Legionsfrage: Lager bei kleineren Einheiten

Gehe ich recht in der Annahme, dass, wenn eine kleinere Abteilung als eine Legion in Feindesland irgendwo hin geschickt wurde - ein oder zwei Zenturionen - dass die dann trotzdem Zelte, Wallpalisaden etc mit sich führten, um abends unterwegs Miniaturlager aus dem Boden zu stampfen?

Die Frage kannst du dir selbst beantworten:
Du kennst die Geschichte rund um Spartacus. Die ersten entsandten Einheiten wurden überwältigt weil sie es unterlassen hatten.

Auf der anderen Seite gibt es im später gut ausgebauten Imperium mansiones u.ä. in denen kleinste Gruppen Unterkunft bekamen.
Selten dürfte der Einsatz von so kleinen Einheiten im Feindesgebiet gewesen sein, aber falls es einmal vorkam dürften die Römer am alten Lagerprinziep festgehalten haben.

Danke, Tiberius!

Was ich mich dann frage (und das, obwohl ich in Mathe nie besonders gut war):

Die Sache, dass pro contubernium eine bestimmte Ansatz Wallpalisaden mitgeführt wurde, die dann reichen, um das komplette Lager einzuzäunen, kann doch nur deswegen hinkommen, weil ein Lager mit mehr Leuten im Verhältnis einen geringeren Umfang - für den man Palisaden braucht - hat, als ein kleines Lager, in dem weniger Leute sind.

Das hat jetzt wahrscheinlich keiner verstehen können.

Nochmal in Extremen ausgedrückt: 2 Legionen führen genug Palisaden mit, um das gesamte Lager einzuzäunen. Ein contubernium hat aber mit Sicherheit nicht genug Palisaden dabei, um auch nur sein eigenes Zelt einzuzäunen. Die Masse macht's also.

Kann jemand, der mathematisch fitter (oder belesener) ist als ich, diesen Gedanken mal zu Ende denken und mir sagen, ob eine Zenturie überhaupt ihr eigenes Lägerchen einzäunen kann? Oder würde man dann extra-Palisaden mitnehmen, damit das Lager auf jeden Fall befestigt werden kann?

Wir sprechen von einer grade unterworfenen Provinz - man erwartet nicht wirklich Ärger, muss aber mit allem rechnen.

Du gehst jetzt wahrscheinlich von der Nutzung der pila muralia als Wallpalisaden aus.
Eine solche (ausschließliche) Nutzung muß weder gegeben sein, noch der Ausschluß eines verstärkten Transportes in Troß.

Wie auf der Trajanssäule mehrfach dargestellt wird, ist eine der ersten Tätigkeiten beim Lagerbau auch die Rodung oder zumindest der Einschlag. Dieses Holz könnte durchaus auch für den Palisadenbau genutzt werden.
Alternativ kann es sich auch nur um einen Erdwall handeln oder um eine Verstärkung mit Material eben aus dem Troß.

Genaueres darüber ist letztlich kaum zu sagen.
Die bislang gefundenen Lager und Übungslager sind zumindest alle deutlich größer, und so mancher Fund ist der Interpretation unterworfen (eben z.B. die Positionierung der pila, die in mancher Lesart auch frontal in den Wall platziert wurden, als eine Art Annäherungshindernis).

Gibt es nicht auch eine figürliche Darstellung auf der Aureliansäule?

Das Problem bei diesen temporären Lagern ist doch, das sie ebenso schnell zerstört wie errichtet waren und von daher kaum verwertbare archäologische Spuren hinterlassen haben.

Nun, das Auffinden von sogen. "Marschlagern" war eine der Hauptentdeckungen im letzten Jahrzehnt, und ein wichtiger Teil der Erforschung der kurzen römischen Anwesenheit zw. Rhein und Weser (Elbe). Dabei handelt es sich aber fast immer um Legionsdimensionen.

Ich denke, was Eichelhäher meint ist die Frage: wenn zehn Leute unterwegs sind, schleppen sie dann 20 Pila Muralia mit sich, und improvisieren damit ein Mini-Minilager. Weiss ich nicht. Die kleinsten Lager und Schanzen, die ich vom Limes und aus meiner alten Heimat in Südhessen kenne, umfassten zwar nur etwa 20 Mann, waren aber als Brückenwachen und Limesposten gut ausgebaut.

In der Gegend von Xanten hat man etliche sog. Übungslager auf Luftbildern entdecken können. Interessanterweise sind viele von denen nicht vollständig, meist wurde nur eine Ecke angelegt.
Daraus folgere ich dass kleine Einheiten (zur Übung) auch keine vollständigen Kleinstlager gebaut haben, sondern es wurde Wert auf die Schanzarbeit an sich gelegt.
In Feindesland waren sicher auch keine kleineren Einheiten als Kohorten alleine unterwegs.

Mummius Picius schrieb:

Ich denke, was Eichelhäher meint ist die Frage: wenn zehn Leute unterwegs sind, schleppen sie dann 20 Pila Muralia mit sich, und improvisieren damit ein Mini-Minilager.

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Es würde mich schwer überraschen wenn man Legionssoldaten mit Legionsausrüstung in Legionsmanier losschickt

es ist also die Frage worum es sich dreht.
Bewaffnete Aufklärung? Das ist eher was für die Kavallerie, ggf. für exploratores.
Einkaufen? Dabei wird gereist, nicht marschiert.
Heimaturlaub? Auch hier wird gereist und nicht marschiert...
Auf dem Weg zur Schlacht? Wäre etwas leichtsinnig da nur 10 Mann oder eine centuria zu schicken

Okay, dann etwas konkreter

Es geht um die Eskorte eines Steuereintreibers in Germanien vor der Varusschlacht - nicht wirklich Feindesland, aber auch nicht wirklich befriedete Provinz. Und eben einiges Wertvolle zu bewachen.

Folgen wir Tacitus, Annalen, 4,72, dann waren in der Tat Soldaten anwesend, wenn es zur Tributerhebung kam. Gleichzeitig schreibt er aber von "Lieferung".
Auch geht es hier nicht um "wertvolles Material" sondern um Ochsenhäute.

Die bei dieser Gelegenheit angegriffenen Soldaten werden gehängt, was nicht für eine große Wehrbereitschaft spricht, so die Geschehnisse getreu wiedergegeben sein sollten.
Der anwesende Centurio kann sich aber ins nächste Kastell retten, dies scheint also nicht wirklich weit entfernt gewesen zu sein.

In den Provinzen selbst sorgt der Aufbau der Magistraturen ebenfalls für kurze Wege.

Tib. Gabinius schrieb:

Folgen wir Tacitus, Annalen, 4,72, dann waren in der Tat Soldaten anwesend, wenn es zur Tributerhebung kam. Gleichzeitig schreibt er aber von "Lieferung".
Auch geht es hier nicht um "wertvolles Material" sondern um Ochsenhäute.

Die bei dieser Gelegenheit angegriffenen Soldaten werden gehängt, was nicht für eine große Wehrbereitschaft spricht, so die Geschehnisse getreu wiedergegeben sein sollten.
Der anwesende Centurio kann sich aber ins nächste Kastell retten, dies scheint also nicht wirklich weit entfernt gewesen zu sein.

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Drück dich klarer aus: wer hängte die Soldaten und warum? Feindliche Germanen? Wodanskult?

Na wenn man mich so lieb bittet erzähle ich gerne die angegebene Stelle nach:
Die Friesen hatten eine Vereinbarung, dass ihr Tribut in Form von Ochsenhäuten abgeliefert werden kann, aber die Größe wurde dabei nicht festgelegt.
Besagter Centurio also forderte Aucherochsengröße, was die Friesen nicht liefern konnten. In der folge taucht die Schuldnersklaverei wieder aus der Versenkung auf, was die Friesen bewegt, die Soldaten an- und zu ergreifen.
"So entstand Verbitterung (...), ergriff die zur Tributerhebung anwesenden Soldaten und knüpfte sie an Galgen auf."
Das nächstgelegene Kastell war Flevum.

Ave Eichelhäher,

Eichelhäher schrieb:

...Kann jemand, der mathematisch fitter (oder belesener) ist als ich, diesen Gedanken mal zu Ende denken und mir sagen, ob eine Zenturie überhaupt ihr eigenes Lägerchen einzäunen kann? Oder würde man dann extra-Palisaden mitnehmen, damit das Lager auf jeden Fall befestigt werden kann?...

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Naja, also die Fläche F eines Lagers ist proportional der Anzahl der Legionäre L

F = c1*L = A^2

Der Umfang ist U=4A (A Seitenlänge eines Quadrates)

Das Gepäck G eines Legionärs ist proportional zum Umfang und umgekehrt proportional zur Anzahl L:

G = c2*4A / L

In einander einsetzen bringt:

G = c / sqrt(L)

mit c:= 4*c2*sqrt(c1). sqrt ist die Quadratwurzel (squareroot).

c1 und c2 sind Konstanten, die wir abschätzen können:

c1: Ein typisches Legionslager hat die Abmessung 500m * 500m und 5000 Mann Besatzung ergibt pro Legionär einen Flächenbedarf von:

c1 = 50 m^2

Die Breite einer Palisade sei 20 cm (Palisade plus Luft dazwischen),also fünf Palisaden ergibt ein Meter:

c2 = 5 / m

Damit ist

c = 4 * 5/m * sqrt(50) m = 141

Also einsetzen bringt:

G = 141 / sqrt(L)

Das heisst eine Zenturie von 100 Mann hätte pro Legionär G=141/10 = 14 Palisaden mitzuführen. Das ist natürlich nicht wenig. Bei 1000 Legionären sind es dann aber nur noch 4 bis 5 pro Nase und eine Legion in Vollbesetzung G=141/sqrt(6000) = 1,82 Stück, sprich jeder, der nix zu sagen hat, schleppt 2 Palisaden mit.

Beste Grüsse, Trajan.

Tiberius: Vielen Dank für die Geschichte, die hilft mir sehr!

Trajan: Wow. Ich hab von der Rechnung selber nicht viel verstanden, aber das Fazit schon - vielen Dank, das war sehr aufschlussreich!

(Mein Mathelehrer baute sich auf der Oberstufe immer gern mit tragikomischer Miene vor mir auf und sagte, "Sie haben 15 Punkte im Lateinleistungskurs. Warum schaffen Sie im Mathe-Grundkurs nicht mal 4?!" Ich wusste nie, was er wollte, bzw was um Gottes Willen Latein mit Mathe zu tun haben sollte.)