Ich habe die Deportationshypothese immer für Unsinn gehalten. Es wird Gründe gegeben haben, warum der Kontakt zum Mutterland abbrach und die nautischen Kenntnisse verkümmerten und schließlich gänzlich verloren gingen. Meine Vermutung wäre, dass die Kenntnisse im Bootsbau verloren gingen oder dass es einfach kein gutes Bootsbauholz gab. Manche Inseln sind ja karg, ob sich der kanarische Lorbeer zum Bootsbau eignet, weiß ich nicht. Wenn ich es nicht hinreichend gutes Bootsbauholz gibt, gehen die Kenntnisse spätestens nach zwei Generationen verloren. Wo keine Boote gebaut werden, kann auch niemand von seinen Verwandten lernen, wie man Boote baut.
 
Eine kurze Recherche zu Lorbeerholz ergibt, dass Lorbeer gut zu verarbeiten sei, aber sehr anfällig dafür zu faulen oder von Insekten angefressen zu werden. Daher würde ich meinen, dass der prädominiere Holzlieferant auf den Kanaren ein ungeeignetes Holz für den Schiffsbau ist.
 
Die kanarische Kiefer hingegen wäre ein geeignetes Schiffsbauholz. Allerdings in der Nebelwolkenzone gelegen und sehr hart. Da die Altkanarier keine Metallverarbeitung mehr kannten, könnte es ein Problem gewesen sein, unter vertretbarem Aufwand diese Bäume zu fällen, in Wassernöhe zu bringen und zu Bootsholz zu verarbeiten,
 
Die Kanarische Kiefer wuchs bis zum Meer herunter, kam auch in dichten Beständen im Süden Teneriffas und Gran Canarias vor, wuchs angeblich auf allen Inseln, und ist auch heute noch bis auf 100 m Höhe herab zu finden. An Holz mangelte es nicht.

Für Bootsbau geeignetes Schilf gibt es zumindest auf La Palma, ganz sicher gab es das auch in den wasserreichen flachen Barrancos z.B. in San Nicolas de Tolentino auf Gran Canaria.

Dass die berberische Bevölkerung der Kanaren die Kanaren selbständig erreicht hat, gilt als ausgeschlossen.
Es gibt keinerlei archäologisches Substrat, keine zeitgenössischen Berichte über Seefahrt bei den Guanchen.

Es gibt hingegen Befunde von an der Küste gesammelten Mollusken und direkt an der Küste gefangenen Fischen, jede Menge Angelgerät aus Holz und Knochen, Netzgewichte aus Basalt, Körbe, Harpunen: Fischer ohne Boote.

Die Guanchen hatten keine Boote, hatten keine Schiffahrt, denn sie brauchten sie nicht.

Hirten und Bauern aus dem nordafrikanischen Hinterland sind keine Fischer, sind keine Seefahrer. Dafür aber Experten im Anbau von Linsen, Gerste, Bohnen, in der Nutzung von Farnwurzeln und Wildgräsern, im Rösten und Konservieren von Getreide (= Gofio), in der Zucht von Schweinen, Schafen und Ziegen.

Und schon Hanno der Seefahrer aus Kathargo schilderte um 480 v. Chr. wie er solche Experten, nämlich die nicht selbst bootsfahrenden Lixeten, als Kolonisten an Bord nahm.
 
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