Das Ablassgeschäft war tatsächlich rein finanziell gesehen ein bescheidenes Geschäft verglichen mit manch anderen Transaktionen der Fugger. Jedenfalls war der Deal keine Kirchenspaltung wert. Jakob Fugger hat wohl auch total unterschätzt, dass die Sache mit Albrecht zum Tropfen werden würde, der das Fass zum überlaufen bringen würde. Fugger selbst kaufte für sich und seine Frau Sibylle Ablassbriefe.
Albrecht von Brandenburg war ein potenter Kunde, einem solchen gibt eine Bank Kredit. Über Bargeld verfügte er zwar nicht, aber Albrecht war mit gerade mal 27 Jahren gegen kanonisches Recht Erzbischof von Mainz, Magdeburg und Administrator von Halberstadt geworden. Gegen kanonisches Recht, dass eine solche Ämterkummulation verbot, hatte Albrecht sich gegen weit verdientere Kleriker durchgesetzt und sich die reichste Pfründe im Heiligen Römischen Reich gesichert. Möglich gemacht hatte das Johannes Zink, Fuggers Cheflobbyist im Vatikan. Für die Ämterhäufung war eine Ausnahmegenehmigung nötig, außerdem musste Albrecht dafür Annatengelder nach Rom abführen. Insgesamt kostete der Deal Albrecht insgesamt 24.000 Dukaten in Gold, eine ungeheure Summe. Diese Summe hatte Albrecht natürlich nicht in bar, und die Fugger hatten das Geld gegen entsprechende Zinsen vorgestreckt. Insgesamt hatte Albrecht mit Zinsen mindestens 50.000 Fl aufzubringen. Rom und Mainz einigten sich darauf, dass über Ablässe das Geld wieder herein kommen sollte. Albrecht wurde zum Ablasskommissar für das Reich ernannt und von den einkommenden Ablässen sollte er die Hälfte behalten dürfen.
Diese Hintergründe waren Martin Luther nicht bekannt. Entgegen der Legende begann die Reformation nicht mit wuchtigen Hammerschlägen eines Revolutionärs, denn das war Luther nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Luther nicht 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche genagelt. Luther war zwar sehr von sich überzeugt, hatte aber anfangs noch großen Respekt vor Würdenträgern der Kirche. Er war ein Theologe, der in aller Bescheidenheit seine Kirche auf Missstände aufmerksam machen wollte. Die knallharten äußerst zynischen Transaktionen die mit Albrechts Wahl zusammenhingen waren Luther, man könnte fast sagen in seiner Einfalt überhaupt nicht bekannt. Mit etwas Entgegenkommen und Kulanz hätte man die Streitpunkte innerkirchlich regeln können, dass es nicht dazu kam, war nicht Luthers Schuld. Es zeigte sich dann in der Folge, dass sich die drängenden Fragen nicht länger unterdrücken ließen, und die Ereignisse um Albrechts Pontifikat wurden zum Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Das ließ sich aber zu Beginn nicht absehen. Es vorauszusehen hätte geradezu prophetische Qualitäten vorausgesetzt. Vom rein ökonomischen Standpunkt aus war die Kreditvergabe an Albrecht von Brandenburg keine Fehlinvestition das Geld kam retour und auf die Angst der Gläubigen konnte man sich verlassen. Dass das alles mit einer Kirchenspaltung und den Verwerfungen enden würde, die Reformation und Gegenreformation dann schließlich mit sich brachten, konnte kaum jemand 1517 absehen.