Du sagst Varus- und Germanicus-Horizont würden sich nicht unterscheiden. Ich sage: doch, sie müssten sich eigentlich durch a) den Münzhorizont (siehe Köln) und b) nielloverzierte Militaria unterscheiden. Aber damit ist das Problem nicht hinreichend umschrieben, da eigentlich nur Haltern für das Germanicus-Aliso innFrage kommt, dor5 dann aber der aber der Germanicus-Horizont fehlen würde. Das ist ein archäologisches Dilemma.


A Wenn jemand frisches Geld hatte, dann Soldaten.
B Germanicus kam laut Tacitus mit Geldgeschenken ins römische Germanien, C Köln war sein Hauptlager, direkt angrenzend an den Lagerbereich im Brandhorizont frische Münzen zu einem erheblichen Anteil.

Vorab:
Ich habe mich lange nicht mehr zu diesem Thema geäußert und hoffe für diesen Beitrag, dass meine Erinnerung mich nicht im Stich lässt!

@ElQ:
Ich stimme mit Dir vollkommen überein. Insbesondere was den Münzhorizont angeht. Es muss mMn einenen eigenen Germanicus Horizont bei den Münzen geben. Das eine sind die von Dir erwähnten Funde in Köln - obwohl ich nach wie vor Schwierigkeiten damit habe, wie man den Brand so genau datieren kann.

Eine zweite Sache ist das Fehlen von lugdunum II asse in Kalkriese.

Aber die dritte Sache wurde in einer der neueren Publikationen erwähnt (leider fällt mir im Moment nicht ein wo, bzw. wer das geschrieben hat). War es Wolters? Oder Dreyer? Oder ein anderer? - Ich müßte nachsehen. Ich habe das auch irgendwann schon einmal in diesen tausenden Beiträgen geschrieben also wiederhole ich mich nur.

Es geht um die Prägung von Münzen und wie schnell diese neuen Münzen dann in Umlauf kamen. Der Autor wies (wie ich meine zurecht) darauf hin, dass es bei der Anzahl der Neuprägungen von Münzen auf den Bedarf an Münzen ankam - was mir logisch erscheint. Die grundsätzliche Frage ist also, ob es in der Germanicus Zeit einen erhöhten Bedarf an Münzen gegeben hat. Diese Frage muss man wohl mit "Ja" beantworten. Die Gründe liegen auf der Hand:

1.
Die Anzahl der Legionen am Rhein wurde von vormals fünf auf acht erhöht. All diese Soldaten müssen bezahlt werden. Auch die, die über die bestehenden fünf Legionen hinausgingen. Der Bedarf an Münzen war höher.

2.
Der Aufstand 14 n.Chr. am Rhein. Tacitus erwähnt ausdrücklich, dass die Zahlungen an die Soldaten erhöht wurden. Außerdem gab es Sonderzahlungen, um die Truppe zu beruhigen (Gegenstempel TIB?).

Der Bedarf an Münzen, speziell am Rhein war also wirklich deutlich höher als in den Vorjahren.
Ich denke, es muss hier einen eigenen Horizont bezügl. der Münzen geben.
 
Nein, Nein lieber Quijote, Du missverstehst mich da komplett.
Es sind nicht meine Phantastereien, sondern es sind Begrifflichkeiten, die ich gelesen habe. Und da muss es zwei Ereignisse A und B gegeben haben.

Es muss ja ein Ereignis A, nennen wir es mal so, gegeben, welches Varus veranlasst hat, mit 3 Legionen gegen die Mittlere Weser zu marschieren.
Hier muss ja etwas Bedeutendes vorgefallen sein, die eine kostspielige Operation (wenn Dir der Begriff Strafexpedition nicht gefällt) rechtfertigt.
Wir müssen uns vor Augen führen, es ist Spätsommer/Frühherbst und das Wetter kann schnell umschlagen. Herbstregen, früher Schneefall, etc.
Heißt für mich: die Römer müssen, was auch immer sie da unternehmen, auf die Tube drücken, um wohlbehalten an den sicheren Rhein zurückzukehren.

Wo immer sich die Römer an der Weser aufgehalten haben, Holzminden oder Minden, von dort aus muss es dann das Ereignis B gegeben haben, welches die Römer nach ihrer Weseroperation oder dem vorzeitigen Abbruch derer, veranlasst, eben nicht den gleichen Rückweg zu nehmen auf dem sie gekommen waren.
Wahrscheinlich ist es aber Stand jetzt immer noch nicht gesichert, wo sich der exakte Hinmarsch abgespielt hatte. Die Lippe hoch und dann diesen Engpass zwischen Teutoburger Wald und Eggegebirge an die Weser.

Von der Weser aus, sind mMn nur zwei Routen plausibel:
1.) Südlich des Wiehengebirges Bad Oeynhausen - Löhne - Bünde - Melle - Osnabrück und von dort aus durch das Wiehengebirge bis an den Kalkrieser Berg
oder
2.) Nördlich des Wiehengebirges Minden - Lübbecke - Bad Essen - Bramsche, Kalkriese liegt davor

Aber wo waren denn die Schluchten, von denen immer die Rede war. Doch nur in den Bergzügen Wiehengebirge und/oder Teutoburger Wald?

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Und die cheruskischen Auxilien (vielleicht auch andere Stämme beteiligt) waren auf einmal weg. Verbindung abgerissen.
Legionen ohne Fühler/Augen tappen blind in den Hinterhalt.
Und in genau diesem liegen die Stämme (Cherusker, Chatten, Angrivarier, Brukterer und Marser) in Stellung und warten auf den Moment, um loszuschlagen.
Anscheinend zeitgleich mit diesem Jahrhundertorkan. Alptraumhafte Landschaft, Windbruch mit umgestürzten Bäumen, durch Regen aufgeweichter Boden, etc.

Warum nicht auch von Höxter über Steinheim und Detmold, Lage, Hiddenhausen, Rödinghausen, Rieste, Ankum, Bippen nach Lingen?
 
Hmm, das ist eigentlich nicht "derselbe Name". Wal und Walfisch sind zwei unterschiedliche Wörter, nicht etwa dasselbe Wort in dialektal unterschiedlicher Lautung, und Karl und Karlmann sind zwei unterschiedliche Namen. Ähnliches sehen wir beim Doppelnamen Wisera / *Wiser-aha. ("Durch Synkope der zweiten Silbe entwtand *Wisraha, assimiliert zu Wirraha, später Werrahe und Werra." - Albrecht Greule, Deutsches Gewässernamenbuch, Berlin/Boston 2014)

Wo findet Albrecht Greule denn den Doppelnamen? Andere kommen mit einem Namen aus.
 
So, ich muss immer noch aufholen, #76 Danke für die Guten Wünsche.


Quellen sind die Grundlagen der Geschichte. Wegen des populären Themas gibt es das sehr günstige von mir erwähnte Reclam-Heftchen.

Im Netz sind auch von vielen Quellen meist englische Übersetzungen zu finden. Etwa bei LacusCurtius, hier Beschreibung und Link bei Wikipedia: LacusCurtius – Wikipedia
Und hier dasselbe für das Perseus Project: Perseus Project – Wikipedia

Aber, da dich speziell Germanen interessieren, sei erwähnt, dass es zwei Quellensammlungen zu dem Thema Germanen gibt. Bei Interesse deinerseits suche ich die Angaben raus.

Wir wissen es nicht. Am Anfang nur kleine Nadelstiche und dann immer intensiver.

Da in der Zwischenzeit viele geschrieben haben, vielleicht nur eine Bemerkung:

Du nimmst die spärlichen Informationen und versuchst sie nach heutigen Vorstellungen zu ergänzen, teils auch recht frei.

Das Problem ist, dass die Menschen vor 2000 Jahren anders dachten, die Verhältnisse ganz andere waren und Menschen nicht immer die logischte Entscheidung treffen.

(...) Lager (...)

So es irgend ging, stützten sich die Römer auf Lager, wenn sie ins Gefecht zogen. Tacitus beschreibt zwei (oder nach anderer Interpretation ein) Lager auf dem Schlachtfeld. Cassius Dio berichtet, dass Varus wegen des Geländes zeitweise keine Lager anlegen konnte. Solche Lager waren von erheblicher taktischer Bedeutung.

(Caesar berichtet sogar mehrfach davon, dass er während Gefechten schanzen ließ, um die Lage durch eine Befestigung zu verbessern. Der Zickzackwall im Süden kann so ein Szenario für Kalkriese zeigen.)

Die Lippelager und die anderen ständig besetzten Lager hatten strategische Bedeutung. Auch als Keimzellen von Städten und Verwaltungszentren. Natürlich konnten sie als Fluchtpunkte dienen.

(...) durch Germanien (...)

Wir reden von einem Mittelgebirge, nicht von den Alpen. Ich habe in Augustdorf gedient, glaub mir, das war kein wirkliches Problem für Legionäre.

Wir reden natürlich eher von kleinen Gruppen als von buchstäblich allein. Aber einige Quellen betonen, dass Germanien als befriedet gesehen wurde.

Und räuberisch? Sicher nicht mehr als andere. Hatten wir das nicht schon?
 
Tacitus beschreibt zwei (oder nach anderer Interpretation ein) Lager auf dem Schlachtfeld.
Naja, diejenige, die meinen, dass Tacitus nicht von zwei Lagern spräche, müssen den Text schon biegen.
Es ist von einem ausdrücklich als "ersten" Lager bezeichneten Lager die Rede, welches die Hand dreier Legionen aufweist und dann - in direkter Gegenüberstellung von einem unvollkommenen Lager, in welchem die zerstreuten Reste der Varuslegionen endgültig besiegt wurden.

prima Vari castra lato ambitu et dimensis principiis trium legionum manus ostentabant; dein semiruto vallo, humili fossa accisae iam reliquiae consedisse intellegebantur:

Man darf getrost sagen, dass, wer diese beiden Beschreibungen - wo ein erstes ist, muss es auch mindestens ein weiteres geben! - für die eines einzigen Lagers hält, ist nicht ganz bei Trost!
Ja, ich weiß, du bist da bei mir. Aber ganz ehrlich:Es widerspricht keinem wissenschaftlichen Ethos, diese alberne und nervige Pseudodiskussion, ob es nicht vielleicht doch nur ein Lager sei, unerwähnt zu lassen.
 
Guten Morgen Riothamus,

Wir reden von einem Mittelgebirge, nicht von den Alpen. Ich habe in Augustdorf gedient, glaub mir, das war kein wirkliches Problem für Legionäre.
Ja, ich kenne Sennelager, Augustdorf auch aus der Perspektive der Stoppelhopser (ist schon zu lange her, die Erinnerung mag trübe sein) aber ich denke, Teutoburger Wald/Eggegebirge war schon ein gewisses Hindernis für den römischen Troß, für die Katapulte, etc. Sie waren sicherlich gezwungen, bestimmte Pässe zu nehmen und da sehr verwundbar.

Eggegebirge – Wikipedia

Das Eggegebirge ist natürlich alles andere als ein Hochgebirge, es steigt relativ sanft an ... mmh, vielleicht ist der Hinderniswert doch nicht so groß wie angenommen.
Und natürlich, der Blick auf eine topographische Reliefkarte von Westdeutschland reicht bei weitem nicht aus, um zu beurteilen, ob der Troß da problemlos durchkommt oder nicht.

Die Römer hatten sicherlich so etwas wie "Pioniere", um die Gangbarkeit des Geländes für Marschkolonnen zu prüfen, auch muss man wissen, was ist/war noch aus der Zeit des Drusus vorhanden, etc. Wenn man diese Aufgaben aber an die germanischen Auxilien auslagert, die dann Verrat üben, dann ist natürlich alles verloren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir ist das alles zu deutschlandzentriert. Also einerseits ist die Infrastruktur vor 2000 Jahren nicht mit der heute zu vergleichen. Aber die Römer waren professionelle Militärlogistiker und sie hatten Gegenden mit einem wesentlich „interessanteren Relief“ als dem deutschen Mittelgebirge unter ihre Kontrolle gebracht. Alle Probleme, die sie in Hessen/Westfalen/Niedersachsen haben konnten, haben sie auch anderswo schon längst gemeistert gehabt.
 
Seine Zeit als Statthalter endet

Woher weiß man das eigentlich?

So, ich muss immer noch aufholen

Ich komme Dir mal zuvor, weil ich die Behauptung bei Wolters gefunden habe, da war ich früher nicht drüber gestolpert:
Wolters meint, bei Varus' Vorgängern Domitius Ahenobarbus, Marcus Vinicius und Sentius Saturninus sei "ein dreijähriger Turnus zu erkennen."
Die drei Jahre sehe ich bei Marcus Vinicius, aber wann genau trat Ahenobarbus sein Amt an? Das weiß man nicht. Und wann genau löste Varus den Sentius Saturninus ab? Da fehlt mir auch ein konkreter Hinweis.
 
Ja, ich kenne Sennelager, Augustdorf auch aus der Perspektive der Stoppelhopser (ist schon zu lange her, die Erinnerung mag trübe sein) aber ich denke, Teutoburger Wald/Eggegebirge war schon ein gewisses Hindernis für den römischen Troß, für die Katapulte, etc. Sie waren sicherlich gezwungen, bestimmte Pässe zu nehmen und da sehr verwundbar.
Bernd, was meinst Du denn mit Katapulte? Kannst Du mir das näher erklären.
Danke
 
Guten Morgen,

@flavius-sterius: in einem Text war die Rede von Schleuderbleien, die werden aber nicht von Katapulten verschossen. Ich kenne mich mit dieser Materie überhaupt nicht aus. Da habe ich mich gründlich vertan
@El Quijote: den Hinderniswert des dt. Mittelgebirges für das Römische Heer nehme ich zurück.
@Riothamus: herzlichen Dank für die viele Geduld, die Du für die Beantwortung meiner Fragen nimmst - ich weiß das sehr zu schätzen. Vielen Dank auch für Dein Angebot nach der Suchanfrage der von Dir genannten Quellen, nur wüßte ich derzeit gar nicht nach welchen Stichworten ich einsteigen müsste. Bin da etwas verwirrt, wie Du das meinst.
Der Wolters ist eine hervorragende Grundlage für den Einstieg, nur kann er auch nicht alle Fragestellungen mangels Quellenlage befriedigend beantworten, daher schweigen sich Autoren diesbezüglich wohl aus, um nicht in irgendwelche Spekulationsgebäude einzusteigen und verlacht zu werden.

Ich denke, Leute, die sich professionell mit den Altertumswissenschaften auseinandersetzen, sind natürlich genervt von Laien aber geschichtlich Interessierten, die immer diese dusseligen Fragen stellen.
Eine gute Lösung wäre vielleicht eine Faktensammlung in tabellarischer Darstellung z.B., so dass man nicht immer wieder bei Null anfangen muss und das nervt natürlich diejenigen, die da einen Wissensvorsprung haben. Ich kann das nachvollziehen, dass man mächtig genervt ist, wenn im Forum immer wieder von neuen Fragestellern die millionste Frage zu einer Thematik stellen, die schon millionenfach durchgekaut wurde. Aber das ist keine Bösartigkeit, eher Unwissenheit - und natürlich Faulheit, sich alle Threads durchzulesen ;-)
Bequeme Menschen haben immer gerne alles schön hübsch tranchiert auf dem Silberteller präsentiert.
Ja und das nervt dann wiederum diejenigen, die dann zu recht monieren: "Dann steig doch in Dreiteufelsnamen in die Quellen ein, Herrschaftszeiten!" Ja, kann ich verstehen. Ist aber auch menschlich, oder?

Alles was bekannt ist und mit hoher Wahrscheinlichkeit gemutmaßt wird, farblich abgesetzt.
Jahr 9 n.Chr. 2. Jahreshälfte, September oder Oktober - je nach Quelle
Truppenstärke: je nach Quelle
Kommandeure: Varus, Kommandeure der XVII., XVIII., XIX. Legion
Schlachtort: je nach Quelle mit Skizzen der möglichen Marschrouten
Verlauf: Gefechtstag 1, 2, 3
Ja, natürlich, es gibt den Artikel der Varusschlacht in der WP, nur könnte man diesen vielleicht evtl. unter bestimmten Umständen noch professioneller aufziehen, damit dieser einen noch größeren Mehrwert bietet.

Ich habe verstanden, die Geschichtswissenschaften arbeiten mit Ausgrabungen und Quellenrecherche und daraus ergibt sich das ganze Bild oder liefert Stoff für Hypothesen. Aber ich denke genau da, wo es eben nicht weiter geht, sind populärwissenschaftliche Methoden vielleicht etwas, worüber man zumindest nachdenken könnte. Tradiertes Volksgut und vielleicht gibt es in den verstaubten Landesarchiven des LK Lippe ja vielleicht noch Dinge, die noch nicht ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind.
 
Entschuldigung El Quijote aber ich habe mich z.B. darüber i. gewissen Sinne geärgert, dass Du z.B. diese Querverbindung Cherusker - Hirsch(leute) - Wappen von Alfeld/Leine kategorisch negierst. Ja, natürlich es gibt keine Belege, es gibt kein ausgegrabenes Cheruskerdorf, nichts was auf eine kultische Ableitung von Rothirschen etc. hindeutet. Also ein Luftschloß, Spöökenkram auf Plattdeutsch.
Ja, auf sachlicher Ebene kann ich da auf keine Hypothese aufbauen, die sich auf belegbare Fakten begründet. Warum muss es denn Unsinn sein, wenn es doch irgendwie diese Verbindung aus guten Gründen geben "könnte".
Die Apenteichquellen, die Lippequelle mit dem Quelltopf "Odins Auge" waren vor 2.000 vermutlich ähnlich wie heute und hatten für die Rhein-Weser-Germanen sicherlich eine gewisse kultische Kraft. Es muss da etwas gegeben haben, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich glaube niemand versteht, worauf ich hinauswill, was ich vielleicht nicht richtig artikulieren kann. Ich denke mal und das hatte ich schon einmal so ausgedrückt, dass man den Germanen bei einem friesischen Milchbauern tief aus der Provinz vielleicht sehr viel näher ist, als bei einem superhippen Bewohner in Berlin-Mitte.
Okay, ist ein blöder Post, drückt auch nicht das aus, was ich eigentlich sagen möchte.
 
Na ja, sehe ich auch ein. Wenn man wissenschaftlichen Argumenten nicht zu 100% zugänglich ist, dann ist man vielleicht im populärwissenschaftlichen Bereich besser aufgehoben. Darüber sollte ich nachdenken.
 
Entschuldigung El Quijote aber ich habe mich z.B. darüber i. gewissen Sinne geärgert, dass Du z.B. diese Querverbindung Cherusker - Hirsch(leute) - Wappen von Alfeld/Leine kategorisch negierst. Ja, natürlich es gibt keine Belege, es gibt kein ausgegrabenes Cheruskerdorf, nichts was auf eine kultische Ableitung von Rothirschen etc. hindeutet.
Nun, es gibt 1.) Belege dafür, dass Wappen erst so ca. 1000 Jahre nach dem Verschwinden der Cherusker aufkommen und 2.) der Hirsch überregional ein beliebtes Wappentier ist. So wundert es auch nicht, dass er auch mal in einem Wappen im Gebiet, welches mutmaßlich mal von der Cheruskern besiedelt wurde, auftaucht, dieses Auftauchen ist wegen dieser Beliebtheit sogar wahrscheinlich und mitnichten in einen Zusammenhang mit den Cheruskernzu stellen. Da kannste dich drüber ärgern, aber rational kann ich dir nur das sagen.

Wenn du dir „Odins Auge“ in Bad Lippspringe anschaust, was laut Wikipedia „im Volksmund“ so genannt würde, kannst du den Namen leicht als rezent entlarven: Odin ist die modernskandinavische Form des Namens. In der Region wäre eine Form wie *W(u)oden zu erwarten. Ergo wird der Name, den die Quelle „im Volksmund“ trägt, max. 200 Jahre alt sein.
 
Ursprünglich wurden Wappen von Adeligen getragen. Sie sollten die Personen kenntlich machen. Später wurden Wappen auch von Städten geführt. Herrschaften haben ebenfalls Wappen ihrer (früheren) Herren wenigstens tw. übernommen und dadurch bis in die Gegenwart tradiert.

Das Wappen des Landkreises Alfeld scheint erst 1935 überhaupt etabliert worden zu sein, weil man damals, 1935, germanentümelnderweise meinte, die Cherusker im Landkreis Alfeld verorten zu können. Das Wappen ist also sogar erst 1800 Jahre nach Verschwinden der Cherusker aus den Quellen von den nationalsozialistischen Behörden etabliert worden. Also in einer Zeit, in der Wappen längst ihre Funktion verloren hatten.
 
Guten Morgen El Quijote,
Du hast sachlich absolut recht und ich kann logisch nicht dagegen argumentieren. Vielleicht ist es wirklich dummes Zeug meinerseits, da unbedingt etwas konstruieren zu wollen. Rothirsche gab/gibt es nicht nur dort, auch im Lipper Bergland, Deister, Ith, Hils, Sackwald, Solling etc. - nichts deutet daraufhin, warum sich die Cherusker unbedingt von Hirschen ableiten oder es eine kultische Beziehung zu diesen Wildtieren gab. Die Germanen waren ja auch eher Bauern als Jäger. Gut wir hatten das Thema schon, Deckel zu. Aber zweifelst Du dann auch an, dass sich das Siedlungsgebiet der Cherusker NICHT im Leinetal verortet war?
Ich ging immer davon aus, dass das Siedlungsgebiet der Cherusker fest vom Lipper Bergland über die Weser hin zur Leine bis an den Harzrand verortet war. Sorry, wir hatten all diese Schleifen schon und ich drehe mich im Kreis. Es ist ja nicht so, dass mich Eure Beiträge hier im Forum unbedingt dümmer gemacht haben; genau das Gegenteil ist der Fall. Doch irgendetwas läßt mich an alten Dogmen festhalten, ohne genau benennen zu können, warum dem so ist. Wahrscheinlich akzeptiert der Mensch immer generell Erklärungen, die ihm genehm sind.
 
Mir hat diese totemistische Vorstellung der Hirsche als namensgebendes Tier eines Stammes halt gut gefallen. Aber wir waren ja schon bei dem Punkt, dass das Schamanentum bei den germanischen Bauern keinen Bestand mehr hatte. Ein Rückfall in alte Zeiten.
 
Man darf halt wirklich nicht überschätzen, wie weit mündliche Erinnerungen in die Vergangenheit zurückreichen. Es wird zwar bei irgendwelchen als obskur empfundenen Bräuchen und Traditionen rasch vermutet, sie seien uralt und vermutlich irgendwie germanisch, keltisch oder jedenfalls vorchristlich, aber einer näheren Überprüfung hält das nur selten stand.

Menschen neigen nun einmal dazu, "ihre" erlebten oder erinnerten Traditionen als etwas anzusehen, das "immer schon" so gewesen sein soll. Der von Dir genannte Milchbauer - mittlerweile vielleicht mehr Agrarunternehmer als kleiner Landwirt - wird also vermutlich ungefähr wissen, was sein Großvater ihm noch erzählte und was er selbst in seiner Kindheit erlebte, aber er wird es zugleich mit seinen Erfahrungen verbinden und sich so vielleicht auch an Begebenheiten "erinnern", die ihm jemand aus dem Nachbardorf erzählte oder die er gar in einer TV-Dokumentation sah. Traditionen verändern sich auf diese Weise unmerklich in jeder Generation.

Um ein Beispiel aus einem anderen Kulturkreis anzuführen: Es gibt in Nordamerika indigene Mythen, die von den jeweiligen Kulturen als uralt angesehen werden und die Entstehung des eigenen Volkes erklären sollen. In diesen Erzählungen kommen aber Pferde vor, so dass sie auf jeden Fall in nachkolumbianischer Zeit entstanden oder wenigstens stark verändert worden sein müssen.
 
Aber zweifelst Du dann auch an, dass sich das Siedlungsgebiet der Cherusker NICHT im Leinetal verortet war?
Die Siedlungsgebiete der Völker sind in den antiken Quellen viel zu grob umrissen, als dass ich mir zutrauen würde, die Siedlungsgebiete zu umfassen. Wir wissen, dass die Brukterer wohl zwischen Ems und Lippe lebten bzw. auch beiderseits der Ems. Waren die Ampsivarier (Emsleute) und die Hasuarier (Haseleute) Teilstämme der Brukterer? Vielleicht.
Segestes scheint westlich der Weser gelebt zu haben, zumindest deuten darauf die Ereignisse des ersten Feldzuges des Jahres 15. Ob die Cherusker an der Leine oder rund um den Harz lebten? Ich weiß es nicht, ich lege mich weder dafür noch dagegen fest. Ich muss einfach akzeptieren, dass die Quellen da nicht eindeutig genug sind.
Wir wissen ja nicht einmal, ob der Angrivarierwall, der irgendwo bei der Weser gelegen haben muss, westlich oder östlich von dieser liegt, somit können wir auch die Grenze zwischen Angrivariern und Cheruskern nicht bestimmen. (Du wirst im Internet finden, dass er zwischen Weser und Steinhuder Meer gelegen habe.)

Die Versuche, die Frage nach dem Siedlungsgebiet der Cherusker mit Archäologie zu lösen, sind in der Vergangenheit oft zu apodiktisch gewesen, in den letzten 40 Jahren ist man da kritischer und weiß, dass man nichts weiß. In der popuärwissenschaftichen Literatur und im Internet wird dann oft aus älteren Publikationen zitiert, weil die eine (falsche) Sicherheit bieten.
 
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