Krüger-Depesche und Transvaal-Krise 1895/96

Ökonomischer Hintergrund

Man hat sich schon angewöhnt, insbesondere deutsche Historiker, die Dinge durch die britsche Brille zu betrachten. Erst einmal gab es durchaus deutsche Interessen, denn in der Wirtschaft Transvaals steckte nicht wenig deutsches Kapital. Auch deutsche Siedler lebten dort.
Deutscherseits befürchtete man wohl nicht ganz zu Unrecht, das, wenn Burenrepubliken erst wieder Bestandteil des Empire sind, das der deutsche Handel mehr oder weniger dort ausgeschlossen werden würde. Die deutsche Konkurrenz wurde gefürchtet, obwohl der britische Export seit 1895 sich zu deren Gunsten entwickelt hat.
Berlin meinte hingegen meinte seine materiellen Interessen wie den Bau von Bahnen oder auch der Anknüpfung von Handelsbeziehungen schützen zu müssen.
Und aus einem anderen Thema:
Die Dissertation des Historiker Boris Barth (Jacobs University Bremen) "Deutsche Hochfinanz und Imperialismen" (S. 170 ff.) von 1995 veranlaßt mich zu einigen Anmerkungen zur Krügerdepesche. Diese gilt als eine der bekannten Ungeschicklichkeiten von Wilhelm II. (Wortlaut bei Krüger-Depesche ? Wikipedia), mit der ohne Not des deutsch-englische Verhältnis schwer belastet wurde.

Das Transvaal (Südafrikanische Republik) war seit 1884 - von England anerkannt - ein voll unabhängiger Staat. Ein Freundschafts- und Handelsvertrag mit Deutshland 1885 gehört zu den ersten (oder war gar der erste?) völkerrechtlichen Verträgen der jungen Rrepublik. Deutsche Unternehmen investierten in hohem Maße imTransvaal (die Zahlen sind sehr unzuverlässig, die Reichsregierung schätzte das Volumen 1896 auf 500 Mio. Reichsmark, von den europäischen Investitionen kamen 1/4 bis 1/3 aus Deutschland). Es handelte sich vornehmlich um spekulative, hochprofitablen Minenunternehmen (aber auch Eienbahnen, Kraftwerke, etc.). Am erfolgreichsten war die zur Deutschen Bank gehörende Firma Goertz, aber auch die Dresdner Bank Gruppe, Krupp, Siemens, etc. waren vertreten (die Reichsregierung unterstützte solche Investitionen). Die Niederländisch-Südafrikanische Eisenbahngesellschaft mit Sitz in den Niederlanden (Nederlandsch Zuid-Afrikaansche Spoorweg Maatschappij, gegründet 1894), aber von deutschem Kapital kontrolliert, schuf die Verbindung von Pretoria nach Lorenco Marques im portugiesischem Mosambique und machte das Transvaal von der Kapkolonie unabhängig (politisch nach der Unabhängigeit eine zwingende Maßnahme, was in der Kapkolonie natürlich äusserst ungern gesehen wurde). Eine weitere Maßnahme die Unabhängigkeit zu bewahren war die Gründung der Nationalbank (mit dem alleinigen Recht Banknoten auszugeben), die vornehmlich von Deutschen betrieben wurde (als Sitz war sogar Berlin im Gespräch, tatsächlich wurde es Pretoria). Als der geschäftliche Erfolg ausblieb, verloren die Deutschen das Interesse und die Regierung in Transvaal erhielt die Macht in der Nationalbank.

Goldfunde machten das Transvaal zum wirtschaftlich wichtigsten Staat in der Region (die Kapkolonie verlor an Bedeutung) - brachten auch das das Problem der Uitlanders (Ausländer). Die englische Politik isolierte das Transvaal (kein Zugang zum Meer, keine Grenze mit deutschem Gebiet). Dies und die unklaren Grenzen im Inneren Afrikas führten zu Unstimmigkeiten zwischen Deutschland und England, die im Delagoa Bay Streit (es ging um Eisenbahnkonzessionen im - portugiesischem - südlichen Mosambique) endeten.

Der 5-tägige erfolglose Jameson-Raid 1895/1896 (Cecil Rhodes' - Premierminister der Kapprovinz - Idee, die Burenregierung wegzuputschen und das Transvaal in die Kapkolonie einzugliedern) führte zu erheblichen Verstimmungen. Der deutsche Botschafter in London wurde angewiesen um seine Pässe zu bitten, falls er den Eindruck habe, die britische Regierung billige den Jameson-Raid. Wilhelm II. konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, Truppen ins Transvaal zu senden (was vermutlich zum Krieg mit England geführt hätte). Wilhelm II. hat immer wieder das Verwandschaftsverhältnis zu den Buren (viele waren Rheinländer) herausgestellt, Deutschland war immerhin - u.a. - ein Nationalstaat. Offensichtlich war man der Auffassung, dass irgendeine Reaktion erfolgen müsse. Die Reichsleitung sandte schließlich - nach der Gefangennahme von Jameson durch Präsident Krüger - die bekannte Krügerdepesche (aufgesetzt von Paul Kayser, Leiter der Koloninalabteilung des Auswärtigen Amtes). Das Telegramm wurde in Deutschland gut, in England schlecht aufgenommen. Der deutsche Versuch, eine gegen Enand gerichtete diplomatische Konstellation herbeizuführen, scheiterte....

Deutschland hatte beachtliche Interessen im Transvaal, allerdings keine Mittel diese zu schützen. Das erste Flottengesetz zum Schutz der Kolonien und des Außenhandels verabschiedete der Reichstag 1898. Die englischen Motive werden letztlich ausschließlich in der Eroberung des rohstoffreichen Landes gesehen. Könnte aber nicht ein mächtiges Transvaal (verbunden mit Deutschland) mit der Zeit die Kapkolonie bedeutungslos werden lassen?

Hier sind aus wirtschaftshistorischer Sicht erst einmal die Diskussion über ökonomische Interessen von den tatsächlichen ökonomischen Gegebenheiten zu trennen.

Zu den angeblichen 500 Mio. deutscher Auslandsinvestitionen (andere Nennungen 200 Mio.) in die Burenrepubliken ist anzumerken, dass jede Datenbasis für diese "Schätzungen" fehlt. Die Zahlenangaben basieren auf Vermutungen einzelner Personen oder Unternehmen, ohne jeden Naachweise einer Übersicht und bei fehlenden Statistiken zu diesem Zeitraum, und sind ohnehin im Kontext der südafrikanischen Minen- und Börsenblase und des Gold-Hypes 1895/90 zu sehen.

Die kolportierten 500 Mio. entsprachen etwa dem 2,5-fachen der Gesamtausfuhr der Burenrepubliken und der Kapkolonie (spätere zusammengefasste Zahlen) bzw. dem 2-fachen der jährlichen Goldproduktion. Diese war aufgrund der Fundlage sehr kostenintensiv, zm einen durch das Zyanid-Verfahren (was damals hightech der Chemieindustrie darstellte) und insbesondere wegen der Transportkosten (auf den britisch beherrschten Eisenbahn- und Schifffahrtsstrecken - Großbritannien erwies sich hier vor 1902 als Profiteur des Booms, ohne selbst territorialen Zugriff auf die Minen zu haben). Minengesellschaften gingen reihenweise in die Insolvenz bzw. nur ein Bruchteil schütteten überhaupt bis 1914 Dividenden aus.

Ist schon die deutsche "Investitionssumme" in Relation zu den Burenrepubliken absurd, ist bei dieserZählung vermutlich alles in einen Topf geworfen worden, inklusive Investitionen in Schifffahrtslinien wie die hochsubventionierte DOAL, die mit Schleuderpreisen dem britischen Frachtraum Konkurrenz machen sollte, oder Eisenbahnaktien, die mehr durch die Marktblasen als durch politische Krisen "unter die Räder" kamen.

Zum Vergleich dieser "Kapitalexporte" mit den deutschen Handelsbilanzen:
1894 betrug die gesamte Warenausfuhr/Einfuhr zum " Kapland" 12 bzw. 14 Mio. Mark und die Ausfuhr in den Transvaal 5,5 Mio. Mark, das ist etwa das Niveau von Uruguay oder entspricht einem 1/8 von Norwegen. Selbst die Kapitalbeträge, die Deutsche Bank oder Privatiers in den Minen- und Eisenbahngesellschaften verspielt haben können, unterlegt nicht im entferntesten diese Summe von "Auslandsinvesitionen", die durch die Afrikaphantasien des Hochimperialismus geprägt waren.

Einzelne Mosaikstückchen aus Engagements (mit den genannten Phantasiewerten) sind auch den Darstellungen von
Fröhlich, Michael: Von Konfrontation zur Koexistenz - die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884-1914
Rosenbach, Das Deutsche Reich, Großbritannien und der Transvaal (1896 - 1902) - Anfänge deutsch-britischer Entfremdung
zu entnehmen.

Soweit deutsche Unternehmer "vor Ort" tätig waren, ist darunter - neben deutsch-kolonialen Tendenzen - auch eine Anlehnung an die Kapkolonie festzustellen. Ebenso verhielt es sich bei den "Siedlern", deren Zahl schwer einzuschätzen ist (im Rand-Bereich und um Johannisburg waren das rd. 2200, während die britischen Bürger die Masse der insgesamt rund 70.000 stellten).

Daraus wird deutlich, dass deutlich zwischen den in die Politik eingestreuten, angeblichen deutschen ökonomischen Interessen und den tatsächlichen Verhältnissen zu unterscheiden ist.
 
Sehe ich komplett anders in der Dramatik der Entwicklung und halte die Einschätzung der politischen Situation für nicht angemessen.

Folgt man der Darstellung von Otte (Floaing Downstream? Lord Salisbury and the British Foreigen Policy, 1878-1902, S. 114ff) dann standen das Mittelmeer und der Nahe Osten, inklusive der Zerfall des Ottomanischen Reichs im Kern der politischen Diskussionen und Konflikte. Und die französisch- russische Zusammenarbeit bei der Marine bedrohte die britische "Lebenslinie" durch das Mittelmeer.

Das bringt die Sache auf den Punkt. Der entscheidende strategische Angelpunkt aller Krisen um die Region Südafrika war der sichere Weg in den Indischen Ozean, das Scharnier für eine Verteidigung Indiens. Bis 1914 war diese Route die zentrale Rückfallposition der Royal Navy für die Kriegsszenarien mit Russland und Frankreich, bei denen im Ernstfall von einer Schließung der Mittelmeer-Suez-Route ausgegangen wurde. Kapstadt war - so auch diplomatisch kommuniziert (zuletzt im Dezember 1894, mit dem Hinweis, dass eine Bedrohung der Cape Colony für Großbritannien den Kriegsfall darstellen würde) - für das Empire wichtiger als Suez oder Gibraltar.

Das war nicht Hinter-Uganda, oder eine x-beliebige, vorübergehende Querele wie die um den Kongo 1893: Hier lag der Nerv schlechthin des britischen Imperialismus, in Form von Kapstadt, der Route, und den Docks. Exakt diesen wunden Punkt suchte sich die deutsche Rumpeldiplomatie aus, um Weltpolitik zu demonstrieren.*
Sneh Mahajan: British Foreign Policy 1874–1914 - The Role of India


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* übrigens nach jahrelangen Anfeuerungen von Presse und Verbänden, mit völkischen Anwandlungen über "Verwandte unter afrikanischer Kaffern", "Blutsverwandte inmitten schwarzer Horden", verbunden mit antibritischen Hasstiraden. Dabei sah Krüger die Depesche durchaus vorsichtig: den Briten kann man nicht trauen, den Deutschen nicht ein Zehntel davon. Die burischen Zeitungen besorgten sich weiterhin und nebenbei auch in der Zustimmung zur Depesche über deutsche Protektoratsgelüste ("dann lieber unter den Briten").
 
Man kann das auch anders interpretieren als "große Weltpolitik":

Nein, kann man nicht, angesichts des Kontexts:

"Die um die Jahreswende 1895/6 gegebenen äußerst gespannten trilateralen Beziehungen zwischen Berlin, London und Pretoria waren die Folge zahlreicher Krisen der letzten zwei Jahren. Die explosive Situation entlud sich im sogenannten Krüger-Telegramm, welches der Kaiser am 3.1.1896 an Präsident Krüger als Glückwunsch schickte, nachdem der von der Kapkolonie ausgehende Umsturzversuch des britischen Milizführers Leander Starr Jameson gescheitert war...

Die inländischen Stimmungsberichte der Diplomaten ließen keinen Zweifel
daran, daß nach den kolonialpolitischen Enttäuschungen der späten Bismarckjahre und den von Kaiser Wilhelm nach 1890 geschürten Erwartungen an den „Neuen Kurs" sowie Hoffnungen auf eine deutsch-burische „Entente" nun die offizielle Kolonialpolitik des Reiches endlich den weitgesteckten Vorstellungen der Kolonialagitatoren entsprach. Zwischen beiden war der nach 1884/5 verlorengegangene Konsens wiederhergestellt. Noch Jahre später schwärmte Schroeder-Poggelow, „daß bisher [seit dem Regierungsantritt Wilhelms II.] noch kein Regierungsakt einen derartig allgemeinen Beifall beim deutschen Volke gefunden hat, als diese Depesche."

[zitiert nach Rosenbach, siehe oben]

Eigentlich könnte man ja auch zu dem Schluss kommen, dass das DR sich genötigt sah sich eine Kriegsflotte zuzulegen, da man sich von GB gegängelt und im Handel behindert sah.
Dieser Hintergrund ist richtig angesprochen. Zeitgleich schwelte der Streit um die Flottenrüstung, bombardierten sich Tirpitz und Stosch mit Memos. Dieser Streit wurde durch die Transvaalkrise ohne Zweifel beeinflusst, mit dem Ergebnis einer deutschen Flottenrüstung. Rein spekulativ ist es, das tatsächliche Gewicht dieser Krise im Ausgang der Flottenrüstung, sozusagen seinen "Beitrag" zu messen.

Es ist eher Sache der Tirpitz-Apologeten, die Ereignisse der Transvaal-Krise als definitiven Auslöser der Flottenrüstung darzustellen. Das ist in der Konsequenz Unsinn, da die der Öffentlichkeit 1900 vorgestellte "Risikotheorie" seit 1895 vor der Transvaal-Krise "stand".
(Hobson, Maritimer Imperialismus, S. 233)

Die Flottenfrage war intern (und das ist von der Frage, wie es praktisch durchgesetzt wird, zu unterscheiden) bereits vor der Transvaalkrise entschieden.

Tirpitz war eher der Ansicht, dass man in der Krise "dumm" reagiert habe. Das "Gute an der Krise" sei, dass man der Öffentlichkeit nun problemlos die Flottenrüstung nach Muster Dienstschrift IX unterschieben könne, und die antibritische Hetze reichlich ausnutzen und noch anfeuern könne. Das Rüstungsmemo des Oberkommandos entstand indes vor der Krise am 21.12.1895 (mit 19 Schlachtschiffen, plus 8 älteren, Abschluss des Flottenbauplanes 1908, von Wilhelm II. bereits November 1895 abgenickt, und in der Kreuzerzahl aufgestockt, Entwürfe waren vom Sommer 1895).
(Patrick Kelly, Tirpitz and the Imperial German Navy, S. 109).

Die verkürzte und kontextlose Darstellung der Transvaalkrise findet sich übrigens auch in Clarks "Schlafwandler". Der schwachen Darstellung von Clark ist zwar ein Zitat von Rosenbach beigefügt, allerdings muß man wegen der Darstellung Zweifel haben, ob er das überhaupt gelesen hat. Im übrigen ist Rosenbaum nicht "die" Literatur zum Thema, sondern da gibt es mehr Beachtliches, und bei Clark diesbezüglich eine schlafwandelnde Fehlanzeige. Aber solche "Ungenauigkeiten" zum Forschungsstand sind bei Clark keine Ausnahme, da gibt es reichlich mehr.
 
Mir fehlen hier die Grautöne! Alles wie gehabt. Großbritannien gut, Deutsches Kaiserreich schlecht.

Anhand der genannten Zahlen kann man m.E. nach nicht von angeblichen, sondern von sehr realen wirtschaftlichen Interessen des Deutschen Reiches sprechen. Großbritannien erwartete und unterstellte dem Reich reichlich viel. Der Seeweg war seehr lang und die ganzen Annrainergebiete waren vitales britisches Interesse, ich erinnere an die späteren Streitpunkt Bagdadbahn, und Deutschland hatte das gefälligst zu respecktieren. So wohl die britische Sicht und so auch hier die Richtung der Argumentation.


silesia schrieb:
"Die um die Jahreswende 1895/6 gegebenen äußerst gespannten trilateralen Beziehungen zwischen Berlin, London und Pretoria waren die Folge zahlreicher Krisen der letzten zwei Jahren. Die explosive Situation entlud sich im sogenannten Krüger-Telegramm, welches der Kaiser am 3.1.1896 an Präsident Krüger als Glückwunsch schickte, nachdem der von der Kapkolonie ausgehende Umsturzversuch des britischen Milizführers Leander Starr Jameson gescheitert war...

Mit voller Unterstützung von Cecil Rhodes und dem Wissen von Chamberlain und einen reichlich zurückhaltenden Salisbury.


as war nicht Hinter-Uganda, oder eine x-beliebige, vorübergehende Querele wie die um den Kongo 1893: Hier lag der Nerv schlechthin des britischen Imperialismus, in Form von Kapstadt, der Route, und den Docks. Exakt diesen wunden Punkt suchte sich die deutsche Rumpeldiplomatie aus, um Weltpolitik zu demonstrieren.*
Sneh Mahajan: British Foreign Policy 1874–1914 - The Role of India


Ach so,und deshalb sollten die Deutschen bereitwillig ihre Interessen aufgeben.Die Briten haben ja ab 1899 mit den Buren ja auch brutal tabula rasa gemacht. Auch nicht gerade eine vornehme Weltpolitik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Anhand der genannten Zahlen kann man m.E. nach nicht von angeblichen, sondern von sehr realen wirtschaftlichen Interessen des Deutschen Reiches sprechen.
...
Ach so,und deshalb sollten die Deutschen bereitwillig ihre Interessen aufgeben.

Die ständigen Diskussionshinweise auf gut und schlecht, vornehm etc. kann ich nicht nachvollziehen, sie haben auch nichts mit den Literaturkontroversen über die politischen Krisen vor 1914 zu tun. Es geht hier nicht um die Unterscheidung zwischen einem schlechten und einem noch schlechteren Imperialismus, oder um den größten Imperialisten oder Koloinialisten an sich, sondern es geht um den "langen Weg" zur Julikrise 1914, und die Rückwirkungen der Streitigkeiten an der Peripherie auf den europäischen Schauplatz.

In dem Kontext ist die Transvaal-Krise nicht einmal der Bruch, sondern der wird in der Literatur früher angesetzt (1892/94 -> Fröhlich, Von der Konfrontation zur Koexistenz). Somit ist hier Diskussionsgegenstand eine Krise in der Peripherie, die wertneutral - und hier spielen die beiderseitigen imperialistischen und kolonialen Exzesse keine Rolle - als Ursachenfaktor für das Mißtrauen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich eine Rolle spielte. Es geht um Verstehen, nicht Beklagen oder Werten. Im Übrigen - wie zB die Arbeit von Fröhlich zeigt, waren diese afrikanischen Spannungen 1912/14 weitgehend abgebaut, während die Friktionen eben nachwirkten.

Die "Zahlen" belegen keine beachtlichen deutschen Interessen, zumal die deutschen Transvaal-Zahlen noch hinter denen des deutschen Engagements in der Kapkolonie selbst - sozusagen direkt unter dem angeblich feindlichen britischen Einfluss - zurückstehen. Im Nachgang (hatte ich oben versehentlich ausgelassen) noch die Angabe von Hatzfeldt zum Transvaal: 15.000 "Siedler" (die Zahl ist mindestens 3-, wahrscheinlich 5-fach übertrieben) und 40 Mio. Mark (unbelegt, freie Schätzung, er hätte ebenso gut 4 Mio. oder garnichts nennen können, weil nichts im Feuer stand). Und wie Rosenbach analysiert teilten sich diese deutschen Interessen noch in zwei Gruppen: solche mit Bindungen nach Deutschland, und solche mit Bindungen an Großbritannien (diese Gruppe, vorwiegend außerhalb der hochspekulativen Engagements, hatte mit Berlin überhaupt nichts am Hut). Wie diese Facette zeigt, ging es deutschen Auslandsengagements auch unter der britischen Fuchtel nicht schlecht. Um zu zuzuspitzen: es machte gar keinen Unterschied.

Die Tatsache, dass die deutschen Protektorats- und Kolonialgelüste in Bezug auf den Transvaal, unterlegt mit völkischen Anwandlungen, hier auf den Dreh- und Angelpunkt der imperialistischen britischen Sicherungsinteressen bzgl. der Indienroute trafen, braucht man nicht zu wiederholen.

Wertfrei und abseits von gut/schlecht-Schubladen ist festzustellen, dass schlichterweise das Expansionbestreben der neuen Kolonialmacht auf die bereits bestehenden Sicherungsinteressen der alten Kolonialmacht trafen. (Außen-)Politisch - da kann man Tirpitz voll zustimmen - ein äußerst dummes Vorgehen. Innenpolitisch wurde das als koloniale oder imperiale Explosion frenetisch gefeiert. Dabei ist wie ausgeführt uninteressant, wer nun der schlimmere Imperialist sein soll. Gegenstand des Interesses ist der Bruchpunkt auf dem langen Weg zum Weltkrieg, den sich die deutsche Seite hätte ersparen können, weil "deutsche Interessen" nur marginal berührt waren. Eben dumm.
 
Die ständigen Diskussionshinweise auf gut und schlecht, vornehm etc. kann ich nicht nachvollziehen,
Wenige Male ist doch nicht ständig.:winke:

Davon einmal abgesehen, ist es aber schon so, das gerade in der Diskussion in der Vorgeschichte der Julikrise von dir und thane das britische Vorgehen erklärt und damit irgenwo gerechtfertigt wird. Kritik Fehlanzeige. Das deutsche Agieren hingegen wird äußerst kritisch bewertet.

Und es ist eben m.E. nicht so, das der eine Superimperialist gut und der andere Imperialist schlecht war. Nur weil der eine schon die halbe Welti m Sack hatte, die er nicht mehr halten konnte, heisst das doch nach damaligen Maßstäben doch nicht, das eine andere Macht auf der Überholspur selbstverständlich sich vor GB sich beugt. Und genauso wird doch argumentiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die "Zahlen" belegen keine beachtlichen deutschen Interessen, zumal die deutschen Transvaal-Zahlen noch hinter denen des deutschen Engagements in der Kapkolonie selbst - sozusagen direkt unter dem angeblich feindlichen britischen Einfluss - zurückstehen...... Wie diese Facette zeigt, ging es deutschen Auslandsengagements auch unter der britischen Fuchtel nicht schlecht. Um zu zuzuspitzen: es machte gar keinen Unterschied.

Es ist wohl eine der beliebtesten Legenden, dass das Land vor 1914 mit der geringsten Protektionsquote, nämlich GB, ein massives Interesse und auch die politische Bereitschaft (dann hätte man die Liberalen zunächst einer Gehirnwäsche unterziehen müssen) gehabt hätte, den Handel des DR einzuschränken (vgl. Torp: Imperial Germany under Globalization, in Imperial Germany Revisited, S. 297ff). Dieser "Gründungsmythos" der "Risikoflotte" findet sich bereits in den Briefen von Stoch an Tirpitz, als Begründung für den Konflikt im Transvaal (vgl. Kap. 7, Abschnitt 2 Maritime Pläne) und ist in ähnlicher Form bei Delbrück und auch bei Helfferich (einem der Mitinitiatoren der Legende zu den "Novemberverbrechen).

My Memoirs - Tirpitz - Google Books

Insgesamt wird man die Relevanz der Kolonien für das DR duchaus kritisch bewerten müssen. So gibt beispielsweise Kundrus (From the Peripherie to the Center, S. 253 ff) die gesamte Anzahl der Deutschen, die in 1912 in die Kolonien gegangen sind mit ca. 18.000 an. Insgesamt kommt sie dabei zu dem Ergebnis, dass die Kolonialherrschaft des DR sich in vielen Punkten nicht von der anderer Nationen unterschied.

Imperial Germany Revisited: Continuing Debates and New Perspectives - Google Books

Insgesamt war das DR bestenfalls eine "aufstrebende" Imperialmacht, die sich allerdings im Rahmen ihrer "Weltpolitik" nahezu überall mit bereits etablierten Kolonialmächten konfrontiert sah, oder im Fall von China, die nationale Integrität des Landes zusammen mit anderen imperialen Mächten zerstören mußte, um sich als imperiale Mächte zu etablieren.

Dieser deutliche Unterschied zwsichen den imperialen Mächte wird besonders deutlich im Bereich der Herkunftsländer für Direktinvestitionen. Sie bilden im Zweifel den Indikator für den Grad auch informeller Imperien.

In diesem Sinne, so Topik und Wells (S. 618), liegt der Anteil der einzelnen Länder für Direktinvestitionen insgesamt bei GB bei 43%, bei F bei 20% und für das DR lediglich bei 13%, gefolgt von Belgien, NL und der Schweiz (12%) und den USA (7%).

Und noch interessant für die Bewertung des zunehmenden Handels für 1914 im Rahmen der Warenketten der globalen Wirtschaft ist, dass 27% der Investitionssumme in Europa und 24% in Nordameriak erfolgte. In Afrika wurde im Rahmen des sogenannten "Race for Afrika" (war wohl eher ein Schneckenrennen) in 1914 lediglich 9 Prozent investiert.

Differenziert man diese investierte Summe für Afrika (Topik und Wells, S. 619) dann ergibt sich für das DR in Gesamt-Afrika, wohl mit Schwerpunkt auf SW-Afrika, eine Summe von 500 (in Mio US-$). Dem stehen ca. 1.550 Mio entgegen, die GB lediglich in Süfafrika investiert hatte.

In diesen Verhältnissen ist dann m.E. auch die Darstellung bei Clark (The Sleepwalker, S. 145ff) zu bewerten, der sich nicht die Mühe macht, die unterschiedlichen Interessen im Transvall angemessen zu quantifizieren und abzuwägen (vgl. dazu Wilson - International Impact - unten).

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege - Google Books

Die eingangs zitierte Angst von Stosch, Delbrück oder Helffrich vor einem Handelsembargo durch die RN wirkt so, wie es auch gemeint war, als Instrument, den Bau einer Risikoflotte durchzusetzen im Rahmen der deutschen Navalismus-Ideologie.

Betrachtet man den Export des DR von 1889 bis 1913, dann gingen ca. 75 Prozent nach Europa (vor allem nach GB) und ca. 15 Prozent in die USA. Also 90 Prozent des Export bezog sich auf Europa oder die USA und war somit schwer oder gar nicht für die RN zu unterbrechen. Wenn sie nicht einen zusätzlichen Krieg mit den USA heraufbeschwören wollte.

Beim Import war das DR (S. 83) ebenfalls nur zu einem geringeren Prozentsatz durch die ein Handelsembargo durch die RN zu gefährden. Die zwei relevantesten Import-Handelspartner in 1914 waren die USA und Russland und machten bereits ca. 30 Prozent aus.

Die Herausforderung der Globalisierung: Wirtschaft und Politik in ... - Cornelius Torp - Google Books

An diesen Werten wird deutlich wie gering das Verständnis der militärischen Fraktion des Navalismus die Zusammenhänge der globalisierten Weltwirtschaft verstehen wollte oder konnte. Und das eine reine maritime Bedrohung des Handels des DR teilweise nicht effektiv gewesen wäre, da der Handel sich in Europa abgespielt hatte und teilweise vor allem auch die neutralen Länder wirtschaftlich getroffen hätte, wie die USA. Mit völlig unberechenbaren Konsequenzen für die diplomatischen Beziehungen.

Die Tatsache, dass die deutschen Protektorats- und Kolonialgelüste in Bezug auf den Transvaal, unterlegt mit völkischen Anwandlungen, hier auf den Dreh- und Angelpunkt der imperialistischen britischen Sicherungsinteressen bzgl. der Indienroute trafen, braucht man nicht zu wiederholen.

Das ist der eine wichtige Aspekt (vgl. z.B. Wilson: The Boer War in the Contxt of Britains`s Imperial Problems, S. 158ff).

Zusätzlich, die Andeutung beispielsweise von Clark, dass sich GB die neuen Rohstoffvorkommen im Transvaal unter "den Nagel reißen" wollte, sind eine deutliche Verkürzung der Abläufe. So weist Henshaw (The Orgins of the Boer War, S. 8ff) darauf hin, dass wichtige Impulse zur Intervention vor allem auch von den großen, nicht selten englischen Minengesellschaften (vgl. oben die Direktinvestitionen) ausgingen. Und schreibt: "By then the Kruger regime was seen by some mining capitalists as being too untrustworthy, corrupt and inefficent to establish a political and economic framwork in which the minses could proper in the long term." (S. 19)

Insgesamt war es durchaus ein komplexes Bündel an Faktoren, das die Interessen im südlichen Afrika bestimmt hatten. Und es waren am wenigsten die Interessen des DR, die in dieser Region betroffen waren.

The International Impact of the Boer War - Google Books

Und aus diesem Grund war die Kruger Depesche aus der diplomatischen Sicht des DR von geringem Wert, wie mit Kissinger bereits ausgeführt hatte, aber konnte innenpolitisch medial hervorragend genutzt werden, die Flottenvorlagen von Tirpitz durch den Reichstag zu bekommen.

Ein Unterfangen, an dem der Vorgänger von Tirpitz, Hollmann, noch gescheitert ist.

In diesem Sinne war die Krüger Depesche nicht die Initialzündung für die Tirpitzsche Flottenplanung (wie Silesia bereits dargestelt hat), aber sicherlich wichtig, die anglophobe Stimmung im DR deutlich anzuheitzen und entsprechenden Druck auf den Reichstag auszuüben (vgl. Epkenhans, S. 23 ff).

Tirpitz: Architect of the German High Seas Fleet - Michael Epkenhans - Google Books
 
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Ganz kurze Frage an thane und silesia, aber um welche Kernfrage drehen sich die letzten Beiträge zum Thema Risikoflotte und Krügerdepesche und dem Konflikt im Transvaal.

Wie kommt Ihr auf einem Zusammenhang hierzu?
 
Davon einmal abgesehen, ist es aber schon so, das gerade in der Diskussion in der Vorgeschichte der Julikrise von dir und thane das britische Vorgehen erklärt und damit irgenwo gerechtfertigt wird. Kritik Fehlanzeige. Das deutsche Agieren hingegen wird äußerst kritisch bewertet.

Die Kausalität wird massiv auf den Kopf gestellt. Von Dir kamen sehr massive Äußerungen, in Anlehnung an überzogene und problematische Versuche einer psychologischen Erklärung durch Rose, die die britische Außenpolitik m.E. verzerrt dargestellt hatte.

Meine Irritation hatte ich Dir mitgeteilt. Und als Reaktion darauf habe ich (und ähnlich auch Silesia) eine Gegenposition bezogen.

Dabei bezieht sich Silesia und ich im wesentlich auf die Literatur, die auch Clark als zentrale Argumentationsgrundlage heranzieht. Aber offensichtlich lesen wir die Ergebnisse von Dockrill, Steiner oder Otte anders.

Zumal in den Publikationen von Herwig, Hamilton, Mombauer, Stevenson oder Afflerbach keine abweichenden Positionen auf die britische Außenepolitik formuliert werden.

Und Dein Hinweis auf Monger oder Rose verweist auf durchaus kompetente Darstellungen. Monger, wie Silesia ausführte, sieht wohl die Rolle von Grey zu kritisch und Rose, dem die britische Außenpolitik von Dockrill, Strachan, Steiner oder Otte, auch persönlich (vgl. sein Vorwort) nahegebracht wurde, überzieht in seiner negativen Psychologisierung von Whitehall und stellt sich somit gegen seine akademischen Lehrmeister.

Insgesamt ist der Vorwurf einer einseitigen Sicht auf GB nicht zutreffend. Von Silesia oder mir wurden, und natürlich auch von anderen, wurde die koloniale Politik von GB mehr als einmal problematisiert und auch deutlich kritisiert.

http://www.geschichtsforum.de/f127/englischer-imperialismus-45719/

http://www.geschichtsforum.de/f57/i...der-imperialistischen-politik-englands-41550/

Und uns eine unkritische Sichtweise auf die imperiale Macht GB vorzuhalten, geht somit eindeutig an den Fakten vorbei.

Disclaimer: Ich hoffe ich habe die Meinung von Silesia einigermaßen zutreffend mit beschrieben. Fehldarstellungen der Meinung von Silesia gehen natürlich auf mein "Konto".
 
Wie kommt Ihr auf einem Zusammenhang hierzu?

Den Zusammenhang hat indirekt @Bdaian angesprochen.

Ich habe oben ua Hobson zitiert, aber auch die Tirpitz-Biographie und man kann serienweise weitere Literatur zum Marine-Rüstungswettlauf heranziehen.

Es waren die Akteure wie Tirpitz, die diesen Zusammenhang "innenpolitisch" konstruiert haben, entgegen den internen Aktenlagen (in denen die Rüstung bereits abgenickt war, der Risikoansatz ausdrücklich konstruiert war und es "nur noch" um ein paar Schlachtschiffe und Kreuzer hoch oder runter ging). Thane hat außerdem - Dank dafür - nochmals auf die innenpolitische Ausnutzung der Transvaalkrise hingewiesen. Und nach dem Weltkrieg geisterte diese Legende auch durch die Exkulpationsliteratur.
 
Disclaimer: Ich hoffe ich habe die Meinung von Silesia einigermaßen zutreffend mit beschrieben. Fehldarstellungen der Meinung von Silesia gehen natürlich auf mein "Konto".

Du hast das sehr gut beschrieben. Völlig d'accord.:winke:

P.S. Anläßlich dieser Diskussion habe ich den Abschnitt bei Clark durchgelesen. Wenn man einigen Überblick über die Forschungsarbeiten zum Thema hat, ist das der hier deutlich formulierten Kritik hinzuzufügen (aber das erwähnte ich ja schon), mein Eindruck inzwischen nach einigem Querprüfen von Clark: Scheinzitate.
 
Es waren die Akteure wie Tirpitz, die diesen Zusammenhang "innenpolitisch" konstruiert haben, entgegen den internen Aktenlagen (in denen die Rüstung bereits abgenickt war, der Risikoansatz ausdrücklich konstruiert war und es "nur noch" um ein paar Schlachtschiffe und Kreuzer hoch oder runter ging).

Hmm, da gebe ich Dir Recht, der Begründung der Flottenlage vor dem Parlament gelang Tirpitz besser, als es von Hollmann gelang und später auch durch den Büchselplan ( #186), der als Flottenvorlage diente und durch eine überdimensioniert Kreuzeranforderung auch ursprünglich des Kaisers "Lieblingsplanung" darstellte.
Tirpitz konnte letzlich nach seiner Ernennung als Staatssekretär des Reichsmarineamtes 1897 seine Flottenpläne besser verkaufen.
 
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Du hast das sehr gut beschrieben. Völlig d'accord.:winke:

P.S. Anläßlich dieser Diskussion habe ich den Abschnitt bei Clark durchgelesen. Wenn man einigen Überblick über die Forschungsarbeiten zum Thema hat, ist das der hier deutlich formulierten Kritik hinzuzufügen (aber das erwähnte ich ja schon), mein Eindruck inzwischen nach einigem Querprüfen von Clark: Scheinzitate.

Ich habe eine Frage: Ist das hier so ein Ding zwischen alten Erkenntnissen und neuen Erkenntnissen, wie z.B: der Literatur von Clark und das hat hier im GF zwei Fronten aufgebaut, die Pro und Kontra Clark sind?
 
@Köbis: 1. Clark wird, keine Ahnung ob es ihm selber gefällt, politisch instrumentalisiert. Und seine Sicht auf die "Schuldfrage" reduziert. Eine Sicht, gegen die er sich selber explizit in seinem Buch gewendet hat. Aber das interessiert seine politischen Befürworter nicht.

2. Er hat den aktuellen Stand der Literatur aus seiner Sicht zusammen gefasst. Dieser Sicht kann man folgen, aber man muss es nicht.

3. In der Konsequenz wird wenig über Clark inhaltlich diskutiert, sondern eher auf dem Metaebene. Clark wäre am ehesten als Historiker gedient, über ihn wieder inhaltlich zu diskutieren und nicht als Hilfsmittel zu Begründung von Schuld- oder Unschulddiskussionen.

4. Diese Situation entspricht aber auch ein wenig den ökonomischen Mechanismen der Generierung von Aufmerksamkeit. Als Historiker muss man wohl polarisieren, auch politisch, um die entsprechende "Rückendeckung" zu erhalten. Und man kann sich auch nicht immer die politsiche Unterstützung aussuchen, die man dann bekommt.

In diesem Sinne dürfte es spannend sein, die Geschichte der politischen Interessen und der Vermarktung von "die Schlafwandler" zu schreiben. Positiv ist, dass Historiker derzeit "Hochkonjunktur" haben und man kann nur hoffen, dass im Ergebnis ein kritisches und differenziertes Bild auf die Rolle des DR herauskommt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du hast das sehr gut beschrieben. Völlig d'accord.:winke:

P.S. Anläßlich dieser Diskussion habe ich den Abschnitt bei Clark durchgelesen. Wenn man einigen Überblick über die Forschungsarbeiten zum Thema hat, ist das der hier deutlich formulierten Kritik hinzuzufügen (aber das erwähnte ich ja schon), mein Eindruck inzwischen nach einigem Querprüfen von Clark: Scheinzitate.

Das ist ein herber Vorwurf, gerade wo ich den Kritiken zu dem Werk von einen akribischen Quellstudiom gelesen habe.
 
@Köbis: 1. Clark wird, keine Ahnung ob es ihm selber gefällt, politisch instrumentalisiert. Und seine Sicht auf die "Schuldfrage" reduziert. Eine Sicht, gegen die er sich selber explizit in seinem Buch gewendet hat. Aber das interessiert seine politischen Befürworter nicht.
Ganz ehrlich, ich habe dieses Buch nicht gelesen und die anderen die von allen in jeder Richtung als Quelle genannt werden auch nicht.
Und meine Meinung über die Problematik der Stellung des DR zur Kriegsschuldfrage habe ich mir schon länger selbst gebildet, vielleicht zu einseitig aus der maritimen Problematik heraus, aber anscheinend bin ich ich damit nicht der einzigste.

Wenn Ihr die neue Literatur auseinander nehmen wollt, damit diese nicht mehr als Quellen taugen, nur zu, ich bin dann raus.
 
Beim Import war das DR (S. 83) ebenfalls nur zu einem geringeren Prozentsatz durch die ein Handelsembargo durch die RN zu gefährden. Die zwei relevantesten Import-Handelspartner in 1914 waren die USA und Russland und machten bereits ca. 30 Prozent aus.

Dieser Befund ist ja durch die Entwicklung im Ersten Weltkrieg eindrucksvoll bestätigt worden. (Ironie)
 
Nehmen wir doch von Thane den Punkt 2 und 3 hinzu, und Clark mal unter die Lupe. :winke:

Das wäre ein eigenes Thema wert.

Das wäre wirklich sehr interessant. Ich habe Clark nur oberflächlich als englische E-book Ausgabe überflogen, aber angesichts der enormen Wirkungsmächtigkeit, die er inzwischen hierzulande offenbar entfaltet, erschiene mir dies als fruchtbares Unternehmen.

In unserer Lokalzeitung erschien im Rahmen ihrer Serie '100 Jahre Erster Weltkrieg' eine Besprechung, in der ein begeisterter Autor feststellen zu glauben meinte, Clark habe 'endlich' die 'Legende' der deutschen 'Alleinschuld' am Erstern Weltkrieg 'widerlegt', die seit Fritz Fischer 'Konsens' unter deutschen Historikern gewesen sei. Fischers Buch sei dem Zeitgeist der 60er Jahre entsprungen, der nun endlich gebrochen sei.

Leider scheint dieser Blödsinn den Tenor der populären Rezeption Clarks widerzugeben. Insofern fände ich ein solches Unternehmen sehr interessant.
 
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