Kreisregimenter im Kampf gegen den Kaiser?

Brissotin

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Das tut mir leid, aber es gibt noch kein UF "Heiliges Römisches Reich in der Neuzeit", was echt mal was Gutes wäre, aber diese Frage interessiert mich jetzt brennend.
Was machten die Kreisregimenter im Krieg gegen den Kaiser? Es gibt mehrere Beispiele. So 1741-45 müssen die Kreisregimenter Österreichs doch eigentlich neutralisiert gewesen sein. Was taten betroffene Staaten innerhalb des Reichsverbandes mit den Truppen, die normalerweise extra für den Reichskrieg aufgestellt wurden? Gab es da juristische Hürden, sie einfach auch mal gegen den Kaiser einzusetzen?
Ich weiß ich sollte mir mal mehr Literatur zulegen, aber ich denke die Frage ist schon ziemlich speziell (vermutlich auch weil der Fall eine ziemliche Ausnahme darstellt, nicht genauer behandelt) und vielleicht ist jemand in der Recherche schonmal eine Besonderheit im Umgang mit der Problematik begegnet.
:)
 
Die Struktur und Rechtsbasis des Reichsheers wurde vom 15.-18. Jh. mehrfach geändert. Zu Beginn des 16. Jh. wurden einzelne Reichsstände verpflichtet, bestimmte Heereskontingente zum Reichsheer zu stellen. Die Rechtsgrundlage bildete die Matrikel des Wormser Reichstags von 1521, die sich auch an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Reichsstände ausrichtete. Sie blieb bis zum Ende des alten Reichs in Kraft. Der Versuch zur Einführung einer allgemeinen Reichssteuer, die auch die Aufstellung eines Reichsheeres finanzieren sollte, scheiterte.

Die Matrikel ging von 4000 Reisigen (Reitern) und 20 000 Fußknechten aus, verteilt auf 405 Reichsstände. Jeder Reichstand hatte das ihm auferlegte Kontingent im Feld zu stellen, zu besolden und zu unterhalten. Die Reichsstände mussten die Mannschaften für die ihnen auferlegten Kontingente selbst aufbringen, sie mussten Söldner werben oder zogen Lehnsleute heran, sofern sie über solche verfügten.Die Aufbringung des Reichsheers war extrem schwerfällig, doch führten Reformvorschläge zu nur unwesentlichen Veränderungen.

Der Westfälische Friede 1648 gewährleistete den Reichsständen das "jus armorum", d.h. sie hatten das Recht, Krieg und Frieden zu beschließen, Werbungen und Einquartierungen vorzunehmen, Befestigungen zu errichten und Festungsbesatzungen zu unterhalten, schließlich auch Bündnisse innerhalb und außerhalb des Reichs zu ihrer eigenen Sicherheit abzuschließen, sofern diese Bündnisse nicht gegen Kaiaser und Reich und den Landfrieden gerichtet waren, oder den Treueid gegenüber Kaiser und Reich verletzten.

Das Reich gab damit den Landesherren die rechtliche Grundlage zum Ausbau Stehender Heere, der sich nunmehr in den größeren Territorialstaaten vollzog. Die wehrpolitische Schwäche des Reichs zeigte sich an den wiederholten Einfällen der Heere Ludwigs XIV., der Wegnahme deutschen Landes an der Westgrenze und der Verwüstung des Rheinlands und der Pfalz.

Die Reichsdefensionsordnung von 1681 sah eine Erhöhung des Reichsheers auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußknechtevor. Die Last wurde auf alle seither geschaffenen Reichskreise verteilt, denen die Aufgabe zufiel, eine weitere Verteilung auf die Reichsstände nach Maßgabe der Wormser Matrikel (s. oben) vorzunehmen. Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs wurde auf dem Reichstag zu Regensburg die Aufstellung eines Stehenden Reichsheers erwogen (1702), wozu es aber nicht kam. Es blieb bei der wehrpolitischen Schwäche der Reichsarmee, die z.B. 1757 bei Roßbach dem Preußenkönig Friedrich II. unterlag.

Das Heer des Reichs blieb bis zu dessen Ende im Jahr 1806 eine Einrichtung, die von den Reichsständen getragen wurde. Die Wehrhoheit stand NICHT dem Kaiser allein, sondern nur in Gemeinschaft mit den Reichsständen zu. Der Kaiser war im Kriegsfall gezwungen, kaiserliche Truppen, die aus den Erblanden aufgebracht oder sonst angeworben wurden, ins Feld zu stellen. Zum Türkenkrieg, dessen Last das Haus Habsburg tragen musste, gewährte das Reich dem Kaiser Beihilfen (Türkenhilfe), die überwiegend in Geld, weniger in Truppen bestand. Der Kaiser hatte nicht einmal das uneingeschränkte Recht, im Reich Truppen zu werben.

Das Oberkommando über die Reichsarmee führte der Kaiser oder ein "Reichsgeneralfeldmarschall", der von Kaiser und Reichstag gemeinsam ernannt wurde. Die oberste Leitung des Reichskriegs lag in der Hand eines Reichskriegsrats, der sich im 18. Jh. aus Direktoren und Räten zusammensetzte, die aus verschiedenen Religionen genommen werden mussten.

Zur Wahrung des Landfriedens konnte der Kaiser in Absprache mit dem Reichstag eine Reichsexekution gegen einen unbotmäßigen Reichsstand durchführen, wie das z.B. im Siebenjährigen Krieg gegn Preußen geschah. Dass dieses Mittel wegen der Schwerfälligkeit der Reichsarmee und diplomatisch ständig wechselnder taktischer Lager wenig gefürchtet war, ist offensichtlich.
 
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