Justinian der Große maßlos überschätzt?

Ich habe jetzt die neue Biographie von Mischa Meier (Justinian - Herrschaft, Reich und Religion, Verlag C.H.Beck München 2004, ISBN 3406508324) gelesen und muß sagen, daß sie meine Erwartungen überraschenderweise mehr als erfüllte.
Auf knapp 120 Seiten gelingt es Meier tatsächlich, Justinian ausführlich zu beschreiben.

Am interessantesten fand ich seine Sicht des Nika-Aufstands 532:
Ihm zufolge soll Justinian diesen Aufstand selbst provoziert haben (!), um zu sehen, wer wirklich auf seiner Seite steht. Er schickte den Neffen Kaiser Anastasios' (+ 518), Hypatios, gegen dessen eigenen Willen (!) zum aufständischen Volk, wohlwissend, daß dieses ihn als Gegenkaiser ausrufen würde (was es dann auch tat). Nun liefen manche Senatoren zum neuen Kaiser über, was Justinian geplant hatte. Justinian wußte, daß das Volk Hypatios im Hippodrom öffentlich zum neuen Kaiser machen würde, nachdem er die falsche Nachricht von seiner eigenen Flucht verbeiten ließ; daher ließ er, als er sich der Verräter in den eigenen Reihen, die sich um Hypatios scharrten, gewiss war, seinen Feldherrn Belisar in das Hippodrom eindringen. Im folgenden Gemetzel fanden zwischen 30.000 und 35.000 Menschen den Tod. Justinian konnte alles vom Palast aus, der sich ja neben dem Hippodrom befand, genüßlich verfolgen. Hypatios wurde später hingerichtet, viele Senatoren mußten ins Exil fliehen.
Sollte Meier recht haben, so wird Justinians Verschlagenheit deutlich, der den Aufstand und die damit verbundene Verwüstung in der Stadt einkalkuliert hatte; diese Zerstörung machte ihm Platz für seine Bauvorhaben, allen voran die Hagia Sophia.
Justinian nahm summa summarum also den Tod von über 30.000 Menschen hin, um einige verräterische Senatoren ausfindig zu machen, um den vermeintlichen Kontrahenten Hypatios hinrichten lassen zu können (obwohl dieser eigentlich nie Kaiser werden wollte), und um seine Baulust zu befriedigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Über Byzanz kann ich mich nur auf Norwich berufen, da dessen Werke über Byzanz günstig auf einem Flohmarkt erworben nun mal das einzige sind was ich dazu gelesen habe:

Die dazu kommenden Pestwellen ließen Großteile des Bevölkerung verarmen.

Man unterschätzt meiner Meinung nach die Auswirkungen dieser Epedemie, das Oströmische Reich wurde durch diese Seuche enorm geschwächt, viele der hier genannten Punkte wie die Schwächung der Wirtschaft, die Schwäche des Militärs usw kann man direkt darauf zurück verfolgen. Dafür das diese Pest den oströmischen Staat derart geschwächt hat kann aber Justinian selber nichts, und dass dann in der Folge dem stark geschwächten Staat die Erfolge wieder aus den Finger glitten kann man auch als Folge dieser Epedemie sehen.

Hat ein solcher Kaiser den Beinamen der Große verdient?

Womit hat überhaupt ein Herrscher den Namen der Große verdient?? Nehmen wir nur mal Alexander: er hat zehntausendfach den Tod gebracht, Länder und Kulturen vernichtet, Reiche gestürzt und Städte wie Tyros vernichtet, er hat tausende und aber tausende Menschen sinnlos und ohne moralisch und ethisch vertretbaren Grund getötet. Hat der den Namen der Große für die Zerstörung des Weltwunders Persepolis verdient??

Also wie erhält man den Beinamen der Große? Meiner Meinung nach dadurch, daß man etwas vollbringt, was den Zeitgenossen! als Groß, als Überwältigend, Neu und Gewaltig erscheint, die teilweise Rückeroberung des Westens, die Hagia Sophia und die Gesetzeswerke waren ja alles gewaltige und das Maß ihrer Zeit!! sprengende Dinge, daher ist der Namen der Große durchaus angebracht.

Darüber hinaus wurde er ja im Kontext mit Justinian nur wenig verwendet.

Eben wegen seinem Hang zu sinnlosen religiösen Fragen

Wenn man wirklich an Gott glaubt, und wenn man wirklich tief christlich ist und darüber hinaus die Religion die absolute Grundlage der gesamten Staatkonstruktion und des Staates ist und selbst das Kaiseramt religiös begründet in selbiger als Stellvertreter Gottes auf Erden einen primären Platz hat, dann ist keine religiöse Frage für die Staatsführung sinnlos. Die Religion war für Byzanz DAS Thema, auch in der Politik, wie sollte sich ein Kaiser, dessen ganzes Amt und Selbstverständnis sich aus der Religion ableitet nicht mit solchen Fragen befassen?

Man muss doch ganz objektiv fragen: was hat Justinian letztendlich erreicht?

Er hat die Hagia Sophia bauen lassen. Allein DAS reicht für sich allein ! (wer schon mal drin war wird mich verstehen)
 
Es deutet ja viel darauf hin, daß Justinian als Heiliger verehrt wurde.
So soll sein Leichnam, als 1204 die Kreuzfahrer sein Grab öffneten, noch gar nicht verwest sein.

Zusammen mit Konstantin und Theodosius gehört er zu den drei Großen spätantiken Kaisern.
 
Wenn er als Heiliger verehrt wurde, dann mit Sicherheit nicht zu Lebzeiten. Da war er nämlich ziemlich unbeliebt. Das sieht man ja schon am Nika-Auftsand. Dass 1204 sein Leichnahm noch nicht verwest sein sollte... na ja, das wird man jetzt wohl nicht als Argument heranziehen können, dass er zuunrecht unterschätzt wurde, oder?

Du hast Leon I. (Reg. 457-474) vergessen, der wurde ebenfalls "Der Große" genannt und zwar wegen seiner Gläubigkeit. Und das, obwohl so ziemlich jeder römisch-byzantinische Kaiser gläubig war. Leon hat diesen Titel ebensowenig verdient wie Justinian, u. a. da sein Vandalenfeldzug 468 scheiterte.

zu Quintus: Justinin wurde garantiert nicht zu Lebzeiten "Der Große" genannt, egal ob er die Hagia Sophia renovierte. Gebaut hat sie nämlich Konstantin der Große, doch war sie beim Nika-Aufstand zerstört worden. Deiner Meinung nach hat also ein Herrscher diesen Beinamen verdient, wenn er was erreicht hat, was für seine Zeitgenossen grandios war. Nun, seine Zeitgenossen mochten ihn allerdings nicht, fanden sein Werk nicht allzu grandios und nannten ihn nicht "Der Große". Selbst heute wird dieser Beiname relativ selten für ihn verwendet.
 
Imperator schrieb:
Wenn er als Heiliger verehrt wurde, dann mit Sicherheit nicht zu Lebzeiten. Da war er nämlich ziemlich unbeliebt. Das sieht man ja schon am Nika-Auftsand. Dass 1204 sein Leichnahm noch nicht verwest sein sollte... na ja, das wird man jetzt wohl nicht als Argument heranziehen können, dass er zuunrecht unterschätzt wurde, oder?

Du hast Leon I. (Reg. 457-474) vergessen, der wurde ebenfalls "Der Große" genannt und zwar wegen seiner Gläubigkeit. Und das, obwohl so ziemlich jeder römisch-byzantinische Kaiser gläubig war. Leon hat diesen Titel ebensowenig verdient wie Justinian, u. a. da sein Vandalenfeldzug 468 scheiterte.

zu Quintus: Justinin wurde garantiert nicht zu Lebzeiten "Der Große" genannt, egal ob er die Hagia Sophia renovierte. Gebaut hat sie nämlich Konstantin der Große, doch war sie beim Nika-Aufstand zerstört worden. Deiner Meinung nach hat also ein Herrscher diesen Beinamen verdient, wenn er was erreicht hat, was für seine Zeitgenossen grandios war. Nun, seine Zeitgenossen mochten ihn allerdings nicht, fanden sein Werk nicht allzu grandios und nannten ihn nicht "Der Große". Selbst heute wird dieser Beiname relativ selten für ihn verwendet.

Sicher, das mit der Unverweslichkeit seines Leichnams war wohl symbolisch gemeint. Doch deutet laut Mischa Meier viel darauf hin, daß Justinian (nach seinem Tod) als Heiliger verehrt wurde, wenn auch nie so sehr wie Konstantin.
Leon der Große hört man wirklich selten für Leon I., stimmt.
Kaum ein Herrscher wurde zu Lebzeiten der Große genannt. Ludwig XIV. etwa nannte sich selber so, z.B. auf Münzen: LVDOVICVS MAGNVS FRANCORVM REX. Doch Ludwig der Große hat sich bis heute kaum außerhalb Frankreichs durchgesetzt.
 
Imperator schrieb:
Justininian wurde garantiert nicht zu Lebzeiten "Der Große" genannt, egal ob er die Hagia Sophia renovierte. Gebaut hat sie nämlich Konstantin der Große, doch war sie beim Nika-Aufstand zerstört worden.



"Hagia Sophia, Ayasofya. Die erste Kirche wurde von 325 bis 360 unter Konstantin II. errichtet, auch wenn möglicherweise schon dessen Vater Konstantin I. die Fundamente legen lies.Nachdem sie 404 durch einem Brand zerstört worden war, liess sie Theodosius II. wiederaufbauen und neu einweihen., aber schon 532 fiel sie, waehrend des Nika-Aufstandes, erneut dem Brande zum Opfer. Dies geschah in den ersten Jahren der Regierung Justinians, und der Kaiser,der , von Gott erwaehlt, der strengste Verfechter der christlichen Orthodoxie war, hatte sich zum Ziel gesetzt, das grösste Gotteshaus der Christenheit zu bauen. Kaum 32 Tage nach der Zerstörung der Kirche begann man schon mit den Arbeiten: man berichtet, dir Form der Kirche habe sich Justinian im Traum erhüllt. Am 27. Dezember 537 wurde die Hagia Sophia feierlich vom Kaiser eingeweiht. Man erzaehlt sich, dass Justinian, als er vor der Kirche angelangt war, die Arme zum Himmel erhob und ausrief: ''Gepriesen sei Gott, der mich dazu auserkoren hat, ein so grosses Werk zu Ende führen. Oh Salomon, ich habe dich übertroffen!'' Tatsaechlich schien die Hagia Sophia Salomons Tempel in Ausmassen, Schönheit und Reichtum zu übertreffen."

http://www.aysen.net/ayasofya.htm

Der von dem Kunstförderer Justinian wiederbelebte Formenkanon i.d. Architektur hat das Erscheinungsbild der romanischen Bauwerke des Abendlandes entscheidend geprägt ,das sollte bei einer Würdigung seines Wirkens herreingenommen werden ;

"Die gut bekannten und meist kunstvollen Beispiele dieser Art sind die, vom byzantinischen Kaiser Justinian erbaute, San Vitale (526-548) bei Ravenna und die achteckige Palastkapelle, die zwischen 792 und 805 von Karl dem Großen in Aix-la-Chapelle (jetzt Aachen, Deutschland) gebaut wurde. Sie wurden direkt von San Vitale inspiriert. Eines der Schaffungen karolingischer Architekten war das Westwerk, eine mehrstöckige Eingangsfassade, die durch Glockentürme flankiert wurde und an der christliche Basiliken befestigt wurden. Westwerke waren die Prototypen der großen romanischen und gotischen Kathedralen Fassaden."
 
Die Digesten bzw. Pandekten Justinians I. sind bis heute das Fundament der zivilen Rechtsordnung der Welt! Diese Sammlung der Schriften römischer Juristen, die Justinian beauftragte, war sozusagen der erste Codex Iuris Civile - und alle folgenden bauten darauf auf.
Justinian rettete dadurch Genie und Eloquenz römischer Jurisprudenz in die Neuzeit, eine Leistung die gar nicht genug gewürdigt werden kann. Dieser Herrscher trägt zu Recht den Beinahmen "der Große".
 
Arcimboldo schrieb:
Hagia Sophia, Ayasofya. Die erste Kirche wurde von 325 bis 360 unter Konstantin II. errichtet, auch wenn möglicherweise schon dessen Vater Konstantin I. die Fundamente legen lies.
Kann nicht stimmen: Constantin II. regierte nur von 337-340, Constantin I. der Große von 306-337, insofern denke ich eher, daß die Kirche von Constantin dem Großen 325 begonnen und nach seinem Tod von seinem Sohn Constantius II. (337-361) vollendet wurde.

Rovere schrieb:
Justinian rettete dadurch Genie und Eloquenz römischer Jurisprudenz in die Neuzeit, eine Leistung die gar nicht genug gewürdigt werden kann. Dieser Herrscher trägt zu Recht den Beinahmen "der Große".
Voll meine Meinung.

Imperator schrieb:
Du hast Leon I. (Reg. 457-474) vergessen, der wurde ebenfalls "Der Große" genannt und zwar wegen seiner Gläubigkeit. Und das, obwohl so ziemlich jeder römisch-byzantinische Kaiser gläubig war. Leon hat diesen Titel ebensowenig verdient wie Justinian, u. a. da sein Vandalenfeldzug 468 scheiterte.
Na ja, Leon I. war viel unbedeutender als Iustinian I.; wenn dann würde ich nur ihm den Beinamen "der Große" absprechen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Konradin schrieb:
In jüngster Zeit bekommt das einstmals so strahlende Bild vom göttlichen Kaiser Risse.
Zwar war es er, der als letzter das Römische Reich noch einmal größtenteils vereinigte, doch überwiegt heute ein anderes Bild: durch seine Restaurationspolitik gelang es ihm zwar bis 555, Italien wieder zu gewinnen, doch wurde die finanzielle Kraft dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Die dazu kommenden Pestwellen ließen Großteile des Bevölkerung verarmen. 542 schaffte er das Amt des Konsuls ab; damit war der letzte Rest der Römischen Republik beseitigt.

"Das innenpolitisch markanteste Ereignis seiner Regierungszeit ist der Nika-Aufstand in Konstantinopel, bei dem die Zirkusparteien der Blauen und Grünen sich, verärgert durch Justinians Bestrebungen, ihre Macht einzuschränken, zusammenschlossen und einen Gegenkaiser ausriefen. Während Justinian die Lage als verloren ansah, weigerte sich Justinians Frau, die Kaiserin Theodora, eine ehemalige Zirkusartistin, aus der Hauptstadt zu fliehen. Durch Verhandlungen des Hofkämmerers Narses mit den Aufständischen und durch Belisars Einfall mit kaisertreuen Truppen ins Hippodrom, wo sich die Aufständischen versammelt hatten, konnte der Aufstand niedergeschlagen werden." (Wikipedia).

Gerade seiner Frau, Theodora, wird oftmals ein schlechter Einfluß auf den Kaiser bescheinigt: "Sie übte eine bedeutende Gewalt über den Kaiser aus und gab vielfache Beweise von Klugheit und Mut, aber auch von Hochmut, Herrschsucht und rachsüchtiger Grausamkeit." (Meyers Konversations-Lexikon).

Justinian und Theodora werden von der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt, obwohl man ihr ein sittenloses Leben verwirft: "Prokopios hat in der Geheimgeschichte (Anecdota) ein abschreckendes Bild ihrer Sittenlosigkeit gegeben, welches die neuere Kritik aber als ein sehr übertriebenes erkannt hat." (Meyers Konversations-Lexikon).

"Die Regierungszeit Justinians stellt eine Phase des Übergangs der Alten Welt zum Mittelalter dar; seine Restaurationspolitik erweckte zudem ein letztes Mal den Traum des Imperium Romanum zum Leben. Ein Friedensfürst war er allerdings nicht, zumal seine Regierungszeit für die Bevölkerung mit schweren Lasten verbunden und von einer eher intoleranten Religionspolitik geprägt war." (Wikipedia).

Seine Regierungszeit war von Kriegen überschattet, seine Eroberungen kurzlebig (bereits 568 begannen die Langobarden, Italien zurück zu erobern) und sein Regierungsstil autokratisch.
Hat ein solcher Kaiser den Beinamen der Große verdient?
Es grenzt schon fast an ein Wunder, daß Justinian seine späten Erfolge (in den 550ern) noch miterleben durfte (zu diesem Zeitpunkt hatte der Kaiser bereits das 70. Lebensjahr überschritten).
Schließlich starb er mit 83 oder 84 Jahren am 14. November 565.

Zeittafel
481/482 Geburt Justinians.
1.8.527 Justinian übernimmt die Alleinherrschaft über Ostrom.
528-534 Entstehung des später sogenannten Corpus Iuris Civilis.
529/530 Aufstand der Samaritaner in Palästina.
531/532 Abschluß des Ewigen Friedens mit Chosrau I. von Persien.
532 Nika-Aufstand, Religionsgespräche zwischen den Chalkedoniern und Monophysiten in Konstantinopel.
533/534 Eroberung des Reiches der Vandalen.
535-540 Erster Krieg gegen die Ostgoten.
536 Verfolgung von Monophysiten.
536/537 Mehrmonatige Sonnen- und Mondverfinsterung mit unbekanntem Auslöser (evtl. Vulkanausbruch) im gesamten Mittelmeerraum. Klimaveränderungen und Ernteausfällen sind die Folge.
537 Vollendung der Hagia Sophia.
539/540 Bulgareneinfall in Griechenland mit schweren Verwüstungen.
540 Einfall der Perser in das römische Gebiet mit der Zerstörung Antiocheias.
540-562 Krieg gegen die Perser.
541/542 Pest im ganzen Reich, Hungersnöte in den folgenden Jahren.
541/552 Zweiter Krieg gegen die Ostgoten.
548 Tod Kaiserin Theodoras.
549 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian.
551 Schwere Erdbeben erschüttern Mittelgriechenland und den östlichen Mittelmeerraum.
552 Narses besiegt die Ostgoten bei den Busta Gallorum und am Mons Lactarius
552 Eroberung von Gebieten im westgotischen Spanien.
553 Verurteilung der Drei Kapitel im zweiten Konzil von Konstantinopel.
557 Schweres Erdbeben in Konstantinopel, Kuppel der Hagia Sophia stürzt ein.
558 Die Pest wütet ein zweites Mal in Konstantinopel.
559 Belisar schlägt einen Bulgareneinfall vor den Toren Konstantinopels zurück.
562 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian, Neueinweihung der Hagia Sophia.
14.11.565 Tod Justinians.

Ich glaube schon das Justinian zumindesten in vielen Dingen politisch klug war. Aber die damalige Zeit wo er lebte war politisch ziemlich instabil die einzigsten Reiche im Orient und Europa die eine gewisse politische Stabilität hatte war eben Byzanz und die Sassaniden. Die Germanenreiche waren total instabil und die meisten von ihnen zerfielen in wenigen Jahrzehnten ich denke auch für einen klugen politischen Kopf war das damals ziemloich unübersichtlich.
 
Er hat die Hagia Sophia bauen lassen. Allein DAS reicht für sich allein ! (wer schon mal drin war wird mich verstehen)

Ich war drin - durchaus überwältigend. Aber Bauwerke sind m. E. kein Kriterium, um einem Herrscher den Beinamen "der Große" zu verpassen. Justinian hat den Auftrag gegeben, weil er davon überzeugt war, damit Gottes Willen zu erfüllen. Wenn jemand wirklich Lob verdient für die Hagia Sophia, sind es die Architekten Anthemius von Tralles und Isidoros (der Ältere und der Jüngere).
 
In jüngster Zeit bekommt das einstmals so strahlende Bild vom göttlichen Kaiser Risse.
Zwar war es er, der als letzter das Römische Reich noch einmal größtenteils vereinigte, doch überwiegt heute ein anderes Bild: durch seine Restaurationspolitik gelang es ihm zwar bis 555, Italien wieder zu gewinnen, doch wurde die finanzielle Kraft dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Die dazu kommenden Pestwellen ließen Großteile des Bevölkerung verarmen. 542 schaffte er das Amt des Konsuls ab; damit war der letzte Rest der Römischen Republik beseitigt.

Ob er den Beinamen "der Grosse" verdient hat, ob dieser Beiname überhaupt sinnvoll ist, vermag ich nicht zu sagen.
Aber Justinian war realpolitisch gesehen sicher ein starker Herrscher. Die moralische oder menschliche Bewertung ist wieder eine andere Sache.

Justinian hat seinen Staat stark gemacht, wobei er natürlich von den damaligen politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängig war.
Dass er Italien nicht ganz zurückerobern konnte, ist sicher nicht seine Schuld. Im Bereich der Verwaltung und des Rechts hat er wichtige Reformen durchgeführt. Immerhin konnte er so mit dem restrukturierten Staat auch direkte Angriffe auf oströmische Gebiete auf dem Balkan abwehren und sein Reich im Gegensatz zum Westreich bewahren!
 
Ich war drin - durchaus überwältigend. Aber Bauwerke sind m. E. kein Kriterium, um einem Herrscher den Beinamen "der Große" zu verpassen. Justinian hat den Auftrag gegeben, weil er davon überzeugt war, damit Gottes Willen zu erfüllen. Wenn jemand wirklich Lob verdient für die Hagia Sophia, sind es die Architekten Anthemius von Tralles und Isidoros (der Ältere und der Jüngere).
Und die armen Bauarbeiter, würde Bertolt Brecht sagen... ;)
 
Ich habe jetzt die neue Biographie von Mischa Meier (Justinian - Herrschaft, Reich und Religion, Verlag C.H.Beck München 2004, ISBN 3406508324) gelesen und muß sagen, daß sie meine Erwartungen überraschenderweise mehr als erfüllte.
Auf knapp 120 Seiten gelingt es Meier tatsächlich, Justinian ausführlich zu beschreiben.

Am interessantesten fand ich seine Sicht des Nika-Aufstands 532:
Ihm zufolge soll Justinian diesen Aufstand selbst provoziert haben (!), um zu sehen, wer wirklich auf seiner Seite steht. Er schickte den Neffen Kaiser Anastasios' (+ 518), Hypatios, gegen dessen eigenen Willen (!) zum aufständischen Volk, wohlwissend, daß dieses ihn als Gegenkaiser ausrufen würde (was es dann auch tat). Nun liefen manche Senatoren zum neuen Kaiser über, was Justinian geplant hatte. Justinian wußte, daß das Volk Hypatios im Hippodrom öffentlich zum neuen Kaiser machen würde, nachdem er die falsche Nachricht von seiner eigenen Flucht verbeiten ließ; daher ließ er, als er sich der Verräter in den eigenen Reihen, die sich um Hypatios scharrten, gewiss war, seinen Feldherrn Belisar in das Hippodrom eindringen.
(...)
Sollte Meier recht haben, so wird Justinians Verschlagenheit deutlich, der den Aufstand und die damit verbundene Verwüstung in der Stadt einkalkuliert hatte; diese Zerstörung machte ihm Platz für seine Bauvorhaben, allen voran die Hagia Sophia.
(...)
Diese Debatte wird auch in Wikipedia erörtert. Ich weiss nicht, in wie weit die hier Anwesenden sich auch an Wikipedia beteiligen. Im Vergleich zu einigen anderen W.-Artikeln ist der über den Nika-Aufstand sehr gut.

Ich persönlich glaube nicht, dass Justinian das alles eingefädelt hat. Das wäre in so einem grossen Aufstand kaum zu steuern. So gut wie bewiesen ist aber, dass Narses die (Zirkus-)Partei der Blauen bestochen und somit die Gegner des Kaisers gespalten hat.
Justinian hat aber vielleicht durch eine angetäuschte Abfahrt (Flucht) versucht, herauszufinden, wer für ihn ist und wer gegen ihn. Dies muss aber nicht bedeuten, dass Hypatios bewusst als Köder eingesetzt wurde.
Justinian war sowieso nach anfänglichen Rückschlägen zu diesem Zeitpunkt in der Lage, seine Gegner militärisch zu besiegen, weil Belisar mit seinen Truppen inzwischen zurückgekehrt war.

Eine andere Verschwörungstheorie aus der Regierungszeit Justinians richtet sich gegen Narses. Sie unterstellt ihm, den Einfall der Langobarden im gerade von Byzanz zurückeroberten Italien evoziert zu haben, um sich für vorherige Zurücksetzungen durch das Kaiserhaus zu rächen.
 
Da bin ich mir nicht so sicher. Die ganzen Naturkatastrophen und der Perserkrieg waren ziemlich ressourcenfressend.
 
Mit einer klareren und im Bezug auf die Bewohner behutsameren Strategie hätte er das trotzdem wohl auf Dauer geschaft.

Da bin ich mir nicht so sicher. Die ganzen Naturkatastrophen und der Perserkrieg waren ziemlich ressourcenfressend.

Und dabei beißt sich die Katze in den Schwanz, wie man so schön sagt. Genau das alles kostete Geld und bekanntermaßen war Justinian zudem geizig. Die Einsparungen im Postwesen z. B. führten dazu, das es zu einer Schneckenpost wurde.
Um Geld wieder in die Kasse zu bekommen, führte Belisar bei seinem ersten Feldzug Steuereintreiber im Schlepptau mit sich. Zumindest das letzte Kriegsjahr (539) war ein extremes Hungerjahr. Und in diesem bereits ausgesaugten Land versuchte Justinian Steuern zu kassieren. Den nächsten Feldzug von Belisar gegen Totila ersparte sich Justinian zu finanzieren. Belisar bezahlte ihn aus eigener Tasche. Dass in Byzanz die Staatskasse nicht mehr so wohl gefüllt war, lag auch daran, dass Justinians bester Steuereintreiber, Johannes von Kappadokien, nicht mehr im Amt war. Ein gewisses Budget muss dennoch vorhanden gewesen sein, denn Narses wurde bei seinem Feldzug durchaus mit allem ausgestattet, was er brauchte. Späte Einsicht, dass es nicht funktionierte, mit minimalstem finanziellen Aufwand das Land von den Ostgoten zurückzuerobern.
 
Ein gewisses Budget muss dennoch vorhanden gewesen sein, denn Narses wurde bei seinem Feldzug durchaus mit allem ausgestattet, was er brauchte. Späte Einsicht, dass es nicht funktionierte, mit minimalstem finanziellen Aufwand das Land von den Ostgoten zurückzuerobern.


Es war nicht nur ein "ein gewisses Budget" vorhanden, sondern eine gewaltige Kriegskasse, denn die territoriale Expansion verschlang enorme Mittel. Immerhin gewann Justinian - wenn auch nur kurzfristig - Italien, Südspanien und Nordafrika/Karthago dem Reich zurück.

Allerdings mit der Folge, dass diese Kraftanstrengung die oströmischen Ressourcen hoffnungslos überforderte und Justinian seinem Nachfolger einen erschöpften Staat hinterließ. Die geschwächte Finanzkraft bedingte in der Folge fundamentale Veränderungen des außenpolitischen, militärischen und administrativen Systems.
 
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