Die Nichtverfolgung von Verbrechen gegen Juden begann schon 1933:
Fritz Klein (SA-Mitglied) – Wikipedia
Beim Archivalienstudium bin ich mal auf einen Fall von 1933 gestoßen. Einem jüdischen Metzger waren von 2 SA-Männern zwei Schächtmesser gestohlen worden. Der Bestohlene zeigte den Diebstahl an, und ein hessischer Amtsrichter handelte noch korrekt und nahm den Fall an. Die Täter wurden in erster Instanz verurteilt, die nächste Instanz hob das Urteil auf. Der Richter wurde nach dem Urteilsspruch von der lokalen Nazischaft bedrängt und angepöbelt. "Schlagt mich tot, aber in meinen Urteilen lass ich mich nicht beeinflussen!" rief er. Der Beamte wurde stark bedrängt, sich in den Ruhestand versetzen zu lassen und gab dem Druck nach.
In Nord- und Mittelhessen waren viele Bauern, Handwerker und kleine Beamte privat bei Mitbürgern, darunter viele Juden, verschuldet. Nach der "Machtergreifung der Nazis, die in Nordhessen schon vor 1933 stärkste Partei waren, schienen viele Zeitgenossen der Meinung zu sein, dass Verpflichtungen gegenüber Juden nun null und nichtig seien. Besonders traurig erscheint der Bericht eines Vaters aus einem nordhessischen Ort. Der Vater war Christ, aber mit einer Jüdin verheiratet, mit der er eine kleine Tochter hatte. Familien, die vor 1933 das Kind auf den Armen getragen hatten, stachelten ihre Kinder dazu auf, das Mädchen zu misshandeln. Einige Burschen von einer Metzgerei passten das Kind ab und bewarfen es mit Schlachtabfällen, Blut und Exkrementen. Eine Lehrerin, die dagegen vorging und beteiligte Jugendliche zur Rede stellte, verlor ihren Job.
Moses oder Moritz Moses aus dem hessischen Treysa war von schwächlicher Statur und ängstlich. Er war ein stadtbekanntes Original, trug immer einen Zwicker und die Kinder trieben ihr Spiel mit ihm. Aus dem Weltkrieg hatte er eine Verletzung und wurde deswegen nach 1935 für !schwachsinnig" erklärt. Wegen eines nicht geklärten Vorfalls wurde er 1935 gezwungen in Begleitung von zwei SA-Männern ein Schild durch den Ort zu tragen mit der Aufschrift "Ich wollte ein Christenmädchen schänden." Ein Buchhändler machte Fotos davon und verkaufte sie als Postkarten.
Dieser Moritz Moses kam am 20. März 1935 ums Leben. Moses suchte eine Mitfahrgelegenheit und unterhielt sich mit zwei Bekannten, als er von drei angetrunkenen Ortsbewohnern belästigt und geschlagen wurde. Er zog sich in die Küche eines Bekannten zurück, wohin ihm ein junger Mann folgte, mit dem Moses schon einmal Ärger hatte. Der richtete ihn so zu, dass die Küche "aussah wie ein Schlachthaus. Moses starb noch in der Nacht. Der Täter, ein Mann der früher einmal der KPD nahestand, wurde vom Schwurgericht Marburg zu vier Jahren Zuchthaus wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Trotz der KPD Vergangenheit fiel das Urteil milde aus, bei einem anderen Opfer wäre man vermutlich von Totschlag ausgegangen. Wäre der Täter NSDAP Mitglied gewesen, hätten sich sicher aber auch mildernde Umstände für den Täter finden lassen.
Bei den Novemberpogromen ereignete sich im Nachbarort u. a. eine Vergewaltigung, die niemals aufgeklärt wurde, obwohl jeder genau den Täter kannte.