Migration - Chancen, Folgen, Abwehr, Verhinderung

Migration ist m.E. ein Normalzustand der Menschheitsgeschichte. Sollte man im Hinterkopf behalten.

Nicht nur im Hinterkopf, seit ich darüber nachdenke, sehe ich nichts anderes. :winke:
Wahrscheinlich ist unser Verständnis von Seßhaftigkeit und die Betrachtung von Völkern, die in ihren Sitzen sitzenbleiben, schlicht falsch. Menschen sind mobil, im Gegensatz zu ihren Immobilien, die sie zurücklassen, wenn Pull- und Pushfaktoren stark genug sind.

Es bringt auch nichts, den Migrationsbegriff auseinander zu differenzieren, wie Thanepower das vorgeschlagen hat. Ich habe allerdings auch Bauchschmerzen, wenn ich die Hunnenwandergebietserweiterungen mit den aktuellen, syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen vergleiche. Letztlich ist es aber das gleiche, Menschen verlassen das Gebiet, in dem sie geboren wurden und bewegen sich woanders hin.

Differenziert man z.B. die Eroberungszüge der Kolonialstaaten weg vom Migrationsbegriff, begeht man mE einen Fehler, weil man gewaltsam erzwungene Zulassung von Migration durch die Eingeborenen (an der Stelle paßt der Begriff) positiv darstellt.



Eine Übersicht über alle Migrationen ist daher ein engagiertes Vorhaben. Du zielst mit deiner Frage wahrscheinlich eher auf erfolgreiche oder mindestens spektakulär gescheiterte Migrationsbewegungen ab. Kann man machen.<!--?xml:namespace prefix = "o" ns = "urn:schemas-microsoft-com:eek:ffice:eek:ffice" /--><o:p></o:p>
So genau weiß ich nicht, wohin ich will. Du hast aber recht, es ist ein viel zu weites Feld.
Wäre die umgekehrte Fragestellung sinnvoller, also wo wurde Migration dauerhaft erfolgreich verhindert? Erfolgreich aus Sicht der Eingeborenen, natürlich. Und da wird es wieder schwierig, wir hätten ja mit dem eisernen Vorhang ein Beispiel von einem erfolgreichen Verhinderungsbauwerk, nur wieviel % der Eingeborenen fanden das positiv?
 
Seh ich kein Problem. Die alten steinzeitlichen Sprachen waren in ihrer Verbreitung eng regional begrenzt, hatten einen beschränkten Wortschatz, für viele Neuerungen in Handel und Technik keine Ausdrücke, wahrscheinlich kein vernünftiges Zahlensystem, vielleicht wenig Möglichkeiten Zeitabläufe darzustellen u.ä.

Warum sollten die nicht aussterben? Passiert heute doch auch ständig mit Dialekten.

Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass man einen Anlass benötigt, um einen Sprache zu übernehmen. Da wird kein präkeltischer Britannier hingegangen sein und bestimmt haben: Hey, wir sollten anfangen Keltisch zu sprechen. Denn Sprache ist etwas, was man als Kind von den Eltern lernt. Und so wird Sprache immer weiter tradiert und verändert sich, durch den Einfluss einer anderen Sprache allenfalls allmählich. Wenn jetzt aber keine Kelten eingewandert sind, woher soll der Nutzen gekommen sein, deren Sprache zu übernehmen? Warum fanden die Römer ein keltisches Britannien vor, wenn dort keine Kelten einwanderten?
Du hast die Verbreitung des Lateinischen als Parallele angeführt. Aber auch das stimmt nicht. Denn während das Lateinische sich allmählich durch Eroberungen, Veteranensiedlungen in den neuen Provinzen, Gesetze, als Befehlssprache in der Legion im Laufe der Jahrhunderte verbreitete, also als Folge von Migration, schließt du das für das Keltische > Inselkeltische aus.

Kommen wir zu den Möglichkeiten, Zeitabläufe darzustellen:
In den semitischen Sprachen gibt es z.B. nur zwei Zeiten, eine perfektive und eine imperfektive. Die perfektive Form wird meist für Vergangenes verwendet, die imperfektive für Gegenwart und Zukunft. Wenn ich das mit dem Spanischen vergleiche, dort gibt es neben dem Präsens, welches eine imperfektive Zeitform ist, auch den Imperfecto, welches (wie das Deutsche Imperfekt auch, welches allerdings seine imperfektive Bedeutung weitgehend verloren hat), eben imperfektiv in der Vergangenheit ist: nicht abgeschlossene Handlung in der Vergangenheit. Warum wurden die semitischen Sprachen nicht von ihren Sprechern ersetzt, wenn es nur zwei Zeitformen gab, die nicht einmal deutlich machten, wann ein Geschehen geschah? Im Gegenteil, Sprecher des Lateinischen oder des Griechischen übernahmen sogar das Arabische? Das kann also kein plausibler Grund sein.

Um ein Zahlensystem weiterzuentwickeln, benötigt man auch nicht die Übernahme einer ganzen Sprache. Wir konnten doch auch die Null aus dem Arabischen übernehmen (wenn wir sie auch mit dem lateinischen Terminus für 'nichts' bezeichnen), ohne gleich die gesamte arabische Sprache zu lernen?
Nämliches gilt für Handelsgüter. Begriffe können in Form eines Adstrats in eine Sprache entlehnt werden, auch dafür muss nicht gleich die ganze Sprache übernommen werden. Nur mal so als Beispiel: Über die Bibel und über das Jiddische dürften schon eine ganze Menge Semitismen sich im Deutschen befinden (Ganove, Schmiere stehen, Guter Rutsch, Tohuwabohu....), im Mittelalter kamen Arabismen hinzu (Zucker, Alkohol...) und dann gibt es noch Finnougrismen im Deutschen, etwa der Dolmetscher. Selbst aus Sprachen, mit denen das Deutsche überhaupt keine Berührung hat, haben wir Lehnworte entnommen, man denke an Orkan/Hurrican, Kanu, Mais, BBQ (Karibisch), Schokolade, Tomate, Kakao (Aztekisch), Tabu, Kiwi (Pazifisch), Monsun (Indisch (oder Arabisch?)), Tsunami, Kamikaze (Japanisch).
Diese Lehnworte ändern nicht die Sprache, sie bereichern sie aber sie werden entlehnt weil sie notwendig sind, um etwas Neues zu bezeichnen oder etwas Altes zu präzisieren. Erst bei dauerhaftem Kontakt werden allmählich auch die Worte ersetzt, die man schon in der eigenen Sprache hat, z.B. ist es bei einigen seit Jahren in, Familie durch family zu ersetzen. Völlig albern, funktioniert aber in erster Linie deshalb, weil man ein Vorverständnis voraussetzen kann (hier sogar doppelt, weil family und Familie sich so nahe stehen): Die Mehrheitsbevölkerung hat Englisch seit der 5. oder 7. Klasse gelernt, inzwischen lernen viele Kinder es sogar schon in der Grundschule. Dies Situation lässt sich aber nicht auf die Antike oder Protogeschichte zurück projizieren.
 
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Hier würde mich interessieren, was du unter einer "erfolgreichen" und unter einer "gescheiterten" Migration verstehst. Erfolgreich kann eine Zuwanderung auch dann sein, wenn die Zugewanderten mit der einheimischen Bevölkerung verschmelzen und bei diesem Prozess ihre Sprache aufgeben.

Bis zum Ende des ersten Satzes sind wir ja noch ganz beieinander. Dann aber nicht mehr. Wie sagst du sonst immer? Die Sprache wurde überschichtet? Genau das kann nämlich auch passieren, dass die einheimische Sprache aufgegeben wird. Aber das ist schon wieder viel zu weitgehend für die Bestimmung einer erfolgreichen Migration.
Den Amish, die einen frühneuzeitlich-pfälzischen Dialekt sprechen, würde niemand ernstlich attestieren, ihre Migration in die USA sei nicht erfolgreich verlaufen. Im Gegenteil, sie werden hierzulande nicht als deutsche sondern als amerikanische Sekte angesehen.

Wie eine Keltisierung ohne Einwanderung von Kelten möglich sein soll, ist zumindest erklärungsbedürftig. Nachweislich gab es auf den Britischen Inseln keltische Stämme und eine keltische Kultur.
Die These, von der Steffen ausgeht, so wenig ich von ihr in der vorliegenden Form halte, wie aus den hervorgehenden Beiträgen ersichtlich ist, geht von einer Keltisierung der vorkeltischen Briten aus. Die keltischen Stämme welche die Römer antrafen waren quasi das Produkt dieser Keltisierung.

Erstaunlicherweise haben sich vom Keltischen nur ganz geringe Spuren in der englischen Sprache erhalten, während das Lateinische und damit die römische Zivilisation viel stärker präsent sind.
Dies allerdings hauptsächlich aus dem Normannischen und der Mittellateinischen Gebildetensprache heraus.

Im übrigen ein schönes Beispiel für Migration, die in einen Assimilationsprozess mündete.
Ob das die Bevölkerung der Jahre 790 bis 1200 auch so sah?
 
Sorry El Q. und Dieter und evtl. alle anderen. Bei dieser Fragestellung ging es mir nicht um Sprachprozesse, Über- oder Unterschichtungen, Assimilierung oder Integration sondern ganz schlicht um die Tatsache, ob in der Geschichte Wanderungsversuche bekannt sind, die nicht zu einem dauerhaften Ortswechsel führten. Nur das wäre in diesem Zusammenhang ein erfolgloser Migrationsversuch.

OT: Tut mir leid, bin das Thema zu offen angegangen, will hier nichts abwürgen, mir kommen nur Zweifel, dass ich die Eingangsfrage falsch gestellt und damit das Thema zu weit geöffnet habe.
 
Hier würde mich interessieren, was du unter einer "erfolgreichen" und unter einer "gescheiterten" Migration verstehst.
Vergessen wir mal erfolgreich und nicht erfolgreich. Ursprünglich dachte ich in den Kategorien Angelsachsen = erfolgreich, Römer, da wieder abgezogen, gescheitert. Aber das greift zu kurz. Also von mir aus Ende der Definitionsdebatte.


Wie eine Keltisierung ohne Einwanderung von Kelten möglich sein soll, ist zumindest erklärungsbedürftig. Nachweislich gab es auf den Britischen Inseln keltische Stämme und eine keltische Kultur.

"Kelte" wird mittlerweile generell als Bezeichnung für eine Kultur oder einen Sprachraum, nicht für ein Volk benutzt. Wikipedia bemüht sich redlich, das darzustellen. Bei der Ausbreitung der keltischen Kultur kommt man daher vom Schwarzen Meer bis Irland ganz ohne die Hypothese der Einwanderung aus. Stell´s die vor, wie diese Kugeln, die in Rahmen auf Schreibtischen stehen: der Impuls (Kultur) wird weitergegeben, die Kugel (Volk) bleibt


Sie muss allerdings beträchtlich gewsen sein, da es den Sachsen gelang, die Kelten in mehreren Schlachten zu schlagen und in westliche Rückzugsgebiete zu verdrängen. .

Muss sie nicht. Es gab immer Bündnisse zwischen Briten und Angelsachsen gegen Briten. Weiter Aufgebote bereits etablierter sächsischer "Fürsten", die sich natürlich aus den übernommenen keltischen Bauern zusammensetzten. Es ist theoretisch möglich, dass nur eine vergleichsweise kleine Zahl Angelsachsen in England ankam und die ansässige Bevölkerung verangelsachste. Aber das ist, wie du richtig sagst, umstritten. (ganz nett und nicht teuer: "Die Angelsachsen", Harald Kleinschmidt, C.H. Beck)

Generell solltest du dich von der Vorstellung gottgegebener Völker und Nationen lösen. Die "Römer" waren ja auch nicht alle in Rom geboren, sondern in der Masse Spanier, Germanen, Kelten, Orientalen etc.. die sich in Tuniken kleideten und sich ans römische Recht hielten (oder es zumindest kannten)
 
...ob in der Geschichte Wanderungsversuche bekannt sind, die nicht zu einem dauerhaften Ortswechsel führten. Nur das wäre in diesem Zusammenhang ein erfolgloser Migrationsversuch.

Vielleicht die ganzen kolonialen Bemühungen der Neuzeit. Aber irgendwie sehe ich das ungern als Migration.

Ansonsten eher nicht. Entweder die Zuwanderer waren dominant und haben die angetroffene Kultur verändert. Oder sie sind darin aufgegangen ohne Spuren zu hinterlassen.

Zurück nach Hause ist meines Wissens keiner.
 
Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass man einen Anlass benötigt, um einen Sprache zu übernehmen. Da wird kein präkeltischer Britannier hingegangen sein und bestimmt haben: Hey, wir sollten anfangen Keltisch zu sprechen. Denn Sprache ist etwas, was man als Kind von den Eltern lernt.

Der Anlass ist wie immer Handel und Weitergabe von Technologie. Dann natürlich das Entstehen größerer politischer Einheiten, die, siehe Indien, nicht auf irgendeinen überkommenen Dialekt zurückwollen. Plus Trend und Mode.

Das man Sprache nur als Kind von seinen Eltern lernt, werde ich beim nächsten Klassentreffen meinen alten Englisch- und Französisch-Paukern berichten. Vielleicht tröstet sie das über ihre vielen Fehlschläge, beim Versuch der Fremdsprachenvermittlung weg.
 
Vielleicht die ganzen kolonialen Bemühungen der Neuzeit. Aber irgendwie sehe ich das ungern als Migration.

Es kommt darauf an, ob es sich um Siedlungskolonien handelte oder um solche die vorwiegend der Ausbeutung dienten. Und selbst dorthin wurde, wenn auch eher vereinzelt, migriert.

Ansonsten eher nicht. Entweder die Zuwanderer waren dominant und haben die angetroffene Kultur verändert. Oder sie sind darin aufgegangen ohne Spuren zu hinterlassen.
Nee. Ich muss hier - es tut mir leid, rena - noch einmal auf sprl. Auswirkungen von Migration eingehen. Von der Superstratbildung haben wir schon gesprochen, es gibt aber auch die Substratbildung. Nun sind diese Begriffe leider sehr eng mit der militärischen Eroberung verbunden, danach gilt nämlich das Superstrat als sprachlicher Rest der Eroberer in einem Gebiet in dem sich die Sprache der Unterlegenen am Ende durchgesetzt hat, das Substrat als sprachlicher Rest der Unterlegenen in einem Gebiet, in dem sich die Sprache der Eroberer durchgesetzt hat.
Das lässt sich aber auf jede Migration übertragen, nur dass ich dann hier die Begriffe austauschen würde. So gibt es z.B. im Ruhrgebiet und darüber hinaus natürlich polnische Begriffe, wie rabotten (arbeiten), Mottek (Hammer), Penunzen (Geld) und andere. Ich würde das mal als ruhrpolnisches Substrat bezeichnen. Nun hat sich das natürlich nicht nur auf der sprachlichen sondern auch auf anderen Ebenen vollzogen, dass Teile der Kultur der Zuzügler in die Regionalkultur eingegangen sind. Man muss nur mal durch die Supermärkte gehen, da gibt es Angebote, die zwar auf ethnische Gruppen zugeschnitten sind, aber nicht nur von denen gekauft werden. Berlin ist ohne Döner nicht zu denken. Eine deutsche Supermarktkette hat seit ca. einem Jahr vermehrt polnische Produkte im Angebot etc.

Das heißt alles nicht, dass Zuwanderung die Regionalkultur verändern muss, aber die Alternative besteht nicht zwischen Dominanz oder totaler (Selbst-)Aufgabe.

Zurück nach Hause ist meines Wissens keiner.

Auch das ist migrationssoziologisch/-soziohistorisch schon untersucht worden (und zwar anhand der friesischen Amerikaauswanderung); in der Tat gibt es eine Tendenz bei Wirtschaftsmigranten, auch bei Scheitern des Migrationsvorhabens nicht zurückzukehren und ggf. sogar zu bleiben und ein Glücken des Migrationsvorhabens zu signalisieren. Denn das Eingeständnis des Scheiterns scheint schwerer zu wiegen, als das Scheitern selbst und wird deshalb nicht kommuniziert.
 
"Kelte" wird mittlerweile generell als Bezeichnung für eine Kultur oder einen Sprachraum, nicht für ein Volk benutzt. Wikipedia bemüht sich redlich, das darzustellen. Bei der Ausbreitung der keltischen Kultur kommt man daher vom Schwarzen Meer bis Irland ganz ohne die Hypothese der Einwanderung aus. Stell´s die vor, wie diese Kugeln, die in Rahmen auf Schreibtischen stehen: der Impuls (Kultur) wird weitergegeben, die Kugel (Volk) bleibt

Bei den Kelten wird heute gern - wie auch bei den Germanen - von einer Sprach- und Kulturgruppe gesprochen. Damit umgeht man elegant eine Klassifizierung als "Volk", wobei antike Bezeichnungen in dieser Hinsicht ohnehin weiter gefasst wurden. Die Römer betrachteten die Kelten meines Wissens als Volk, ungeachtet der Tatsache, dass weder ein Gemeinschaftsgefühl oder ein Bewusstsein für eine gemeinsame Identität bestand - wenn überhaupt nur rudimentär. Andererseits gab es eine gemeinsame Sprache und eine große Zahl kultureller Übereinstimmungen zwischen verschiedenen keltischen Gruppen oder Stämmen, die sie von anderen Bevölkerungsgruppen abhoben.

Dass keltische Gruppen gewandert sind, ist sicher nicht von der Hand zu weisen und teilweise durch zeitgenössische Quellen belegt. So z.B. die Wanderung der Galater nach Kleinasien, der Vorstoß keltischer Gruppen nach Griechenland (Plünderung von Delphi) und Norditalien, Makedonien usw. Die Südwanderung keltischer Gruppen beschreibt auch ein Wiki-Beitrag Keltische Südwanderungen ? Wikipedia

Muss sie nicht. Es gab immer Bündnisse zwischen Briten und Angelsachsen gegen Briten. Weiter Aufgebote bereits etablierter sächsischer "Fürsten", die sich natürlich aus den übernommenen keltischen Bauern zusammensetzten. Es ist theoretisch möglich, dass nur eine vergleichsweise kleine Zahl Angelsachsen in England ankam und die ansässige Bevölkerung verangelsachste. Aber das ist, wie du richtig sagst, umstritten. (ganz nett und nicht teuer: "Die Angelsachsen", Harald Kleinschmidt, C.H. Beck)

In welcher Zahl Germanen in Britannien einwanderten, ist eine bis heute umstrittene Frage. Peter Heather schreibt dazu:

Seit den 1960er Jahren hat sich diese Frage, in der einst ein breiter Konsens herrschte, zu einem bisweilen erbitterten Disput entwickelt. Heute glaubt niemand mehr, dass damals eine ethnische Säuberung im großen Stil stattfand, und es glaubt auch niemand mehr, dass es absolut keine Migration gab. Dazwischen liegt ein breites Spektrum unterschiedlicher Ansichten, die sich in zwei Hauptströmungen gliedern lassen: ...

(Peter Heather, Invasion der Barbaren. Die Entstehung Europas im ersten Jahrhundert nach Christus, Stuttgart 2011, S. 249)
Heather führt dort weiter aus, dass viele Historiker und einige Archäologen mit einer großen Zahl germanischer Zuwanderer aus Norddeutschland und den Benelux-Ländern rechnen. Für andere hingegen war dieser Prozess nur von einer geringen Zahl an Einwanderern getragen, deren kulturelle Normen sich weitgehend gewaltlos (sic!) in großen Teilen der einheimischen Bevölkerung ausbreiteten. Ein Elitetransfer, gefolgt von kultureller Nachahmung.

Wer nun recht hat oder ob die Wahrheit in der Mitte liegt, ist für den historisch interessierten Laien schwer zu entscheiden. :grübel:
 
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Der Anlass ist wie immer Handel und Weitergabe von Technologie. Dann natürlich das Entstehen größerer politischer Einheiten, die, siehe Indien, nicht auf irgendeinen überkommenen Dialekt zurückwollen. Plus Trend und Mode.

Jetzt übertrage diese Vorstellung mal auf die britische Protohistorie.

Das man Sprache nur als Kind von seinen Eltern lernt, werde ich beim nächsten Klassentreffen meinen alten Englisch- und Französisch-Paukern berichten. Vielleicht tröstet sie das über ihre vielen Fehlschläge, beim Versuch der Fremdsprachenvermittlung weg.

Also hatten die präkeltischen Briten Schulen, in denen sie Keltisch als Fremdsprache lernten?


BTW, dein Beispiel ist super um deine Behauptung zu widerlegen. Schon der reguläre Sprachunterricht führt zu Fehlschlägen bei Fremdsprachenvermittlungsversuchen, aber die präkeltischen Briten sollen einfach so, dank eines Geistesblitzes, plötzlich Keltisch gesprochen haben.

Edit: Du hast im Übrigen unterschlagen, dass ich den Sprachunterricht in der Schule in dem von dir zitierten Beitrag durchaus berücksichtigt habe:
[...] Denn Sprache ist etwas, was man als Kind von den Eltern lernt. [...] Erst bei dauerhaftem Kontakt werden allmählich auch die Worte ersetzt, die man schon in der eigenen Sprache hat, z.B. ist es bei einigen seit Jahren in, Familie durch family zu ersetzen. Völlig albern, funktioniert aber in erster Linie deshalb, weil man ein Vorverständnis voraussetzen kann (hier sogar doppelt, weil family und Familie sich so nahe stehen): Die Mehrheitsbevölkerung hat Englisch seit der 5. oder 7. Klasse gelernt, inzwischen lernen viele Kinder es sogar schon in der Grundschule. Dies Situation lässt sich aber nicht auf die Antike oder Protogeschichte zurück projizieren.
 
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In welcher Zahl Kelten in Britannien einwanderten, ist eine bis heute umstrittene Frage. Peter Heather schreibt dazu:
Seit den 1960er Jahren hat sich diese Frage, in der einst ein breiter Konsens herrschte, zu einem bisweilen erbitterten Disput entwickelt. Heute glaubt niemand mehr, dass damals eine ethnische Säuberung im großen Stil stattfand, und es glaubt auch niemand mehr, dass es absolut keine Migration gab. Dazwischen liegt ein breites Spektrum unterschiedlicher Ansichten, die sich in zwei Hauptströmungen gliedern lassen: ...

(Peter Heather, Invasion der Barbaren. Die Entstehung Europas im ersten Jahrhundert nach Christus, Stuttgart 2011, S. 249)
Heather führt dort weiter aus, dass viele Historiker und einige Archäologen mit einer großen Zahl germanischer Zuwanderer aus Norddeutschland und den Benelux-Ländern rechnen.
Auf wen bezieht sich das Heather-Zitat denn jetzt?
 
Jetzt übertrage diese Vorstellung mal auf die britische Protohistorie.

Wo ist da das Problem?

Außerdem hab ich mir das ja nicht selber ausgedacht.

"Auch wenn die Kelten vom Kontinent nie in großer Zahl auf die Britischen Inseln einwanderten, übernehmen deren Bewohner doch Sprache und Kultur der Menschen jenseits des Ärmelkanals, mit denen sie regen Handel trieben" . Geo Epoche, 47 Die Kelten, 2011

Und du bist hoffentlich nicht ernsthaft der Meinung, das Sprachen nur von den Eltern oder an Schulen gelernt werden können?

Ich stelle es mir vor, wie auf Schiffen: philippinische Matrosen lernen Englisch von griechischen Offizieren, die es wiederum an einer spanischen Schifffahrtsschule gelernt haben...
 
"Auch wenn die Kelten vom Kontinent nie in großer Zahl auf die Britischen Inseln einwanderten, übernehmen deren Bewohner doch Sprache und Kultur der Menschen jenseits des Ärmelkanals, mit denen sie regen Handel trieben" . Geo Epoche, 47 Die Kelten, 2011

Wie Peter Heather schreibt (vgl. mein Beitrag # 29) ist diese Frage bis heute äußerst umstritten. Es gibt eine Fraktion, die eine große Zahl von germanischen Einwanderen annimmt, und eine andere, die von einer eher geringen Zahl und einem Elitetransfer ausgeht.
 
Da das Eingangsthema nicht auf eine Epoche gerichtet war, möchte ich nochmals eine Fragen stellen:

Wir müssen dringend unterscheiden von gewollter Migration und ungewollter Migration.

Vor allem gibt es wohl mehr den Umstand, daß eine Fluchtwelle immer die Richtung von einem gesellschaftlich und wirtschaftlich benachteiligten Bevölkerung oder Nation, zu einer höheren gesellschaftlich und/oder wirtschaftlichen Nation fließt.

Dabei wird meist die Frage nach einen Einwanderungsstopp der höher Entwickelten Nation (gesellschaftlich wie wirtschaftlich) als eine Art von Rassismus oder zumindest einer Klassifizierung der Migranten gewertet.
Zumeist wird aber ein hoher Wert auf der Hilfe der Migranten gelegt, doch damit werden noch größere Probleme geschürt, denn wärend immer mehr Migratne in ein Land einwandern, umsomehr wächst der Unmut der Nation über den Zustrom.
Damit ist letzlich beiden Nationen oder Bevölkerungen nicht geholfen.

Vielleicht noch ein bildliches Beispiel: Auf einem Schiff müssen immer aller Personen gleichmäßig verteilt sein, wird diese Gleichgewicht, durch Verschiebung eine Gruppe zu einen Anderen gestört, kann das Schiff kentern.

Ist es somit wertvoller, dass die Nation die andere Nationen anzieht, vor allem aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen auch mehr in die Unterstützung der benachteiligten Länder stecken sollten?
 
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Jetzt übertrage diese Vorstellung mal auf die britische Protohistorie.
Wo ist da das Problem?

Im protohistorischen Schulsystem.

Außerdem hab ich mir das ja nicht selber ausgedacht.

"Auch wenn die Kelten vom Kontinent nie in großer Zahl auf die Britischen Inseln einwanderten, übernehmen deren Bewohner doch Sprache und Kultur der Menschen jenseits des Ärmelkanals, mit denen sie regen Handel trieben" . Geo Epoche, 47 Die Kelten, 2011
Auch hier steht nicht, dass es keine physische Einwanderung gegeben habe, sondern es wird behauptet, dass es nur eine geringe Zahl gewesen sei.

Und du bist hoffentlich nicht ernsthaft der Meinung, das Sprachen nur von den Eltern oder an Schulen gelernt werden können?

Nein, das bin ich tatsächlich nicht, aber es muss einen Anlass geben und dieser Anlass muss ausreichen, dass es zu mehr als einer Pidginisierung kommt und letztlich muss dann auch eine Bereitschaft bestehen, die Sprache in der Gesamtbevölkerung zu übernehmen. Das ist ein sehr komplizierter Prozess, der ohne ein Nebeneinander von zwei Sprachen nicht glaubwürdig ist. Dieses Nebeneinander der zwei Sprachen muss aber irgendwo her gekommen sein und ist ohne keltische Einwanderung eigentlich nicht sinnvoll erklärlich.
Und das Elternhaus und die Schule sind nun mal für die meisten Menschen der Ort, wo sie - meist unter Zwang - Sprachen lernen.

Ich stelle es mir vor, wie auf Schiffen: philippinische Matrosen lernen Englisch von griechischen Offizieren, die es wiederum an einer spanischen Schifffahrtsschule gelernt haben...

Auch hier gäbe es einen Anlass. Welchen Anlass hatten die vorkeltischen Briten ohne keltische Einwanderung zur Keltisierung?!
 
Sorry El Q. und Dieter und evtl. alle anderen. Bei dieser Fragestellung ging es mir nicht um Sprachprozesse, Über- oder Unterschichtungen, Assimilierung oder Integration sondern ganz schlicht um die Tatsache, ob in der Geschichte Wanderungsversuche bekannt sind, die nicht zu einem dauerhaften Ortswechsel führten. Nur das wäre in diesem Zusammenhang ein erfolgloser Migrationsversuch.

Im Buch "Das neues Deutschland - Die Zukunft als Chance" (2003) von den Herausgebern Tanja Busse und Tobias Dürre gibt auch einen Abschnitt mit dem Titel: Die ostdeutschen Immigranten (S. 266-281).
Eine Kurzfassung dieses Abschnitts von Toralf Staud gab es mal in der ZEIT im Abdruck: Einwanderer: Ossis sind Türken | ZEIT ONLINE mit dem Titel: Ossis sind Türken; 13 Jahre Einheit: In Gesamt-Westdeutschland sind die Ostdeutschen Einwanderer.
Und wenn man sich einmal auf den Gedanken einlässt, die Ostdeutschen als Immigranten im eigenen Land zu betrachten, so lässt sich manches besser erklären. Aber lest selbst...
 
Und wenn man sich einmal auf den Gedanken einlässt, die Ostdeutschen als Immigranten im eigenen Land zu betrachten, so lässt sich manches besser erklären. Aber lest selbst...

Da verkennst Du etwas. Warum wird es hier auf die Ost-West Schiene festgemacht.
Die Problematik, die in dem Artikel auf diese Ebene reduziert wird, haben wir innerdeutsch auch in der Nod-Süd Wanderung. Bestes Bespiel von Assimilation und Integration ist der Strom der Schwaben nach Berlin und die daraus bis zu Regierungskreisen entstandenen Missverständnisse.
 
Außerdem hab ich mir das ja nicht selber ausgedacht.

"Auch wenn die Kelten vom Kontinent nie in großer Zahl auf die Britischen Inseln einwanderten, übernehmen deren Bewohner doch Sprache und Kultur der Menschen jenseits des Ärmelkanals, mit denen sie regen Handel trieben" . Geo Epoche, 47 Die Kelten, 2011

Dass Kelten auf die Britischen Inseln einwanderten, ist sicher eine Tatsache. Umstritten ist lediglich die Frage, in welcher Zahl diese Einwanderung erfolgte. Das lässt sich heute nicht mehr zweifelsfrei klären.

Zur Zeit herrscht die Hypothese einer eher geringen keltischen Zuwanderung vor, d.h. dass die autochthone Bevölkerung zahlenmäßig überwog, aber dennoch keltisiert wurde. Somit nahm sie die keltische Sprache und Kultur an, die ihr durch den Handel mit dem Festland und kleinere Einwanderungsgruppen vermittelt wurden.
 
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