Monarchischer Alltag vor der Revolution

Agares

Mitglied
Hallo,

weil ich mich sehr gerne, und in letzter Zeit auch wieder ein wenig mehr, mit den Geschehnissen der französischen Revolution und Ihren Akteuren beschäftige, würde mich dieser Punkt sehr interessieren.

Die Revolution ist ja nicht einfach so von Heute auf Morgen ausgebrochen. Da gehörten schon einige Faktoren dazu. Zum Beispiel der Umgang mit Geld und die vielen Feste, Jagdtouren, Glücksspiele etc. oder auch das "Hameau de la Reine" welches beim Volk wohl nicht so gut angesehen wurde.

Und genau darüber würde ich gerne etwas wissen, wie haben die Monarchen damals gelebt? Kann man einen Einblick kriegen?

Kennt jemand evtl. eine gute Quelle, sei es Buch, Film, website... etc.?

Ich finde als Beispiel die Zeichentrickserie "Lady Oscar" (welche ich als Kind sehr gern gesehen habe) gibt Teilweise einen sehr schönen Einblick in das monarchische Leben von damals (wenn auch sehr abstrakt...)

Ich habe natürlich schon einiges selbst Erfahren können, aber es ist recht schwer diesen Begriff so zu definieren das man eine Reihe von Ergebnissen bekommt.

Liebe Grüße
 
Hallo,

ein Buch kann ich empfehlen:

Max von Boehm: "ROKOKO - Frankreich im XVIII. Jahrhundert", Askanischer Verlag, Berlin, 1919

Auf ca. 550 großformatigen Seiten gibt es einen Überblick über Politik, Kultur, Lebensweise von Königshaus, Adel, Bürgertum, wichtigen Personen bis hin zu Mode, Möbel etc. Dazu ist der Band reich illustriert und enthält eine Fülle von Zahlen und Fakten. Und das Beste ist, man bekommt das Buch auf dem Marktplatz von buecher.de schon für ab einem "Zehner".
Als Einführung in das Thema daher unbedingt geeignet.

Grüße
excideuil
 
Also ich hangle mich durch Biographien, Gesamtdarstellungen und Primärquellen.

Unterhaltsame und recht neue Bücher, wenngleich mit teilweise veralterten Herangehensweisen fand ich:
Patte und Queneau: "Gefährliche Liebschaften"
Knesebeck Verlag, München 2002

(verschiedene Autoren) : "Geist und Galanterie"
Seemann-Verlag, 2002


Wenn man Englisch oder/und Französisch kann, wird es etwas besser und man versteht die Fachliteratur dazu.

Einblicke ich Hofgesellschaft, Krönung und Hofmode gewährt:
Arrizolli-Clémentel (und andere):"Fastes de Cour et Céremonies - Le Costume de Cour en Europe 1650-1800" Réunion des musées nationaux, Paris, 2009
Hier gibt es noch die Homepage zu DEM Ausstellungsereignis des vergangenen Jahres zu dieser Thematik: Château de Versailles: Exposition fastes de cour et ses cérémonies royales

Zur adeligen Gesellschaft im Allgemeinen fand ich ganz gut:
Koda, Bolton: "Dangerous Liaisons: Fashion and Furniture in the Eighteenth Century (Metropolitan Museum of Art)"
Yale University Press, 2006

Bei diesen Ausstellungskatalogen und ähnlichen Büchern mit vielen, vielen Abbildungen ist der Vorteil, dass diese Werke eher für eine breite Leserschaft geschrieben sind. Die illustrierenden Fotos und Abbildungen von Gemälden helfen auch beim Verständnis und ermuntern eher zum Weiterlesen.

Wenn man über sowas hinausgehen will, kommen dann schon trockenere Bücher in Frage, die sich eher an ein wissenschaftliches Publikum wenden, bzw. eher schwerer zu lesen sind. Ich glaube Norbert Elias und Michel Vovelle wären da als Autoren zu nennen.


@ excideuil
Bei Max von Boehn wie auch den Brüdern Goncourt wäre ich eher vorsichtig.
Das ist aber nicht anders als mit Zweig.
Kennt man sich aus, ist dem wahrscheinlich Nützliches zu entnehmen. Ansonsten kann man aber auch deren Fehlern aufsitzen.
 
An Filmen würde ich konkret nur "L'Allée du Roi" (Deutsch "Die Allee des Königs") empfehlen. Leider spielt der aber nicht zur Zeit von Louis XVI, sondern zur Zeit von Louis XIV. Einige Unterschiede muss man sich auch beim höfischen Leben bei den Jahrzehnten, die dazwischen liegen, schon vorstellen.
Manche Filme zeigen einzelne Aspekte ganz gut. So einen ganz befriedigenden Film, der das komplette Hofleben akkurat für die Regierungszeit von Louis XV oder Louis XVI präsentiert, kenne ich leider nicht.
 
Hey, vielen dank für die Tipps ihr beiden.
Ich werd mir die bücher sicherlich bald mal anschauen!!

Englisch kann ich schon sehr gut, französisch nicht gut genug um ein ganzes Buch zu lesen :(

L'Allée du Roi klingt so als wäre der Film nur französisch erhältlich?!

Wenn es um Ludwig XIV geht habe ich auch schon Vatel im Auge gehabt.
 
Ich weiß nicht ob es den Film als DVD auf Deutsch gibt, aber im Fernsehn lief er schon oft unter dem Titel "Die Allee des Königs".
 
Die Marie Antoinette hatte auch mal ein Projekt wie "Simple Life" durchgeführt.Sie lebte mit ihren Freundinnen für eine kurze Zeit auf dem Land, aber tat natürlich nicht das was Bauern so so machen, sondern spielte romantische Liebesszenarien mit ihren Geliebten und hatte so manche Schäferstündchen.

Marie Antoinette's 'simple life' was lived in this royal refuge | The San Diego Union-Tribune
"Auf dem Land" ist aber beileibe übertrieben. Das war im direkten Umfeld vom Petit Trianon und das wiederum ist bequem vom Schloss Versailles erreichbar.
Solche Nachbauten von "fremder" Architektur lagen damals grundsätzlich im Trend. Man denke an das Aquädukt im Schwetzinger Park oder den Minivesuv in Wörlitz.
 
"Simple Life" war kein Projekt speziell Antoinettes, sondern eine allgemeine Strömung, die sich dem strengen Barockgarten und auch dem strengen höfischen Zermoniell widersetzte. In folgendem Link ist dies bezüglich der englischen Landschaftsgärten kurz dargestellt, die von der Insel zu uns und auch nach Frankreich kamen.
Die Entwicklung des englischen Landschaftsgartens als Gegenentwurf zum französischen Barockgarten | hortusblog

oder hier http://de.wikipedia.org/wiki/Englischer_Landschaftsgarten

Im Zuge der neuen Gestaltung entwickelten sich dann Begriffe wie "Schäferspiele" und "Schäferstündchen, weil man tatsächlich Schafe in den Parks weiden liess.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Simple Life" war kein Projekt speziell Antoinettes, sondern eine allgemeine Strömung, die sich dem strengen Barockgarten und auch dem strengen höfischen Zermoniell widersetzte. In folgendem Link ist dies bezüglich der englischen Landschaftsgärten kurz dargestellt, die von der Insel zu uns und auch nach Frankreich kamen.
Die Entwicklung des englischen Landschaftsgartens als Gegenentwurf zum französischen Barockgarten | hortusblog

Im Zuge der neuen Gestaltung entwickelten sich dann Begriffe wie "Schäferspiele" und "Schäferstündchen, weil man tatsächlich Schafe in den Parks weiden liess.
Wobei ich das Schäfermotiv für noch älter halte.

Schäferkostüme gab es auch schon in den 1750ern, wenn ich mich recht entsinne. Einen ganz konkreten Zusammenhang zur Entwicklung zum Landschaftspark kann ich nicht erkennen.
Ich glaube eher, das hängt mit der allgemeinen Beliebtheit des Verkleidens zusammen.

Vielleicht spielen auch dichterische Werke wie Salomon Gessners "Idyllen", die er schon in den 1750ern verfasste, eine gewisse Rolle bei dem Zeigeist.
 
Wobei sie natürlich im Zuge der Kostümbälle, (wo man z.B. gerne griechische Götter gab, oder Charaktere aus Shakespeares Sommernachtstraum) schon zeitiger Thema waren, auch wenn die Gärten noch streng geformt waren, siehe Labyrinth und Knotenformen. In der Malerei betrachtete man ja nun grundsätzlich lieber "natürliche" Landschaftsbilder, als eine Wiedergabe diverser Privat- und Fürstengärten, und gerade die sogenannte "Schäferidylle" ist stetig wiederkehrendes Thema.

Die neuen, weiltläufigeren Gärten, zumindest die weiten, wenn auch gesteuerten Ausblicke in die Natur hatten ihre Anfänge ja auch bereits 1720. Kennzeichen der "englischen Landschaftsgärten" war das stärkere Naturbedürfnis, das in einer freieren Gestaltung gipfelte, wenngleich das Bild der Natur vom Landschaftsbauer immer noch geführt, nun eben gestaltet wurde, und einer gewissen Perfektion entsprechen sollte, was eben auch Pavillions und Adaptionen alter Tempel, ja sogar künstliche Ruinen beinhaltete, wie sie auch der französische Rokokogarten kannte. :)

Im Gegensatz zum englischen Landschaftsgarten beeinhaltete der Rokokogarten jedoch weiterhin aus dem Barockgarten bekannte Wasserspiele und geometrische Heckenformen, wie man am berühmten Rokokogarten von Veitshöchheim gut erkennen kann. http://www.veitshoechheim.de/Inhaltsseiten/unser_ort/rokokoundschloss.html


Interessant zur Betrachtung die Arbeit von Udo Leuschner, mit Bildbeiträgen, über die Entstehung der Traumlandschaft http://www.udo-leuschner.de/pdf/arkadien.pdf

Amüsantes Detail am Rande: Das vielleicht berühmteste Kabarett in Paris änderte 1872 bewußt, und in Anlehnung an ebendiese Schäferspiele, seinen Namen in "Die tollen Schäferinnen", das http://de.wikipedia.org/wiki/Folies_Berg%C3%A8re
 
Zuletzt bearbeitet:
Stimmt es denn, dass dieser Hameau ursprünglich für die Pompadur gebaut wurde?
Über das Petit Trianon ist es gesichert. Es wurde 1764-68 errichtet, wobei es wohl von Louis XV für seine ehemalige Mätresse, die Pompadour, gedacht war. Nur starb sie bereits 1764.
In den Dimensionen und der Lage passt es in meinen Augen gut in das Konzept. Louis XV ließ ja einige kleinere Gebäude unweit seiner Schlösser für die Pompadour errichten oder ausbauen.
Vergl.: http://www.geschichtsforum.de/406101-post19.html

Das Hemeau de la Reine allerdings entstand erst in der Herrschaft von Louis XVI in den 1780ern. Es liegt aber unweit dem besagten Petit Trianon.
 
Nochmal zum Schäfermotiv: Dies entspringt aus der Nachahmung des Schäferromans, der im 16. Jahrhundert populär wurde. Im Büchergericht des Quijote werden die Schäferromane zwar vom Priester frigesprochen, aber von der Nichte des Quijote allesamt verurteilt: Es könne ja sein, dass ihr Onkel, von der "Ritter-Krankheit" geheilt, nun als Schäfer auf der Suche nach Liebesabenteuern durch die Gegend ziehen würde. Was hier als Befürchtung der - in späteren Jahrhunderten würde man >kleinbürgerlichen< schreiben - Nichte über ihren belesenen und abenteuerlustigen Onkel geäußert wird, ist in Wirklichkeit eine Kritik Cervantes' an höfischen Sitten.
 
@ El Quijote
Wie sind diese Schäferromane zu sehen?
Kommen sie von antiken Vorlagen? Das wäre ja denkbar und würde dann auch wiederum gut in die Renaissance passen.

Da wurde ja dann alles Mögliche daraus gemacht: Gedichte, Romane, kleine Theaterstücke. Insgesamt finde ich das Zeug von Gessner recht dröge und der Reiz dessen, bei aller Liebe für die Literatur dieser Zeit erschließt sich mir nicht ganz.

Ist das vielleicht erst mit der Antikenbegeisterung und -nachahmung verständlich?

Die Helden scheinen mir ja häufig irgendwelche antiken Hirten zu sein. Myrthis oder solche Namen tauchen immer wieder auf, welche wohl griechisch-antiker Dichtung entlehnt sind.


Wobei ich dazu auch sagen möchte, dass das wohl in der Regel wenig mit dem monarchischen Alltag zu tun hat. Zumindest die Könige hatten in aller Regel Wichtigeres zu tun.
Zum Alltag der Könige gehört da schon eher die Jagd und deren Vergnügen, welche zumindest für Louis XV viel bedeuteten.
 
@ El Quijote
Wie sind diese Schäferromane zu sehen?
Kommen sie von antiken Vorlagen? Das wäre ja denkbar und würde dann auch wiederum gut in die Renaissance passen.

Antike Vorlagen haben sie nicht, aber sie sind antikisierend. Die Landschaften heißen gerne Arkadien und die Personen tragen Namen aus der griechisch-römischen Mythologie.
Insofern ist deine Beobachtung
Die Helden scheinen mir ja häufig irgendwelche antiken Hirten zu sein. Myrthis oder solche Namen tauchen immer wieder auf, welche wohl griechisch-antiker Dichtung entlehnt sind.
richtig.
 
Wie sind diese Schäferromane zu sehen?
Kommen sie von antiken Vorlagen? Das wäre ja denkbar und würde dann auch wiederum gut in die Renaissance passen. [...]
Die Helden scheinen mir ja häufig irgendwelche antiken Hirten zu sein. Myrthis oder solche Namen tauchen immer wieder auf, welche wohl griechisch-antiker Dichtung entlehnt sind.

Antike Vorlagen haben sie nicht, aber sie sind antikisierend. Die Landschaften heißen gerne Arkadien und die Personen tragen Namen aus der griechisch-römischen Mythologie.

Der Schäferroman ist "vergleichsweise schlecht erforscht", besonders der deutsche [1], der als Literaturgattung mit einer gewissen Verspätung auftritt.

Als Ausgangspunkt gilt die antike "Hirtendichtung", auch bukolische oder arkadische Dichtung genannt, und durch Vergil wohl ihre künstlerisch bedeutsamste Ausformung erhält. Die "moderne" Hirtendichtung entwickelt sich, wie schon gesagt, in der Renaissance bzw. in der romanischen Literatur, besonders in Form des Pastorale, worin das Hirtenleben einen naturhaften Zustand repräsentiert, jenseits aller sozialen Probleme, in dem harmonische menschliche Beziehungen gedeihen.

Das Erblühen dieser Gattung hängt eng zusammen mit der "Verhofung" des Adels [2], die eben auch als Entwurzelung empfunden wird. Elemente von Pastorale und Ritterroman verbinden sich später zu Schäfernovelle/Schäferroman, und im Laufe der Zeit, so Garbers Andeutung [1], wird die Gattung "verbürgerlicht". Hauser schreibt, dass "die Novelle par excellence bürgerliche Dichtung ist, und als solche eine naturalistische Tendenz hat, die Hirtendichtung hingegen eine höfisch-aristokratische Gattung darstellt und zur Romantik neigt" [3].

Hauser nimmt auch eine Art von Ehrenrettung vor: "Der Schäferroman erörtert, wenn auch in einem durchaus fiktiven Rahmen, wirkliche Lebensprobleme und schildert, wenn auch in phantastischer Verkleidung, wirkliche Zeitgenossen. Auch damit, dass die Handlung [...] historisch lokalisiert wird, nähert sich der Schäferroman dem modernen Realismus" [4].

Eine spätere Fortsetzung der Gattung ist die Idylle, die allerdings in der europäischen Romantik ganz auf private Natursehnsucht reduziert wird. [5]

[1] Literatur der Frühen Neuzeit ... - Google Bücher
[2] Norbert Elias, Zur Soziogenese der aristokratischen Romantik im Zuge der Verhofung. In: Die höfische Gesellschaft, Darmstadt/Neuwied 1979, S. 320-393. Elias entfaltet seine Thesen am Beispiel des Erziehungsromans "L'Arfée" von Honoré d'Urfé (S. 365 ff.).
[3] Arnold Hauser, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München 1973, S. 531 f.
[4] aaO, S. 537;
[5] Siehe Schillers Abhandlung "Über naive und sentimentalische Dichtung"; dazu auch http://www.google.com/books?id=FEtS...as_brr=3&hl=de&cd=3#v=onepage&q=naive&f=false
 
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