Wurde seitens der Römer, gerade auch in Friedenszeiten, eine organisierte nachrichtendienstliche "Auslands"-Aufklärung betrieben?
Speziell interessiert sich mich in diesem Zusammenhang die spät-claudische Kaiserzeit (Caligula/Claudius/Nero).
Bislang sind mir diese potentiell "Verdächtigen" über den Weg gelaufen: frumentarii, exploratores und speculatores.
Dazu konnte ich mich bislang so weit orientieren und mir dies zusammenreimen:
frumentarii
Ursprünglich Legionäre die gerade auf Feldzügen mit Aufgaben der Nahrungsbeschaffung betraut waren und durch die solchermaßen enstehende Nähe zu Einheimischen über so manches wie z.B. freundschaftliche oder feindliche Gesinnung gut informiert sein konnten, und denen somit wohl eher "zufällig" vermehrt nachrichtendienstliche Aufgaben zugefallen waren.
Im Zuge zunehmender Stationierung der Legionen in festen Standlagern während der frühen Kaiserzeit, erfuhren diese Einheiten eine allmähliche Wandlung zu einer Art Geheimpolizei, wobei sie ab Trajan/Hadrian vermehrt auch im Innern des Reiches eingesetzt worden sein sollen, was neben Spitzeldiensten wohl auch Mordaufträge umfassen konnte. Zudem sollen sie auch Zwangsarbeiter-Lager geleitet haben.
Das Hauptquartier, die castra perigrinorum lag in Rom, in den Provinzen sollen im Palast des jeweiligen Statthalters regionale Hauptquartiere gelegen haben.
exploratores
Ursprünglich wohl meist nur im Kriegsfall zusammengestellte Aufklärungstruppen, mitunter aus verschiedenen Einheiten bunt zusammengewürfelt, bis zu 200 Mann stark, und kommandotechnisch einer Kavallerie-ala gleich- bzw. unterstellt.
Später dann wohl meist aus der Leibgarde des Kaisers rekrutiert und ebenfalls zunehmend mit Innern eingesetzt, auch zur Beseitigung unliebsamer Personen.
speculatores
Die geheimsten der Geheimen, verrichteten ihren Dienst in Zivilkleidung, wurden aber wohl fast ausschließlich reichsintern eingesetzt.
Tendentiell also eine sich abzeichnende zunehmende Ausrichtung gerade der frumentarii und exploratores nach innen?
Gibt es Hinweise darüber, dass zugleich auch regelmäßig beispielsweise über Rhein und Donau ins Barbaricum "gespäht" wurde?
Bin dankbar für jede Korrektur und natürlich vor allem über weiterführendes Wissen.
Gruß Lukullus
Kann sehr gut sein, dass du diese Publikationen
schon kennst, ich habe sie schon einige Male im Zusammenhang mit Kriminalitätsbekämpfung genannt. Im Forumarchiv müsstest du noch einen älteren Thread finden "Banditen, Piraten, Lokaldynasten- Roms Wilder Osten." mit einer Reihe von guten Beiträgen- das war aber vor deiner Anmeldung im Forum.
Thomas Grünwalds Räuber, Rebellen, Rivalen und Rächer- Studien zu Latrones im Römischen Reich ist sehr gut geschrieben mit ausführlichen Informationen zu antiker Kriminalitätsgeschichte- und zwar nicht nur über die östlichen Provinzen.
Frank Ausbüttel, Die Verwaltung des Römischen Kaiserreichs Von der Herrschaft des Augustus bis zum Niedergang des Weströmischen Reichs gibt in einem Kapitel Innere Sicherheit einige Informationen. Ob es über Spionage und antike Nachrichtendienste eine eigene Publikation gibt, ist mir nicht bekannt, Spione dürfte es aber geben, seit es Armeen gibt.
Vielleicht nicht ganz das, was du suchst, aber es gibt von einem britischen Autor eine recht beliebte Serie historischer Romane, in deren Mittelpunkt eine Art römischer Privatdetektiv namens Didius Falco steht, der zur Zeit der Flavier Fälle zu lösen hat, die ihn durch das Imperium Romanum führen.
größere Räuberbanden zu bekämpfen wie die Bande eines Art römischen Robin Hoods namens Bulla Felix, der zur Zeit des Septimius Severus in Italien sein Unwesen trieb, fiel jedenfalls in die Zuständigkeit des Prätorianerpräfekten Papinianus. Cassius Dio berichtet recht ausführlich über Bulla Felix. Sein Zeitgenosse Herodian weiß von einem gewissen Maternus zu berichten, einem Deserteur, der Obergermanien unsicher machte.
Banditen wie Maternus zu bekämpfen fiel in die Zuständigkeit der Provinzstatthalter. Frank Ausbüttel gibt dazu einige Informationen Ausbüttel, die Verwaltung des Römischen Reichs S. 30-35 ff.)
Besonders vielschichtig war die römische Verwaltung in Ägypten. Banden- und Kriminalitätsbekämpfung fiel meist in die Zuständigkeit des Militärs. In Provinzen, in denen keine Truppen stationiert waren und es kein eigenes Verfolgungspersonal für polizeiliche Aufgaben gab, mussten lokale Amtsträger oder Grundbesitzer (ehemalige) Banditen, Kopfgeldjäger und Bürgermilizen aufstellen, um Räuber zu jagen.
Politische Züge nahm das Bandenwesen in Judäa an. Flavius Josephus schrieb über einen Briganten namens Johannes von Gischala, der mit 400 Gleichgesinnten Galiläa unsicher machte. Josephus nennt Johannes einen Banditen, er muss aber mehr gewesen sein, als ein bloßer Straßenräuber, und wenn von Johannes von Gischala schriftliche zeugnisse existierten, hätte er vermutlich über einen üblen "Kolloborateur" namens Josephus Bar Mathias vulgo Josephus Flavius geschrieben (dazu Grünwald a. a O)
In Rom gab es mit den
Vigiles und cohortes urbanae eine Art Feuerwehr und Polizeitruppe, die in sieben Kohorten a 500- 600 Mann stark organisiert waren. in den östlichen Provinzen gab es
Archepoden,
Irenarchen, Nykostrategen oden und
Diogmitai, die Räuber bekampften, sie verhörten, sie gefangen nahmen, aber keine Urteile fällen durften. Aus Asia ist bekannt, dass die Städte dem Statthalter 10 potenzielle
Irenarchen vorstellten, unter denen dieser einen auswählte. Neben diesen organisierten Formen der Kriminalitätsbekämpfung konnte im Notfall die Magistrate der Städte Bürger und Nichtbürger bewaffnen, um gegen Banditen vorzugehen. So lobte Commodus die bürger der lykischen Stadt Bubon, die isaurische Banditen bekämpft und unschädlich gemacht hatten. Im westlichen Teil des Imperiums war Kriminalitätsbekämpfung Aufgabe der Ädile, die Viatores, Stationarii und Nocturnes beauftragten, entlang der Straßen zu patrollieren.
Größere Banden wie die von Maternus, Johannes von Gischala, Bulla Felix und andere wurden meist von Militär bekämpft. Allerdings war der Erfolg begrenzt, da es dazu einer koordinierten Zusammenarbeit mit mehreren Städten und Provinzen bedurft hätte. Das Nildelta, die zerklüfteten Küsten Kilikiens oder Pisidien und Isaurien boten reichlich Raum, für Verstecke und Hinterhalte.