(...) die These, dass die nach Zerstörung des Tempels Vertriebenen aus Palästina nur eine marginale Gruppe waren und die Mehrheit Konvertiten, scheint mir damit auf dünnen Eis zu stehen.
Was genaues weiß man nicht, aber ein paar Indizien:
1. Direkte Vertreibung war - besonders im östlichen Reichsteil - eigentlich nicht "römische Art" und es gibt keinerlei Anzeichen für eine Vertreibung aus Palästina - dies mit Bezugnahme auf Sand, Die Erfindung..., Teil III,1.
2. Schon vor dem "Jüdischen Krieg" gab es größere jüdische Gemeinden außerhalb Palästinas: Zeugnis davon gibt zumindest das Progrom in Alexandria, 38 n.Chr.; auch die jüdische Gemeinde in Mesopotamien sei hier erwähnt.
3. Der "zweite jüdische Aufstand" fand ausschließlich außerhalb Palästinas in nordafrikanischen römischen Provinzen statt (ca. 115 n.Chr.). Diese Aufständischen könnten zwar theoretisch seit dem Jüdischen Krieg schon dorthin ausgewandert gewesen sein, allerdings fand knapp 20 Jahre später (diesmal wieder in Palästina) der dritte Kampf/Aufstand statt - also doch noch eine Menge Zurückgebliebener.
4. Schon Caesar verkündete spezielle Rechte für jüdische Gemeinden in Rom - dürften also schon damals keine Seltenheit gewesen sein (
Juden in Rom – Wikipedia )
5. Bevölkerungszahlen wie tw. angegeben (etwa hier:
History of the Jews in the Roman Empire - Wikipedia ) von rd 7 Mio. Juden im römischen Reich (dav. 2,5 in Palästina) im ersten nachchristlichen Jahrhundert sind zwar wahrscheinlich übertrieben, zeigen aber, daß wahrscheinlich schon damals jüdisch-gläubige Bevölkerung schon weit über die Grenzen Palästinas hinaus verbreitet war.
6. Ob sich das alles alleine durch natürlichen Bevölkerungszuwachs erklärt, oder ob und in welchen Umfang zusätzlich Konvertierung angenommen werden muss, ist natürlich weiter umstritten. (Persönlich neige ich - ohne handfeste Beweise als Laie - zur zweiten Ansicht). Genetisch handelt es sich - mit oder Konvertiten - allsamt um Menschen vorwiegend aus dem östlichen Mittelmeerraum. Eine genetische Verwandtschaft ihrer Nachkommen würde mich - in diesem Sinne - nicht sehr wundern.
7. Die angeführte genetische Studie war vor allem ein Einwand/eine Widerlegung gegen die sog. "Chasaren"-Theorie (urspr.: A. Koestler, "Der dreizehnte Stamm"). Inwieweit die Ergebnisse heute noch als valid gelten (kann mich noch an eine "Widerlegung der Widerlegung" und an eine "Widerlegung der Widerlegung der Widerlegung "erinnern, hab das aber nicht weiterverfolgt), weiß ich nicht.