Zunächst mal möchte bich mich bei Sissi entschuldigen, dass ich plötzlich für zwei Jahre abgetaucht bin. Ich denke das mit der Hausarbeit hat sich erledigt. Das Thema selbst aber wohl nicht.
Zur Quellenfrage kann ich wenig neues beisteuern, es gibt aus dem 3. Jh. einen apokryphen Briefwechsel zwischen Paulus und Seneca, in dem Seneca über den Brand berichtet, offenbar eine ziemlich plumpe Fälschung, datier zumal auf den März 64 obschon der Brand erst im Sommer tobte. Wohl nur für die Rezeptionsgeschichte von Interesse. allenfalls könnten die darin genannten exakten Zahlen der abgebrannten Häuser eine ältere Quelle haben, ich kann das nicht prüfen, vielleicht soll auch hier nur wieder die Exaktheit Echtheit suggerieren...
Es gibt schon länger den Versuch, Nero von der Christenfeindschaft zu rehabilitieren. Das hat schon 1923 ein von mir ansonsten hochgeschätzter Gelehrter versucht.
Ich denke, es steht ausser Frage, dass Nero die Christen sehr gezielt verfolgte. Dies geht insbesondere daraus hervor, dass er die Christen gezielt mit Strafen belegte, die ihren "Verbrechen" entsprachen: Sagten die Christen sie seien das "Licht der Welt", benutzte er sie als brennende Fackeln zur Beleuchtung seiner Gartenfeste. Warnten sie vor den Wölfen im schafspelz, nähte er sie in Felle und hetzte Hunde auf sie. Wollten sie "ihr Kreuz auf sich nehmen", so half er dem sehr realistisch nach. Von den Dirken etc. nicht zu reden.
Das entspricht exakt dem, was er auch sonst so trieb, und zwar nach Tacitus ab dem Jahr 64 immer haltloser: Mythen so realistisch auf die Bühne zu bringen, wie es nur ein Kaiser konnte (Pasiphae wird in einer Holzkuh von einem Stier besprungen, bei einem gespielten Seegefecht schwimmen echte Meerungeheuer (wohl Krokodile o.ä.) im Wasser, bei einem Stück mit dem Titel der Brand wird ein echtes Haus angezündet und geplündert.
Dass während einer solchen Aufführung ein Ikarus abstürzt und den Kaiser mit Blut bespritzt findet übrigens eine interessante Parallele in den apokryphen Petrusakten. Hier ist es Petrus der in der Nerozeit den fliegenden Simon Magus abstürzen lässt...
Ebenfalls apokryph ist die Begegnung des Apostels Paulus mit Nero. Der soll am Ende seines Plädoyers versucht haben Nero mit dem argument zum Übertritt zu bewegen, dass sein Herr die Welt in einem Moment im Feuer verbrennen könne (Das Weltgericht war für die frühen Christen bekanntlich nahe herangekommen). Wie wird ein so ängstlicher und infantiler Mensch wie Nero auf so eine Drohung reagiert haben? Wenn er wollte, konnte er - im Gegensatz zu diesem frechen Christianer, eine ganze Stadt anzünden und den Christen die Schuld geben, wer würde ihn daran hindern?
Das ist natürlich nur Spekulation. Auch dass Nero das alte Rom verabscheute und dass der Brand Neros Bauplänen für das Goldene Haus nicht gerade ungelegen kam ist natürlich kein Beweis. Genausowenig ist seine Abwesenheit von Rom ein Beweis für das Gegenteil.
Dass unbegrenzte Macht bis zur Unmenschlichkeit korrumpiert ist eine von der Geschichte immer erneut bewiesene Tatsache, was ja letztlich zu unserer Gewaltenteilung geführt hat, (um die einem übrigens herzlich bange sein darf, nicht nur in Italien).
Und warum soll eigentlich ein so egozentrischer und labiler Mensch wie Nero nicht an der Macht irre geworden sein? Ich glaube die Versuche, aus Nero einen netten Kerl zu machen sind reines Wunschdenken, entsprossen aus der Angst, dass die, die uns regieren, tatsächlich so bescheuert und selbstsüchtig sein könnten wie es manchmal scheint. Man wünscht sich das anders.