Minirock im alten Germanien?

heinz schrieb:
...Moorleichen von Ehebrecherinnen und Ehebrechern im Moor bestätigen dies.

Das wird aber in Zweifel gezogen. So hat P.KEHNE einen Bericht über Moorleichen veröffentlicht ("Tacitus, Germania 12 und der Tod im Sumpf", Die Kunde N.F.52,2001,S.113-122). So schreibt er, daß es keine Beweise dafür gibt, das ehebrecherische oder sonst wie hurende Frauen durch den Tod durch Ertränken zwangsläufig zu bestrafen waren. Tacitus kann auch mit "corpore infames" ehebrecherische Frauen gemeint haben (ansonsten wurden Feiglinge und Kriegsscheue ertränkt) das ist aber nicht von vornherein anzunehmen. Außerdem wirft das aber ein juristisches Problem auf: wer sollte diese Frauen vor der Thingversammlung anklagen? Vor der Thingversammlung wurden Verbrechen und Schandtaten behandelt, die die Gesamtheit des Stammes bzw. der Kultgemeinschaft betrafen. Und war ein Ehebruch so stammesgefährdend?:grübel:

Bisher konnte auch noch keiner männlichen Moorleiche irgendeine Charaktereigenschaft oder eine Form des einstmaligen sozialen Verhaltens (z.B. Feigheit, Kriegsdienstverweigerung, Homosexualität) nachgewiesen werden. Um die Herkunft der Moorleichen kann es daher verschiedene Gründe geben, z.B. Verunglückte, Verbrechensopfer, rituell Geopferte, Begrabene,...).
Ferner gibt es auch in Tacitus Germania einige unterschiedliche Auffassungen, z.B. wurden Feiglinge (die in der Schlacht ihren Schild verloren hatten) nicht zwangsläufig mit dem Tod bestraft. Vielmehr begingen einige aus Schande Selbstmord, aber von der Gemeinschaft wurden sie nur von heiligen Handlungen und Versammlungen ausgeschlossen. Tacitus profitierte davon, daß der Tod durch Ertränken bzw. Erhängen bei Germanen und Römern als ehrlos galt. So hat er gewisse "Vergehen" nach römischen Recht und der darausfolgende Strafrechtstheorie einfach den Germanen untergeschoben. :scheinheilig:

Daher würde ich nicht unbedingt von Tacitus seiner Meinung auf das Wesen der germanischen Frauen schließen. Tacitus wollte dem lasterhaften Rom mit seinen ganzen Intrigen und Ausschweifungen (beschrieben in seinen Annalen) ein Volk vorstellen, daß angeblich noch so lebte wie das "frühere tugendhafte" Rom.

Wie freizügig die germanischen Frauen sich verhielten, insbesondere in der warmen Jahreszeit ist schwer nachprüfbar. Die wenigen Funde von Bekleidungen geben darüber keinen Aufschluß.
Irgendwo habe ich einmal gelesen, daß Frauen und Männer auch zusammen nackt badeten. Die Prüderie ist erst in der Neuzeit entstanden. :rotwerd:
Und bei den Kelten ging es sowieso drunter und drüber....:pfeif:
 
Hallo Cherusker
Und bei den Kelten ging es sowieso drunter und drüber....
Hier muss ich wiedersprechen. Mit veralteter Drunter-Und-Drüber Technik hatten die Kelten spätestens bis 500v. Chr. den, mit neuartiger Karnickeltechnik voranstoßenden Germanen nichts mehr entgegen zu schwingen. Der Rest ist Geschichte.
 
Cherusker schrieb:
So schreibt er, daß es keine Beweise dafür gibt, das ehebrecherische oder sonst wie hurende Frauen durch den Tod durch Ertränken zwangsläufig zu bestrafen waren....

Außerdem wirft das aber ein juristisches Problem auf: wer sollte diese Frauen vor der Thingversammlung anklagen? Vor der Thingversammlung wurden Verbrechen und Schandtaten behandelt, die die Gesamtheit des Stammes bzw. der Kultgemeinschaft betrafen. Und war ein Ehebruch so stammesgefährdend?:grübel:

Ehebruch wurde auch bei den Römern streng bestraft. Augustus z. B. hatte mit der "lex Julia de adulteriis" ein Gesetz gegen den Ehebruch erlassen. Danach war der Gatte der Treulosen verpflichtet, diese den Gerichten zu übergeben. Der Kaiser selbst musste es gegen seine Tochter Julia anwenden, nachdem deren Gatte Tiberius den Kopf in den Sand steckte und nach Rhodos entschwand.

Für die Germanen ist mir zur ostgotischen Rechtsprechung bezügl. Ehebruch aus dem Edikt Theoderichs d. Gr. der § 38 bekannt: Ehebruch und Beihilfe dazu stand unter Todesstrafe. Ehescheidung war lt. § 54 jedoch in festgelegten Fällen erlaubt. Wie wichtig die Rechtsprechung den Germanen in der Hinsicht erschien, zeigt ein uns bekannter Fall, in dem Theoderich sich selbst einschaltete und ausdrücklich eine Bestrafung verlangte.

Weitere §§ die Ehe/Heirat betreffend sind:
§ 37 = bei Verletzung des Trauerjahres durch eine Witwe konnte Klage wg. Unzucht erhoben werden.

§ 17 = Entführung einer freien Frau oder Jungfrau: Todesstrafe für Entführer und auch der Entführten, wenn es mit deren Willen geschehen war.

§ 60 = bei Gewaltanwendung gegen eine freigeborene Jungfrau hatte der Täter diese zu heiraten und ihr 1/5 seines Vermögens zu überschreiben. War dieser bereits verheiratet, büßte er 1/3 seines Vermögens ein. Nichtbegüterten drohte der Tod.

Auch von Athalarich, dem Enkel Theoderichs, gibt es ein Edikt, in dem Strafen für Ehebruch differenziert festgelegt sind (Einzelheiten sind mir dazu allerdings nicht bekannt).

Da in dem ostgotischen Rechtsstaat Gründe für Stammesfehden (Quijote) nicht gegeben waren, können diese Eventualitäten auch nicht unbedingt die Grundlage für eine derartige, in unseren Augen harte Rechtsprechung sein.

Übrigens fand man 5 m vom Mädchen von Windeby entfernt auch eine Männerleiche, ebenfalls in einer Grube, zugedeckt mit Reisig und Ästen, als Beigabe ein Gefäß. Für Ehebruch musste aber im allgemeinen nur die Frau "bezahlen".
 
Ostrogotha schrieb:
...Für die Germanen ist mir zur ostgotischen Rechtsprechung bezügl. Ehebruch aus dem Edikt Theoderichs d. Gr. der § 38 bekannt: Ehebruch und Beihilfe dazu stand unter Todesstrafe. Ehescheidung war lt. § 54 jedoch in festgelegten Fällen erlaubt. Wie wichtig die Rechtsprechung den Germanen in der Hinsicht erschien, zeigt ein uns bekannter Fall, in dem Theoderich sich selbst einschaltete und ausdrücklich eine Bestrafung verlangte.

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§ 17 = Entführung einer freien Frau oder Jungfrau: Todesstrafe für Entführer und auch der Entführten, wenn es mit deren Willen geschehen war.
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Übrigens fand man 5 m vom Mädchen von Windeby entfernt auch eine Männerleiche, ebenfalls in einer Grube, zugedeckt mit Reisig und Ästen, als Beigabe ein Gefäß. Für Ehebruch musste aber im allgemeinen nur die Frau "bezahlen".

Man kann allerdings nicht die ostgotische Rechtssprechung und deren Moralvorstellung auf die gesamten germanischen Stämme, insbesondere im norddeutschen Raum zu einer anderen Zeit übertragen. Hier liegen doch einige Jahrhunderte dazwischen.
So wäre Arminius und seine Thusnelda nach §17 des Ostgotenrechts zum Tode zu verurteilen gewesen. Das war aber nicht der Fall.....:grübel:

P.KEHNE schreibt in seinem Beitrag: "Verwirrend ist vor allem, daß kaum ein archäologischer Befund der ca. 500-600 europäischen Moorleichen (...) mit Tacitus` Beschreibung in Einklang zu bringen ist, weil die zur Unterscheidung von den Kategorien der "normal" Begrabenen und Verunglückten oder der Verbrechensopfer notwendigen Kriterien nicht ausmachbar sind und viele zudem Frauen und Kinder waren (...)."

So hat man doch erst kürzlich festgestellt, daß eine angeblich weibliche Moorleiche ein Junge war. Ferner wurde die "obszöne" Handgeste der Moorleiche erst bei den Ausgrabungen hinzugefügt!:pfeif: Die bis dahin aufgestellten Theorien waren somit fast alle hinfällig.

Und die Abdeckung der Moorleichen mit Flechtwerk sollte ,nach den Vorstellungen der Germanen, die Rückkehr als "Wiedergänger" verhindern. Also eher eine rituale Handlung...

KEHNE schreibt hierzu: "Archäologische Befunde, insbesondere die von Windeby, wo die Verwendung von Abdeckungen aus Ästen ermittelt wurden, lassen womöglich in einem Fundkomplex sowohl eine Tötung durch Ertränken als auch eine ebensolche Deponierung post mortem erkennen (...), was freilich die taciteischen Aussagen, Germ.12 und 19, zur altgermanischen Strafvollstreckung nicht zu belegen vermag."

P.S.
Aus der Gegend um den Dümmer See liegen Erkenntnisse vor, daß seit 5.000v.Chr. menschliche Einflüsse im Moor erkennbar sind. Und seitdem sind die Menschen auch in der Moorgegend geblieben.
Eine weibliche Moorleiche stammt höchstwahrscheinlich aus der Zeit 1.Jh.v.Chr. ! Allerdings stammen viele Funde aus Ostfriesland (Nähe Holland). Die meisten Moorleichen können in den Zeitraum Zeitenwende und 1.Jh.n.Chr. datiert werden.
Ein neuer Fund von Moorleichen erweist sich als ziemlich schwer, da die maschinelle Torfverarbeitung der Fund einer gesamten Moorleiche nahezu unmöglich macht (auch die weibliche Moorleiche ging durch die Maschine:weinen: ). Daher kann man nur noch Einzelteile finden, die die Archäologen dann wieder zusammensetzen müssen. Bekleidungsgegenstände sind meist verrottet bzw. zerstört. Auf dem Körper lasteten ca.3m Torf ...
 
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Cherusker schrieb:
Man kann allerdings nicht die ostgotische Rechtssprechung und deren Moralvorstellung auf die gesamten germanischen Stämme, insbesondere im norddeutschen Raum zu einer anderen Zeit übertragen.

So hat man doch erst kürzlich festgestellt, daß eine angeblich weibliche Moorleiche ein Junge war. Ferner wurde die "obszöne" Handgeste der Moorleiche erst bei den Ausgrabungen hinzugefügt!:pfeif: Die bis dahin aufgestellten Theorien waren somit fast alle hinfällig.

Die ostgotische Rechtsprechung war auch nur als Beispiel gedacht, ebenso der Hinweis auf die Römer, da hier die Frage aufkam, wer denn nun eigentlich in solch einem Fall Anklage erheben würde.

Bezüglich der Augenbinde wurde auch bereits die These erstellt, dass es sich um ein verrutsches Haarband handeln könnte.

Und wenn man mal eine Moorleiche hat, die nicht durch die Maschine gegangen ist, dann dauert es ewig, bis man diese als solche identifiziert. Der jüngste Fund, der kurzfristig letztes Jahr in meiner Heimatstadt zu besichtigen war, ist so ein Fall.
 
Hallo Cherusker & Ostrogotha

Was die Zahl der gefundenen Moorleichen betrifft, sollte es über 2000 geben, allerdings lässt sich bei nur etwa 100 die Todesursache erkennen.

Um zumindest einen Anhaltspunkt der
Wenige-EhebrecherInnen-im-Moor These zu bekommen, kann man vielleicht kurz rechnen.

In Skedemosser Moor sind Knochenfragmente von mindestens 38 Menschen gefunden worden, datiert auf 1.Jhd.v.Chr bis cca 450 n.Chr. Nehmen wir an, es wurden bei weitem nich alle ausgemacht und in Wahrheit dort 200 Opfer den Tod fanden. Davon -greifen wir hoch- sind 100 Straftäter gewesen, unter diesen 50 EhebrecherInnen. In einem Zeitraum von 500 Jahren.

Gewiss ist jedes einzelne Opfer eins zu viel, aber alle zehn Jahre ein/e Sünder/in ist dann doch als niedrige Zahl zu bezeichnen.

Entweder sind Germanen/innen tatsächlich (?) kaum fremdgegangen oder es wurde selten nach Theoderichs §38 gerichtet.
 
Absolut beginer schrieb:
Entweder sind Germanen/innen tatsächlich (?) kaum fremdgegangen oder es wurde selten nach Theoderichs §38 gerichtet.

Oder es wurde sich genauso wenig/viel in der Praxis danach gerichtet, wie bei den Römern. Auch bei denen gab es bis zuletzt die strengen Ehegesetze, aber es hat sich im allgemeinen kaum jemand drum gekümmert. Es muss ja auch immer erst mal ein Kläger da sein. Und unter germanischen Rivalinnen wurde so manches auch privat handgreiflich "geregelt".
 
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