Juden in Deutschland 1914

derralf

Mitglied
Hallo!

Ich benötige Informationen darüber wie viele jüdische Deutsche 1914 in Deutschland lebten und wie hoch der Anteil an der Gesamtbevölkerung war.
Kann mir da jemand weiterhelfen?
 
Es gab mal eine Abituraufgabe des Landes Sachsen-Anhalt (Leistungskurs Geschichte 2002), wo als Fußnote angegeben wurde, dass zwischen 1848 und 1914 78 000 Juden nach "Deutschland" einwanderten und der jüdische Bevölkerungsanteil in diesem Zeitraum bei 0,9 % gelegen habe.

http://www.lisa-halle.de/LISAe/VO/publikat/Geschichte 2002 Leistungskurs 13k.pdf

und aus Wikipedia:

"Der jüdische Statistiker und Demograph Franz Oppenheimer veröffentlichte 1922 seine umfangreiche Studie Die Judenstatistik des Preußischen Kriegsministeriums. Er wies nach, dass etwa 100.000 von den 550.000 deutschen Juden am Krieg teilgenommen hatten."

Judenzählung - Wikipedia
 
Ergänzend:
Nach den Forschungen von Esra Bennathan (1965), Gershom Scholem (1979) und Monika Richarz (1982) sank der jüdische Prozentsatz innerhalb der deutschen Bevölkerung zwischen 1875 und 1933 von 1,75 % auf 0,76 %, das heißt von über 600 000 auf rund 500 000 Menschen, ab. Fast 70 % dieser Juden lebten in Großstädten, während von der nichtjüdischen Bevölkerung Deutschlands im Jahre 1925 nur 25,4 % in Großstädten wohnten. Den höchsten Anteil an jüdischer Bevölkerung hatten dabei Berlin, Frankfurt und Breslau. Allein in Berlin lebten um 1925 etwa 31 % aller deutschen Juden.

Jost Hermand, Juden in der Kultur der Weimarer Republik, in: Walter Grab und Julius H. Schoeps, Juden in der Weimarer Republik, Darmstadt 1998
 
Ergänzend:
Nach den Forschungen von Esra Bennathan (1965), Gershom Scholem (1979) und Monika Richarz (1982) sank der jüdische Prozentsatz innerhalb der deutschen Bevölkerung zwischen 1875 und 1933 von 1,75 % auf 0,76 %, das heißt von über 600 000 auf rund 500 000 Menschen, ab.

Die Betrachtung möchte ich etwas ergänzen.

In der Reichsstatistik 1910/1914 werden "israelitische Glaubensbekenntnisse" bei den Eheschließungen aufgeführt.

Unterstellt, dass bei den Eheschließungen ungefähr eine gleiche Glaubens-Verteilung wie innerhalb der Gesamtbevölkerung besteht, sind sowohl bei den Männer- als auch bei den Frauenstatistiken ca. 0,7-0,9 % der Bevölkerung nach der Lesart 1914 israelitischen Glaubens, von 1910 nach 1914 mit den genannten Quoten sinkend.

Die Bevölkerung 1914:
Reichsgebiet: 67.790.000
deutsches Zollgebiet: 68.039.000
Volkszählung 1910: 64.925.993

Die Zählung 1925 weist mit Gebietsstand 1925 des Deutschen Reiches 404.446 Personen aus. Die Quote für "Israeliten" wird für 1910 und 1925 trotz der Gebietsverschiebungen mit 1,05 bzw. 1,06 % der Gesamtbevölkerung angegeben (Bevölkerungsstatistik, nicht Eheschließungsstatistik).
 
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Meine Frage wäre, ob die Juden in Deutschland überhaupt
für europäische Verhältnisse (also verglichen mit Frankreich/England oder Russland u.s.w.) einen grossen Anteil an der jeweiligen Gesantbevölkerung hatten? Was die Abneigung gegenüber Juden betraf, so war es jedenfalls kein typisch deutsches Phänomen, ich würde sogar sagen, dass der Antisemitismus in Russland und anderen Staaten (Frankreich!) leider mindestens (!) genauso gross war.
 
Meine Frage wäre, ob die Juden in Deutschland überhaupt für europäische Verhältnisse (also verglichen mit Frankreich/England oder Russland u.s.w.) einen grossen Anteil an der jeweiligen Gesantbevölkerung hatten?

Vergleiche des Antisemitismus zwischen verschiedenen Ländern halte ich eigentlich für unpassend, wozu soll das dienen?

Wenn die Frage aber darauf gerichtet ist, wie die deutsche Bevölkerung ihre jüdischen Mitbürger überhaupt wahrgenommen hat: dazu läßt sich zumindest die oben genannte Statistik etwas ausdehnen. Verfügbar sind nämlich auch für 1925 (1914 dürfte ähnlich sein, strukturell bezogen auf die nach dem Weltkrieg verbleibenden deutschen Gebiete) die Verteilung auf die Länder im Reich.

Ein Großteil der gesamten deutschen Bevölkerung jüdischen Glaubens wohnte im Großraum Berlin, ein überpropotionaler Anteil bestand daneben in Hessen-Nassau (Schwerpunkt wahrscheinlich Rhein-Mein-Gebiet, Frankfurt). Wenn oben eine Quote im Reich von durchschnittlich 0,1% angegeben ist, muss man feststellen, dass in allen anderen Reichsgebieten diese Quote sogar noch erheblich unterschritten worden ist, also zT also weit unter 0,1% lag.
 
In einer Rezension aus der FAZ von 2002 findet sich folgender Hinweis:

Angeblich um den Vorwürfen jüdischer "Drückebergerei" begegnen zu können, ordnete das Kriegsministerium im Herbst 1916 eine Feststellung der Konfessionszugehörigkeit aller Soldaten an. Auf jüdischer Seite gab es einen Aufschrei, so daß das Ergebnis nicht veröffentlicht wurde, obwohl die Zählung den Nachweis erbrachte, daß die jüdische Bevölkerung in etwa den auf sie entfallenden Anteil von Kriegsteilnehmern stellte und auch hohe Menschenopfer brachte: Von den 550 000 reichsdeutschen Juden dienten im Krieg rund 100 000 Mann (davon 80 000 an der Front), mindestens 12 000 sind gefallen.

Besprochen wird das Buch "Jüdische Intellektuelle im Ersten Weltkrieg" von Ulrich Sieg. Leider habe ich das im Augenblick nicht zur Hand, um genaueres nachzuschlagen. Es ist die Habilitationsschrift Siegs, sie wurde vom Verband der Historikerinnen und Historiker Deutschlandsg mit dem Preis für hervorragende Leistungen des wissenschaftlichen Nachwuchses ausgezeichnet.

Hier hab' ich auch noch ein paar Zahlen gefunden:

http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/519_Auslaend%20Juden_100.pdf
 
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Angeblich um den Vorwürfen jüdischer "Drückebergerei" begegnen zu können, ordnete das Kriegsministerium im Herbst 1916 eine Feststellung der Konfessionszugehörigkeit aller Soldaten an. Auf jüdischer Seite gab es einen Aufschrei, so daß das Ergebnis nicht veröffentlicht wurde, obwohl die Zählung den Nachweis erbrachte, daß die jüdische Bevölkerung in etwa den auf sie entfallenden Anteil von Kriegsteilnehmern stellte und auch hohe Menschenopfer brachte: Von den 550 000 reichsdeutschen Juden dienten im Krieg rund 100 000 Mann (davon 80 000 an der Front), mindestens 12 000 sind gefallen.

Folgender Artikel passt zum Thema:

Grausame Täuschung - einestages
 
Wenn ich mich recht entsinne war der Grund dafür, dass die Judenzählung nicht veröffentlicht wurde folgender:
Man war von der "Drückebergerei" der Deutschen jüdischen Glaubens ausgegangen. Tatsächlich aber waren jüdische Soldaten relativ überrepräsentiert in der deutschen Armee zur Zeit der Zählung (1916). Deshalb wurde die Erhebung nicht veröffentlicht!!!
 
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