Zunächst einmal herzlichen Dank an silesia für die Verlinkung der Doktorarbeit von Sterling Michael Pavelec. Formulierungen wie
The operational record of the German jet program is a mixed bag of genius and sheer idiocy.
auf S. 130 machen doch gleich Lust zum Lesen. In Bezug auf die Einsatzerfolge der Me 262 als Jagdflugzeug kommt er, gestützt auf eine Auswertung von John Forman und S. E. Harvey übrigens auf S. 152 zu folgendem Ergebnis:
Through research in the relevant documents at the Public Records Office in London, England, they have compiled an accurate record of the Allied planes shot down by Me 262 pilots. In addition, they outline the number of Me 262s lost in combat in the closing months of the war. Compared to Me 262 claims of 446 Allied planes downed between 26 July 1944 and the end of the war, the Allies (British and Americans) claimed 190 Me 262s
destroyed in combat operations. Therefore, according to the claims (which appear quite accurate on both sides), the German jet pilots were able to shoot down 2.34 Allied planes for every Me 262 lost in combat.
Das klingt irgendwie anders als die Bewertungen von Schabel und Stilla, die an einigen Stellen m. E. ein erhebliches technisches Unverständnis an den Tag legen. Bspw. kritisiert Schabel die unzureichende Bewaffnung der Me 262:
Zu einenm erfolgreichen Jagdflugzeug gehören nicht nur eine überlegene Geschwindigkeit, sondern auch eine angemessene Bewaffnung, die eine entsprechende Wirkung bringt. Die Kanonenbewaffnung von 4 MK-108-3-cm-Kanonen erwies sich als wenig geeignet. Wegen des hohen Fahrtüberschusses der Me 262 gegenüber den Bombern blieb praktisch nur der Angriff von hinten oder aus ganz geringem Winkel. Da die Bewaffnung auf eine Entfernung von 400 m justiert war, verblieben zum Feuern nur Bruchteile von Sekunden, die Bomber konnten hingegen mit ihren Bordwaffen bereits auf 1200-1400m das Feuer eröffnen. Dies führte immer wieder zu Verlusten.
Naja, die 4
MK 108 der Me 262 waren die stärkste, seinerzeit in einem Jagdflugzeug eingebaute Bewaffnung. Ein 1-sec. Feuerstoß umfaßte gut 40 Sprenggeschosse, von denen schon zwei oder drei eine B 17 oder B 24 zum Absturz bringen konnten.
Die überlegene Geschwindigkeit der Me 262 machte ferner den Angriff von hinten und unten überhaupt erst wieder möglich. Die 109 und 190 mußten mit ihrer schwächeren Bewaffung frontal angreifen, d. h. die Annäherungsgeschwindigkeit betrug gut 800 km/h gegenüber 400 km/h bei der Me 262. Der Jetpilot hatte also die doppelte Zeit um seine, auch noch wirkungsvolleren, Waffen einzusetzen. Bei einer Feuereröffnung auf 400 m und einem drüber Hinwegziehen ab ca. 100 m blieben also rund 2,5 sec zum Feuern, erheblich mehr als Sekundenbruchteile.
Der Munitionsvorrat betrug übrigens bei der A-1 (der Jägerausführung) 2 x 100 und 2 x 80 Schuß, das langte theoretisch mal gerade für ein "Dauerfeuer" von 7 bis 9 sec!
Mit 400 km/h Geschwindigkeitsüberschuss ist man darüberhinaus ein wirklich schwer zu treffendes Ziel, dazu der USAAF Captain James Finnegan:
"Wir hörten zum ersten Mal im Oktober '44 von der Me 262. Sie sagten, dass es ein Düsenjäger sei und der schnellste weit und breit. Wir hatten keine Angst davor, zu sterben, wenn wir sie sehen würden. Zu dieser Zeit wussten wir, dass wir den Krieg bereits gewonnen hatten und dass die Piloten, die uns da entgegenkamen, Kinder waren, mit der Ausnahme des Geschwaders, das von Galland geleitet wurde, der alle Fliegerasse an der Westfront hatte. Und als ich dann zum ersten Mal die Me 262 sah, konnte ich es einfach nicht glauben, ich konnte mir nicht vorstellen, was zur Hölle das war! Ich sah die 262er nur als Schemen, bis wir letztendlich nahe an sie herankamen und ich sie als Jets erkannte. Wir hatten nie irgendwelche Anweisungen bekommen, wie wir mit der 262 verfahren sollten, außer "Passt auf diese Dinger auf!" Hätten die Deutschen darauf gehört, was Galland immer wieder gepredigt hatte, nämlich die 262 als Defensivwaffe anstatt als Offensivwaffe einzusetzen, bevor die massiven Bombenangriffe begannen, ihre Anlagen, ihr öl und ihr Benzin auszuschalten, dann hätten wir zwar immer noch den Krieg gewonnen, aber es wäre eine schlimme Zeit für uns gewesen."
Dabei darf man nicht vergessen, dass 1. die Me 262 kleiner und damit natürlich schwerer zu treffen war als ein Bomber, 2. der Bordschütze schon Stunden in einem frostigen und vibrierenden Kampfstand hockte, also alles andere als optimale Bedingungen für gezieltes Schießen auf 1.000 m Entfernung.
Auch in den Flugeigenschaften kommt die Me 262 in der englischsprachigen Literatur besser weg, dort wird bspw. daraufhingewiesen, dass die Me 262 beim Kurven
einen geringern Geschwindigkeitsverlust als ihre Kontrahenten hatte, mal ganz abgesehen davon wie unsinnig es ist, sich auf einen Kurvenkampf mit einem vielfach überlegenen Feind einzulassen.
Zur technischen Beschreibung möchte ich noch auf eine
Bedienungsvorschrift der Me 262 verweisen, deren amerikanischem Pendant
Pilots Handbook sowie die Darstellung der
Geschichte des JG 7 von Manfred Boehme, auf die auch in den o. g. Dissertationen verwiesen wird. Die Geschichte des JG 7 enthält eine detaillierte Beschreibung der Entwicklung, insbesondere zum Thema Me 262 als "Schnellbomber", leider auch in Englisch.
Die bereits angesprochene kurze Lebensdauer der Triebwerke war natürlich ein Manko, aber ein Pilot auf einer 109 oder 190 hatte herzlich wenig von der längeren Lebensdauer seines Motors, wenn seine eigene kürzer war, von daher ist die Begeisterung der damaligen Piloten über die technischen Eigenschaften schon verständlich.
Zum Schluss noch eine Anmerkung unserer englischen Freunde, Air Ministry D. D. A. T. February 1947, "Air Fightning tactics used by Spitfire fighter squadrons of 2nd T.A.F. during the campaign in Western Europe". Unter Pkt. 13 sind 109 und 190 abgehandelt, als im Wesentlichen der Spitfire IXB und XIV unterlegen.
14. The Me 262 presented quite a different problem as it was very quite impossible to catch even when the Spitfire possessed a good height advantage. Fortunately all of this type of enemey aircraft encountered appeared to be of the bomber, not fighter, variety, and they did not appear to be interested in attacking the Spitfire formations.
(The Spitfire pocket manual 1939 - 1945) Es wird dann noch ausgeführt, dass die einzige wirksame Methode der Bekämpfung mit der Spitfire in der Überwachung der Flugplätze und der Bekämpfung bei Start und Landung lag.