Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Im Jahre 9 n. Chr. sicher, aber wenn wir die zerstörten Augustus-Münzen als Beleg für die Meuterei 14 n. Chr. nehmen, dann sieht die Situation in Germanien ja etwas anders aus. Zivile Strukturen waren nicht mehr vorhanden, Geld für Ausgaben für römische Lebensart zumindest nicht mehr notwendig.

Das stimmt. Ich sehe die Münzen aber nicht als Beleg für den Aufstand des Jahres 14. Wenn sie von den meuternden Soldaten zerstochen worden wären, dann würden die nicht bei Kalkriese, in Haltern und in Augsburg massenhaft auftauchen, sondern in Vetera und Köln, wo die Zentren des Aufstands waren. Meiner Ansicht nach sind die Münzen zerstochen worden, als die römische Macht in Germanien noch fest etabliert war.

MfG
 
2 Fragen zu den zerstörten Münzen:

1. Gibt es in den Zentren der Meuterei 14 n. Chr. auch Tiberius Münzen in den Funden? Und gibt es auch zerstörte Tiberius Münzen? Wie viele? Gibt es da auch andere Hinweise auf die Meuterei? Spuren von Zerstörungen an Statuen?
Da wir hier ja über Germanien sprechen, wären das die Standorte der 1. und der 5. Legion, also wohl der Kölner Raum und Vetera I.
Ich habe hier leider keinen Katalog der dort gefundenen Münzen, wäre aber ein zerkratzter Tiberius dabei, hätten wir das sicherlich bereits zu hören bekommen. Interessant wäre aber auch der Vergleich der Menge an zerkratzten Münzen die man dort fand, wo das Ganze sich ja abgespielt haben soll und dementsprechend die meisten dieser Münzen vor Ort waren...
2. Zerstörte Münzen soll es ja auch in Augsburg/Oberhausen geben. Welche Truppen waren da zu der Zeit eigentlich stationiert? Ist Augsburg Teil der Meutereigebiete 14 n. Chr. Eigentlich dachte ich, dass nur die Legionen am Rhein und in Pannonien revoltierten. Gehörte Augsburg zu der Zeit zu Pannonien? Finden sich irgendwo in Pannonien vielleicht auch zerstörte Münzen?
Ich zitiere mal aus "Die Römer in Bayern" zu den Münzfunden von Augsburg-Oberhausen: "Die vorhandenen 378 Münzen bilden eine mit der republikanischen Prägung einsetzende und mit Geprägen der Jahre 10/14, 12/14 und 15 oder 16 n chr. endende Reihe." Und weiter: "Manels brauchbarer Zeugnisse ist es beim gegenwärtigen Quellenstand kaum sinnvoll, über die Identität all dieser Einheiten zu spekulieren."
Jedenfalls wurde dieses Lager wohl kurz darauf geräumt, wohl aufgrund eines Hochwassers.

Und eine weitere Frage zur Praktik - wahrscheinlich eine dumme Frage:

Warum nehmen die Legionen auf ihrem Feldzug Geld mit? Was wollen die im Feindesland kaufen? Die verbündeten germanischen Stämme müssen ja wohl das eine oder andere Versorgungsgut stellen(?), im Feindesland wird natürlich geplündert. Die Frage also: Wofür braucht der gemeine römische Soldat im Feindesland Geld?
Wie bereits gesagt, für den Handel mit dem Troß aber auch für den Gebrauch untereinander. So waren die römischen Soldaten (wie auch die Zivilisten) große Glücksspieler. Da wechselten auch mal Beträge den Besitzer, die eine Verpfändung der Ausrüstung erforderten. Auch gab es zu diesem Zeitpunkt wohl drei Auszahlungen des Soldes jährlich, wobei nicht der gesamte Sold ausgezahlt wurde. Es dürfte aber sicherlich auch zur Moral der Soldaten gezählt haben, immerhin einen Teil ihres Geldes zu erhalten. Darauf bestanden auch spätere Armeen bis hin zur Neuzeit und an der Front.
Das Geld also im Umlauf war, ist mehr als wahrscheinlich. Auch das neue Emissionen Zeit brauchten, um sich zu verteilen ist nicht erstaunlich. Aber dass eine solche aus einer nahe gelegenen Prägestätte nicht bis in die germanischen Kastelle vorgedrungen sein soll halte ich für unrealistisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine mögliche damnatio memoriae [...]. Hätte es sowas bezüglich Augustus gegeben, wäre das in den Quellen sicher irgendwo erwähnt.

Wer weiß? Letztlich ist es doch so, dass die kleinen Leute in den Quellen nicht zu Wort kommen, die Historiographen sind entweder senatorischen Rangs oder am Hofklatsch interessiert, wenig an dem, was das Volk tat oder dachte. Wir müssen uns einfach eingestehen, dass wir selsbt in einer recht quellenintensiven Zeit wie der um die Zeitenwende sehr viele Leerstellen haben, die wir nicht füllen können.


Die Münzen hätten dabei von Germanen zerkratzt werden können und dann römischen Soldaten angeboten werden können. In wie weit ein röm. Soldat sich jedoch eine Münze mit zerstörtem Kaiserbild akzeptiert hat, kann ich schwer feststellen.

Vielleicht waren das von Germanen genutzte Münzen, die damit ihren Unwillen gegenüber Rom bekundeten, wann immer sie eine solche in der Hand hielten. Dann haben Römer diese gesammelt, um diese aus dem Verkehr zu ziehen oder einer anderweitigen Nutzung zuzuführen???

Das dürfte in einer Zeit, wo der Münzwert den Metallwert und nicht etwa einen Nennwert wie heute bedeutete, nicht wirklich ein Problem dargestellt haben. Man hat ja auch Münzen halbiert und geviertelt und so ihren Wert geringerwertigen Gütern angepasst.

im römischen Reich seien aus Geldknappheit zeitweise Münzen mit minderwertigen Materialien geprägt worden. Die habe man dann später eingeschmolzen, um eine Inflation zu verhindern. Weiß jemand, ob es sowas tatsächlich gab? Könnte es dann eventuell sein, dass solche minderwertigen Münzen bevorzugt nach Germanien geliefert wurden, wo die Legionäre ohnehin wenig mit Geld anfangen konnten? Dann wäre es denkbar, dass es sich bei den Kratzern nicht um mutwillige Beschädigungen handelte, sondern um Tests der Münzqualität...

Abgedrehte Idee, ich weiß.

Abgedreht ist die Idee, dass man minderwertige Münzen bevorzugt in diese oder jene Provinz geliefert haben könnte. Ganz und gar nicht abgedreht ist allerdings die Vermutung, dass man versuchte, minderwertige Münzen durch Tests auszufiltern. Wer kennt es nicht, das Beißen auf Goldmünzen? Da würde allerdings ein Hieb an der Münze reichen, um ihren Metallgehalt zu verifizieren. Als "Beweis" für metallurgisch hochwertige Münzen wurden zu spätrepublikanischer Zeit die Serrati hergestellt, "gezähnte" Silbermünzen, aber selbst diese waren häufig "gefüttert".

Eine solche Münzverschlechterung ist aber für den hier relevanten Zeitraum m . W. nicht überliefert. Selbst bei einer möglichen Überlieferungslücke wäre es doch fraglich, ob man Kupfermünzen "verschlechtern" könnte. Zudem hätte man die "schlechten" Münzen einsammeln und dann an die nördliche Reichsgrenze liefern müssen.

Wie ist dann die Stelle bei Tacitus ("Pecuniam probant veterem et diu notam, serratos bigatosque.") zu verstehen, dass die Germanen nur gewisse Münzen billigten?

Das Geld also im Umlauf war, ist mehr als wahrscheinlich. Auch das neue Emissionen Zeit brauchten, um sich zu verteilen ist nicht erstaunlich. Aber dass eine solche aus einer nahe gelegenen Prägestätte nicht bis in die germanischen Kastelle vorgedrungen sein soll halte ich für unrealistisch.
Zumal ja wahrscheinlich Soldaten diejenigen waren, die als allererste neue Münzen bekamen, denn der Staat musste sie ja bezahlen.

Es ist nur wahrscheinlich, dass Germanicus, als er die Führung seiner brodelnden Truppen übernahm, frische Münzen heranführte.
 
Ich sehe die Münzen aber nicht als Beleg für den Aufstand des Jahres 14. Wenn sie von den meuternden Soldaten zerstochen worden wären, dann würden die nicht bei Kalkriese, in Haltern und in Augsburg massenhaft auftauchen, sondern in Vetera und Köln, wo die Zentren des Aufstands waren. Meiner Ansicht nach sind die Münzen zerstochen worden, als die römische Macht in Germanien noch fest etabliert war.
MfG

Hier ist ja ein wichtiger Punkt:
Wolters und Kehne sehen bei den Münzen einen möglichen Zusammenhang mit der Meuterei 14 n. Chr.
Nur am Rand: Die beiden sind ja nun nicht irgendwer...
Ich kann ihnen zunächst einmal durchaus folgen.

Ich stelle in diesem Zusammenhang folgende Punkte auf:

1.
Wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen der Meuterei 14 n.Chr. und diesen Münzen gibt, dann ist die These Kalkriese=Varusschlacht widerlegt.

2.
Wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen der Meuterei 14 n. Chr. und diesen Münzen gibt, dann könnten diese evt. auch in Haltern aufgetaucht sein. Dies war bis zur Varusschlacht wohl der wichtigste Stützpunkt der Römer in Germanien. Er lag nicht weit vom Rhein. Vieleicht ist dieser wichtige Stützpunkt (Aliso?) neu errichtet worden? Für die nachfolgenden Germanicus-Feldzüge? Fakt ist: Beim Tacitus können wir nachlesen, daß Kastelle an der Lippe während der Germanicus Feldzüge existiert haben.

3.
Wenn es wirklich einen (ihr wisst schon...),
dann müssen diese Münzen heute nicht zwangsweise in den Lagern am Rhein nachzuweisen sein. Diese waren deutlich Länger im Betrieb. Die Münzen sind dort evt. ausgetauscht worden. Auch haben diese Lager z.T. deutliche Veränderungen in der Baustruktur erfahren. Aus Holz/Erde wurden Steinbauten. Vieleicht sind solche Münzen unter irgendwelchen Fundamenten verschwunden.

4.
Wenn das Wörtchen wenn nicht wär...:grübel:
 
1.
Wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen der Meuterei 14 n.Chr. und diesen Münzen gibt, dann ist die These Kalkriese=Varusschlacht widerlegt.

Wie sagst du so schön bei Punkt 4... :winke:

Wie könnte ein Beweis dafür aussehen, dass die Münzen wirklich im Zuge der Meuterei zerstört wurden?
2.
Wenn es wirklich einen Zusammenhang zwischen der Meuterei 14 n. Chr. und diesen Münzen gibt, dann könnten diese evt. auch in Haltern aufgetaucht sein. Dies war bis zur Varusschlacht wohl der wichtigste Stützpunkt der Römer in Germanien. Er lag nicht weit vom Rhein. Vieleicht ist dieser wichtige Stützpunkt (Aliso?) neu errichtet worden? Für die nachfolgenden Germanicus-Feldzüge? Fakt ist: Beim Tacitus können wir nachlesen, daß Kastelle an der Lippe während der Germanicus Feldzüge existiert haben.

Wann wurden die erbaut? Können wir das aus Tacitus auch lesen? Gleich nach 9? Eher unwahrscheinlich. Vor der Meuterei 14? Im Zuge des Feldzuges 14 nach der Meuterei ins Marserland? Oder erst im Zuge der Feldzüge des Jahres 15? Warum finden wir solche Münzen auch in Augsburg? Wo ist da der Zusammenhang mit der Meuterei am Rhein?

3.
Wenn es wirklich einen (ihr wisst schon...),
dann müssen diese Münzen heute nicht zwangsweise in den Lagern am Rhein nachzuweisen sein. Diese waren deutlich Länger im Betrieb. Die Münzen sind dort evt. ausgetauscht worden. Auch haben diese Lager z.T. deutliche Veränderungen in der Baustruktur erfahren. Aus Holz/Erde wurden Steinbauten. Vieleicht sind solche Münzen unter irgendwelchen Fundamenten verschwunden.

Wie viele Münzen aus der Zeit um 14 n. Chr. sind aus den Lagern gefunden worden? Weiß das jemand? Haben wir da viele Funde, dann wäre es sehr seltsam, warum keiner der zerstörten Münzen dort zu finden sind. Wenn kaum Münzen aus der fraglichen Zeit dort erhalten sind, wäre es weniger seltsam. Also: Wie viele Münzen gibts aus den Lagern am Rhein?
4.
Wenn das Wörtchen wenn nicht wär...:grübel:
Ja, wenn.

Wenn wir das schon weiter spielen wollen, noch ein Wenn-Fall.

5. Wenn in Kalkriese ein unzweifelhafter Beleg für die Anwesenheit einer der Varuslegionen gefunden werden würde, würde das die Kritiker dennoch nicht verstummen lassen.
 
@tela:

Viele Fragen. Ich habe keine Antworten. Außer, daß mir der Zusammenhang mit der Meuterei durchaus nachvollziehbar erscheint. Welche anderen Erklärungen gibt es? Einige sind genannt worden. Allerdings sind sie für mich (persönlich) nicht so nachvollziehbar wie die von Wolters/Kehne.

Zu den Kastellen an der Lippe: Es hat sie wohl gegeben. Dies steht fest. Nur welche und wann - das können wir lt. Tacitus nicht nachvollziehen.

Zum Thema Münzen/Augsburg:
Ich könnte jetzt hier einige Thesen aufstellen: Also in etwa: Es könnte so oder so oder auch so gewesen sein. Oder auch anders.
Oder einfach so: Ich habe keine Erklärung dafür. Vieleicht haben Wolters/Kehne eine. Keine Ahnung.

Und abschließend:
Das mit den entsprechenden Legionen und Kalkriese: Da gebe ich Dir natürlich recht. Auch einen solchen Fund würde man nicht (ohne weiteres) als Beweis anerkennen. Dies wundert mich allerdings nicht. Siehe hierzu das Mundblech einer Schwertscheide, welches sicherlich ebenfalls keinen Beweis für die Anwesenheit der ersten Legion in Kalkries darstellt.

Viele Fragen.:grübel:
 
Wo sind denn die Ansichten von Wolters und Kehne publiziert? Damit man das mal nachlesen kann, wenn man will.
 
Wo sind denn die Ansichten von Wolters und Kehne publiziert? Damit man das mal nachlesen kann, wenn man will.

Eine prägnante Zusammenfassung seiner Thesen lieferte Kehne in einem überschaubaren Aufsatz im Band "Mythos" der Ausstellung "2000 Jahre Varusschlacht." Dort findet sich ebenfalls ein Aufsatz von Reinhard Wolters, der allerdings nicht ganz so global ist.
 
Wo sind denn die Ansichten von Wolters und Kehne publiziert? Damit man das mal nachlesen kann, wenn man will.

Reinhard Wolters: Die Schlacht im Teutoburger Land; Arminius, Varus und das römische Germanien

Hatte es mir vor einer Woche angeschafft und werde in den nächsten Tagen mal mit dem Lesen beginnen.

Gruß
Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Carolus
Eine solche Münzverschlechterung ist aber für den hier relevanten Zeitraum m . W. nicht überliefert. Selbst bei einer möglichen Überlieferungslücke wäre es doch fraglich, ob man Kupfermünzen "verschlechtern" könnte. Zudem hätte man die "schlechten" Münzen einsammeln und dann an die nördliche Reichsgrenze liefern müssen.




Wie ist dann die Stelle bei Tacitus ("Pecuniam probant veterem et diu notam, serratos bigatosque.") zu verstehen, dass die Germanen nur gewisse Münzen billigten?


Ausgangspunkt war die Überlegung, ob die Einstiche an den Kupfermünzen eine Art Qualitätsprüfung durch Römer sein sollten. Bei der erwähnten Tacitusstelle geht es aber eher um Silbermünzen bei den Germanen.
 
Fassen wir an der Stelle die jüngste Diskussion doch mal zusammen.

Die Theorie lautet, dass die zerkratzten Münzen des Augustus, die bislang in Kalkriese, den rechtsrheinischen Lagern und Waldgirmes gefunden wurden ein Hinweis (oder sogar Beweis) für die Caecina-Schlacht "pontes longi" in Kalkriese seien, da diese Zerkratzung eine von individuell aber in extrem großer Zahl handelnden Soldaten begangene damnatio memoriae sei, die zur Meuterei im Jahr 14 n.Chr. passen kann. Daher könnten die Münzen nicht früher als zu Zeiten der Germanicusfeldzüge dort hin gelangt sein.

Ist das so korrekt wiedergegeben?

Falls ja, meine Fragen dazu:
1. (mittlerweile oft gestellt) Warum die Münzen des Augustus? 14 n.Chr. ging es nach Aussagen der Quellen eindeutig gegen Tiberius; andere Mitglieder wie Germanicus wurden weiterhin verehrt und geschätzt. Warum also das Antlitz des falschen Kaisers verschandeln?
2. Die Meuterei in Germanien fand in den zwei großen Legionslagern statt, hier begann sie und hier endete sie vor den Augen des Germanicus. Besonders in Vetera "sühnten" die Soldaten und "bereuten" die Tat. Rädelsführer wurden erschlagen nachdem sie von ihren Kameraden für schuldig befunden wurden. Solche Münzen sind doch genau in diesem Moment ein belastender Beweis. Ergo müßte der Graben oder die Latrinen voll von verschandelten Münzen sein, oder sich zumindest eine gewisse Menge versteckt eingefunden haben.
Warum finden sich hier nicht die größten Ansammlungen dieser Münzen? Und warum findet sich scheinbar gar keine solche Münze hier?
3. Warum schleppten die Soldaten dieses Kleingeld zwei Jahre in größeren Konklomeraten mit sich rum? Man könnte doch erwarten, dass diese Münzen divergieren durch den täglichen Gebrauch, wenn sie nicht als belastend angesehen wurden.
4. Wo in Waldgirmes wurden die zerkratzten Münzen gefunden? Gehören sie zur Fundschicht, die Neuerdings als "Zweitgründung" gedeutet wird oder doch zur ersten?
5. Warum wird der Mangel an anderen plausiblen Erklärungen als Argument gewählt, eine andere, durchaus nicht durchgängig stimmige als wahrscheinlich zu erachten?
6. Warum wird plötzlich mehrfach betont, dass Kehne und Wolters Fachleute sind, wenn in diesem Thema gerade von Kalkriesekritikern die fachliche Eignung bislang als völlig irrelevant abgetan wurde?
 
1. (mittlerweile oft gestellt) Warum die Münzen des Augustus? 14 n.Chr. ging es nach Aussagen der Quellen eindeutig gegen Tiberius; andere Mitglieder wie Germanicus wurden weiterhin verehrt und geschätzt. Warum also das Antlitz des falschen Kaisers verschandeln?

Ich kann mir (weiterhin) gut vorstellen, dass
a. nicht alle (vielleicht auch nur wenige) das Konterfei auf den Münzen unterscheiden konnten und
b. dass so einige bei großer Unzufriedenheit beim Zerkratzen der Münzen keinen Unterschied machten wer darauf abgebildet ist! Warum wurden in Griechenland Autos angezündet, wo man doch unzufrieden mit der Regierung war? Ich meine wir sollten da nicht zu rational an die Sache heran gehen! Eine Münze steht für den Kaiser, das hat möglicherweise schon gereicht?!

2. Die Meuterei in Germanien fand in den zwei großen Legionslagern statt, hier begann sie und hier endete sie vor den Augen des Germanicus. Besonders in Vetera "sühnten" die Soldaten und "bereuten" die Tat. Rädelsführer wurden erschlagen nachdem sie von ihren Kameraden für schuldig befunden wurden. Solche Münzen sind doch genau in diesem Moment ein belastender Beweis. Ergo müßte der Graben oder die Latrinen voll von verschandelten Münzen sein, oder sich zumindest eine gewisse Menge versteckt eingefunden haben.

Wie man nach so einer Meuterei mit beschädigten Münzen umgegangen ist, darüber kann man nur spekulieren. Ich persönlich glaube nicht an eine "Ächtung" solcher Münzen. Die Münzen gelangten sicher schnell in den Verkehr und Beispiele für "natürliche" Beschädigungen gab es ja auch.
Selbst wenn der Eine oder Andere seine Münzen in die Latrine geworfen hat, so wurden diese im Laufe des Lagerbetriebes sicher des öfteren geleert.

Warum finden sich hier nicht die größten Ansammlungen dieser Münzen? Und warum findet sich scheinbar gar keine solche Münze hier?

Nur zum Verständnis, meinst du mit "hier" Gräben und Latrinen oder das Lager allgemein?
Wurden denn in Lagern gar keine zerkratzten Münzen gefunden?

3. Warum schleppten die Soldaten dieses Kleingeld zwei Jahre in größeren Konklomeraten mit sich rum? Man könnte doch erwarten, dass diese Münzen divergieren durch den täglichen Gebrauch, wenn sie nicht als belastend angesehen wurden.

Sehe ich genau so.

Gruß
Andreas
 
Ich weiss nicht ob der schon wer auf den vorherigen 112 Seiten geschrieben hat, aber bei meiner Arbeit über den Stadtteil Seehausen in Bremen habe ich etwas interessantes zum Thema gefunden:

"Im Jahr 150 n.Chr. erwähnte der alexandrinische Geograph Claudius Ptolemaeus eine Siedlung Fabiranum, auch Phabiranum geschrieben. Der spätere Name Bremen – lateinisch Brema – könnte soviel bedeuten wie ‚am Rande liegend‘ und bezieht sich auf den Rand einer Düne. Im Gebiet um Bremen siedelte um die Zeitenwende der Stamm der germanischen Chauken. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. sind die Sachsen nachweisbar.
In Bremen-Seehausen wurden Reste eines kleinen römischen Flottenstützpunktes ausgegraben, angelegt nach der Varusschlacht."
 
6. Warum wird plötzlich mehrfach betont, dass Kehne und Wolters Fachleute sind, wenn in diesem Thema gerade von Kalkriesekritikern die fachliche Eignung bislang als völlig irrelevant abgetan wurde?

Ich antworte mal nur für mich: Den Fachleuten in Kalkriese spreche ich nicht die fachliche Eignung ab. Allerdings zeigen sie mit Ihrer schlußfolgernden (Un)Logik, daß sie einer gewissen geistigen Trägheit unterliegen. Ob diese naturgegeben vorhanden ist oder von der Vermarktungsmaschinerie erzeugt wurde ist unerheblich. Man kann sie auch als "Betriebsblindheit" bezeichnen gemäß dem Spruch: " Der größte Feind des Handelns ist die Routine. "
Genau diese geistige Trägheit zeigen aber Kehne und Wolters, sowie einige andere nicht.
Man könnte den K-Kritikern jetzt vorwerfen, daß sie sich alles zu ihrer eigenen These passende von allen Seiten zusammen "scharren" würden. Aber Kritiker der Kalkriese - Varusschlacht-These müssen nicht zwangsläufig einer anderen Idee hinterher rennen.
Folgt man einer These, so ergeben sich halt Hinweise aus unterschiedlichen Quellenlager. Und diese zu verarbeiten finde ich richtig, solange sie weiterhin freie Gedanken zulassen, ohne sich an ein gewisses Ereignis zu binden (solange nichts erwiesen ist).
Außerdem wüßte ich nicht, wer eine fachliche Eignung als völlig irrelevant abgetan hat ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann den Vorwurf, die Pro-Kalkriese-Leute wären geistig träge, die kritische Fraktion dagegen nicht, in keiner Weise nachvollziehen. Abgesehen davon, daß bestimmte Formen von geistiger Beweglichkeit die Grenze zur Krankheit kratzen, sehe ich weder auf der einen noch der anderen Seite Voreingenommenheit und Denkverweigerung. Hast Du z.B. mal das Büchlein von Günther Moosbauer gelesen, der, obzwar an Kalkriese beteiligt, nüchtern und zurückhaltend über die Sache schreibt? Da ist Wolters auch nicht besser, was Wissenschaftlichkeit angeht (aber auch nicht schlechter).
 
Nebenbei bemerkt erfüllt die unbewiesene Behauptung* der geistigen Trägheit der Kalkrieser Archäologen den Tatbestand der Beleidigung, StrGB § 185. Aber wo kein Kläger, da kein Richter.

*Vielmehr beweist der Urheber damit erneut, dass er die einschlägige Literatur nicht kennt.
 
Ich kann mir (weiterhin) gut vorstellen, dass
a. nicht alle (vielleicht auch nur wenige) das Konterfei auf den Münzen unterscheiden konnten
Das hatten wir bereits.
1. Steht es auf den Münzen drauf, wer dort zu sehen ist.
2. Derjenige, in dessen Auftrag die Münzen geprägt wurden war zudem auch derjenige, auf den die Soldaten schworen und der sie aus seiner (!) Tasche bezahlte, in dessen Namen sie kämpften usw.
3. Wird ein Kaiserkult betrieben, der dessen Abbild ÜBERALL verbreitet und präsentiert hat. Den Soldaten selbst war kein offizieller Schritt erlaubt ohne Abbild des Kaisers.
4. Tiberus selbst war erst kurze Zeit vorher Feldherr der Legionen gewesen, mindestens eine der Legionen hatte er persönlich ausgehoben..
Wie bekannt sollen die Herren und ihre (idealisierten) Abbilder noch sein? Wenn dir dies nicht reicht verlangst du nach verwandtschaftlicher Beziehung oder einem Tatoo auf dem Nacken des jeweiligen Vordermannes...
Anders gesagt, wenn du auf Kuba bist und einen Geldschein in die Hand bekommst, auf dem ein bärtiger Mann mit Zigarre und Käppi zu sehen ist, wen glaubst du da vor dir zu haben?

b. dass so einige bei großer Unzufriedenheit beim Zerkratzen der Münzen keinen Unterschied machten wer darauf abgebildet ist! Warum wurden in Griechenland Autos angezündet, wo man doch unzufrieden mit der Regierung war? Ich meine wir sollten da nicht zu rational an die Sache heran gehen! Eine Münze steht für den Kaiser, das hat möglicherweise schon gereicht?!
Komischerweise hab ich noch nie gesehen, dass die südafrikanische Fahne vor einer US Botschaft verbrannt wurde.
Es wurde auch kein vollbärtiger, blonder Hühne in Berlin im April 45 erschossen und als Hitler vorgestellt. Moderne Vergleiche... auch das hatten wir schon.
Es geht nicht darum wie WIR da rangehen, sondern was die von uns behandelten Herren getan haben. Und die Quellen berichten uns davon, dass es um Tiberius ging, dass sie diejenigen angriffen, die sich ihnen entgegen stellten und dass andere Vertreter der Obrigkeit nicht nur nicht angegriffen wurden, sondern sogar eine zeitlang Einfluß ausüben konnten, vielfach unangetastet bis zum Ende in der Mitte der Meuterei verbrachten oder sogar einer der ranghöchsten und bekanntesten Vertreter der Obrigkeit von ihnen zu ihrem Anführer gewählt werden sollte...
Wie viel genauer soll es also noch klar gestellt werden, dass wir hier keine Demonstration von Anarchisten zum 1. Mai haben, kein Krisengeschütteltes Land dem die Lebensgrundlage durcheinandergeworfen werden sollte weil Korruption geherrscht hatte...
Nb. in Griechenland herrschte nach dem Tod der Bänker einige Tage spontane Demonstrationsruhe und es würde kein Minister wagen ohne Bodyguards in diese Menge hinein zu tauchen, auch ganz ohne sein Konterfei auf Münzen. Moderne Vergleiche eben....



Wie man nach so einer Meuterei mit beschädigten Münzen umgegangen ist, darüber kann man nur spekulieren. Ich persönlich glaube nicht an eine "Ächtung" solcher Münzen. Die Münzen gelangten sicher schnell in den Verkehr und Beispiele für "natürliche" Beschädigungen gab es ja auch.
Selbst wenn der Eine oder Andere seine Münzen in die Latrine geworfen hat, so wurden diese im Laufe des Lagerbetriebes sicher des öfteren geleert.
Es geht dabei nicht um die Ächtung der Münzen sondern um die Ächtung der Meuterei. Tacitus beschreibt sehr drastisch und deutlich, wie die Soldaten sich im nachhinein schämten und bemühten, die eigene Treue und Unschuld zu beweisen. Um wieder die modernen Vergleiche anzubringen: nach 45 trug kein Mensch in Deutschland mehr den Anstecker des NSDAP oder gar die Armbinde. Kein Göbbels-,Göring oder Hitlerbild mehr an der Wand oder gar im Haus. Es ging darum, nicht mit dergleichen erwischt zu werden. Lange bevor ein offizielles Verbot erging.
Darum müßte man zumindest ein paar dieser Münzen finden, wenn nicht sogar eine gewisse Menge. Daher auch meine Frage.
Und nein, die Latrinen wurden nicht regelmäßig geleert. Jedenfalls nicht auf den Grund, wohin diese Münzen verschwinden müßten. Dank der Latrinen aus Legionslagern haben wir ja bspw. einen Einblick in essgewohnheiten und Co. Populär nachzulesendes Beispiel über die Forschungen hier: Junkelmann, Panis Militaris.

Nur zum Verständnis, meinst du mit "hier" Gräben und Latrinen oder das Lager allgemein?
Wurden denn in Lagern gar keine zerkratzten Münzen gefunden?
Hier meint die Lager allgemein, die Gräben und Latrinen im Speziellen. In diesem Thema wurde mehrfach danach gefragt und bislang konnte niemand solche Münzfunde in den beiden betroffenen Standorten nachweisen. Nun ist das ein argumentum ex silentio, allerdings eines, dass wie hier mehrfach aufgezählt Vergleichsfunde ausweist. Wenn also in Waldgirmes, wo nur zwei Barracken eindeutig auf Militärpräsenz hinweisen und alles andere über Veteranen reine, unbewiesene Spekulation darstellt, eine Reihe solcher Münzen aufweisen kann, dann sollte in den eigentlichen Zentren des Aufstandes um einiges mehr zu finden sein, entsorgt oder nicht.
Zumal die potentiellen Träger dieser Münzen in den Lagern mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte verweilten, in Waldgirmes maximal 1 - 2 jahre.

Mit anderen Worten, wenn so viele zerkratzte Münzen an Standorten zu finden sind, die mit der Meuterei nicht direkt in Verbindung standen, warum schweigen dann die Orte, an denen diese Münzen und in einer Hochrechnung hunderte wenn nicht tausende andere Münzen ebenfalls zerkratzt wurden?
 
Anders gesagt, wenn du auf Kuba bist und einen Geldschein in die Hand bekommst, auf dem ein bärtiger Mann mit Zigarre und Käppi zu sehen ist, wen glaubst du da vor dir zu haben?

Ernesto Guevara? :D

Okay, der andere Typ kommt auch in Frage...

Eigentlich will ich aber auch nochmal gegen die Idee argumentieren, dass die Leute auf den Münzen den Soldaten unbekannt gewesen sein könnten: Die Münzen waren damals nicht nur Zahlungsmittel, sondern sie dienten auch der Propaganga - oder, neutraler formuliert, der Nachrichtenverbreitung. Man denke nur an die Gaius-Lucius-Denare, mit denen reichsweit kundgetan wurde, wer Augustus beerben sollte. Oder Münzen mit triumphierenden Prägungen wie "Germania capta". Die Münzen waren nicht nur Edelmetallscheiben. Mit denen verbanden sich Geschichten, die vermutlich allgemein bekannt waren. Nachzulesen unter anderem bei Wolters, der hier zu Recht immer wieder als hochangesehener Wissenschaftler gewürdigt wird.

Zudem nochmal: Augustus wurde im Reich als "gottgleich" verehrt. Dafür wurden schon zu seinen Lebzeiten Heiligtümer errichtet. Eines befand sich im heutigen Köln. Die Idee, dass seine Untertanen ihn nicht gekannt haben, ist völlig abstrus.

MfG
 
Das hatten wir bereits.
1. Steht es auf den Münzen drauf, wer dort zu sehen ist.
2. ...

Jetzt werde mal nicht albern, nur weil jemand anderer Meinung ist! Ich will dir deine Vorstellungen ja auch nicht rauben.
Wenn es selbst eingefleischten Numismatikern nicht auf Anhieb gelingt ein Portrai auf einer römischen Münze zu benennen, so werden doch noch Zweifen geäußert werden dürfen, dass es so einige Legionäre auch nicht konnten! Die Darstellungen auf den Münzen sind halt stark gereralisiert, ganz gleich ob man einmal oder zehnmal auf den Kaiser geschworen hat! Ich behaupte ja nicht, dass die Legionäre generell nicht in der Lage waren das Portrai zu identifizieren.

Komischerweise hab ich noch nie gesehen, dass die südafrikanische Fahne vor einer US Botschaft verbrannt wurde.

Komischerweise haben islamische Fanatiker wegen des dänischen Karikaturen-Streites auch schwedische und schweizer Fahnen verbrannt!
So viel zu rationalem Verhalten von aufgebrachten Leuten!

Darum müßte man zumindest ein paar dieser Münzen finden, wenn nicht sogar eine gewisse Menge.

Muss nicht zwingend so sein. Ich meine, je länger ein Lager bestand, desto größer ist doch auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine verlorene Münze gefunden wird?!
Dagegen haben Münzen, die in einem (relativ) kurz genutzen Lager oder bei einem Gefecht verloren gehen, deutlich geringere Chancen gefunden zu werden.

Gruß
Andreas
 
Zurück
Oben