Es gab in der Zeit auch noch die sogenannte Justinianische Pest, eine Pandemie, die weite Teile des Mittelmeerraumes betraf.
dazu ein paar Daten:
542 bricht die von Süden gekommene Pest in Byzanz aus
543 erreicht sie Italien & Gallien
544 proklamiert Justinian das Ende der Pestwelle
557 flammt die Pest wieder auf
570 dito
dann unregelmäßig in Abständen von 10-20 Jahren bis 8. Jh. (die verheerendste Pestwelle soll 746-48 gewesen sein)
parallel die Ereignisse der Gotenkriege in Italien:
540 Belisar "erobert" Ravenna, die letzte Zuflucht des von Byzanz als Usurpator bekriegten got. Königs Witichis; Witichis samt der Tochter der letzten legitimen Gotenkönigin wird nach Byzanz gebracht. Ende des 1. Gotenkriegs. Belisar wird abberufen nach Byzanz (Verdacht des Hochverrats)
541 got. Aufstände etc. Der got. Adel samt seiner Truppen sucht sich einen Anführer / Heerkönig: erst (h)ildebad, dann Erarich, zuletzt wird Anfang 542 Totila (Baduila) König der Ostgoten. Und dieser beginnt einen erstaunlichen Siegeslauf: Neapel, sogar Rom wird erobert und damit wieder ostgotisch. Unterdessen sind die byz. Truppen wegen der Perserkriege gebunden, zugleich schwächt die Pest die
oströmischen Gebiete.
Totila samt seinen Truppen scheint die italienische Pestwelle 543 nicht sonderlich geschadet zu haben
544 Belisar wieder in Italien, allerdings mit zu geringer Truppenstärke - dennoch oder gerade deshalb (gleich"starke" Gegner) wird der (nun 2.) Gotenkrieg immer krasser und brutaler (was sich nun deutlich auf die Bevölkerung auswirkt)
547 Belisar erobert Rom
549 Rückeroberung Roms durch Totila
Die blutigen Kämpfe des zweiten Gotenkrieges führten dazu, dass die Stadt, die die Angriffe der Westgoten und Vandalen im 5. Jahrhundert noch einigermaßen unbeschadet überstanden hatte und 535 immer noch etwa 100.000 Einwohner gezählt hatte, nunmehr fast entvölkert und in ein Ruinenfeld verwandelt wurde. Totila soll sogar die völlige Zerstörung Roms geplant haben und erst im letzten Moment davon abgebracht worden sein.
aus
https://de.wikipedia.org/wiki/Gotenkrieg_(535%E2%80%93554)#Zweiter_Gotenkrieg_.28541.E2.80.93550.29
550/51 Perserkrieg flaut vorübergehend ab, hierdurch werden byz. Truppen für den Gotenkrieg frei
551 beginnt Narses die Rückeroberung Italiens mit starkem Truppenkontingent; die Ostgoten unter Totila haben dem nicht viel entgegenzusetzen:
552 werden die ostgot. Truppen vernichtend geschlagen (busta gallorum), König Totila erliegt seinen Verletzungen
Kurz darauf vernichtende Niederlage von Teja (Totilas Nachfolger)
554 alemann.-fränk. und restgotische Truppen werden vernichtet
554 Justinian proklamiert die
sanctio pragmatica pro petitione Vegilii
555 die Festungsstadt Salerno mit ihren got. Truppen kapituliert
Fazit: mag die Pest auch gewütet haben, so scheint sich die Kriegsführung davon nicht sonderlich beeindrucken zu lassen... man kämpfte vehement trotz oder unbeschadet von der Pest.
Desweiteren gab es gewisse Klimaänderungen, die länger andauerten.
du meinst damit die
https://de.wikipedia.org/wiki/Wetteranomalie_von_535/536
ich weiß nicht, inwiefern sich die klimabedingten Missernten 535-36 auf den Jahre später ausbrechenden zweiten Gotenkrieg ausgewirkt haben - Tatsache ist, dass die verheerende Kriegsführung gegen Totilas ostgotische Truppen trotz Klima und Pest stattgefunden hatten.
Der Bevölkerungsrückgang hatte sicherlich mehrere Ursachen.
Davon muss man wohl ausgehen. Und auch davon, dass regional mal mehr die eine (Pest), mal mehr die andere (ausgeweiteter Vernichtungskrieg*)) oder eine dritte (Missernten infolge Klimaschwankungen) Ursache stärker wirkte.
Für Italien in der Mitte des 6. Jhs. dürfte der byz. Vernichtungskrieg gegen die Ostgoten in Sachen Bevölkerungsrückgang mindestens so schwerwiegend wie die Folgen der Pestwellen dieser Zeit gewesen sein - immerhin markiert das Ende der Gotenkriege zugleich das Ende der antiken Kultur auf der Appeninhalbinsel. Dort gelang es Byzanz von 552 bis 568 nicht, wieder blühende Landschaften zu rekreieren - das immer noch geschwächte Land konnte von den Langobarden teilweise erobert (und weiter ruiniert) werden.
***
Allerdings reduziert sich die Spätantike / Völkerwanderungszeit / Barbarenepoche nicht auf die italischen Gotenkriege. Migrationsbewegungen und sogar "Umsiedlungen" hat es in diesen rund 3-400 Jahren einige gegeben:
- die Umsiedlung der Burgunden
- die Migration der romanisierten Briten in die Bretagne (daher der Name)
die Abwanderung vieler (nicht aller!) Romanen aus Dacien
- ganz zu schweigen von den diversen, mal vom (ost)röm. Kaiser befohlenen, mal gegen diesen durchgesetzten Ansiedlungen diverser barbarischer Truppen samt Anhang (man denke nur an die vielen "Siedlungsplätze" des west- und ostgot. exercitus)
Völlig verfehlt allerdings wäre ein fiktives Szenario a la
oh Mist, da kommen fellbehangene und knoblauchverströmende Barbaren mit ranziger Butter im Bart, die hier alles plattmachen, Himmel auch, wo ist der nächste Schlepper, der mich, meine Familie, meine Sklaven für ein paar Sesterzen in die sicheren oströmischen Gefilde kutschiert? :autsch:
Wie schon zuvor geschrieben wurde, traten etliche "Eroberer" weströmischer Gebiete zunächst als quasi legitimierte
Truppen & Militäreliten in römisch-kaiserlichem Dienst auf. Und die adelige Oberschicht dieser Militärs suchte durchaus den Anschluß an die herrschenden Schichten im west- wie oströmischen Reich (interessant hierzu ein Aufsatz von Demandt über die Verwandtschaftsbeziehungen barbarischer Heerführer mit der römischen Militäraristokratie) Für die weströmische Oberschicht (Senatoren, Ritterstand, Kurialen) waren solcherlei gotische, burgundische, fränkische, skirische, herulische, (gelegentlich auch) hunnische und noch viele weitere Truppen samt ihrem Anhang schlichtweg "das Militär", der Ersatz der ehemaligen Legionen (von denen es im kriselnden weström. Reichsteil immer weniger gab, weshalb man ja hereindrängende Barbarenkontingente militärisch instrumentalisierte und legitimierte). Die senatorische Oberschicht, reich begütert in allen Reichsteilen, hatte kaum Probleme, sich auf ihre oströmischen Besitzungen/Güter zurückzuziehen**) (schlimmstenfalls gehörte dann die vormals eigene Villa in Rom einem gotischen Haudegen) - nahezu alle anderen Bevölkerungsteile (ausgenommen aktive Militärs) waren nicht derart mobil. Es gab also nur
Fluchtbewegungen, wo die Lebensumstände unhaltbar wurden, und seltene
Umsiedlungen. Kein Wunder: zwar gab es allerorten und von allen Seiten Rückkäufe gefangener Bevölkerungsteile (darüber verhandelten die Hunnen oftmals mit dem oströmischen Kaiser), aber es gab im heutigen Sinne kein "Asylrecht".
____________________
*) ein solcher war spätestens der zweite (ost)Gotenkrieg
**) allerdings kam das nahezu nicht vor: die Senatoren blieben überwiegend, wo sie waren (was ein Zeichen dafür ist, dass sie die Barbarenmilitärs für ein vorübergehendes Übel, für eine Art Reichskrise hielten) - sonst hätte es bei Odoakar und Theoderich ja keinen Symmachus und Boethius und Cassiodor gegeben; und wo die Macht der Senatorenfamilien am schwinden war, wie im merowingischen und westgotischen Gebiet, da stellten diese die Bischöfe (vgl. Gregor von Tours) Das ist erstaunlich: reich genug waren die (stadt)römischen Senatoren, um in Italien alles hin zu schmeissen und ihr Otium an der sicheren Schwarzmeerküste (in der heutigen Türkei) in schönen Villen genießen zu können.