Als die Perser Griechenland angriffen, sind die Athener nach Delphi gegangen und haben das Orakel befragt, was sie machen sollten, das Orakel sagte, sie sollten sich hinter hölzernen Wehren verschanzen. Das hätte man so interpretieren können, dass die Athener eine Palisade um Athen hätten ziehen sollen, aber offensichtlich haben sich die Meinungsführer durchgesetzt, die dies als "Baut eine Flotte" interpretierten.
Offensichtlich war das allerdings auch nicht unmittelbar vor der Schlacht, sonst wäre ja kaum Zeit gewesen, nach Athen zurück zu kehren und eine Flotte zusammen zu stellen/zu ertüchtigen.
Von Germanicus ist indirekt überliefert, das er vor der Schlacht von Idistaviso die Auspizien durchführte.
Wobei er gemäß Überlieferung 8 Legionen dabei hatte und davon ausgehen konnte, jeder potentiellen germanischen Gruppe drückend überlegen zu sein, womit keine Gefahr bestand, dass er von sich aus angegriffen werden könnte, wenn er nicht selbst angriff oder dass sich bei Verzögerung das Kräfteverhältnis deutlich zu seinen Ungunsten verschieben würde.
Schlimmstenfalls hätte ihm der Feind weglaufen können.
Und btw. war Germanicus berufsmäßiger Druide/Priester, (ich meine jetzt nicht Priestertum qua römischem Amt, was man nehr oder weniger ohne besondere Ausbildung durch Handauflegen werden konnte, sondern tatsächlich hauptberuflich), der vom Militärwesen keine Ahnung hatte?
Oder rechtfertigte er in spiritueller Funktion, als "Teilzeit-Ritual-Vollzieher", was er in seiner Funktion als militärischer Befehlshaber selbst vorher entschieden hatte?
Ist halt die Frage, wer das berühmte Momentum auf seiner Seite hat.
Eigentlich nicht.
Wenn B stärker ist als A und also jederzeit den A angreifen kann, während es für A wahrscheinlich eher schlecht ausgeht, wenn er selbst angreift, braucht A kein Orakel abzuhalten, wann er denn angreifen soll. Offensichtlich gar nicht und offensichtlich kann Orakel hin oder her B den Beginn einer Schlacht diktieren.
Sollte A zu dem Schluss kommen, dass es also besser wäre abzuziehen und auszuweichen, wäre es eher wenig sinnvoll, sich das vorher noch von einem Orakel bestätigen zu lassen, den Abzug damit zu verzögern und damit B weiterhin Gelegenheit zu geben A die Schlacht aufzuzwingen.
Darüber zu orakeln wann der beste Zeitpunkt für A für einen Angriff wäre, würde für den A überhaupt nur dann Sinn ergeben, wenn A das auch wirklich bestimmen kann und dass setzt wiederrum vorraus, dass A erhebliche Vorteile auf der eigenen Seite hat und den B jederzeit angreifen könnte.
Wenn aber A bereits erhebliche Vorteile auf der eigenen Seite hat, nötigt das eigentlich dazu die zu nutzen und anzugreifen, bevor sich die Bedingungen möglicherweise verschlechtern.
Wie dargelegt. Unmittelbar vor einer Schlacht zu orakeln, wann es gut wäre loszulegen während sich die aufmarschierten Truppen mehr oder weniger bereits gegenüberstehen, konnte nur für die Seite Sinn ergeben, die sich drückend überlegen wähnte und also tatsächlich den Beginn einer Schlacht diktieren konnte, weil keine Gefahr bestand, dass der Gegner sie eröffnen würde.
Für die ergab aber Abwarten in der Regel keinen Sinn und konnte im Prinzip nur Vorteile zunichte machen.
Wenn also in so einer Situation orakelt wurde, musste das Ergebnis des Orakelspruchs von vorn herein auf zeitnahen Angriff lauten um den Vorteil nicht zu vertändeln.
Würde man in dieser Situation auf die Idee kommen, jemanden, der im Zweifel keinen Plan von militärischen Dingen hat, aber möglicherweise eine ähnlich große soziale Autorität wie der Heerführer, dem Heerführer hier ins Handwerk pfuschen zu lassen?
Was passiert, wenn der auf einmal was völlig anderes sagt, als der militärische Oberkommandierende?
Verschenkt man dann einen sicheren Sieg, weil ein militärischer Amateur nach Beschauung geschlachteter Ziegen was dagegen hatte? Mit der Konsequenz dann bei einer späteren Konfrontation möglicherweise in erheblich schlechterer Lage zu sein? Oder greift man trotz der Meinungsverschiedenheit zwischen beiden an, im Wissen, dass das für die Moral der eigenen Leute eher schlecht ist?
Wie ich das sehe musste sichergestellt werden, dass beim Orakel das heraus kam, was im gegebenen Moment den Vorstellungen der Befehlshaber entsprach.
Das heißt, wer das durführte, musste entweder der Befehslhaber selbst sein, oder jemand, der durch den Befehlshaber kontrollier- und disziplinierbar war. Und dass schließt eigentlich aus, es einer in der Sozialhierarchie hochstehenden Person außerhalb der "militärischen Strukturen" soweit man davon reden kann (bei den Römern und Griechen kann man das sicherlich so nennen, bei den Kelten überspitzt der Begriff möglicherweise etwas) zu überlassen.