Ist mir beim ersten Lesen vor 30 Jahren gar nicht aufgefallen - kannst Du ein paar Beispiele nennen?
Eigentlich sind es eher kleinere Randbemerkungen, die wir ihm zudem - wie bereits ausgeführt - auch nur sehr bedingt ankreiden können (in den 70ern waren die neueren Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft eben noch nicht bekannt geworden - logisch), anhand derer aber einige Herleitungen in Band 1 zu den Frauenbildern gezogen werden.
Ich beschränke mich auf drei Beispiele (bei Bedarf kann ich die entsprechenden Stellen noch einmal heraussuchen):
1.
Theweleit spricht wie selbstverständlich von den Hebammen und Heilerinnen als besonders bevorzugte Opfer der Hexenverfolgung - eben um darüber auch das entsprechende Frauenbild seitens der Männer aufzubauen.
2. Desweiteren geht
Theweleit von einem die Jahrhunderte hindurch wirkenden
ius primae noctis aus, wenn er seine Charakterisierung des proletarischen Milieus darlegt (wenn er auch ausdrücklich ein Fortwirken des
ius primae noctis im proletarischen Milieu bestreitet).
3. Korrekt konstatiert
Theweleit einen Wandel im Welt- und Menschenbild beim Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, nur führt er dabei seinen Schlag natürlich auch gegen das Bild der flachen Erde (Erdscheibe).
Wie geschrieben sind dies eher Kleinigkeiten (da Randbemerkungen), die wir eben auch mit den vorherrschenden Geschichtsbildern der 70er in Relation setzen müssen, aber wir sollten dies beim Lesen des Werkes dennoch berücksichtigen, da einige der getroffenen Herleitungen damit nicht mehr ganz so glatt gezogen werden können:
zu 1. Es läßt sich dann eben nicht mehr einfach sagen, daß vor allem die Hexenverfolgung zur Abdrängung der Frauen in "Nebenrollen" innerhalb der Medizin geführt hat.
zu 2. Daß Frauen insbes. der unteren Schichten über lange Zeiten Gewalt, sexueller Ausbeutung etc. unterlagen, ist nicht zu leugnen. Dies jedoch an einem
ius primae noctis - einer Erscheinung, die es so nie gegeben hat, ergo einem Mythos und Topos - zu messen (unabhängig davon, ob man ein Fortwirken sehen will oder nicht), ist einfach unsinnig.
zu 3. Es bedurfte auch in den 70er Jahren nicht des Bildes vom scheibengläubigen Mittelalter und daß
Columbus bewiesen habe, daß die Erde keine Scheibe ist (was bekanntlich eine nach wie vor verbreitete, aber irrige Ansicht ist), um das mit der Renaissance einsetzende neue Welt- und Menschenbild zu charakterisieren.