Oh, eine Verschwörungstheorie? :winke:
Lecker, mmmh
Noch dazu von einem Tirpitz.
Besorgnisse ob der japanischen Kriegserfolge bis Ende 1894 sind nachweislich zunächst in Großbritannien und in Rußland aufgekommen. ...und die Russen sahen sich spätestens seit der Jahreswende in ihren ureigensten Interessen berührt.
Einspruch, Euer Ehren. Statt von einer Gefahr würde ich von einer Perspektive für Großbritannien sprechen, sofern man den Konflikt gemäßigt abwickeln könnte:
Am 16. Juli 1894 wurde das weitreichende Handelsabkommen JP/GB (Aoki-Kimberley) unterzeichnet. Dabei hatte man aktuell mehr Handelsinteressen in China als alle anderen Mächte zusammen. Bereits am 28.
Juni 1894 wurde Japan von GB in Kenntnis gesetzt, dass chinesisch-russische Kontakte vorhanden seien, um das "Korea-Problem" - natürlich gegen Japan - zu lösen. JP wurde zur Mäßigung angehalten, bei einem Konflikt mit China würde Rußland allein profitieren ("in which russia will be the only gainer").
JP war sich hier höchst unsicher bezüglich der weiteren britischen Position; es wurde trotz des absichernden frischen Handelsvertrages befürchtet, GB schlage sich auf die chinesische Seite. Der japanische Botschafter in Tokio berichtet derweil, es sei ihm gelungen, GBs Furcht vor einer Südexpansion Rußlands in Korea zu steigern. Mit Ausbruch des Krieges signalisierte GB an Tokio die Neutralität, obwohl inzwischen ein britisches Schiff (Kowshing) versenkt wurde und GB Besorgnisse wegen einer Blockade seines Handelszentrums Shanghai hegte. JP gab entsprechende Garantien an London.
Das Pressegeschrei würde ich bei allen Interpretationen heraushalten, die diplomatischen Kanäle waren allein bedeutend.
Während der folgenden Monate gab es enge britisch-russische Kontakte, u.a. eine Besprechung am 21.8.1894, in der "collaboration" im diplomatischen Vorgehen zur Kriegsbeendigung abgesprochen wurde: "collective action" war angesagt, und Rosebery betonte am 25.1.1895 nochmals: "the importance of acting closely with russia is in any case supreme". Laufende schriftliche gegenseitige Unterrichtung in diesen Monaten versteht sich von selbst und erfolgte reibungslos. Die Koalition der Gegner in fernöstlichen Interessen (GB/RUS) war entstanden, während RUS seine Flottenpräsenz vor Japan/China durch Zuführungen aus der Schwarzmeerflotte verstärkte.
Zachmann berichtet, dass Japan erst am 4.4.1895, nachdem von mehreren Seiten Vermittlungsangebote gekommen waren, seine Friedensbedingungen offenlegte, und zwar gegenüber den 4 Mächten GB, F, R und USA (S. 60).
D wurde nicht informiert, aber seinerseits von R auf eine gemeinsame Intervention angesprochen.
Das ist höchst verworren:
Im Februar und März 1895 gab es laufende Kontakte von Mutsu und Khitrovo (Außenminister). Rußland agierte hier als Spitze der europäischen Mächte, mit den (vermutlich) größten berührten Interessen. Mutsu Zusammenfassung: Rußland werde vermutlich nicht eingreifen. In diesem zeitlichen Zusammenhang fällt die erste deutsche - unabgestimmte - Äußerung an die japanische Diplomatie, nämlich Vorschläge zur Friedensregelung, die von den "Mächten" gebilligt würden. Unabgestimmt deswegen, weil bereits zeitgleich Gespräche GB/RUS/F/D geführt wurden, um zu abgestimmten Handlungen zu kommen.
An alle Mächte richtete Japan seine Vorschläge am 6.4.1895 (zuvor an China modifiziert am 1.4.1895 - nur auf diese Vorabinformation bezieht sich offenbar Zaychmann, weil: ...). Die Einschleusung der japanischen Vorstellungen zum Kriegsende wurde geschickt vorgenommem. Der japanische Botschafter in London wurde angewiesen, die japanischen Forderungen unmittelbar am 6.4. an die Londoner Presse zu geben, um sie dadurch in die Zeitungen in Europa und in den USA zu bringen, als Geheimpapiere der Gespräche von Peking.
Der Ablauf ist plausibel: das britische Kabinett beriet nämlich erst am 8.4.1895, am gleichen Tag meldete sich RUS in London mit dem Vorschlag, dass man gegenhalten müsse! (insbes. bzgl. der japan. Forderungen zu Port Arthur). Direkt folgend - erst jetzt! - lehnte Kimberley trotz der diversen Vorkontakte eine Beteiligung an der Protestnote ab (das Kabinett hatte festgestellt, britische Interessen seien nicht berührt), während DEU und FRA zustimmten, der russischen Initiative beizutreten, allerdings nicht im scharfen Vorgehen, sondern als Empfehlung. FRA dürfte dabei direkt in den Sog der deutschen Zustimmung geraten sein, um die Verbindung zu RUS nicht zu gefährden.
Die Kontakte der überraschend geschrumpften Triple-Allianz wurden durch die Ereignisse überholt: Li erklärte die Annahme der japanischen Forderungen am 17.4.1895, worauf die 3 Mächte am 23.4.1895 jeweils getrennte - aber abgestimmte und inhaltlich gleichlautende - Noten in Tokio überreichten. Noch am 23.4. verhandelte das britische Kabinett die Lage: man entschied, sich vermittelnd zu verhalten. Diese Noten trafen aber JP völlig überraschend und in diplomatisch ungünstiger Lage (diverse Abwesenheiten!). Es wurde der Kaiserliche Rat einberufen, 24.4.1895, in dem drei Varianten besprochen wurden. Unmittelbare Folge: JPs Diplomatie schwärmte aus, um GB, USA und Italien auf ihre Seite zu ziehen. Kato fragte in London am 26.4.1895 an, und erhielt am 29.4. eine ablehnende Antwort auf Unterstützung. Die USA winkten ebenfalls ab, Italien hatte ohnehin sein Engagement von den USA und GB abhängig gemacht.
Noch am 29.4. tagte erneut der Kaiserliche Rat, in Kenntis der Zurückhaltung von GB. JP bot modifizierte Forderungen an.
Den genauen "Einstiegstermin" der deutschen Diplomatie in die europäischen Gespräche konnte ich nicht ermitteln, würde aber wegens des Ablaufs laufende Unterrichtung seitens RUS seit Ende 1894 vermuten.