Manchmal hilft Astronomie wirklich weiter... ;-)

El Quijote

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Ohne einen anderen Thread wäre mir dieser Bericht des ZDF heute journals wahrscheinlich gar nicht weiter aufgefallen. ;) In Kursiv gesetztes sind Hervorhebungen durch mich.

1200 Sterne und ein Meisterwerk


Adam Elsheimers "Flucht nach Ägypten" in München

Über 1200 Sterne soll er auf seinem Bild verewigt haben, der geniale Maler Adam Elsheimer, damals 1609, während eines Aufenthalts in Rom. Von dem gebürtigen Frankfurter sind heute gerade mal drei Dutzend Bilder erhalten. Eine Ausstellung in der Alten Pinakothek München setzt sich wissenschaftlich mit seiner Darstellung des Sternenhimmels auseinander.

Mit seiner Darstellung der biblischen Szene "Flucht aus Ägypten" schuf er ein Bild, das praktisch einmalig ist - faszinierend sind nicht nur die Lichtführung und der menschliche Blick auf Josef, Maria und das Jesuskind, wie sie mit einer Blendlaterne durch eine Landschaft ziehen, die nur von Mond und Sternen beleuchtet wird.

Herausragend ist vor allem die Gestaltung des nächtlichen Firmaments - Elsheimers Werk gilt "in der Kunstgeschichte als erstes Bild mit einer naturnahen Darstellung des nächtlichen Himmels", so Sabine Hensky vom Deutschen Museum München.

Kleine Sternstunde

Die Münchner können sich glücklich schätzen, dass dieses Kleinod der europäischen Kunstgeschichte in ihrer Stadt dauerhaft zu sehen ist. Denn es gehört zum Bestand der Alten Pinakothek und ist dort zur Zeit neben anderen Werken im Zentrum der ausgesprochen sehenswerten Ausstellung über die "Flucht nach Ägypten" zu bewundern. Entstanden ist auf diese Weise eine Ausstellung, in die Kunsthistoriker von der Alten Pinakothek Hand in Hand mit Naturwissenschaftlern vom Deutschen Museum gearbeitet haben.

Die herausragende Ausstellung rückt Elsheimers Darstellung des Sternenhimmels ins Zentrum einer spannenden naturwissenschaftlichen Debatte. Gerhard Hartl, Leiter der Abteilung Astronomie im Deutschen Museum, entschlüsselte einige Geheimnisse des Werkes. Denn auf dem gerade mal 31 mal 41 Zentimeter großen Bild sind nicht nur ganz realistisch unsere Milchstraße, sondern auch die drei Sternbilder Plejaden, Großer Wagen und Delphin sowie der Vollmond mit drei Kraterstrukturen zu sehen.

Beobachtungen per Teleskop?

Dargestellt sind also Strukturen, die mit dem bloßen Auge teilweise gar nicht zu erkennen sind. Gerhard Hartl untersuchte deshalb die Frage, ob Adam Elsheimer sein Bild möglicherweise mit Hilfe eines Teleskops gestaltet haben kann.

Von dem berühmten Sternenforscher Galileo Galilei weiß man, dass er zwischen Mai 1609 und Oktober 1609 drei Fernrohrausführungen selbst gebaut hat, nachdem der Niederländer Lippershey bereits 1608 erstmals sein Teleskop gebaut hatten. Galileo beobachtete ab September 1609 systematisch den Sternenhimmel und beschrieb seine Beobachtungen später in seiner berühmten Veröffentlichung "Sidereus Nuncius", die ihn auf einen Schlag berühmt machte.

Spannende Fragen

Für die Münchner Wissenschaftler stellte sich nun die spannende Frage, ob Adam Elsheimer möglicherweise mit dem gleichen oder einem anderen Teleskop den nächtlichen Himmel systematisch erkundet hat. Denn es wäre ebenso gut möglich, dass Elsheimer ein frühes Teleskop direkt aus Holland bezogen hat. Die Kunsthistoriker wiederum wollten wissen, ob der Himmel Elsheimers eine realistische Darstellung ist und eine exakte Zuordnung ermöglicht. Auch auf diese Frage findet man in der Münchner Ausstellung eine Antwort, denn Gerhard Hartl und sein Team fanden heraus, dass "die Rahmenbedingungen des Gemäldes auf den Sternhimmel auf den Abend des 16. bzw. 17. Juni 1609 hinweisen".

Andere Elemente freilich stimmen nicht überein und nun vermutet man, dass Adam Elsheimer Teleskop-Beobachtungen von diesem Sommerabend in sein Werk einfließen ließ. Doch die Ausstellung stellt nicht nur spannende wissenschaftshistorische Fragen. Zu bewundern sind auch echte astronomische Geräte aus dieser Epoche - Geräte wie Astrolabien, Planetolabien und ein sog. Torquetum - ein "Türkengerät", mit denen man im 16. und 17. Jahrhundert Horizontal-, Äquatorial- und Ekliptik der Sternbilder simulieren konnte.

Einflussreiches Bild

Nicht weniger spannend ist aber auch der andere Aspekt, den die Ausstellung präsentiert. Denn Adam Elsheimers kleines Bild beeinflusste bedeutende Maler wie Rembrandt, Rubens und andere Kollegen. Viele Zeitgenossen waren tief beeindruckt von dem Werk, das auch in seiner Gesamtkonzeption atemberaubend schön ist. Alle Details, die heilige Familie auf der Flucht, die Darstellung der Nacht, die Perspektive, all das zieht den Betrachter bis heute in seinen Bann.

Und so ist es kein Wunder, dass selbst Rembrandt oder Rubens das gleiche Thema aufnahmen und kongenial mit eigenen Mitteln umsetzten. Ein besonders Glanzstück stammt aus dem fernen Madrid - dort schickte das Museo del Prado "Die Entstehung der Milchstraße" von Peter Paul Rubens, der mit Elsheimer befreundet war. Es ist eine der vielen spannenden Begegnungen von hochkarätigen Kunstwerken, die den Besuch der Münchner Ausstellung so lohnend macht.
Von Gunnar Petrich

Quelle (da gibt´s auch Bilder zum Bild): http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/29/0,1872,3264989,00.html
Mehr Infos: http://www.pinakothek.de/
 
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