Literaturempfehlungen für die Zeitspanne von 1870 - 1914

Ich benenne hier mal zwei umfassende Dokumentensammlungen, die mit der Geschichte des Kaiserreichs doch recht eng verbunden sind:

Bittner, Pribram, Srbik und Uebersberger: Österreich-Ungarns Außenpolitik von 1908 - 1914
Es sind insgesamt 8 Bände zuzüglich 1 Band Personenregister

Gooch und Temperley: Die Britischen Amtlichen Dokumente zum Ursprung des Krieges 1898 - 1914
Hier sind es 11 Bände bestehend aus insgesamt 24 Teilbänden
Die Ausgabe gibt es im Original auf Englisch, ist aber übersetzt worden.
 
Alexander Seyferth, Die Heimatfront 1870/71. Wirtschaft und Gesellschaft im deutsch-französischen Krieg

Gerhard Artl, Die Strafexpediton
Das Buch behandelt den Angriff Österreich-Ungarns Offensive gegen Südtirol im Jahre 1916 und stellt auch ausführlich die Grundlagen und Vorbereitungen vor.

Herbert von Nostitz, Bismarcks unbotmäßiger Botschafter
Gemeint ist der Fürst Münster von Derneburg, der viele Jahre sowohl in London als auch in Paris als Botschafter des Deutschen Reichs tätig war.
 
Hatten wir das schon:
Gudula Gutmann
Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn 1890 bis 1894/ 95


Aus meiner Sicht eine hervorragende Quelle um die Motive der handelnden Personen zu verstehen.
 
John Röhl:

Philipp Eulenburgs politische Korrespondenz Band 1, Von der Reichsgründung bis zum Neuen Kurs
Philipp Eulenburgs politische Korrespondenz Band 2, Im Brennpunkt der Regierungskrise
Philipp Eulenburgs politsche Korrespondenz Band 3, Krisen, Krieg und Katastrophen
 
"Der Festungsbau auf dem Weg in den Ersten Weltkrieg"
Schnell & Steiner 2019 (12.12.2019)
Diese Aufsatzsammlung bietet einen guten Überblick über den deutschen und österreichischen Festungsbau von der Brisanzkrise (1885) bis zum Ersten Weltkrieg. Einerseits aufschlussreich sind die Darstellungen, wie die Festungsbereiche (sic!) zwischen und vor den Fort-Gürteln umfangreicher wurden, Vorbild/Muster für die gestaffelten Schützengrabensystemen wurden, andererseits sind die Darstellungen des monströsen Ausmaßes der Festung Kiel (Kriegshafen) sowie der um 1914 "ultramodernen" Gürtelfestung Breslau. Des Weiteren finden sich interessante Materialien über quasi industriellen, teilweise vorgefertigten Schutzraumbau (Unterstände, Vorfeldstreichen, flankierende MG-Nester, Beobachtungsstände) der partiell die Regelbauweise von West- & Atlantikwallbunkern vorwegnimmt, was sich aus der immensen Anzahl der weit im Gelände verteilten "gesplitteten" Anordnung der Befestigungsgruppen erklärt.
Interessant auch die österreichischen Planungen einer Panzerfort- & Panzertürme-Kette, die aus Kostengründen nur ansatzweise realisiert wurde.
Auch Materialkunde, artilleristische Entwicklung, industrieller Hintergrund, Bahn kommen nicht zu kurz.
...aus der Sicht des Festungfreaks ein empfehlenswertes Buch.
 
Lief am Montag, den 19.12. im Fernsehen in Wiederholung und in voller Länge (20.15 – 23.00) „Der Leopard“.
Der Leopard -> Acht Episoden aus dem Leben des sizilianischen Fürstenhauses Salina zwischen Mai 1860 und Mai 1910.
Buch von Giuseppe Tomasi di Lampedusa (Morgen am 23.12. wird er 126 Jahre alt).
Buch verfilmt 1963 von Luchino Visconti.
 
Imanuel Geiss: Julikrise und Kriegsausbruch 1914

Es sind 2 Bände, die schon 60 Jahre auf dem Buckel haben und auch nicht ohne Fehl und Tadel sind, aber in der Summe als Quellensammlung zur Julikrise schlicht unentbehrlich sind.
 

ich kann bei Interesse zur Wirtschaft-, Sozial- und Kulturgeschichte der "Gründerzeit" diesen Link, der zu weit verzweigten Informationen und Quellen führt, nur allerwärmstes empfehlen!!!

Ausgehend vom Villenviertel Mulang in Kassel-Wilhelmshöhe wird exemplarisch die Gründerzeit samt ihrer Atmosphäre in zahlreichen Aspekten lebendig. Besonders lesenswert ist: Heinrich Schmidtmann: Das Familien-Album von 1902 - ein Zitat aus diesen Erinnerungen:
Die Hauptkundschaft bestand in Landleuten und Viehhändlern, die ihr Vieh, hauptsächlich Schweine und Kälber, in den Ställen des »Halben Mondes« unterbrachten; darunter waren die Händler aus Lohne, einem Dorf bei Gudensberg, besonders stetige Gäste. Diese Handelsleute, »die Löhner« – wie sie genannt wurden – trugen meist einen blauen Kittel über einem schwarzen Rock, der handbreit unter dem Kittel hervorsah und die erste Garnitur bei besseren Besuchen ersetzen mußte, weitere Garderobestücke pflegten die Herren nicht mit auf die Fahrt zu nehmen.

Eine andere regelmäßige Kundschaft bildeten die jüdischen Fellhändler, die ihre Felle auf den großen Böden in einem zweiten großen Seitenflügel lagerten.

Im Erdgeschoß des vorderen Hauses, links vom Torwege, lag nach der Straße hin die lange schmale Gaststube, in deren Längsrichtung eine durchgehende, in mehrere Teile getrennte Tafel mit einer dahinter an der Wand entlang stehenden Holzbank sich befand. Die Tafeln waren jede durch ein Querstück in der Mitte mit der Hausmauer durch eine Art Scharnierband verbunden, so daß die Tafel an der Wand in die Höhe geklappt werden konnte und durch einen Riegel festgehalten wurde. Durch diese damals vielfach gebräuchliche Einrichtung, welche sich heutzutage noch in alten Dorfwirtschaften hin und wieder vorfinden dürfte, konnte das Zimmer sofort ohne große Umstände in einen freien Raum verwandelt werden. In diesem Zimmer hielten sich die Gäste auf, tranken ihren Kaffee oder verzehrten ihr meist selbst mitgebrachtes Mahl: Brot, Wurst, Käse usw., dazu wurde ein Schnäpschen verschänkt.

Die jüdischen Fellhändler besorgten in der Gaststube, unbekümmert um etwa anwesende andersgläubige Gäste, auf und [3] ab gehend ihre Morgenandacht, ein Gebetbuch in der Hand und um den entblößten Unterarm den Gebetriemen gewunden, der in einer Kapsel oder kleinen Rolle unter der auf dem Kopfe nach hinten zurückgeschobenen Mütze endete, was alles ohne Störung durch andere geschah, denn Antisemiten kannte man damals noch nicht.
(die Fettmarkierung am Ende des Zitats habe ich verbrochen)

...Lübeck und die Buddenbrooks sind weit entfernt von Kassel - wer den Roman kennt, entsinnt sich gewiß der kurzen, ironisch-humorigen Einschübe über Tony Buddenbrooks Erlebnisse im Mädchenpensionat. Hier findet sich eine erstaunlich ergiebige Menge an Quellen zu solchen Pensionaten, was ggf verzerrte Vorstellungen korrigieren kann (dazu im Link "Töchterheime" anklicken)

Was Friedrich Forssman da frei zugänglich gemacht hat, ist so bewunderns- wie dankenswert! Ich kann mir vorstellen, dass mit Nordhessen verbundene Teilnehmer - @Scorpio @Ugh Valencia (ihr beide fallt mir zuerst ein, sicher habe ich etliche übersehen) - diese umfangreiche Materialsammlung interessant finden werden. Mag sein, dass man(che) das zunächst als "nur Regionalgeschichte" oder gar "pfff, das ist doch keine wissenschaftliche Publikation" abtun - ich hielte das, wo es so sein sollte, für einen großen Fehler.

gestehen muss ich noch: ich wurde auf die Villenkolonie Mulang durch zwei Geocaches (LAB Caches) aufmerksam und fand sie, als ich über zwei Stunden durchspazierte und etliche Villen fotografierte, zwar recht hübsch, aber leider auch weitenteils durch Bausünden und Abrisse fragmentiert.
 
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