ich persönlich denke ebenfalls, dass das ganze, wie schon heinz angesprochen hat, stark mit der Verbreitung des Pferdes als arbeitstier zu tun hat.

Schon möglich, aber warum eigentlich? Es kann ja nicht daran gelegen haben, daß man mit den Pferden indoeuropäisch gesprochen hat.


netcom schrieb:
Auch glaube ich davon gehört zu haben dass einige indoeuropäisch-sprechende Völker ursprünglich von diesem Gebiet abstammen.

Ich habe auch schon eine Menge gehört, aber wer außer den indo-iranischen Skythen wäre das? Und woher weiß man, daß sie dort "ursprünglich" abstammten? Die frühesten indo-iranischen Sprachzeugnisse stammen aus Mitanni, also der Gegend Nordirak/Syrien.


netcom schrieb:
Dazu kommt, dass die Welt zu dieser Zeit noch nicht so stark bevölkert war, man musste also nicht so viele Völker "versklaven, bekehren" um etwas grossflächig zu verbreiten.

Das ist richtig, aber auch schon in relativ einfach strukturierten Bauerngesellschaften ist die Bevölkerungsdichte erheblich höher als in Jäger/Sammler- oder Nomadengesellschaften. Wenn man die enorme geographische Verbreitung der indoeuropäischen Sprachen besieht, ist kaum vorstellbar, einen konzentrisch ausschwärmenden Reiterstamm dafür verantwortlich zu machen.



netcom schrieb:
Ich halte es sowieso für unwahrscheinlicher, dass die Indoeuropäische Sprache ihre Verbreitung alleine durch kriegerische Handlungen fand, ausserdem neigt der Mensch zur Ablehnung auferzwungenem.

Da ist was dran.


netcom schrieb:
Die Indoeuropäische Sprache war den damaligen Sprachen möglicherweise im Wortschatz, der Ausdrucksfähigkeit überlegen oder brachte einfach fortschrittlichere Kultur mit sich.

Warum eine Sprache einer anderen an Wortschatz oder Ausdrucksfähigkeit überlegen sein soll, erschließt sich mir nicht. Sprachen, mit deren Hilfe man sich nicht recht ausdrücken kann, existieren nicht.

Daß das kulturelle Prestige einer Sprache sehr zu ihrer Verbreitung beiträgt, läßt sich hingegen überall beobachten.

Die Frage wäre somit: Welche vorbronzezeitliche Kultur erfüllt das Kriterium der Fortschrittlichkeit und käme somit als Keimzelle des Indoeuropäischen in Frage?


netcom schrieb:
Ich halte es ebenso für wahrscheinlich, dass die Indoeuropäische Sprache nicht von einem einzigen Urvolk stammt, sondern dass die Menschen parallel nebeneinander verschiedene Sprachen entwickelten und ihren Nachbarn jeweils abgekupfert haben. Und der Ursprung der Indoeuropäischen Sprachen vieleicht schon viel früher zu suchen sind.

Auch diese Überlegungen wurden schon von ernstzunehmenden Fachleuten vertreten.



netcom schrieb:
Mag sein dass das alles völliger schwachsinn ist, was ich hier geschrieben habe, aber für mich klingt es wesentlich realistischer, als dass die Sprache, eine Errungenschaft welche einen gehobeneren kulturellen Status voraussetzt, durch ein blutrünstiges, machtgeiles, eroberungsfreudiges Barbarenvolk den achso schwachen umherliegenden Völkern auferzwungen wurde.

Schwachsinn ist das sicher nicht - viele dieser Überlegungen haben auch schon andere angestellt und sind dann auf diverse Theorien gekommen. Nur eine rundherum stimmige Theorie ist leider bislang nicht dabei.
 
Pope schrieb:
Wir schreiben das Jahr 1.500 v.Chr., da sich zwischen Rhein und Indus, Ostsee und Persischem Golf - über Entfernungen von mehr als 10.000 km - Menschen wiederfinden, die ein und dieselbe Sprache sprechen.

Kleine Zwischenbemerkung: "Ein und dieselbe Sprache" war das damals schon lange nicht mehr. Aus dieser Zeit sind ja bereits Sprachzeugnisse erhalten, aus denen sich erschließen läßt, daß z. B. Mykenisch, Hethitisch und Indo-Arisch völlig eigenständige Sprachen waren, deren Trennung damals schon ziemlich lange zurückgelegen haben muß.
 
Hast recht. :)

Aber kann man das "Auseinanderbrechen" des Indoeuropäischen triangulieren, interpolieren oder sonstwie datieren? Sind sich Mykenisch und Hethitisch im Sprachaufbau und Wortschatz so ähnlich, dass man sie noch als Dialekte bezeichen könnte? Bzw. inwiefern läßt sich das überhaupt nachprüfen ...?
 
Pope schrieb:
Aber kann man das "Auseinanderbrechen" des Indoeuropäischen triangulieren, interpolieren oder sonstwie datieren?

Allenfalls relativ und auch das im Detail nicht immer eindeutig. Wolfram Euler gibt in seinem Aufsatz "Aufgliederungsmodelle des Indogermanischen und Ausbreitung der Indogermanen - ein Widerspruch?" (in: Namen, Sprachen und Kulturen, Wien 2002) einen Überblick über die verschiedenen Theorien, die dazu schon entwickelt wurden. Einigkeit besteht darüber, daß die Trennung zwischen den anatolischen Sprachen und den übrigen Sprachen schon relativ früh erfolgt sein muß.

Pope schrieb:
Sind sich Mykenisch und Hethitisch im Sprachaufbau und Wortschatz so ähnlich, dass man sie noch als Dialekte bezeichen könnte?
Klares Nein. Wie ich schon schrieb, weisen die frühesten Sprachzeugnisse Hethitisch und Mykenisch als völlig eigenständige Sprachen aus.
Auch die anatolischen Sprachen hatten sich im 2. Jahrtausend v. Chr. bereits auseinanderentwickelt, d. h. Palaisch und Luwisch werden nicht als Mundarten des Hethitischen kategorisiert, sondern als eigene Sprachen.
 
Wiederbelebungsversuch zur Bewahrung des Hattischen Strangs

"Streitpunkte"

1. Ist die Wurzel der PIE in Anatolien zu suchen?
2. Waren die PIE maßgeblich für die Ausbreitung der Landwirtschaft in Europa verantwortlich?
 
Pope schrieb:
Wiederbelebungsversuch zur Bewahrung des Hattischen Strangs

"Streitpunkte"

1. Ist die Wurzel der PIE in Anatolien zu suchen?
2. Waren die PIE maßgeblich für die Ausbreitung der Landwirtschaft in Europa verantwortlich?

Ich fange einmal mit Frage 2 an: Die Ausbreitung der Landwirtschaft läßt sich archäologisch recht gut nachvollziehen. Von Anatolien springt sie über den Bosporus auf den Balkan über, verbreitet sich von dort donauaufwärts bis nach Mitteleuropa. Zeitweise - etwa 5.500 bis 5.000 v. Chr. entspricht dieser Ausbreitung eine relativ einheitliche Kultur, die Bandkeramik, die sich von Moldawien bis ins Pariser Becken erstreckt.

Denkbar ist, daß sich in diesem Zuge auch eine bestimmte Sprache verbreitet hat. Analoge Vorgänge sind auch aus anderen Teilen der Welt bekannt.

Angenommen, es hätte eine relativ einheitliche Sprache der Bandkeramiker gegeben (was allerdings keineswegs sicher ist), und angenommen, diese Sprache hätte 5000 Jahre später noch ihre Spuren hinterlassen (was ebenfalls nicht sicher ist), dann kann diese Sprache nur eine sehr frühe Form des Indoeuropäischen gewesen sein.

Das hieße zwar nicht zwingend, daß der Ursprung dieser Sprache in Anatolien zu suchen wäre, aber es wäre die naheliegendste Schlußfolgerung, zumal frühesten nachweisbaren Sprachen Anatoliens - mit Ausnahme des Hattischen - ebenfalls der indoeuropäischen Familie angehören.

Aber wie gesagt: Mehr als eine Hypothese ist das nicht. Und eine Menge von Details bleiben auch hier letztlich unbeantwortet.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
hyokkose schrieb:
Von Anatolien springt sie über den Bosporus auf den Balkan über, verbreitet sich von dort donauaufwärts bis nach Mitteleuropa. Zeitweise - etwa 5.500 bis 5.000 v. Chr. entspricht dieser Ausbreitung eine relativ einheitliche Kultur, die Bandkeramik, die sich von Moldawien bis ins Pariser Becken erstreckt.

Das macht in vielerlei Hinsicht Sinn. Mit der Kulturform der Landwirtschaft übernehmen die sesshaft Gewordenen auch eine neue Sprache. Diese begünstigt die Ausbreitung einer einheitlichen Kultur, wie die der Bandkeramik.

Obwohl ich dem zustimme, bleibt die Frage, warum diese Sprache gerade das PIE sein soll. Ohne jeden Beleg, können wir genausogut annehmen, dass die Bandkeramiker z.B. eine vaskonische Sprache gesprochen haben - was m.E. mehr Sinn ergibt. Es wäre interessant, ob sich nicht eine Verwandtschaft mit z.B. dem Hattischen nachweisen ließe. Es würde Deine Hypothese von der Verbreitung einer Sprache im Zuge der Landwirtschaft - die ich nachvollziehbar finde - bestätigen, wenn auch ohne die indoeuropäische Komponente ... aber um die geht es ja hier.

Die Verlegung der PIEs ins Europa des 6. vorchristlichen Jahrtausends würde ja bedeuten, dass sich diese in Europa auseinanderentwickelt haben. Schnurkeramiker, Megalithiker, Glocken- und Trichterbecher, Urnenfelder, Hallstatt und LaTene, diese müssen demnach entweder autochton entstanden sein, eine indogermanische "Selbstbefruchtung" sozusagen, oder von aussen iniziiert, ohne dass eine neue Sprache miteingeführt wurde.

Ebenso müssen sich die Indo-Iraner irgendwann von den Südeuropäern gelöst haben und 5,000 Kilometer weit über Armenien nach Westen gezogen sein.

Das "Seltsamste" an dieser Hypothese ist die Vorstellung, dass sich die drei indoeuropäischen Hauptgruppen (Celto-Italo-Tocharic; Aryano-Greco-Armenic; Balto-Slavo-Germanic) in Europa danach nicht mehr gegenseitig beeinflußt haben, obwohl sie in direktester Nachbarschaft lebten und Technologien und Güter austauschten. Das halte ich für unwahrscheinlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Meinung von hyokkose kann ich mich nur teilweise anschließen.

Unumstritten ist die gut dokumentierte Ausbreitung des frühen Ackerbaus von Vorderasien nach Europa. Sie verlief über Kleinasien nach Griechenland, wo mit der Sesklokultur um 6000 v. Chr. erstmals auf europäischem Boden eine ackerbauende Kultur entstand. Diese Kultur war eindeutig von westanatolischer Prägung, wie die gesamte archäölogische Hinterlassenschaft zeigt.

Zu Beginn des 6. Jahrtausends v. Chr. breitet sich dann der Ackerbau nach Norden aus, d.h. er ergreift mit der Starcevokultur den nördlichen Balkan und ab etwa 5000 v. Chr. mit der bandkeramischen Kultur auch Mitteleuropa.

Man hat oft die Frage gestellt, in welchen Verhältnis nun die aus Vorderasien einwandernden Bauern zur eingesessenen Bevölkerung Europas standen, die ja eine mesolithische Bevölkerung repräsentierte, die von der Jagd und vom Fischfang lebte. Hier hat sich mehrheitlich die Auffassung durchgesetzt, dass eher eine Kulturtrift aus dem Nahen Osten zur Verbreitung des Ackerbaus führte. D.h. es hat wohl nur kleine Scharen einwandernder Menschen gegeben, die die Kenntnis des Ackerbaus an die autochthonen Europäer weitervermittelt haben. Man muss aber wohl davon ausgehen, dass noch über einen langen Zeitraum hinweg neolithische und mesolithische Bevölkerungsteile nebeneinander existierten.

Diese aus Vorderasien einwandernden Ackerbauern können meines Erachtens entweder Träger semitischer Sprachen gewesen sein, denn in diesen Gegenden hat sich der Ackerbau entwickelt, oder sie sprachen eine der alten protoanatolischen Sprachen. Diese sind auch bekannt als altkleinasiatische Sprachen und umfassen kleinasiatische Idiome, die weder indoeuropäisch noch semitisch sind.

Indoeuropäer haben sich um 6000 v. Chr. m.E. nicht im vorderasiatisch/kleinasiatischen Raum befunden. Ihre Sprachentwicklung wird zum einen viel später angesetzt, zum anderen werden die frühen Träger indoeuropäischer Sprachen mehrheitlich nicht in Anatolien lokalisiert, was auch meine Überzeugung ist.
 
Pope schrieb:
Obwohl ich dem zustimme, bleibt die Frage, warum diese Sprache gerade das PIE sein soll.
Da hast du natürlich recht. Alles bleibt rein theoretisch.

Pope schrieb:
Die Verlegung der PIEs ins Europa des 6. vorchristlichen Jahrtausends würde ja bedeuten, dass sich diese in Europa auseinanderentwickelt haben.
Ob die Bandkeramiker jetzt Indoeuropäer waren oder nicht, ändert doch nichts daran wie sich die folgenden Kulturen entwickelten.

Pope schrieb:
Ebenso müssen sich die Indo-Iraner irgendwann von den Südeuropäern gelöst haben und 5,000 Kilometer weit über Armenien nach Westen gezogen sein.
Auch hier muß an der alten These nichts verändert werden. Da die Herkunft der Indo-Iraner immernoch bei der Kurgan-Kultur angenommen wird. Der einzige Punkt, der zu klären wäre, ist wie die Indoeuropäer dann in die Gebiete nördlich des schwarzen Meeres kamen.
Die Tripolje-Cucuteni-Kultur , oder ihre Vorgängerkulturen, wäre hier der mögliche weg. Dafür spricht auch, dass die Cucuteni-Kultur schon früher als indoeuropäisch bzw. indoeuropäisch beinflußt angesehen wurde.
 
Wenn du der Kurgan-Theorie folgst, so wäre der Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer der Ursprungsraum der Indoeuropäer. Von diesem Druckzentrum aus hätten sie sich sowohl nach Osten ausgebreitet mit dem großen Zweig der Indo-Iraner, nach Süden mit den eine hethitisch-luwische Sprache sprechenden Völkern und nach Westen mit den sich allmählich konsolidierenden Völkern der "Kentum-Gruppe", wie man früher sagte. Dort saßen freilich noch die alten Bauernkulturen der Bandkeramiker und ihrer Folgegruppen, mit denen sich die einströmenden Träger indoeuropäischer Sprachen allmählich vermischten.

So etwa konnte das Szenarium ausgesehen haben.
 
Lieber Dieter,

ich sehe es genauso wie Du. Aus Osteuropa und Mittelasien kommend haben die Indogermanen sich in alle Himmelsrichtungen ausgedehnt. Um Indien zu erreichen, brauchten sie nicht über Europa kommen, sondern direkt von Mittelasien nach Südasien.
Die Anatolientheorie, von denen es gleich zwei gibt, hat den Nachteil, dass sie davon ausgeht, dass Ackerbauer, die zahlenmäßig gering waren, sich überall hin ausgedehnt und die indogermanische Sprache mitgenommen haben, welche die zahlenmäßig überlegenen Nicht-Indogermanen übernommen haben. Das ist aber in der Geschichte nur selten der Fall. Bestes Beispiel sind die Waräger in Russland, die obwohl sie den Slawen kriegerich und technisch überlegen waren, schon nach wenigen Genrationen die slawische Sprache angenommen hatten.:grübel:
 
@Dieter:

Die Kurgan-These ist wohl jedem bekannt. Hier nochmal etwas ausführlicher:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kurganvolk
bzw. die Gegenhypothese:
http://de.wikipedia.org/wiki/Anatolien-Hypothese

Mir geht es hier aber um die Anatolien-These bzw. in welchem punkt man eine Schwachstelle entdecken kann. Aus diesem Grund habe ich mich ja auch für die Hattier interessiert. Das gleiche könnte man jetzt für die anderen Kulturen machen, bis man eindeutig sieht, dass die Anatolien-These nicht plausibel ist. Bisher erscheint sie mir aber immernoch wahrscheinlicher als die Kurgan-These.



Die Kurgan-These nimmt eine Einwanderung indoeuropäischer Menschen nach Griechenland an, welche die Pelasger und Leleger verdrängten und die späthelladische Kultur einleiteten.
Als einziger möglicher Beweis werden griechische Wörter aufgeführt, welcher aus einer Zeit vor der indoeuropäischen Einwanderung stammen sollen.
Dass dies jetzt wirklich ein Beweis ist, dass die Pelasger nicht die Mesolithiker, sondern die früheren Neolithiker (Sesklo-Dimini) waren, sehe ich nicht.

Oder gibt es eindeutigere Beweise, die die mittelhelladische von der späthelladischen Kultur trennen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Witege schrieb:
Ob die Bandkeramiker jetzt Indoeuropäer waren oder nicht, ändert doch nichts daran wie sich die folgenden Kulturen entwickelten.

1. Immerhin liegen zwischen den ersten Bauern vor 8.000 Jahren und der Aufspaltung der Indoeuropäer der "klassischen" Sichtweise 3.000 Jahre. Die Anatolier haben sich also mindestens 3.000 Jahre lang unabhängig von den restlichen PIEs entwickelt. Laienlinguistisch müssten demnach Hethitisch, Luwisch und Palaisch also 3.000 Jahre "indoeuropäische Sprachentwicklung" versäumt haben, weitere 3.000 Jahre später treffen wir auf die ersten Schriftzeugnisse dieser Sprachen. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied.

Es bedeutet, dass es für Neuerungen nach 6.000 v.Chr. keine Wörter geben kann, die sowohl in den Anatolischen, wie auch in den restlichen Proto-IE-Sprachen vorkommen: Rad, Wagen, Kupfer, Bronze, Eisen, usw. usw.. Ich halte es für undenkbar, dass nach 3.000 Jahren getrennter Entwicklung metallurgische Begriffe sich ihren Weg durch die indoeuropäischen Sprachen Europas bahnen - und wenn, unterlagen sie eben nicht den über Jahrtausenden wirkenden Lautverschiebungsregeln - was ebenfalls nachweisbar wäre.

2. Wäre vor 7.000 Jahren Europa von Sprechern der PIE-Sprachen bevölkert, müsste man ja irgendwann/irgendwo einen Strich ziehen können: hier und dann spalteten sich die Greko-Indo-Iraner, hier und dann die Latiner-Kelten-blablabla. Wo sind diese Linien? Und warum blieben sie bis 1500 v.Chr. derart gleichförmig und starr, dass wir (nehme ich mal an?) nirgends Kreuzungen finden: Gibt es kein Keltisch-Griechisch? Germanisch-Armenisch? Germanisch-Keltisch? Wo ist der "fringe", das Ausfransen der Sprachen entlang der Grenzen? Wo sind die Mischsprachen prähistorischer Wanderungen von 5.000 bis 1.500 v.Chr.? Der (vereinfachte?) Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen enthält jedenfalls keine.
 
Pope schrieb:
Ohne jeden Beleg, können wir genausogut annehmen, dass die Bandkeramiker z.B. eine vaskonische Sprache gesprochen haben - was m.E. mehr Sinn ergibt.

Nicht ganz genausogut. Im Verbreitungsgebiet der Bandkeramiker treffen wir später ausschließlich indoeuropäische Sprachen an, jedoch keine vaskonische. Das Aquitanische in Südfrankreich könnte vaskonisch gewesen sein, aber hier sind wir bereits außerhalb der alten Bandkeramikerzone.

Pope schrieb:
Ebenso müssen sich die Indo-Iraner irgendwann von den Südeuropäern gelöst haben und 5,000 Kilometer weit über Armenien nach Westen gezogen sein.
Du meinst sicherlich "nach Osten". Aber Du hast recht, das ist einer der Haken an der Renfrewschen Theorie.


Pope schrieb:
Das "Seltsamste" an dieser Hypothese ist die Vorstellung, dass sich die drei indoeuropäischen Hauptgruppen (Celto-Italo-Tocharic; Aryano-Greco-Armenic; Balto-Slavo-Germanic) in Europa danach nicht mehr gegenseitig beeinflußt haben, obwohl sie in direktester Nachbarschaft lebten und Technologien und Güter austauschten. Das halte ich für unwahrscheinlich.

Damit habe ich relativ wenig Probleme. Es muß ja ein relativ lange andauerndes sprachliches Kontinuum angenommen werden, d. h. die Gräben zwischen den einzelnen Zweigen waren lange nur dialektaler Natur. Tatsächlich sind ja die Zweige "Celto-Italo-Tocharic" gegen "Balto-Slavo-Germanic" nur sehr schlecht abgrenzbar, denn es gibt auch "Kelto-Italo-Germanische" Berührungspunkte. Das Tocharische scheint sich also schon relativ früh vom "Celto-Italo-Tocharic" gelöst zu haben, während Proto-Kelten und Proto-Italiker noch Sprachkontakt zu den übrigen Gruppen hatten.
Ferner gibt es Berührungspunte zwischen "Armenian-Aryan" und "Balto-Slavic", an denen das Griechische nicht beteiligt ist.
 
Dieter schrieb:
Diese Kultur war eindeutig von westanatolischer Prägung, wie die gesamte archäölogische Hinterlassenschaft zeigt.
[...]
Diese aus Vorderasien einwandernden Ackerbauern können meines Erachtens entweder Träger semitischer Sprachen gewesen sein,

Sei doch einmal genau und schreib nicht von "Vorderasien", sondern von Westanatolien oder wenigstens Anatolien.

Die Fakten lauten:

1. In Anatolien gab es - soweit sich das zurückverfolgen läßt - außer einigen Händlern nie irgendwelche semitischen Bevölkerungsteile.

2. In Anatolien wurde - soweit sich das zurückverfolgen läßt - eine Vielzahl indoeuropäischer Sparchen gesprochen.

3. Im Raum der Bandkeramik wurde - soweit sich das zurückverfolgen läßt - nie eine einzige semitische Sprache gesprochen.

4. Im Raum der Bandkeramik wurden - soweit sich das zurückverfolgen läßt - seit alters her praktisch ausschließlich indoeuropäische Sprachen gesprochen.


Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie man die Theorie einer semitischen Einwanderung von Anatolien (wo es keine Semiten gab) nach Europa (wo es ebenfalls keine Semiten gab) für plausibler halten kann als die Theorie einer indoeuropäischen einwanderung.



Dieter schrieb:
oder sie sprachen eine der alten protoanatolischen Sprachen. Diese sind auch bekannt als altkleinasiatische Sprachen und umfassen kleinasiatische Idiome, die weder indoeuropäisch noch semitisch sind.

Wie bereits zu den Hatti, frage ich auch hier, welche Idiome das sind - außer den Hatti.


Dieter schrieb:
Indoeuropäer haben sich um 6000 v. Chr. m.E. nicht im vorderasiatisch/kleinasiatischen Raum befunden.

Meiner Meinung nach ist es sehr verwegen, irgendwelche Aussagen zu machen, wo sich Indoeuropäer oder Proto-Indoeuropäer (innerhalb ihres frühesten nachweisbaren Verbreitungsgebiets) 6000 v. Chr. nicht befunden haben können.
 
Pope schrieb:
1. Immerhin liegen zwischen den ersten Bauern vor 8.000 Jahren und der Aufspaltung der Indoeuropäer der "klassischen" Sichtweise 3.000 Jahre. Die Anatolier haben sich also mindestens 3.000 Jahre lang unabhängig von den restlichen PIEs entwickelt.

Die "klassische" Sichtweise, die mit einer einheitlichen indoeuropäischen Sprache um 3000 v. Chr. rechnet, dürfte heute kaum mehr jemand vertreten. Die Schätzungen der Linguisten reichen zumeist ins 4. und 5. Jahrtausend v. Chr.


Pope schrieb:
Es bedeutet, dass es für Neuerungen nach 6.000 v.Chr. keine Wörter geben kann, die sowohl in den Anatolischen, wie auch in den restlichen Proto-IE-Sprachen vorkommen: Rad, Wagen, Kupfer, Bronze, Eisen, usw. usw..
Das heißt es ja nun nicht automatisch. Romanische Wörter wie ital. "tabacco" = franz. "tabac" (Tabak) deuten ja auch nicht darauf hin, daß sich Italienisch und Französisch erst nach der Einführung des Tabaks voneinander getrennt hätten.

Inwieweit im Ur-Indoeuropäischen "Kupfer", "Bronze" und "Eisen" voneinander unterschieden wurden, ist fraglich. Das indoeuropäische *Hayes/Hayos scheint eher eine neutrale Bedeutung "Erz" (davon auch deutsch "ehern") gehabt zu haben; seine Ableitungen stehen für unterschiedliche Metalle (lateinisch "aes" für Kupfer/Bronze, avestisch "ayah" für Eisen). (Das deutsche Wort "Eisen" gehört nicht dazu, hierfür gibt es keine indoeuropäische Entsprechung.)

Man kann also nur mit Sicherheit den Schluß ziehen, daß die Indoeuropäer Erz von gewöhnlichen Steinen zu unterscheiden wußten. Daß sie es auch zu schmieden wußten, dafür gibt es keinen Beweis:

Gamkrelidze/Ivanov S. 619 schrieb:
The terms for smithery, preserved only in individual branches, show no systematic correspondences in other dialect gropus and cannot be formally reconstructed for Proto-Indo-European
Thomas V. Gamkrelidze und Vjaceslav V. Ivanov, Indo-European and the Indo-Europeans, Berlin/New-York 1995


Pope schrieb:
2. Wäre vor 7.000 Jahren Europa von Sprechern der PIE-Sprachen bevölkert, müsste man ja irgendwann/irgendwo einen Strich ziehen können: hier und dann spalteten sich die Greko-Indo-Iraner, hier und dann die Latiner-Kelten-blablabla. Wo sind diese Linien? Und warum blieben sie bis 1500 v.Chr. derart gleichförmig und starr, dass wir (nehme ich mal an?) nirgends Kreuzungen finden: Gibt es kein Keltisch-Griechisch? Germanisch-Armenisch? Germanisch-Keltisch? Wo ist der "fringe", das Ausfransen der Sprachen entlang der Grenzen? Wo sind die Mischsprachen prähistorischer Wanderungen von 5.000 bis 1.500 v.Chr.? Der (vereinfachte?) Stammbaum der indoeuropäischen Sprachen enthält jedenfalls keine.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dein Anliegen bereits im vorletzten Beitrag beantwortet habe oder ob ich es noch nicht zur Gänze verstanden habe.
 
hyokkose schrieb:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich Dein Anliegen bereits im vorletzten Beitrag beantwortet habe oder ob ich es noch nicht zur Gänze verstanden habe.

Ja, ich meine soweit diesbezüglich erstmal befriedigt zu sein. Danke.

hyokkose schrieb:
Die "klassische" Sichtweise, die mit einer einheitlichen indoeuropäischen Sprache um 3000 v. Chr. rechnet, dürfte heute kaum mehr jemand vertreten. Die Schätzungen der Linguisten reichen zumeist ins 4. und 5. Jahrtausend v. Chr.

Damit willst Du andeuten, dass das Ende der Datierungskorrekturen noch nicht erreicht ist. Möglich. Dennoch liegen dazwischen immer noch meine 3.000 Jahre, inder sich die Anatolier von den anderen PIEs auseinanderentwickelt haben.

hyokkose schrieb:
Das heißt es ja nun nicht automatisch. Romanische Wörter wie ital. "tabacco" = franz. "tabac" (Tabak) deuten ja auch nicht darauf hin, daß sich Italienisch und Französisch erst nach der Einführung des Tabaks voneinander getrennt hätten.

Lasse ich erstmal gelten, den Einwand.
 
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