Neuverfilmung Das Boot - was sind eure Erwartungen?

Ich habe die letzten zwei Tage "binge watching" betrieben. Außer den rasierten und friesierten U-Bootmenschen sind mir noch ein, zwei Unstimmigkeiten aufgefallen. Dazu äußere ich mich aber erst, wenn die Serie im Fernsehprogramm gelaufen ist.
Befremdlich fande ich allerdings in der Mediathek, dass ich mich nur im letzten Teil altersmäßig legitimieren musste - und dieser in Sachen Sex oder Gewalt sich nicht großartig von einigen anderen Teilen unterscheidet.
 
Bin jetzt fast durch.
Meine Erwartungen sind tatsächlich übererfüllt.

Die Serie muss sich natürlich an der Petersen-Verfilmung messen lassen. Will sie sicherlich auch. Ich meine, viele Zitate, Anspielungen und Entnahmen gesehen zu haben. Dito für Übernahmen mindestens aus "Im Westen nichts Neues", GoT und einem Werk von Herman Wouk.

Was den reinen "Männer aus Eisen in Särgen aus Stahl"-Anteil angeht, kommt die Serie an die Petersen-Version nicht ran. Das "Scheiß Zerstörer!" und "Meine Herren, jetzt wird's psychologisch"-Feeling will zumindest bei mir leider gar nicht aufkommen. Das geht unter und über Wasser auch alles viel viel zu schnell und zu einfach und die Buben an Bord sind auch für mich viel zu geschniegelt. (Und gleichzeitig hat ein Korvettenkapitän ein Foto mit Zauselbart in seiner Akte - DA hätte er geschniegelt sein müssen!)

Darüber hinaus wirken etliche Anteile der Geschichte äußerst brutal an den Haaren herbeigezogen und viele der handelnden Personen in Uniform finde ich far out of character. (Genauso wie die eingestreuten Nackt- und Birds-Szenen, die m. E. durchwegs nichts mit der Geschichte zu tun haben, sondern, wie in den populären HBO-Serien auch, eher dem Zweck zu dienen zu scheinen, mittelältere Herren... - ach, lassen wir das.)

Nichtsdestotrotz sind da auch einige unheimlich starke Szenen mit dabei, sowohl an Land als auch auf See. Und irgendjemand scheint sich mit Uboot-Fahrern aus der jüngeren Deutschen Marine unterhalten oder zumindest diverse Uboot-Reportagen über diese geschaut zu haben. Ob das, was davon übernommen wurde, allerdings authentisch für die Uboot-Fahrer der Kriegsmarine ist, kann ich nicht beurteilen, wage aber, es zumindest für Anteile zu bezweifeln.

Fazit:
Ich habe mich vor Anschauen gefragt, was wohl eine "Eventserie" darstellen soll. Jetzt weiß ich's und der Name scheint mir gut getroffen. Gute Unterhaltung für easy viewing, wenn man es als solches betrachten mag. Sozusagen ein "Filmical". Da gibt's weit Schlimmeres.
 
Ich habe am Samstag vormittag noch einen Herrn aus der Nachbarschaft zufällig getroffen. Ich habe ihn gefragt, ob er den Film (Teil 1 +2) gesehen hat, und er meinte, dass er zwischendurch umgeschaltet habe, und die Realität sei ganz anders gewesen. Mit 17 Jahren ist er selbst zur Kriegsmarine (U-Boot-Schule) gegangen und hat in Stettin gedient.

Er hat dann selbst noch erzählt, wie Deserteure erschossen worden sind (ob er selbst auch schießen mußte, habe ich mich nicht getraut zu fragen). Und auch von einem Kameraden, der versetzt wurde, nachdem (= weil?) er russischen Zwangsarbeiterinnen ("waren nett") heimlich Brot zugesteckt hat. Die Russinnen wurden zu Schweißarbeiten eingesetzt.

[* Tele 5 (das entgegen seinem Ruf nicht nur Trash sendet, sondern auch "Star Trek"-Serien und manchmal anderswo ignorierte Perlen des europäischen Films) verwendete auch einige Zeit Geoblocking, das aber zu knacken war.]

:) off-topic: nachdem wir bereits einen Thread zum kulturellen Einfluß von George Lucas' Star Wars haben, sollen wir auch einen solchen Thread zu Gene Roddenberrys Star Trek anlegen.
 
Habe mir nun auch den 2. Teil „Geheime Mission“ angesehen.
Ich glaube das war es dann für mich.

Meiner Meinung nach kommt diese Neuverfilmung nicht an die vorherige Verfilmung unter der Regie von Wolfgang Petersen ran. Auch Schauspielerisch war der Petersen Film besser (Prochnow, Grönemeyer, Sander, Leder (auch genannt „das Gespenst“)), um nur einige zu nennen.

Und dann Martin Semmelrogge (hier als 2. WO) der in der Offizier Kombüse die Platte auflegte -> It's A Long Way To Tipperary. Diesen englischen Song aus dem I. Weltkrieg.

Ich glaube bald dieser Song ist genau so populär wie „Unter der Laterne“ gesungen von Lala Andersen bzw. Marlene Dietrich.

Als Antikriegsfilm jedenfalls überzeugt auch die erste Fassung. Wobei auch diese neue Verfilmung sicher als Antikriegsfilm überzeugt.

Frage: Hat jemand Kenntnis von Einschaltquoten?
 
Mich hat es ein wenig irritiert, dass alle Schauspieler unabhängig davon, ob sie Deutsche, Franzosen, Amerikaner etc. sind, Deutsch reden. Ich habe erst in der zweiten Folge bemerkt, dass z. B. die rothaarige Krankenschwester Französin ist. Auch die Geschwister Strasser sind keine Deutschen, sondern als Elsässer zwangsverpflichtet worden. Da hätte ich auch erwartet, dass diese einen alemanischen Dialekt mit französischen Akzent sprechen. Bisher ist mir nur in einer Szene aufgefallen, in der Französisch gesprochen wird: beim Verhör eines französischen Arbeiters spricht dieser Französisch und Simone Strasser übersetzt (im 3. Teil = Episode 5 und 6). Und in den Szenen an Bord des U-Bootes spricht einer der Besatzungsmitglieder Deutsch mit hörbar süddeutscher Färbung. Wahrscheinlich wollte das ZDF und/oder Sky den Zuschauern nicht zumuten, dass sie Untertitel lesen sollten. Im Sinne der Authentizität ist aber dadurch etwas verloren gegangen. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass in Frankreich der 40er Jahre ein Polizeichef oder eine Krankenschwester perfektes Hochdeutsch sprechen konnten.


Was ist denn GoT?
 
Mich hat es ein wenig irritiert, dass alle Schauspieler unabhängig davon, ob sie Deutsche, Franzosen, Amerikaner etc. sind, Deutsch reden.
...
im Sinne der Authentizität ist aber dadurch etwas verloren gegangen. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass in Frankreich der 40er Jahre ein Polizeichef oder eine Krankenschwester perfektes Hochdeutsch sprechen konnten.
Die Sprache ist mein Hauptproblem mit diesen neueren "Geschichtsfilmen". Und hier ist wieder Petersens "Das Boot" der Maßstab (auf Augenhöhe mit Eberhard Fechners Kempowski-Verfilmungen), in dem authentische Dialekte und vor allem authentischer Jargon der Zeit ("vorbeikariolt") dargeboten wird.

OT: Es hat vor Zeiten einmal Spaß gemacht, deutsche Tatort-Folgen zu schauen, als zumindest einige Nebenrollen und Knallchargen über ihren Dialekt noch etwas Lokalkolorit verströmten. Heute dreht man aus Kostengründen fast nur noch in austauschbaren Studiokulissen, und wehe es spricht einer kein lupenreines künstlich wirkendes Hochdeutsch. Und so sehr ich etwa "Mord mit Aussicht" liebe, kann ich mich von einer Exkursion in die Eifel nicht nur an das Bitburger Bier sondern auch an den liebenswerten Dialekt erinnern, der aber in der Serie praktisch nicht vorkommt.
 
Zuletzt bearbeitet:
OT: Es hat vor Zeiten einmal Spaß gemacht, deutsche Tatort-Folgen zu schauen, als zumindest einige Nebenrollen und Knallchargen über ihren Dialekt noch etwas Lokalkolorit verströmten. Heute dreht man aus Kostengründen fast nur noch in austauschbaren Studiokulissen, und wehe es spricht einer kein lupenreines künstlich wirkendes Hochdeutsch. Und so sehr ich etwa "Mord mit Aussicht" liebe, kann ich mich von einer Exkursion in die Eifel nicht nur an das Bitburger Bier sondern auch an den liebenswerten Dialekt erinnern, der aber in der Serie praktisch nicht vorkommt.

Wo ist bei Petersens "Das Boot" Dialekt gesprochen worden? Allenfalls der Zungenschlag der Region, wie bei dem Maschinisten. Vor Jahren gab es mal einen Tatort mit Dialekt und UT. Resultat? Massive Proteste der Zuschauer, bitte Hochdeutsch zu senden.
 
Wo ist bei Petersens "Das Boot" Dialekt gesprochen worden? Allenfalls der Zungenschlag der Region, wie bei dem Maschinisten.
"Das Boot" war auch eher das Beispiel für authentischen regionalen Zungenschlag der aus verschiedensten Teilen Deutschlands stammenden Mannschaft (Ruhrgebiet, Hamburg, Berlin, Bayern etc.) und für glaubwürdige, zeitgemäße Dialoge. Das aus der gleichen Zeit stammende lobenswerte Beispiel für Glaubwürdigkeit durch Dialekt wäre Edgar Reitz' "Heimat — Eine deutsche Chronik", das ich gestern vergessen hatte zu erwähnen.
Vor Jahren gab es mal einen Tatort mit Dialekt und UT. Resultat? Massive Proteste der Zuschauer, bitte Hochdeutsch zu senden.
Wegen dieser kulturellen Intoleranz musste ja offenbar auch Gregor Weber als saarländischer Kommissar abtreten. Ich finde diese Entwicklung sehr bedauerlich.
 
Wo ist bei Petersens "Das Boot" Dialekt gesprochen worden? Allenfalls der Zungenschlag der Region, wie bei dem Maschinisten. Vor Jahren gab es mal einen Tatort mit Dialekt und UT. Resultat? Massive Proteste der Zuschauer, bitte Hochdeutsch zu senden.

Das Publikum ist hierzulande nicht an Untertitel gewohnt - im Gegensatz zu den Niederlanden, skandinavischen Ländern und sogar Portugal. Für die kleineren Sprachgebiete lohnt es sich wohl nicht, Synchronfassungen zu machen und deshalb werden ausländische Filme als OmU im Kino bzw. im TV gezeigt. Das erklärt wohl auch teilweise, warum in diesen Ländern die Leute so gut Englisch sprechen.

Zum Thema Dialekte im Fernsehen. In Deutschland ist die Dialektvielfalt einfach zu groß. Ein Norddeutscher kann einen süddeutschen Dialekt kaum verstehen, und umgekehrt genauso. Ich habe vor einiger Zeit auf dem Privatsender Pro7 eine Folge einer Serie gesehen. Zufälllig habe ich nicht den deutschen Ableger eingeschaltet, sondern den Schweizer. Die Serie war natürlich die gleiche (es gab also keine schwyzerdütsche Synchronisierung, aber in der Werbepause waren die meisten Werbespots für das Schweizer Publikum im Dialekt. Fand ich ganz sympathisch...insbesondere die Aldi-Werbung in der Schweiz war sehr humorvoll. Die nächste Folge habe ich dann beim österreichischen Ableger gesehen: da war die Werbung auf Hochdeutsch (auch wenn es sich Werbung für nur in Österreich tätige Firmen handelt).
 
In Deutschland ist die Dialektvielfalt einfach zu groß. Ein Norddeutscher kann einen süddeutschen Dialekt kaum verstehen, und umgekehrt genauso.
Mir scheint, dass es vielen Leuten einfach am guten Willen mangelt. Wenn ich mir einen Film nicht ansehe, weil darin etwas anders als gewohnt gesprochen wird, dann kann ich natürlich auch kein Gefühl für die Sprache entwickeln. Ich persönlich kann jedenfalls genau soviel Freude an einem Kluftinger-Krimi wie an einer Sendung auf Saarländisch oder "op Platt" haben, von der jeweiligen Handlung ganz abgesehen.
 
Sagt man dort so? Etwas südlich in der Pfalz heißt es auf jeden Fall, "Mer konn Kärsche in de Käärsch esse, awwer kää Käärsche in de Kärsch!".

Die Pfälzer haben doch vermutlich mit der Aussprache des "ch" wie in ich ein Problem:
Da gab es doch den aus der Pfalz stammenden Kanzler der deutschen Einheit, der den "Mantel der Geschischte" ergriff....
 
Es ist in der Tat so, dass in den meisten Verfilmungen Dialekte und Regiolekte weggeglättet werden. Wenn, dann werden aber eher Regiolekte (also lokale Färbungen des Standarddeutschen) als Dialekte verwendet, um einen Charakter zu kennzeichnen. Bayrisch, hamburgisch, schwäbisch, kölsch, das sind Dialekte, die man wenigstens tw. zulässt. Das größte Problem dabei ist, dass die starke Verwendung von Dialekten oder eben häufiger Regiolekten auch dazu dient, "einfache" Personen zu kennzeichnen: Wer vermeintlichen Dialekt (also massentauglich Regiolekt) spricht, ist i.d.R. als eine ungebildete Person gekennzeichnet. Das hat natürlich auch Rückwirkung auf die Wahrnehmung von Dialekt und Regiolekt als sozialem Marker im Real Life...

[Edit: Selbst im eigentlich regiolektfreudigen rheinischen Kabarett wird dann besonders breit rheinisch gesprochen, wenn es darum geht, naiv zu tun. Jürgen Becker, sein Fastnamenswetter Jürgen Beckers (Pseudo Jürgen B. Hausmann) u.a.]

Ich meine aber, dass es ein zwei Anklänge an Dialekt/Regiolekt in der aktuellen Bootreihe gegeben hat. Wohlgemerkt: ich rede von Anklängen, nicht von ausgeprägten Dialekten/Regiolekten. Das Jiddische bei dem rumänischen Schiff mit Ziel Kanada war auch viel zu neuhochdeutsch. Ich glaube, das Markerwort war Stedele und darauf belief es sich dann.

Wie ist die eigentlich auf Sky gelaufen: Auch voll-synchronisiert oder mehrsprachig? Denn wenn sich Simone Strasser und Carla Monroe unterhalten haben, ist das im ZDF auf deutsch gelaufen, die Lippenbewegungen waren aber französisch(?).
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn, dann werden aber eher Regiolekte (also lokale Färbungen des Standarddeutschen) als Dialekte verwendet, um einen Charakter zu kennzeichnen. Bayrisch, hamburgisch, schwäbisch, kölsch, das sind Dialekte, die man wenigstens tw. zulässt. Das größte Problem dabei ist, dass die starke Verwendung von Dialekten oder eben häufiger Regiolekten auch dazu dient, "einfache" Personen zu kennzeichnen: Wer vermeintlichen Dialekt (also massentauglich Regiolekt) spricht, ist i.d.R. als eine ungebildete Person gekennzeichnet. Das hat natürlich auch Rückwirkung auf die Wahrnehmung von Dialekt und Regiolekt als sozialem Marker im Real Life...
Eure Nebendiskussion zu Birne Kohl illustriert vielleicht genau das: Wegen seines pfälzischen Akzents ist Kohl zunächst unterschätzt und später nicht ernst genommen worden.
 
Mir sind in der neuen Boot-Staffel zwei sehr fragwürdige Themen aufgefallen.

1.) Mr Greenwood
Ein amerikanischer Banker, bzw. Bankerssohn, der in den 30er Jahren in die NS-Rüstung investiert und dabei angeblich die Baupläne eines deutschen U-Boots zu Gesicht bekommt. Wie realistisch ist es, dass ein ausländischer Banker solche Pläne sieht? Wie realistisch ist die Darstellung, dass US-Kapital die NS Vorkriegsrüstung massiv mitfinanzierte? So weit ich weiß, galt doch ab Juni 1933 ein Schuldenmoratorium des NS Regimes, bei dem ausländische Kredite nicht mehr bedient wurden und demzufolge auch kaum neue Auslandsschulden aufgenommen werden konnten.
Sven Felix Kellerhoff nennt diese Darstellung "Geschichtsklitterung".

2.) Das "kyrillische Geisterschiff"
U 612 trifft auf dem Nordatlantik auf ein Schiff scheinbar ohne Besatzung und mit kyrillischem Namen, das zur Auffrischung der beinahe leeren Dieselvorräte als Prise ausgewählt wird. Nach Durchsuchung stellt sich heraus, dass es eine Mannschaft gibt, die teilweise leidlich deutsch spricht und dass es ein Deck mit Passagieren aus der UdSSR gibt, die fast alle tot sind. Fast alle bis auf die Eltern eines gefesselten und vermutlich vergewaltigten Mädchens auf einem Oberdeck, die dann auch noch von der einzigen "Ubootjungfrau" ein weiteres Mal vergewaltigt wird.
Wie realistisch war es im Nordatlantik auf Schiffe zu treffen, die vor Stalin "Richtung Kanada" fliehen wollten? Welchen Kurs hätte ein solches Schiff nehmen müssen? Aus dem eingeschlossenen Leningrad durch die von den Achsenmächte kontrollierte Ostsee? Über Archangelsk (da musste man erst mal hinkommen) und das Weiße Meer? Durch das Schwarze Meer, den Bosporus, das Mittelmeer und dann in den Nordatlantik?

Insofern war es für mich eine spannende Serie mit teilweise sehr zweifelhafter Geschichte.
 
Zurück
Oben