Von Römern, Katholiken, Germanen und... endlich doch noch Königen
....Das könnte bedeuten ein irgendwie religiös ,geartetes "Königsheil" (~der oberste Herrscher sorgt für ein allgemeines Wohl), war faktisch bei Chlodwig nicht vorhanden, aber wird nachträglich von Gregor installiert...
Edit: Ich habe deine Ausführungen und Zitate sehr gerne gelesen, wenn es mir auch oft geht wie dekumatland im post über mir. Aus meiner Sicht stellst du an Gregor aber die falschen Fragen und findest deshalb die Antwort nicht!
Ich verstehe nicht warum du Gregor überhaupt als Prüfstein der Bedeutung eines Königsheils heranziehst. Gregor stammte aus dem gallorömischen Senatsadel = Römer = keinerlei „Bedarf“ an einem germanischem „Königsheil-Ideal“. Warum sollte er auf etwas eingehen, was aus seiner Sicht
völlig belanglos sein musste? Er ist in diesem Fall ein Außenstehender, während Königsheil ein Element germanischer Traditionen ist. Das ist der entscheidende Punkt. Ich will die paar Sätze im weiteren nachvollziehbarer machen.
Ein katholischer, gallorömischer Bischof
In Gallien existierte eine, aus der römischen Spätantike übernommene kirchliche Organisation, die auf den in Städten residierenden Bischöfen basierte. Hier wirkte die alte politische, römische Civitas-Organisation nach, die ebenfalls auf den Städten beruhte und deren Erbe auch in mancher politisch- administrativen Hinsicht die frühmittelalterlichen, (vor allem) katholischen Bischöfe in Teilen weiterführten. Neben dieser kirchlichen Organisation hatte zu römischer Zeit nur die römische Staatsorganisation mit der kaiserlichen Zentralmacht an der Spitze existiert. Neben dieser bedurfte es (zumindest theoretisch) keiner weiteren, gar selbstständigen Macht! Die Kaiser waren seit langem Christen und übten teils auch Einfluss auf die Kirche aus. Sie bedienten sich auch der Bischöfe in Teilen ihrer Administration. So delegierten römische Kaiser gewisse Gerichtsfälle schon sehr früh auch an Bischöfe, nahmen Einfluss auf Ausrichtung (katholisch oder arianisch…) und Organisation der Kirche, in der sie als machtvolle Christen Anteil von „innen“ hatten. Was wollte diese, universal ausgerichtete katholische Kirche mit den ganzen neuen Königen und ihren seltsamen, barbarischen Völkern?
Mit dem Verfall und schließlich der Auflösung jeder kaiserlichen Macht im Westen waren die katholischen Bischöfe letztlich
gezwungen sich mit den Königen mehr zu arrangieren! Gregor von Tours ist ein gewaltiger Vertreter jener Umbruchzeit. In seinem Werk weist er letztlich den Franken, besser ihren merowingischen Königen hin zu Chlodwig aus diversen Gründen quasi viel von der Rolle der vormaligen Kaiser zu. Aus diesem Grunde belegt er auch in seinem Werk, warum die Merowinger die richtige Wahl waren. Nicht zuletzt weil Chlodwig auf das richtige Pferd setzte - sprich den katholischen Glauben!! Indirekt erschließt sich aus seinem Werk, dass die Merowinger trotz eventueller persönlicher Fehler die richtige Wahl für die katholischen Galloromanen sein mussten. Vor diesem Hintergrund sind die Schriften Gregors zu lesen, der auch in der Ereignisgeschichte immer auch das Wirken des Willen Gottes abzulesen suchte! Wenn man so will ist das ein Punkt an dem das alte heidnisch-germanische „Königsheil“ sich mit dem neuen Glauben verbinden konnte.
Die neuen, barbarischen Völker
Auf dieser
anderen Seite finden sich die germanischen Völker mit ihren Vorstellungen von Königsheil, Königen und ihrer eigenen Identität und Tradition, die sich außerhalb des Römischen Reiches vorgeprägt hatte. Spätestens seit diese Völker auf vormals römischem Boden standen, wurden sie mit der dort vorgefundenen, kulturell überlegenen römischen Zivilisation und einer starken, inzwischen christianisierten „Staatsideologie“ konfrontiert. Das anfänglich omnipräsente und nicht zu umgehende römische Kaisertum zwang/bewirkte bei all diesen Völkern eine Tendenz zur Christianisierung, denn nur als Christen konnten ihre Oberschichten in jener Zeit Zugang zu den höchsten „Futterkrippen“ des Reiches finden, ohne allzu starken Anfeindungen ausgesetzt zu werden. Anfänglich genügte das Bekenntnis zum Christentum und es war zweitrangig ob sich der germanische König nun zur arianischen oder katholischen Variante entschied, denn bis Kaiser Theodosius „dem Großen“ war dieser Streit auch bei den Römern nicht endgültig entschieden! In jener Zeit waren Goten und Vandalen zur arianischen Richtung konvertiert und diese hatte verschieden tief reichenden Eingang in ihren „Identitätskanon“ gefunden. Das beweist sich besonders stark bei den Vandalen, welche mehrfach aggressiv gegen den Katholizismus vorgingen – zugunsten ihrer arianischen Konvention. Auch bei den Ostgoten zeigt sich diese arianische Tendenz überdeutlich…
Katholischer Glaube und arianisch-germanische Alternative?
Dieser Glaubensstreit brachte Goten und Vandalen in Gegensatz zum katholischen Klerus, der bei den Galloromanen nun vorherrschend geworden war als fester Bestandteil ihrer „römischen Identität“! Zumindest in den sich etablierenden germanisch-römischen Königreichen bestanden somit (wenigstens) zwei miteinander konkurrierende christliche Konfessionen mit getrennter Organisation: Fast jede Civitas besaß nun zwei Bischöfe: (katholisch und arianisch), Kirchengebäude etc…. Es gab zwischen ihnen viel Streit aus unterschiedlichsten Ursachen. Unter arianischen Königen wurde die arianische Konfession natürlich bevorzugt behandelt, was den katholischen Bischöfen wiederum nicht behagen konnte. Dazu kam dass einige germanische Völker so etwas wie eine eigene, christlich-arianische „Volkskirche“ zu entwickeln begannen. Bezeichnend hierfür sind vor allem wieder die Goten, welche eine Übersetzung der Bibel in ihre Sprache besaßen. Ein Schlüssel für eine mögliche, „volkssprachliche“ Liturgie, während sie ansonsten in politischen Dingen die bewährte römische Organisation mit ihrer lateinischen Schrift verwendeten. Latein blieb für Jahrhunderte die maßgebliche Schriftsprache in Europa… Die meisten Namen arianischer Bischöfe jener Zeit sind germanischen Ursprungs. Zäh hielten einige dieser Völker an ihrer Konfession fest, die sie in ihrem römisch-katholischen Umfeld zunehmend isolieren musste, was ihre Reiche destabilisieren konnte. Andererseits gewannen ihre Könige großen Einfluss auf die arianischen Bischöfe ihrer Reiche, was ihre Stellung unter ihren Germanen festigen konnte. Immer wieder wird auch eine ähnliche Lenkung und Einflussnahme der Könige in ihren Reichen auf „ihre“ arianische Kirche diskutiert, wie dies einst die römischen Kaiser Konstantin, Constantius II. oder Theodosius (…) auf die römische Kirche genommen hatten. Einige westgotische oder langobardische Könige verloren ihren Rückhalt und oft genug ihr Leben beim Widerstand ihrer „Staats“Völker, wenn sie sich in der Spätantike zu stark für die katholische Seite entschieden hatten… Es war also eine zweischneidige Sache für die Könige eine einmal vorherrschende christliche Konfession wechseln zu wollen.
Und hier komme ich wieder zu den Franken, bei denen zu Zeiten Chlodwigs wohl noch keine christliche Konfession eine überragende (oder gar Identitätsfördernde) Stellung errungen hatte. Indem sich Chlodwig für das katholische Bekenntnis entschied, leitete er dessen Vorrangstellung bei seinen Germanen ein. Das ermöglichte rückblickend somit einen
Ausgleich seiner königlichen Macht mit dem katholischen Klerus ebenso, wie zwischen seinen Franken und den zahlenmäßig bei weitem überwiegenden Galloromanen seines Reiches. Den Gegensatz zwischen (römischen) Katholiken und den arianischen Königen der Konkurrenzvölker in Gallien konnte er in dessen Folge machtpolitisch im Entscheidungskampf zu seinen Gunsten instrumentalisieren. Gerade dieser Aspekt wird bei Gregor von Tours überdeutlich! (Hierzu lohnt auch ein Blick auf den Vouillé-Thread in diesem Forum).
Königliche Legitimation - und Transformation:
Mit der Legitimation von Königen in der Umbruchzeit zwischen Spätantike und frühem Mittelalter hat dieser kirchliche Aspekt
erst nur am Rande zu tun. Die Krone jener Völker wurde vererbt (königliche Geschlechter) oder durch „Volkswahl“ vergeben. In beiden Fällen hatte zumindest der katholische Klerus in der Regel keinerlei direkte Bedeutung (vor Chlodwig)! Zumal bei den meisten germanischen Völkern jener Zeit davon auszugehen ist, dass unter deren Christen wohl eher der arianischen Ausrichtung viel Sympathie galt. Die Legitimation der Könige ist ein
innerer Vorgang jener Völker gewesen, während der (römisch-) katholische Klerus sich damals
außerhalb dieser Völker befand. Erst nachdem die katholische Konfession zum festen Bestandteil fränkisch-königlicher Identität geworden war, wirkte dessen Klerus auch daran mit, was sich als früher Höhepunkt in der Rolle des Papstes beim Wechsel vom merowingischen zum karolingischen Königsgeschlecht manifestieren sollte. Erst von da an beginnt die kontinuierliche, mittelalterliche Entwicklung der Verquickung zwischen königlicher und kirchlicher Politik eine feste Größe des neu begonnenen Zeitalters zu werden!