Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Respekt El Quijote, das gibt es genau wieder, so schön hätte ich es gern gesagt.Tacitus hat dem Leser die Schlußfolgerungen überlassen, hat nur Stichpunkte gesetzt
 
Einige hatten sich daran gestoßen, dass der Anteil des Trosses im Gesamtbestand der Funde am Fundort Kalkriese zu hoch sei.

Das ist für mich vollkommen plausibel: Der Tross blieb auf dem einzigen gangbaren Weg. Die kämpfenden Einheiten versuchten, an der Spitze und an den Flanken, den Gegner auf Abstand zu halten.

Als das nicht gelingt, ein Weiterkommen nicht absehbar ist, Errichtung eines zweiten oder dritten Lagers, zur Nacht, bei langsamem Zurückdrängen der kämpfenden Einheiten. Am nächsten Morgen letzter Ausbruch der verbliebenen Legionäre, nachdem in der Nacht schon kleinere Gruppen sich abgesetzt haben.

Langer Rede kurzer Sinn: Ein Verbrennen oder Aufgeben des Trosses gibt keinen Sinn, der Tross steckt fest, ist nah am Sumpf, und am weitesten entfernt von den angreifenden Germanen.

Dies jetzt nicht als Theorie, sondern nur als mögliche Antwort.
Die Topographie ist entscheidend: Falscher Ort, falsche Zeit, wie das Kamener Kreuz bei Stau.

An diesem Ort ist ein Sieg der angreifenden Germanen auch in Unterzahl möglich, eine sinnvolle Aufstellung der römischen Truppen zur Verteidigung eher nicht.
Die Angreifer haben freie Wahl und punktuelle Überlegenheit.
 
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Einige hatten sich daran gestoßen, dass der Anteil des Trosses im Gesamtbestand der Funde am Fundort Kalkriese zu hoch sei.
Ich glaube es ging mehr darum, dass
-Kalkriese als letztes Gefecht der mehrtägigen Varusschlacht gedeutet wird,
-während laut Dio die der Tross schon am zweiten Tag der Schlacht aufgeheben wurde, bevor die schwersten Gefechte überhaupt einsetzten.

Entweder war Kalkriese nicht der letzte Tag der Varusschlacht, oder Dio irrt.

21. (1) Daher schlugen sie dort ihr Lager auf, wo sie einen geeigneten Platz fanden, soweit dies in dem Waldgebirge überhaupt möglich war; nachdem sie dann zahlreiche Wagen und sonstige Gegenstände, die nicht unbedingt erforderlich waren, verbrannt oder zurückgelassen hatten, zogen sie am anderen Morgen in etwas besserer Ordnung weiter, so daß sie sogar offenes Gelände erreichen konnten; freilich erlitten sie auch bei ihrem Abzug Verluste.
Man kann die Befunde von Kalkriese(Tross + Marschlager ) in Einklang mit Dio bringen:

Dann müsste Kalkriese das von Dio genannte Marschlager mit Trossaufgabe sein.

Wilde Theorie meinerseits. Es passt in meinen Laien-Augen sehr gut zusammen.
 
Ich glaube es ging mehr darum, dass
-Kalkriese als letztes Gefecht der mehrtägigen Varusschlacht gedeutet wird,
-während laut Dio die der Tross schon am zweiten Tag der Schlacht aufgeheben wurde, bevor die schwersten Gefechte überhaupt einsetzten.

Entweder war Kalkriese nicht der letzte Tag der Varusschlacht, oder Dio irrt.

Das ist ein Irrtum, den wir hier im Thread schon mehrfach aufgeklärt haben: Der Text lautet: "Danach verbrannten sie die meisten Wagen (πλείους ἁμάξας) und ließen anderes, das sie nicht besonders benötigten, zurück". Es ist also nicht die Rede davon, dass der ganze Tross verbrannt wurde. Die Angabe ist ungenau, man könnte unterstellen, dass nur 55 % der Wagen verbrannt wurden und 45 % derselben weiter mitgeführt worden seien, dann wäre die Angabe theoretisch erfüllt. Wenn, dann müsstest du anders argumentieren, nämlich über die mitgeführten Luxusgüter.
 
Na und? Da gibt's kein großartiges Zurücklassen. Mausefalle ist Mausefalle, es gab kein Entkommen nach vorne, und auch nicht zur Seite. Die Reitereinheiten die es versuchten kamen nicht weit.

Wer überlebte, tat dies vielleicht vereinzelt durch Gnade, sonst durch reinen Zufall.

Die Überlegenheit römischer Legionäre lag im Kampf im Verband, im gegenseitigen Schutz. Trotz besserer Geschicklichkeit und körperlicher Fitness kann im Kampf ein vereinzelner Legionär mehreren Angreifern mit Lanzen oder Speeren nicht entkommen.

Aber es gab ja Überlebende, vermutlich etliche, denn die spätere Nicht-Wiederaufstellung der Legionen war nicht nur eine Damnatio memoriae, sondern zugleich eine beabsichtigte und strafende Auslöschung der Legion als Wirtschaftseinheit.
 
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Spätestens wenn sich abzeichnet, dass es ums nackte überleben geht, wird ALLES (bis auf Teile der Bewaffnung) zurückgelassen. Heute wie auch vor 2000 Jahren. Punkt.
Nein. Als die Spanier in der "Noche Triste" vor den Azteken aus Tenochtitlan flohen, schleppten sie trotzdem ihr erbeutetes Gold mit. So mancher ertrank dadurch beschwert im See.
 
Das ist ein Irrtum, den wir hier im Thread schon mehrfach aufgeklärt haben: Der Text lautet: "Danach verbrannten sie die meisten Wagen (πλείους ἁμάξας) und ließen anderes, das sie nicht besonders benötigten, zurück". Es ist also nicht die Rede davon, dass der ganze Tross verbrannt wurde. Die Angabe ist ungenau, man könnte unterstellen, dass nur 55 % der Wagen verbrannt wurden und 45 % derselben weiter mitgeführt worden seien, dann wäre die Angabe theoretisch erfüllt. Wenn, dann müsstest du anders argumentieren, nämlich über die mitgeführten Luxusgüter.

Spätestens wenn sich abzeichnet, dass es ums nackte überleben geht, wird ALLES (bis auf Teile der Bewaffnung) zurückgelassen. Heute wie auch vor 2000 Jahren. Punkt.
Naja, ich hatte ja darauf hingewiesen, dass man wenn, dann über die Luxusgüter argumentieren müsse, nicht darüber, dass alle Wagen verbrannt worden seien, denn das steht so nicht im Text. S.o.

Es gibt im Übrigen auch den Fehler der versunkenen Kosten: Wenn man eine Fehlinvestition gemacht hat, buttert man immer mehr Geld rein, weil man das ursprünglich verlorene Geld wieder rausholen möchte. Stattdessen verliert man immer mehr. So funktionieren einarmige Banditen und Schneeballsysteme. Wir Menschen sind vernunftbegabte aber nicht notwendigerweise vernünftige Wesen. Es ist durchaus vorstellbar, dass auch damals, im nackten Überlebenskampf manche sich gesagt haben "jetzt haben wir das ganze Zeug durch den ganzen Schlamassel geschleppt, das haben wir doch nicht 'umsonst' gemacht und lassen es jetzt hier liegen..." - ich sage nicht, dass dem so war, sondern dass ich das für prinzipiell möglich halte. Die Sunken Cost Fallacy hat bei Isonzo im Ersten Weltkrieg Zehntausenden Italienern Leben oder Gesundheit gekostet.

Im Übirgen möchte ich aber noch mal daran erinnern, dass ich bekanntermaßen Cassius Dio sowieso nicht so vertraue, mir geht es hier also nur um die korrekte Wiedergabe dessen, was er sagt, überhaupt nicht so sehr darum, dass ich darauf bestünde, dass es genauso gewesen sei.
 
"das sie nicht besonders benötigten, zurück". Wie bewertet jemand das "nicht Benötigte?Mit Sicherheit aus der vorliegenden Situation heraus. Der Händler benötigt seine Waren, der Soldat Waffen und Proviant.Aus Sicht eines privaten Eigentümers würden seine Waren benötigt, aus Sicht eines Soldaten Verteidigungswaffen, pauschal gesagt.Und wer hat die Notwendigkeit entschieden?Und was heißt "besonders"?
Ich kann daraus einen Roman machen, angefangen mit dem Inhalt des Trosses; weiterhin mit gefundenen geflügelten Cappucinotassen, deren Menge ich dann hochrechne(allerdings weiß ich nicht ,wie der Anfangsbestand war).darüber hinaus argumentieren, daß die Menge der gefundenen Luxusartikel dafür spricht, daß Kalkriese nur ein Zwischenlager war. Nur müßte der Blick dann westwärts gehen, um irgendwann das zerdepperte Porzellan zu finden.
bin immer dafür, Lücken in den Quellen zu füllen,ohne daß der Gesamtsinn leidet. Allerdings finde ich persönlich den Ansatz Luxusgüter nicht so erfolgversprechend, vielleicht auch nicht weiterführend, aber immerhin interessant.
Meine Ansätze können diese Prädikate auch für sich beanspruchen:)
 
"das sie nicht besonders benötigten, zurück". Wie bewertet jemand das "nicht Benötigte?Mit Sicherheit aus der vorliegenden Situation heraus. Der Händler benötigt seine Waren, der Soldat Waffen und Proviant.Aus Sicht eines privaten Eigentümers würden seine Waren benötigt, aus Sicht eines Soldaten Verteidigungswaffen, pauschal gesagt.Und wer hat die Notwendigkeit entschieden?Und was heißt "besonders"?
Ich kann daraus einen Roman machen, angefangen mit dem Inhalt des Trosses; weiterhin mit gefundenen geflügelten Cappucinotassen, deren Menge ich dann hochrechne(allerdings weiß ich nicht ,wie der Anfangsbestand war).darüber hinaus argumentieren, daß die Menge der gefundenen Luxusartikel dafür spricht, daß Kalkriese nur ein Zwischenlager war. Nur müßte der Blick dann westwärts gehen, um irgendwann das zerdepperte Porzellan zu finden.
bin immer dafür, Lücken in den Quellen zu füllen,ohne daß der Gesamtsinn leidet. Allerdings finde ich persönlich den Ansatz Luxusgüter nicht so erfolgversprechend, vielleicht auch nicht weiterführend, aber immerhin interessant.
Meine Ansätze können diese Prädikate auch für sich beanspruchen:)
Die Notwendigkeit entscheidet der, der es kann!
 
"das sie nicht besonders benötigten, zurück". Wie bewertet jemand das "nicht Benötigte?Mit Sicherheit aus der vorliegenden Situation heraus. Der Händler benötigt seine Waren, der Soldat Waffen und Proviant.Aus Sicht eines privaten Eigentümers würden seine Waren benötigt, aus Sicht eines Soldaten Verteidigungswaffen, pauschal gesagt.Und wer hat die Notwendigkeit entschieden?Und was heißt "besonders"?
Für Militärangehörige befahlen natürlich die Offiziere, ob Tross zurückgelassen wird.

Ist jetzt nicht so, dass die Soldaten mit dem Centurio in eine offene Bürgerdiskussion mit Keksen, Tee und psychodelischer Klangmusik gingen.
Überraschend, ich weiß.
 
Ist jetzt nicht so, dass die Soldaten mit dem Centurio in eine offene Bürgerdiskussion mit Keksen, Tee und psychodelischer Klangmusik gingen.
Überraschend, ich weiß.
Wenn wir schon Cassius Dio bemühen ...... bei Goscinny, R.; Uderzo, A.: Astérix légionnaire. Dargaud Éditeur, Paris 1967 wird es aber so beschrieben.

Ja ich hatte einen Schelm zum Frühstück.
 
Ich bin auch der Meinung, dass Kalkriese einen Punkt darstellt, der zeitlich eher zum Ende der Schlacht einzuordnen ist. Der Zug der Römer kam grobe Richtung Osten, aber verwunderlich ist die Fundarmut auf dem Weg Richtung Kalkriese. Es sind ja anfänglich so zwischen 10 und 18 Tausend Mann gezogen.

Leider konnte das 3 Legionenlager auch noch nicht gefunden werde. Wieviel km konnten unter Angriffsdruck der Germanen noch zurückgelegt werden?

Erstaunlich für mich ist die Koordinierung der einzelnen germanische Stämme, die so als Großverband vorher nie zusammengekommen sind.
Sicherlich hatten einige als Sölder Erfahrung mit Militärdisziplin und Planung gemacht, auf der anderen Seite waren aber auch viele "Rekruten", die keine Erfahrung hatten. Dazu kommt noch der Nachteil der langen äußeren Linien für die Germanen, und lässt man sich von einem stammesfremden Fürsten einfach so Befehle erteilen?

Allein schon die Bestimmung z.B., wo ein Wall geschaufelt werden soll, braucht doch sowas wie einen Oberbefehl.

Ging bei den Römern ja zum Nachteil aus, dass durch die Länge des Heerhaufen die Befehlskette schwer durchgeführt werden konnte, obwohl sie die innere Linie hatten.
 
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Erstaunlich für mich ist die Koordinierung der einzelnen germanische Stämme, die so als Großverband vorher nie zusammengekommen sind.
Sicherlich hatten einige als Sölder Erfahrung mit Militärdisziplin und Planung gemacht, auf der anderen Seite waren aber auch viele "Rekruten", die keine Erfahrung hatten. Dazu kommt noch der Nachteil der langen äußeren Linien für die Germanen, und lässt man sich von einem stammesfremden Fürsten einfach so Befehle erteilen?

Zuerst muss man mE davon ausgehen, dass es das allgemeine und gemeinsame Interesse gab, gegen die Römer vorzugehen. Ohne das hätte es einen Aufstand von dem Ausmaß, dass notwendig war, um isch gegen drei Legionen zu stellen, gar nicht geben können. Die grundsätzlich Motivation muss also vorhanden gewesen sein, sei es nun Widerstandsgeist, wegen Beute oder beidem.

Für eine Guerilla-Kriegsführung, die die römischen Truppen auf ungünstigem Verhältnis in Bedrängnis bringen konnten, war grundsätzlich auch keine so große Koordination und Subordination notwendig, wie sie bspw eine offene Feldschlacht dieser Größenordnung gebraucht hätte. Plötzliche Überfälle mit danach folgendem schnellen Rückzug kann auch kleineren Gruppen gelingen, die nicht von einer zentralen Kommandogewalt koordiniert werden.

Dass die Armee des Varus so zerschlagen wurden, wie sie es offensichtlich der Fall war, braucht es allerdings mindestens einen, evtl mehrere entscheidende Schläge mit einer einigermaßen großen Truppenstärke. Hierfür würde ich vermuten, es war sehr hilfreich, Leute wie Arminius (und vielleicht noch andere) in der Kommandospitze gehabt zu haben, die dank der römischen Ausbildung wussten, wie so etwas zu organisieren ist. Hätten sich andere dieser Führung nicht zumindest für eine solche Aktionen nicht untergeordnet, wäre das schwierig gewesen. Es spricht mE einiges dafür, dass dahinter einiges an Vorbereitung und diplomatischem Geschick nötig war. Längerfristig hat es dann ja auch nicht funktioniert, wenn die weitere überlieferte Geschichte des Arminius glaubwürdig ist.

Allerdings hat es vorher auch schon Ariovist geschafft, eine größere Zahl Germanen irgendwie zusammen zu halten, um Gallien zu belästigen, wenn auch unter anderen Bedingungen.
 
Ich habe keine Zeit mir alle 318 Seiten durchzulesen und meine Frage wurde darüber hinaus gewiss schon häufig besprochen,
aber warum schließt man für Kalkriese ein Gefecht im Zuge des "Immensum bellum" aus?
Die Schlussmünzen würden grundsätzlich passen und die Nachrichten über diesen Krieg sind mehr als spärlich, sodass es sich hier auch um eine nicht überlieferte Kampfhandlung zwischen Römern und Germanen handeln könnte.
Grundsätzlich wäre das doch auch eine Möglichkeit, oder etwa nicht?
 
Ich habe keine Zeit mir alle 318 Seiten durchzulesen und meine Frage wurde darüber hinaus gewiss schon häufig besprochen,
aber warum schließt man für Kalkriese ein Gefecht im Zuge des "Immensum bellum" aus?
Die Schlussmünzen würden grundsätzlich passen und die Nachrichten über diesen Krieg sind mehr als spärlich, sodass es sich hier auch um eine nicht überlieferte Kampfhandlung zwischen Römern und Germanen handeln könnte.
Grundsätzlich wäre das doch auch eine Möglichkeit, oder etwa nicht?
Wie ich das sehe spricht die Numismatik dagegen.

Die Schlussmünze der kalkriser Funde, scheint kurz vor der Varusschlacht zu datieren.
Das ist kein Beweis dafür, dass es sich nicht um ein späteres Ereignis gehandelt haben kann, aber wenn unter einigen hundert Münzen nicht eine darunter ist, mit einem spätere Prägedatum oder einem nach Varus datierenden Gegenstempel, legt das nah, dass das Ereignis mit der Varusschlacht jedenfalls zeitlich eng korrespondiert.

Mach zum Spaß einfach mal ein Experiment und schau mal in deinem Geldbeutel nach, welches das späteste Prägejahr ist. dass du auf deinem Münzgeld findest. Es ist bei einigermaßen frequentierten Geldumlauf recht unwahrscheinlich. dass sich in einem solchen Sammelsurium keine Münzen jüngeren Datums finden.
 
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