Nationalitätenpolitik in Preußen

Solwac

Aktives Mitglied
Gandolf hat im Strang über die freie Stadt Danzig folgende Bemerkung gemacht:

Die Deutschen sahen sich als Verteidiger „ihrer Heimat“, auch wenn diese – vor langer Zeit – zum Alten Polen gehörte und mit Hilfe der preußischen Antipolen-Politik zuweilen rücksichtslos „germanisiert“ wurde.

Mich stört an dieser Aussage die Verknüpfung Preußens mit der Politik des Deutschen Reiches. Diese Denkart hat letztendlich bei den Alliierten zur Auflösung Preußens 1947 geführt und zu einem Geschichtsbewußtsein, welches Preußen (meiner Meinung nach) nicht gerecht wird.

Die Widerstände Preußens gegen das Reich zeigten sich z.B. in der bewußten Flaggung von schwarz-weiß in weiten Teilen des Landes und der Äußerung von Bismarck 1877 zu seinem Vertrauten (und späteren Landwirtschaftsminister) Lucius von Ballhausen: "Der schlimmste Gegner des Deutschen Reichs ist derpreußische Partikularismus".

Die polnische Fraktion im Reichstag erklärten 1871, dass sie lieber preußisch bleiben wollten, als dem Deutschen Reich einverleibt zu werden. Ernst Ludwig von Gerlach forderte dann auch: "Unter einer deutschen Kaiserkrone müssen auch nichtdeutsche Nationalitäten gleichberechtigt stehen können."

Solwac
 
die preussen/das deutsche reich hat sich gegenüber den nationalen minderheiten sicher nicht vorbildlich verhalten, aber welcher staat war damals "vorbildlich"?

grossbritannien gegenüber den iren?

frankreich im französischen algerien?

die usa mit ihrer rassentrennung in den südstaaten?

russland?

höchstens doch österreich-ungarn, weil alle völker dort minderheit waren.



die usa
 
Gandolf hat im Strang über die freie Stadt Danzig folgende Bemerkung gemacht:



Mich stört an dieser Aussage die Verknüpfung Preußens mit der Politik des Deutschen Reiches. Diese Denkart hat letztendlich bei den Alliierten zur Auflösung Preußens 1947 geführt und zu einem Geschichtsbewußtsein, welches Preußen (meiner Meinung nach) nicht gerecht wird.

Die Widerstände Preußens gegen das Reich zeigten sich z.B. in der bewußten Flaggung von schwarz-weiß in weiten Teilen des Landes und der Äußerung von Bismarck 1877 zu seinem Vertrauten (und späteren Landwirtschaftsminister) Lucius von Ballhausen: "Der schlimmste Gegner des Deutschen Reichs ist derpreußische Partikularismus".

Die polnische Fraktion im Reichstag erklärten 1871, dass sie lieber preußisch bleiben wollten, als dem Deutschen Reich einverleibt zu werden. Ernst Ludwig von Gerlach forderte dann auch: "Unter einer deutschen Kaiserkrone müssen auch nichtdeutsche Nationalitäten gleichberechtigt stehen können."

Solwac

die trotzige Beflaggung von schwarz-w. ist Ausdruck für die sture Beibehaltung scheindemokr. Institutionen wie dem Dreiklassen-Wahlrecht, der Zusammensetzung des preuß. Herrenhauses etc.
Was sollte deiner Meinung davon in das 2. dt. Reich oder ins 20. Jahrh. gerettet werden.
Der preuß. Standesegoismus hätte ein eigenst. Land Preußen sicher nicht in eine rosige Zukunft geführt.
Was wäre deiner Meinung nach gerechter gewesen ?
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich stört an dieser Aussage die Verknüpfung Preußens mit der Politik des Deutschen Reiches. Diese Denkart hat letztendlich bei den Alliierten zur Auflösung Preußens 1947 geführt und zu einem Geschichtsbewußtsein, welches Preußen (meiner Meinung nach) nicht gerecht wird.
Meine Aussage bezog sich auf die gegenüber den Polen betriebene "Germanisierungs"-Politik und lief nicht auf eine Gleichsetzung von Preußen und Deutsches Reich hinaus. Doch bevor wir uns jetzt über so etwas nebensächliches wie die begriffliche Bezeichnung dieser "Germanisierungs"-Politik streiten (preußische oder deutsche G.), erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass diese Politik schon vor 1871 von den Preußen betrieben wurde und nicht erst ab 1871: vgl. www.zeit.de/2004/26/A-PolBoden.
die preussen/das deutsche reich hat sich gegenüber den nationalen minderheiten sicher nicht vorbildlich verhalten, aber welcher staat war damals "vorbildlich"?
grossbritannien gegenüber den iren?
frankreich im französischen algerien?
die usa mit ihrer rassentrennung in den südstaaten?
russland?
höchstens doch österreich-ungarn, weil alle völker dort minderheit waren.
die usa
In diesem Strang soll es um die Nationalitätenpolitik in Preußen gehen und nicht um Konflikte in den anderen Ländern. Zu letzteren Konflikten kannst Du ja eigene Stränge eröffnen.;)
 
In diesem Strang soll es um die Nationalitätenpolitik in Preußen gehen und nicht um Konflikte in den anderen Ländern. Zu letzteren Konflikten kannst Du ja eigene Stränge eröffnen.;)

mir ging es darum festzustellen, dass die nationalitäten- und minderheitenpolitik preussens/deutschlands, historisch gesehen, leider kein einzelfall gewesen ist, welches besonders negativ heraussticht, sondern mit vorgängen in anderen ländern vergleichbar ist.

nicht alle schlechtigkeit in und auf der welt ging von deutschland/preussen aus, manchmal helfen solche vergleiche das zu erkennen (oder hat der smiley, den du so gern verwendest, gar eine ganz andere bedeutung?)
 
mir ging es darum festzustellen, dass die nationalitäten- und minderheitenpolitik preussens/deutschlands, historisch gesehen, leider kein einzelfall gewesen ist, welches besonders negativ heraussticht, sondern mit vorgängen in anderen ländern vergleichbar ist.

nicht alle schlechtigkeit in und auf der welt ging von deutschland/preussen aus, manchmal helfen solche vergleiche das zu erkennen (oder hat der smiley, den du so gern verwendest, gar eine ganz andere bedeutung?)
Bevor wir vergleichen, sollten wir doch erst einmal die Minderheitenpolitik Preußens/Deutschlands unter die Lupe nehmen (in diesem Strang) und dann die der anderen (in anderen Strängen) und dann kann man meinetwegen vergleichen (in einem Vergleichsstrang):winke:
 
@Arcimboldo: Natürlich ist eine Fortführung des Junkertums oder des Dreiklassenwahlrechts ins 20. Jahrhundert nicht zeitgemäß gewesen und konnte nur im Schatten des Deutschen Reiches gelingen. Aber Preußen ist doch mehr als nur der eine oder andere, wenn auch markante, Einzelpunkt.

Vieles wurde ja wider besseres politisches Wissen geradezu störrisch beibehalten, neben dem Wahlrecht z.B. auch das Herrenhaus. Nach 1920 führten aber gerade die überfälligen Änderungen zu einem Land Preußen, welches die stärkste Stütze des Reiches wurde.

Positive Punkte vor 1871 waren z.B. die umgesetzte Rechtsstaatlichkeit, der funktionierende Beamtenapparat, die kommunale Selbstverwaltung, relativ geringe Krimnalität, korruptionsarme Wirtschaft und betonte Sparsamkeit. Dazu kommt eine Staatsidee, deren Wertmaßstäbe einerseits Unterordnung förderte und die Gründung von oben nie abgelegt hat (was im Gegensatz zur demokratischen Beteiligung der Bevölkerung steht), andererseits Begriffe wie "Gelten durch Leistung", "Bescheidenheit", "Pflichterfüllung" in ihrem positiven Sinn verkörperte.

Die liberale Handelspolitik Preußens wurde nach den Gründerjahren durch Schutzzölle ersetzt, daher läßt sich leider über eine selbstständige preußische Zukunft nur spekulieren.

@Gandolf: Der Artikel aus der Zeit ist sehr interessant, behandelt aber doch im wesentlichen die Zeit nach 1871, als die Konservativen im Gegensatz zur Bevölkerungsmehrheit standen und viele deutsche Gesetze für Preußen übernahmen und teilweise im Gegensatz zur Demokratisierung der östlichen Kreise versuchten ihre Interessen durchzusetzen (wie im Beispiel des polnischen Wohnwagenbewohners).

Solwac
 
Positive Punkte vor 1871 waren z.B. die umgesetzte Rechtsstaatlichkeit, der funktionierende Beamtenapparat, die kommunale Selbstverwaltung, relativ geringe Krimnalität, korruptionsarme Wirtschaft und betonte Sparsamkeit. Dazu kommt eine Staatsidee, deren Wertmaßstäbe einerseits Unterordnung förderte und die Gründung von oben nie abgelegt hat (was im Gegensatz zur demokratischen Beteiligung der Bevölkerung steht), andererseits Begriffe wie "Gelten durch Leistung", "Bescheidenheit", "Pflichterfüllung" in ihrem positiven Sinn verkörperte.

Das ist unstrittig :winke: Eine generelle Frage tut sich da wohl auf , inwiefern
die uns heute als typisch erscheinenden preußischen Eigenschaften letztlich auch zu Kadavergehorsam führen können - nicht müssen !
Gerade die von dir aufgezählten preuß. Tugenden sind in der Zeit des Nationalsozialismus in ihrer eigentlich am Menschen ausgerichteten Botschaft der preuß. Aufbauzeit des 18. Jahrh. zu einer formalistisch-bürokratischen "Pflichterfüllung" verkommen, in der die Verbrechen dieser Zeit ihren verbeamteten Charakter erhielten.
Das ist m.M. nach das, was die Siegermächte mit der Liquidierung des preuß. Staates im Sinne hatten. Die Durchtrennung einer seelen-und gewissenlosen Befehlsstruktur, die die großen Verbrecherpersönlichkeiten der Nazi-Diktatur erst ermöglicht haben.
 
Wir entfernen uns etwas von der Nationalitätenpolitik, aber die Alliierten haben Preußen aufgelöst, weil Preußen "seit jeher der Träger des Militarismus und der Reaktion" in Deutschland gewesen sei.

Dies ist entweder Ahnungslosigkeit oder Böswilligkeit.

Solwac
 
Wir entfernen uns etwas von der Nationalitätenpolitik, aber die Alliierten haben Preußen aufgelöst, weil Preußen "seit jeher der Träger des Militarismus und der Reaktion" in Deutschland gewesen sei.

Dies ist entweder Ahnungslosigkeit oder Böswilligkeit.

Solwac

Das versteh ich jetzt nicht. Du hattest die deiner M. nach unzulässige Verknüpfung der preuß. Geschichte mit der Liquidierung des Preuß. Staates seitens der Alliierten kritisiert, ich habe versucht dir näher zu bringen, wie die Zusammenhäne m.M. nach s. o. liegen , welche Bewegründe die Siegermächte trieben- und du sagst jetzt , wir entfernen uns vom Thema :nono:
 
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