Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Zum Thema der hohen Verfügbarkeit römischer Waffen in Magna Germania nach der Varusschlacht: In den Annalen II, 45 berichtet Tacitus von einer Rede des Arminius im Kontext des Krieges mit Marbod, in der Arminius ganz explizit auf die erbeuteten römischen Waffen hinweist, die dazumal noch viele Germanen in den Händen hielten:

https://books.google.de/books?id=CO...ie jetzt noch viele in Händen hielten&f=false


Zum Thema des Zusammentragens der Metallfragmente am Wall (der übrigens immer noch in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird): es wäre natürlich schon ziemlich lustig, wenn sich die germanische 'Beuteschau' schlussendlich als römisches Recycling herausstellen würde. Aber warten wir ab was die neuerliche Analyse des Fundmaterials ergibt.
 
Tacitus überliefert, dass man bei Segestes römische Waffen explizit aus der Varusschlacht fand.
Du meinst die Stelle "ferebantur et spolia Varianae cladis" (es wurden auch Beutestücke aus der Varuss-Niederlage herbeigetragen)? Da würde ich spolia (im engeren Sinne wären das die erbeuteten Rüstungen) eher als Trophäen verstehen, weniger als die aktuelle Ausrüstung der Segestes-Leute.


Ebenso berichtet Cornelius, dass die germanischen Heere des Arminius und des Boiorix, als sie gegeneinander antraten, sich römischer Taktiken bedienten.
???
 
Zum Thema des Zusammentragens der Metallfragmente am Wall (der übrigens immer noch in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird)

... zumindest in keiner der römischen Quellen ...


es wäre natürlich schon ziemlich lustig, wenn sich die germanische 'Beuteschau' schlussendlich als römisches Recycling herausstellen würde. Aber warten wir ab was die neuerliche Analyse des Fundmaterials ergibt.

Mich würde ja schon interessieren, mit welchen Methoden sich herausfinden lässt, ob ein Stück Blech von Römer- oder Germanenhand abgeknickt wurde.
 
Mich würde ja schon interessieren, mit welchen Methoden sich herausfinden lässt, ob ein Stück Blech von Römer- oder Germanenhand abgeknickt wurde.
Bevor hier weiter spekuliert wird, hier die etwas dürftigen Infos der VW-Stiftung:
Stammen die Funde aus der Varusschlacht [...] oder sind sie einer Schlacht unter Germanicus sechs Jahre später zuzuordnen? Für beide Interpretationen gibt es gute Argumente – jedoch wurde das archäologische Fundmaterial selbst bislang kaum in der Debatte berücksichtigt. Diese Lücke wollen die Projektpartner schließen: Sie wollen unter anderem Werk- und Gebrauchsspuren der Funde analysieren, archäometallurgische Untersuchungen vornehmen, um die beteiligten Legionen zuordnen zu können, sowie verschiedene Fundgruppen mithilfe digitaler Rekonstruktion erforschen.
Nun eine Spekulation meinerseits: Man hat ja auf einzelnen Metallgegenständen (Rüstungsschließen, Loten, dem vieldiskutierten Schwertscheidenmundblech) Ritz- und Punzinschriften gefunden, die uns Aufschluss über den Namen eines Soldaten und eines Centurios geben bzw. über die Anwesenheit einer ersten Kohorte. Vorstellbar wäre, dass man nun gezielt mit technischem Gerät nach weiteren, bisher unentdeckten Inschriften sucht.
 
... Vorstellbar wäre, dass man nun gezielt mit technischem Gerät nach weiteren, bisher unentdeckten Inschriften sucht.

Man könnte z.B. auch ermitteln, ob verschiedene Stücke mit dem selben Werkzeug bearbeitet bzw hergestellt wurden. Da waren bestimmt keine zwei Hämmer genau gleich. Vielleicht ließen sich aus so was auch Schlüsse ziehen.
 
Man könnte z.B. auch ermitteln, ob verschiedene Stücke mit dem selben Werkzeug bearbeitet bzw hergestellt wurden. Da waren bestimmt keine zwei Hämmer genau gleich. Vielleicht ließen sich aus so was auch Schlüsse ziehen.
Ich weiß aus Xanten, dass man aus den Abfällen der Töpferwerkstatt dort eine Reihe von Töpfern über die Jahre zurückverfolgen konnte, feststellen konnte, dass es innerhalb der Töpferwerkstatt Spezialisierungen auf bestimmte Gefäße und Gefäßpartien gab und dass man speziell Kinder für bestimmte Aufgaben einsetzte. Dass man einen Hammerabdruck von dem eines anderen Hammers systematisch unterscheiden kann (einzelne Hammerschläge auf einer ausreichend weichen Fläche, dass diese nachgibt, ohne zu brechen und gleichzeitig ausdreichend harten Fläche, dass die Schlagspur erhalten bleibt, freilich ausgenommen), kann ich mir nur schwer vorstellen (wobei mangelnde Vorstellungskraft freilich kein Argument ist) und es wäre ja auch fraglich, welches Ergebnisse eine solche Feststellung brächte. Was wäre der Mehrwert zu wissen, dass zwei Bleche mit demselben Hammer oder unterschiedlichen Hämmern getrieben wurden? Wie wollte man damit feststellen, ob das Kalkrieser Ereignis im Zeitraum 9 oder 15/16 zu verorten ist?
Das einzige, was wir dazu noch einfällt ist eine ältere Hypothese von Wilbers-Rost (keine Ahnung, ob sie diese noch vertritt), wonach Niello-verzierte Rüstungsgegenstände in Kalkriese fehlten und dies womöglich ein Beweis für die Varusschlacht sei, da Niello erst in spätaugusteischer/frühtiberischer Zeit auftrete. Ja, sie meinte sogar, dass das Aufkommen von Niello in der spätaugusteisch-frühtiberischen Zeit sogar mit den Rüstungsverlusten der Varusschlacht zusammenhänge. Ich fand diese zweite Hypothese nie besonders gelungen, weil die Gefallenen der Varusschlacht ja nicht nur ihre Rüstungen sondern auch ihr Leben verloren, als keine neuen Rüstungen benötigten.
Aber etwas anderes, als aussagekräftige Inschriften mit einer sicheren Lesung kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, was archäometallurgische Untersuchungen für die Fragestellung leisten könnten. Oder kann man Metall a) chemisch datieren und b) jahrgenau? Beides wäre mir neu. Ergo...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich reibe mich an der Vokabel vorwiegend. Wo hast du das her? Wenn du diese und das determinierende die streichst, lautet die Antwort ja. Tacitus überliefert, dass man bei Segestes römische Waffen explizit aus der Varusschlacht fand. Ebenso berichtet Cornelius, dass die germanischen Heere des Arminius und des Marbod, als sie gegeneinander antraten, sich römischer Taktiken bedienten. Das setzt u.a. auch römische oder zumindest römisch inspirierte Waffen voraus.

Mir geht es um die Fundarmut germanischer Waffen bei Kalkriese, die ja auch von einigen damit begründet wird, dass auf beiden Seiten überwiegend mit römischen Waffen gekämpft worden sein soll.
 
Kurze Laienfrage - was für eine Methode ist das ?
Man macht einen Schild unbenutzbar, indem man einen schweren Speer hinein wirft, der stecken bleibt und mühsam oder gar nicht wieder herausgezogen werden kann. Holzspeere mit feuergehärteten Spitzen prallten meist sofort ab oder konnten, da die Spitze keine Verdickung gegenüber dem Schaft besaß, schnell herausgezogen werden.
 
... zumindest in keiner der römischen Quellen ...
Mich würde ja schon interessieren, mit welchen Methoden sich herausfinden lässt, ob ein Stück Blech von Römer- oder Germanenhand abgeknickt wurde.

Nicht abgeknickt, aber vor dem Abziehen, z.B. vom Schild, an einer Stelle eingeschnitten, eingesägt oder sonst wie getrennt. Aus der Wahl des Werkzeugs, also an den Schnittkanten, könnte man möglicherweise Schlüsse ziehen. Reines Hin- und Herbiegen bis zum Bruch deutet mehr in Richtung grober germanischer Gewalt.
 
... Reines Hin- und Herbiegen bis zum Bruch deutet mehr in Richtung grober germanischer Gewalt.

Eventuell könnte man so erkennen ob es um reine stoffliche Verwertung ging. Letztere spräche wohl eher für Germanen. Ob die Schildbeschläge direkt als solche weiter verwendet werden konnten, wenn man sie geschickt löste ? Wäre ich Schmied in einer Legion, würde ich versuchen die Dinge wieder ihrer Bestimmung zuzuführen.
 
Guten Morgen,

@ ELQ

was ist eigentlich mit den aufgefundenen Augurenstäben ? Wie sollen die zu Varus passen ? Was sagen die Niedersachsen dazu ?

Grüße
 
Zu den Augurenstäben (Litui) haben wir schon diskutiert: http://www.geschichtsforum.de/f28/k...ht-zweifelhaft-22738/index144.html#post630491

Mit dem Ergebnis, dass wir erstaunt sind, dass so viele Litui sich in Kalkriese befinden, aber keine befriedigende Erklärung finden.

Hermundure will wahrscheinlich darauf hinaus, dass hier Germanicus gestorben ist ;)* - der ist ja durch Tacitus als Augur belegt.

Was sagen die Niedersachsen dazu?
Eigentlich könntest du das ja selber nachschlagen.

was ist eigentlich mit den aufgefundenen Augurenstäben? Wie sollen die zu Varus passen? Was sagen die Niedersachsen dazu?
Dazu habe ich in den mir zugänglichen Publikationen nichts gefunden. Die litui werden schon als Kultobjekte gesehen (es wird im Konflikt-Band der Jubiläumsausstellung 2009 auf die inschriftliche Widmung des Mars auf einem der litui hingewiesen). Es sind ja bisher nur zwölf Litui archäologisch bekannt/publiziert: zehn aus Kalkriese und zwei aus der Schweiz (so wenigstens der Stand 2009).

Seit Caesar war das Augurenkollegium auf 16 Amtsträger angehoben worden. Wir kennen aber nur vier Auguren für das Jahr 9. Bzw. mit Claudius, der im Jahr 9 zum Auguren erhoben wurde (kann man das näher eingrenzen?!), fünf.
Auffallend viele Auguren waren Statthalter der Provinz Asia. Varus war 15 v. Chr. legatus propraetore in Asia. Womöglich sind die litui in Kalkriese der archäologische Beleg dafür, dass Varus ein Augur war. Klar, er ist weder inschriftlich noch numismatisch oder historiographisch als solcher belegt, aber es sind uns ja auch nur 4 bzw. 5/16 Auguren für das Jahr 9 bekannt.

*Das konnte ich mir als Kalauer nicht verkneifen.
 
Die litui wurden genutzt, um das templum, vereinfacht gesagt den Vorhersagebezirk zu bestimmen. Das basierte auf etruskischen Vorstellungen. Damit war aber der lituus auch ein etruskischen Kultgerät. Wer weiß schon, welche Priester es alle nutzten?

Es gibt Abbildungen, die litui in Zusammenhang mit Opferungen zeigen, die nun rein gar nichts mit Auguren zu tun haben.

Ein lituus spielte auch eine Rolle bei der Festlegung der Sakrallandschaft einer Stadt nach etruskischem Glauben. Romulus benutzte einen bei der Gründung Roms.

Schließlich gehörte ein lituus zu den Insignien eines Feldherrn. Da vor einer Schlacht ursprünglich Auspizien vorgenommen werden sollten, schreibe ich hier bewusst nicht Imperator. Und wenn kein Augur anwesend war, reichte, wenn ich mich recht erinnere ein patrizischer Magistrat.

Auch abgesehen davon, dass Varus ein Augur gewesen sein könnte, waren litui nicht auf Auguren beschränkt.

Edit: Laut der Liste der Auguren bei Wikipedia wurden 7 und 8 n. Chr. Plätze frei. Passend für Varus, der am Höhepunkt seiner Laufbahn stand.

Im lituus-Artikel von Wikipedia ist einiges von dem von mir Gesagten nachzulesen.
 
Zuletzt bearbeitet:
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Wie kommst du auf eine Tageszeit?
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Darauf kam ich, weil bei Schwagstorf möglicherweise ein Marschlager der Römer war. Das fragliche Gelände soll aber jetzt überbaut worden sein (leider kann ich jetzt nicht mehr sagen, wo ich das gelesen habe). Die Entfernung von dort zum Oberesch ist nur klein.

Zu den Litui: Im Varus-Kurier 13 sind sie abgebildet. Auf einem Bild kann man schemenhaft eine Ritzinschrift erkennen. Ich meine zu lesen

N N I M O M M

Weiter innen meine ich nochmals schemenhaft

M O M

zu erkennen.

Was mich schon ein wenig wundert, ist, daß selbst Kultgegenstände ein wenig krakelig geritzt wurden. Da hätte man ja auch prägen/punzen können.

Oder es sind doch nur, wie schon mal hier vermutet, Dekorationsstücke?
 
Spannende Sache.

Zitieren wir der Vollständigkeit halber aber noch das Fazit:
Nach wie vor aber gibt es kein Fundmaterial wie etwa Münzen, die in die Zeit des Kaisers Tiberius und damit auf Germanicus verweisen. „An der Datierung der Ausgrabungen ändert sich momentan nichts“, sagt Har*necker.

Wohl war. Das ist aber eigentlich nicht das Fazit sondern nur der Hinweis darauf, dass sich an der nicht unumstrittenen Münzdatierung nichts geändert hat.
 
Wohl war. Das ist aber eigentlich nicht das Fazit sondern nur der Hinweis darauf, dass sich an der nicht unumstrittenen Münzdatierung nichts geändert hat.

Wie auch immer du es nennen magst. Ich fand nur wichtig, dass dem Eindruck entgegengewirkt wird, den du mit deiner Zitatauswahl offenkundig erwecken wolltest.
 
An der Münzdatierung ist eigentlich nichts umstritten. Schlussmünzen sind die Gaius/Lucius-Prägungen, die als Denare und Aurei vorliegen und die Augustus-Enkel/Adoptivsöhne († 2/4) als Nachfolger aufbauen sollten. Umstritten ist bzw. war, ob der Münzhorizont von 15/16 in Germanien sich von dem 9 unterschied (seit 10 hatte es neue Emissionen gegeben).
Aber bevor Ortisi seine Ausgrabungsergebnisse nicht veröffentlicht hat, sind auch diejenigen Dinge, die Harnecker und Aßkamp so von sich geben erst mal mit der notwendigen Zurückhaltung zu betrachten. Die werden zwar über den Buschfunk beide etwas mehr mitbekommen als die Normalbevölkerung, aber der Buschfunk hat auch Stille-Post-Effekte. Von daher: Abwarten und Tee trinken. Aufgrund von Spekulationen - und da können diese auch aus so berufenen und verdienten Mündern wie Harnecker und Aßkamp kommen - kann man keine seriösen Schlussfolgerungen ziehen.
 
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