Gibt es auch Quellen von großen Privatsammlungen zu dieser Zeit, wie es sie zum Beispiel im viktorianischen England gegeben hat?
Wie Ravenik schon gesagt hat, herrschte in Spanien zu der Zeit ein anderes Verhältnis zu den Kolonien und deren Erzeugnissen als wir es zB aus dem England des 19. Jahrhunderts kennen, das du als Vergleich anführst. Das hat auch damit zu tun, wie das ökonomische System beschaffen ist, denn da gehören das frühkoloniale Spanien und das viktorianische England zu verschiedenen Epochen.
Spanien und Portugal hatten in der frühen Kolonialzeit ein reines Nutzverhältnis zu den Kolonien in Südamerika, wobei sich das noch nicht mal so sehr auf Rohstoffe bezog wie eben tatsächlich auf Edelmetalle. Die Kolonien waren dazu da, ausgebeutet zu werden um Kriege in Europa zu finanzieren.
Dass da in Südamerika eigenständige Kulturen waren, war eher ein theologisches Problem als ein Ansporn des Interesses. Die hauptsächlichen Quellen, die mir da bekannt sind, sind dementsprechend auch theologische Debatten dazu, ob Native Americans eine Seele haben oder nicht, ob man sie also lieber abschlachten oder bekehren sollte. Die katholische Kirche sprach sich übrigens sehr entschieden für Bekehren aus und verurteilte das Abschlachten (etwa in der Papstbulle
Sublimus Deus von 1537).
Grundsätzlich gilt: Abschlachten und Bekehren waren weitgehend die einzigen Alternativen, die da grundsätzlich gesehen wurden. Mit anderen Worte: Entweder waren die Ureinwohner Vieh oder leere Gefäße, die mit Glauben gefüllt werden mussten. Keine guten Voraussetzungen für ein konstruktives Interesse an der Kultur.
Im viktorianischen England ist das Interesse ein anderes - da hat man ein Commonwealth geschaffen, in dem England erfolgreich andere Völker... sagen wir mal, beherrscht, und sie in das ökonomische System des
Merkantilismus einbindet, insbesondere gestützt auf das Prinzip des Mehrwerts. (Das sage ich jetzt jedenfalls einfach mal so... eigentlich hat Marx das Prinzip des Mehrwerts entwickelt um die Beziehung zwischen Unternehmer und Arbeiter zu beschreiben. Was ich aber jetzt meine, ist die Beziehung zwischen Kolonie und Mutterland. Die Kolonie produziert Rohstoffe - etwa Baumwolle - und das Mutterland produziert die eigentliche Ware, die sie dann wieder exportieren kann. Ist also eine ähnlich symbiotische, auf langfristige Ungleichheit ausgerichtete Beziehung)
Dieses System liegt jedenfalls dem englischen Kolonialismus zugrunde, und auch dem englischen Zivilisationsbegriff, der ein höheres Maß an industrieller Entwicklung mit einer höheren Zivilisationsstufe gleichsetzt. Die Artefakte aus anderen Kulturen sind Trophäen in dieser Richtung, um die höhere Zivilisationsausbildung des Mutterlands zu unterstreichen. Statt der Frage "Töten oder Bekehren" wurde nun entweder die Primitivität dieser unterworfenen Völker oder die wohltuende Wirkung der eigenen Intervention betont. Um das tun zu können, bediente man sich stark der Artefakte aus den Kolonien.
Das British Museum wurde zum Beispiel 1759 auf der Basis einer Sammlung von Hans Sloane gegründet, der lange Zeit in Jamaica lebte und unter anderem dort Kuriositäten zusammengetragen hat. Daraus entstand ein Museum mit einem Schwerpunkt Menschheitsgeschichte (!). Und dann gibt es natürlich zweitens den industriellen Zusammenhang, am berühmtesten ist die
Great Exhibition im Jahre 1851. Da hätte man dann die kosmopolite Wohlfühlwelt der englisch dominierten Wirtschaft, die für alle Beteiligten natürlich nichts weniger als ein Segen ist.
Mit anderen Worten, auch die englischen Sammlungen waren sehr selektiv in dem was sie von anderen Kulturen eigentlich wissen wollten; grundsätzlich aber waren sie natürlich schon wesentlich exzessiver in ihrer Sammelwut als jene Kolonialmächte, denen es zumindest in der entscheidenden Phase völlig schnuppe war, was für eine heidnische Gottheit da gerade in den Schmelzofen gewandert ist.