Ökonomischer Hintergrund
Hier sind aus wirtschaftshistorischer Sicht erst einmal die Diskussion über ökonomische Interessen von den tatsächlichen ökonomischen Gegebenheiten zu trennen.
Zu den angeblichen 500 Mio. deutscher Auslandsinvestitionen (andere Nennungen 200 Mio.) in die Burenrepubliken ist anzumerken, dass jede Datenbasis für diese "Schätzungen" fehlt. Die Zahlenangaben basieren auf Vermutungen einzelner Personen oder Unternehmen, ohne jeden Naachweise einer Übersicht und bei fehlenden Statistiken zu diesem Zeitraum, und sind ohnehin im Kontext der südafrikanischen Minen- und Börsenblase und des Gold-Hypes 1895/90 zu sehen.
Die kolportierten 500 Mio. entsprachen etwa dem 2,5-fachen der Gesamtausfuhr der Burenrepubliken und der Kapkolonie (spätere zusammengefasste Zahlen) bzw. dem 2-fachen der jährlichen Goldproduktion. Diese war aufgrund der Fundlage sehr kostenintensiv, zm einen durch das Zyanid-Verfahren (was damals hightech der Chemieindustrie darstellte) und insbesondere wegen der Transportkosten (auf den britisch beherrschten Eisenbahn- und Schifffahrtsstrecken - Großbritannien erwies sich hier vor 1902 als Profiteur des Booms, ohne selbst territorialen Zugriff auf die Minen zu haben). Minengesellschaften gingen reihenweise in die Insolvenz bzw. nur ein Bruchteil schütteten überhaupt bis 1914 Dividenden aus.
Ist schon die deutsche "Investitionssumme" in Relation zu den Burenrepubliken absurd, ist bei dieserZählung vermutlich alles in einen Topf geworfen worden, inklusive Investitionen in Schifffahrtslinien wie die hochsubventionierte DOAL, die mit Schleuderpreisen dem britischen Frachtraum Konkurrenz machen sollte, oder Eisenbahnaktien, die mehr durch die Marktblasen als durch politische Krisen "unter die Räder" kamen.
Zum Vergleich dieser "Kapitalexporte" mit den deutschen Handelsbilanzen:
1894 betrug die gesamte Warenausfuhr/Einfuhr zum " Kapland" 12 bzw. 14 Mio. Mark und die Ausfuhr in den Transvaal 5,5 Mio. Mark, das ist etwa das Niveau von Uruguay oder entspricht einem 1/8 von Norwegen. Selbst die Kapitalbeträge, die Deutsche Bank oder Privatiers in den Minen- und Eisenbahngesellschaften verspielt haben können, unterlegt nicht im entferntesten diese Summe von "Auslandsinvesitionen", die durch die Afrikaphantasien des Hochimperialismus geprägt waren.
Einzelne Mosaikstückchen aus Engagements (mit den genannten Phantasiewerten) sind auch den Darstellungen von
Fröhlich, Michael: Von Konfrontation zur Koexistenz - die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884-1914
Rosenbach, Das Deutsche Reich, Großbritannien und der Transvaal (1896 - 1902) - Anfänge deutsch-britischer Entfremdung
zu entnehmen.
Soweit deutsche Unternehmer "vor Ort" tätig waren, ist darunter - neben deutsch-kolonialen Tendenzen - auch eine Anlehnung an die Kapkolonie festzustellen. Ebenso verhielt es sich bei den "Siedlern", deren Zahl schwer einzuschätzen ist (im Rand-Bereich und um Johannisburg waren das rd. 2200, während die britischen Bürger die Masse der insgesamt rund 70.000 stellten).
Daraus wird deutlich, dass deutlich zwischen den in die Politik eingestreuten, angeblichen deutschen ökonomischen Interessen und den tatsächlichen Verhältnissen zu unterscheiden ist.
Man hat sich schon angewöhnt, insbesondere deutsche Historiker, die Dinge durch die britsche Brille zu betrachten. Erst einmal gab es durchaus deutsche Interessen, denn in der Wirtschaft Transvaals steckte nicht wenig deutsches Kapital. Auch deutsche Siedler lebten dort.
Und aus einem anderen Thema:Deutscherseits befürchtete man wohl nicht ganz zu Unrecht, das, wenn Burenrepubliken erst wieder Bestandteil des Empire sind, das der deutsche Handel mehr oder weniger dort ausgeschlossen werden würde. Die deutsche Konkurrenz wurde gefürchtet, obwohl der britische Export seit 1895 sich zu deren Gunsten entwickelt hat.
Berlin meinte hingegen meinte seine materiellen Interessen wie den Bau von Bahnen oder auch der Anknüpfung von Handelsbeziehungen schützen zu müssen.
Die Dissertation des Historiker Boris Barth (Jacobs University Bremen) "Deutsche Hochfinanz und Imperialismen" (S. 170 ff.) von 1995 veranlaßt mich zu einigen Anmerkungen zur Krügerdepesche. Diese gilt als eine der bekannten Ungeschicklichkeiten von Wilhelm II. (Wortlaut bei Krüger-Depesche ? Wikipedia), mit der ohne Not des deutsch-englische Verhältnis schwer belastet wurde.
Das Transvaal (Südafrikanische Republik) war seit 1884 - von England anerkannt - ein voll unabhängiger Staat. Ein Freundschafts- und Handelsvertrag mit Deutshland 1885 gehört zu den ersten (oder war gar der erste?) völkerrechtlichen Verträgen der jungen Rrepublik. Deutsche Unternehmen investierten in hohem Maße imTransvaal (die Zahlen sind sehr unzuverlässig, die Reichsregierung schätzte das Volumen 1896 auf 500 Mio. Reichsmark, von den europäischen Investitionen kamen 1/4 bis 1/3 aus Deutschland). Es handelte sich vornehmlich um spekulative, hochprofitablen Minenunternehmen (aber auch Eienbahnen, Kraftwerke, etc.). Am erfolgreichsten war die zur Deutschen Bank gehörende Firma Goertz, aber auch die Dresdner Bank Gruppe, Krupp, Siemens, etc. waren vertreten (die Reichsregierung unterstützte solche Investitionen). Die Niederländisch-Südafrikanische Eisenbahngesellschaft mit Sitz in den Niederlanden (Nederlandsch Zuid-Afrikaansche Spoorweg Maatschappij, gegründet 1894), aber von deutschem Kapital kontrolliert, schuf die Verbindung von Pretoria nach Lorenco Marques im portugiesischem Mosambique und machte das Transvaal von der Kapkolonie unabhängig (politisch nach der Unabhängigeit eine zwingende Maßnahme, was in der Kapkolonie natürlich äusserst ungern gesehen wurde). Eine weitere Maßnahme die Unabhängigkeit zu bewahren war die Gründung der Nationalbank (mit dem alleinigen Recht Banknoten auszugeben), die vornehmlich von Deutschen betrieben wurde (als Sitz war sogar Berlin im Gespräch, tatsächlich wurde es Pretoria). Als der geschäftliche Erfolg ausblieb, verloren die Deutschen das Interesse und die Regierung in Transvaal erhielt die Macht in der Nationalbank.
Goldfunde machten das Transvaal zum wirtschaftlich wichtigsten Staat in der Region (die Kapkolonie verlor an Bedeutung) - brachten auch das das Problem der Uitlanders (Ausländer). Die englische Politik isolierte das Transvaal (kein Zugang zum Meer, keine Grenze mit deutschem Gebiet). Dies und die unklaren Grenzen im Inneren Afrikas führten zu Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und England, die im Delagoa Bay Streit (es ging um Eisenbahnkonzessionen im - portugiesischem - südlichen Mosambique) endeten.
Der 5-tägige erfolglose Jameson-Raid 1895/1896 (Cecil Rhodes' - Premierminister der Kapprovinz - Idee, die Burenregierung wegzuputschen und das Transvaal in die Kapkolonie einzugliedern) führte zu erheblichen Verstimmungen. Der deutsche Botschafter in London wurde angewiesen um seine Pässe zu bitten, falls er den Eindruck habe, die britische Regierung billige den Jameson-Raid. Wilhelm II. konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, Truppen ins Transvaal zu senden (was vermutlich zum Krieg mit England geführt hätte). Wilhelm II. hat immer wieder das Verwandschaftsverhältnis zu den Buren (viele waren Rheinländer) herausgestellt, Deutschland war immerhin - u.a. - ein Nationalstaat. Offensichtlich war man der Auffassung, dass irgendeine Reaktion erfolgen müsse. Die Reichsleitung sandte schließlich - nach der Gefangennahme von Jameson durch Präsident Krüger - die bekannte Krügerdepesche (aufgesetzt von Paul Kayser, Leiter der Koloninalabteilung des Auswärtigen Amtes). Das Telegramm wurde in Deutschland gut, in England schlecht aufgenommen. Der deutsche Versuch, eine gegen Enand gerichtete diplomatische Konstellation herbeizuführen, scheiterte....
Deutschland hatte beachtliche Interessen im Transvaal, allerdings keine Mittel diese zu schützen. Das erste Flottengesetz zum Schutz der Kolonien und des Außenhandels verabschiedete der Reichstag 1898. Die englischen Motive werden letztlich ausschließlich in der Eroberung des rohstoffreichen Landes gesehen. Könnte aber nicht ein mächtiges Transvaal (verbunden mit Deutschland) mit der Zeit die Kapkolonie bedeutungslos werden lassen?
Hier sind aus wirtschaftshistorischer Sicht erst einmal die Diskussion über ökonomische Interessen von den tatsächlichen ökonomischen Gegebenheiten zu trennen.
Zu den angeblichen 500 Mio. deutscher Auslandsinvestitionen (andere Nennungen 200 Mio.) in die Burenrepubliken ist anzumerken, dass jede Datenbasis für diese "Schätzungen" fehlt. Die Zahlenangaben basieren auf Vermutungen einzelner Personen oder Unternehmen, ohne jeden Naachweise einer Übersicht und bei fehlenden Statistiken zu diesem Zeitraum, und sind ohnehin im Kontext der südafrikanischen Minen- und Börsenblase und des Gold-Hypes 1895/90 zu sehen.
Die kolportierten 500 Mio. entsprachen etwa dem 2,5-fachen der Gesamtausfuhr der Burenrepubliken und der Kapkolonie (spätere zusammengefasste Zahlen) bzw. dem 2-fachen der jährlichen Goldproduktion. Diese war aufgrund der Fundlage sehr kostenintensiv, zm einen durch das Zyanid-Verfahren (was damals hightech der Chemieindustrie darstellte) und insbesondere wegen der Transportkosten (auf den britisch beherrschten Eisenbahn- und Schifffahrtsstrecken - Großbritannien erwies sich hier vor 1902 als Profiteur des Booms, ohne selbst territorialen Zugriff auf die Minen zu haben). Minengesellschaften gingen reihenweise in die Insolvenz bzw. nur ein Bruchteil schütteten überhaupt bis 1914 Dividenden aus.
Ist schon die deutsche "Investitionssumme" in Relation zu den Burenrepubliken absurd, ist bei dieserZählung vermutlich alles in einen Topf geworfen worden, inklusive Investitionen in Schifffahrtslinien wie die hochsubventionierte DOAL, die mit Schleuderpreisen dem britischen Frachtraum Konkurrenz machen sollte, oder Eisenbahnaktien, die mehr durch die Marktblasen als durch politische Krisen "unter die Räder" kamen.
Zum Vergleich dieser "Kapitalexporte" mit den deutschen Handelsbilanzen:
1894 betrug die gesamte Warenausfuhr/Einfuhr zum " Kapland" 12 bzw. 14 Mio. Mark und die Ausfuhr in den Transvaal 5,5 Mio. Mark, das ist etwa das Niveau von Uruguay oder entspricht einem 1/8 von Norwegen. Selbst die Kapitalbeträge, die Deutsche Bank oder Privatiers in den Minen- und Eisenbahngesellschaften verspielt haben können, unterlegt nicht im entferntesten diese Summe von "Auslandsinvesitionen", die durch die Afrikaphantasien des Hochimperialismus geprägt waren.
Einzelne Mosaikstückchen aus Engagements (mit den genannten Phantasiewerten) sind auch den Darstellungen von
Fröhlich, Michael: Von Konfrontation zur Koexistenz - die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884-1914
Rosenbach, Das Deutsche Reich, Großbritannien und der Transvaal (1896 - 1902) - Anfänge deutsch-britischer Entfremdung
zu entnehmen.
Soweit deutsche Unternehmer "vor Ort" tätig waren, ist darunter - neben deutsch-kolonialen Tendenzen - auch eine Anlehnung an die Kapkolonie festzustellen. Ebenso verhielt es sich bei den "Siedlern", deren Zahl schwer einzuschätzen ist (im Rand-Bereich und um Johannisburg waren das rd. 2200, während die britischen Bürger die Masse der insgesamt rund 70.000 stellten).
Daraus wird deutlich, dass deutlich zwischen den in die Politik eingestreuten, angeblichen deutschen ökonomischen Interessen und den tatsächlichen Verhältnissen zu unterscheiden ist.