Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland

Und zwar dergestalt, dass Wien Russland mit dem deutschen Bündnis drohen und es verunsichern konnte, weil St. Petersburg nicht wusste ob Deutschland sich nicht vielleicht auch auf ein offensives Bündnis mit Wien eingelassen hatte und man, wenn man mit Wien militärisch anband möglicherweise auch in einen Krieg mit Deutschland schlitterte, selbst wenn er von österreichischer Seite Provoziert worden wäre.

Am Ende ist es Wien gelungen, Berlin das Leitseil um den Hals zu werfen. Denn gerade ein Aehrenthal hat auch durchblicken lassen, das Wien Deutschlands einziger, zuverlässiger Bündnispartner sei. 1908/09 wurde Wien unterstützt, 1912/13 arbeitete Berlin mit London an dem Erhalt des Friedens, was die Monarchie sehr erbitterte.
 
Genauso wie es möglich war, das Italien Mitglied des Dreibundes war und gleichzeitig mit Frankreich ein Bündnis unterhielt.

Tat es doch überhaupt nicht. Es unterhielt mit Frankreich einen Neutralitätspakt, aber kein Bündnis.
Und welche Zweifel der Umstand, dass dieser Pakt geschlossen wurde in Berlin und Wien daran sähte, dass Italien ein verlässlicher Partner im Dreibund bliebe, werde ich nicht erläutern müssen, du bestehst ja regelmäßig selbst auf der Berechtigung des Misstrauens Berlins und vor allem Wiens gegen Rom.

Zunächst gab es ziemliche "Berührungsängste" zu Frankreich und eine Monarchie, zumal zu Deutschland als langjähriger Freund einfach grundsätzlich näher stand.

Das geht meines Erachtens am Wesentlichen vorbei.

Das Wesentliche aus meiner Sicht ist, dass Russland nicht nach einem Verbündeten suchte, weil es sich bedroht sah, dazu hatte es nachdem St. Petersburg die Konditionen des deutsch-österreichischen Zweibundes kannte keinen Anlass mehr, sondern weil es einen Hebel suchte um seine Interessen auf dem Balkan durchzusetzen.

Dafür hätte es eines französischen Bündnisses nicht bedurft, wenn man einen Keil zwischen Berlin und Wien hätte treiben können, der zum politischen Bruch zwischen beiden führte und dazu hätte sich eine Veröffentlichung des Rückversicherungsvertrags, wäre er verlängert worden, möglichrweise geeignet.

Denken wir uns den deutsch-österreichischen Zweibund von der Wiener Seite her.
Wozu war der gut?
Mit der Allianz mit Deutschland verbaute man sich aus Wiener Sicht die Möglichkeit den Versuch zu unternehmen das Ergebnis von 1867 und 1871 zu revidieren und vielleicht wenigstens in Süddeutschland wieder Fuß zu fassen, ab der Erweiterung zum Dreibund verbaute man sich damit auch Möglichkeiten verlorene Positionen in Italien zurück zu gewinnen.
Davon dass Österreich sich zum Bündnis mit Berlin entschloss, nicht etwa mit Frankreich profitierte zunächst einmal Deutschland dadurch, dass es nicht zu einer Koalition der Verlierer vor 1867 und 1871 kam, die Deutschland eingekeilt hätte.
Welchen Nutzen hatte Österreich?
Weder Deutschland noch Russland, machten irgendwelche Anstalten österreichische Territorien zu beanspruchen. Italien, Rumänien und Serbien waren alle zu schwach um sich in einem Krieg gegen die Donaumonarchie ernsthafte Chancen ausrechnen zu können, so lange sie keine Großmachtspartner fanden, die das unterstützten, wegen Bessarabien musste außerdem Russland eine Stärkung Rumäniens eher kritisch sehen genau so wie wegen Korsika und Tunesien Frankreich kein Interesse an einer übermäßigen Stärkung Italiens auf Kosten Österreichs haben konnte.
Eine russisch-serbische Parnterschaft gab es vor der russischfranzösischen Allianz noch nicht, zumal auch über die Bosnien-Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen war.

Damit war Österreich-Ungarn, was seine eigene territoriale Integrität angeht eigentlich safe und mit der Allianz mit Deutschland verbaute sich Wien die Chance sich im deutschsprachigen Raum zurückzuholen, was es in den letzten Jahrzehnten verloren hatte, während es gleichzeitig noch Deutschlands Gewinne gegenüber Frankreich mit garantierte.
Dafür durfte es sicherlich Gegenleistung in Form deutscher Unterstützung für den Balkan erwarten. Vielleicht keine Militärische, aber immerhin konnte es sich wohl erhoffen, dass Deutschland die Russen in das deutsch-österreichische Abkommen nicht einweihen und Wien damit nicht seinen Bluff aus der Hand nehmen würde.

Welche Alternativen hatte Wien, wenn es sie von Berlin verschaukelt fühlte?
So lange das französisch-russische Bündnis noch nicht bestand und Frankreich in keiner Weise den russischen Interessen verpflichtet war bzw. ihnen in gewissem Maße Rechnung tragen musste, war Frankreich für Österreich eine ernstzunehmende Bündnisoption, wenn Deutschland den Wiener Erwartungen nicht entsprach.
Das war 1914, als frankreich sich auf Russland als Bündnispartner und damit in gewissem Maße auf die russischen Balkaninteressen festgelegt hatte nacht mehr so, aber bis 1894 war das eine Option.

Frankreich hätte Österreich-Ungarn vielleicht nicht in dem Maße am Balkan unterstützen können, wie Deutschland, sehr wohl aber bei Revisionswünschen im deutschsprachigen Raum, die sehr gut mit dem französischen Wunsch Elass-Lothringen zurück zu holen und die Reichseinigung rückabzuwickeln korrespondiert hätten und möglichrweise auch im Hinblick auf Italien oder mindestens im Himblick auf die Sicherung des Status Quo in Sachen italienische Grenze.
Das wäre ein alternativer außenpolitischer Pfad für Wien gewesen, wenn es klare Signale gegeben hätte, dass Berlin Wiens Balkanpolitik im Zweifel sabotieren würde und eine Veröffentlichung des Rückversicherungsvertrags hätte genau das signalisiert.
 
War das auch im Geheimen?

Es handelte sich nicht um ein Bündnis, sondern lediglich um ein Neutralitätsabkommen, das im November 1902 zwischen Frankreich und Italien abgeschlossen wurde. Auch dieses Abkommen wurde zunächst geheim gehalten.

Auch dieses Abkommen, widersprach ähnlich dem Rückversicherungsvertrag nicht direkt dem Wortlaut des Dreibundvertrags, so dass daraus kein direkter Vertragsbruch resultierte.

Trotzdem wird @Turgot nicht müde darauf zu bestehen, dass sich italiens Handeln damit gegen den Geist des Dreibundvertrags gerichtet und sich Italien damit aus der Partnerschaft mit Deutschland und Österreich de facto verabschiedet habe.

Nun, diesen Eindruck kann man persönlich haben und die Zweigleisigkeit der italienischen Politik mit einem gewissen Recht mit äußerstem Misstrauen betrachten.
Das gleiche Maß an Misstrauen und ähnliche Reaktionen hätte man dann allerdings den Österreichern zugesehen müssen, wären diese bei Zeiten dahinter gekommen, in welcher Weise Bismarck hinter ihrem Rücken mit Russland gekungelt hatte.

Deswegen kann ich die Einschätzung, dass der Rückversicherungsvertrag für Deutschland vorteilhaft gewesen wäre, so nicht teilen.
Er hatte gewann keinen neuen Bündnispartner hinzu hatte aber möglicherweise genug politische Sprengkraft um einen nachhaltig zu vergrätzen, zumal einen, der mit Frankreich so lange dieses nicht an Russland gebunden war, eine ersthafte Alternative zur Partnerschaft mit Deuschland gehabt hätte.

Der absolute Super-Gau für Deutschland wäre gewesen, wenn Russland diesen Vertrag veröffentlich hätte. Möglicherweise hätte sich Österreich dann vom Zweibund losgesagt, weil es auf Deutschlands Bündnistreue auf Grund des Vertrauensbruchs keinen Pfifferling mehr gegeben hätte und möglicherweise wäre dann daraus eine Französisch-Österreichische Allianz geworden.
Der hätte man wiederrum mit einem Bündnis mit Russland beegegnen können, nur insofern Deutschland dann unter Druck gestanden hätte, hätte St. Petersburg die Bedingungen diktieren können.

Dieses Abkommen musste man vernünftigerweise auslaufen lassenund eine Alternative dazu finden.

Die hätte heißen können:

1. An Österreich-Ungarn festhalten und Großbritannien mit ins Boot holen.
2. Ein vollwertiges Bündnis mit Russland schließen und Wien als Partner aufgeben.

Beides wäre möglich gewesen, beide Möglichkeiten wurden in der Folge vertendelt.
 
Es handelte sich nicht um ein Bündnis, sondern lediglich um ein Neutralitätsabkommen, das im November 1902 zwischen Frankreich und Italien abgeschlossen wurde. Auch dieses Abkommen wurde zunächst geheim gehalten.

Du hast Recht. Ich habe den falschen Begriff gewählt.
Sollte Frankreich, ohne direkte Provokation, angegriffen werden oder aber den Krieg nach direkter Provokation den Krieg erklären versprach Italien die Neutralität.

Ich denke, das ist kein direkter Widerspruch zum Dreibund, aber sehr wohl gegen den Geist desselben. In der Übereinkunft wurden auch die Besitzverhältnisse in Nordafrika geregelt; Italien erhielt freie Hand in Tripolis.
 
Zuletzt bearbeitet:
Deswegen kann ich die Einschätzung, dass der Rückversicherungsvertrag für Deutschland vorteilhaft gewesen wäre, so nicht teilen.

Der Vorteil lag schon allein darin, das Petersburg in der Zeit des RV kein Bündnis mit Frankreich abgeschlossen hat bzw. hätte. Und 1890 wurde eine lange Verlängerung angeboten.

Shinigami schrieb:
Der absolute Super-Gau für Deutschland wäre gewesen, wenn Russland diesen Vertrag veröffentlich hätte.

Jetzt argumentiert du schon wie Holstein und Co. Giers und Lambsdorff waren aber überzeugte Anhänger des RV und deshalb sehr diskret und es bestand überhaupt gar kein Anlass eine Indiskretion zu befürchten.
 
Noch ein paar Worte zu Italien, welches @Shinigami ja so nachsichtig betrachtet.

Wenn, mal rein hypothetisch betrachtet, Frankreich Deutschland angegriffen hätte, nach Berlins Meinung natürlich unprovoziert, was von Paris selbstverständlich bestritten worden wäre, was bitte sehr hätte Rom dann gemäß seinen Verpflichtungen tun sollen?

Gemäß Dreibundvertrag hätte Italien nun Deutschland beistehen müssen. Gemäß der Abmachung mit Frankreich musste Rom neutral sein. Beides geht aber nun einmal nicht.

Sowohl Frankreich als auch Deutschland würden eine entsprechende Erwartungshaltung gehabt haben.
 
Dieses Abkommen musste man vernünftigerweise auslaufen lassenund eine Alternative dazu finden.

Ein vollwertiges Bündnis mit Russland? Wie hätte das aussehen sollen? Russland war nicht bereit Berlin den Besitzstand des Frankfurter Frieden zuzusichern. Auch waren die Russen nicht bereit, im Falle eines Falles aktiv militärisch gegen Frankreich vorzugehen. Das maximal erreichbare, hatte Bismarck mit dem RV von 1887 erreicht und es wäre sehr sinnvoll gewesen, diesen fortzuschreiben.
 
War das Problem nicht auch, dass die Außenpolitik und Bündnissysteme nur Stabilität bedeuteten, wenn es überall einzelne beständige Stabilitätsanker gab, wie die Saturiertheit Deutschlands und den Friedenswillen Englands zugunsten des Status Quo, die dann aber mit den Politikern verschwanden?

Frankreich wollte eine 'Korrektur'. Oder mehr?
Italien lavierte, um das Bestmögliche aus dem offensichtlich erwarteten Konflikt zu erhalten?
Russland, wenn ich es verstanden habe, strebte weiterhin nach Gebietserwerb?
Ging es England noch um Handel und ein Gleichgewicht oder trat ein Blockdenken ein?
Deutschland erscheint unter Wilhelm II. als unberechenbar. Wer den politischen und religiösen Hobbies des Monarchen entspricht, setzt sich durch?

Die Ziele werden in der Diskussion wenig klar. Oder wurde da auch historisch viel zum Selbstzweck?
 
Ich gehe jetzt einmal vom Zeitraum Beginn der 1890ziger aus.

Italien sucht Schutz und Unterstützung für seine kolonialen Ambitionen. Schutz von der Landseite hatte es durch den Dreibund. Zusätzlich wünschte es, dazu wurde der Dreibundpartner Deutschland instrumentalisiert, da der italienische Botschafter in London Tornielli nicht den besten Draht zu Salisbury hatte. Hatzfeld bemühte sich auch entsprechend. Salisbury war nicht abgeneigt, wollte sich aber Zeit lassen. Zwischenzeitlich wurde er dann abgewählt und Roseberry übernahm das Staatssekretariat des Äußeren. Er kam den italienischen Wunsch durch Hinhalten aber letzten Endes nicht nach.

England hatte in jener Zeit Konflikte mit Frankreich vor allem wegen Ägypten und Siam und suchte und bekam auch, wenn auch nicht immer, die Unterstützung Berlins. Das Osmanische Reich forderte von London beispielsweise das dieses endlich Ägypten räume und wurde hierbei von Paris und Petersburg unterstützt.
Zu einem regelrechten Bündnis war man aber in London nicht bereit. Im Gegenteil, in London dominierte noch die Politik der Splendid Isolation; noch.

Frankreich wollte natürlich Elsass-Lothringen; hätte auch rein gar nichts dagegen einzuwenden, Deutschland wieder klein und ohnmächtig umzugestalten; fühlte sich mit seinem Bündnispartner Russland auch stark genug , um selbstbewusster im Konzert der Mächte aufzutreten.

Auch wenn es 1898 noch einmal zwischen Frankreich und London gewaltig knirschte, Krieg war nicht ausgeschlossen, war beiden Seiten klar, das es so mit den kolonialen Reibereien nicht weitergehen könne. Das Ergebnis war sehr zum Verdruss Deutschlands die Entente Cordiale, die sich kontinuierlich von einer reiner Regelung der kolonialen Probleme immer weiter entwickelte. London hatte Paris während beider Marokkokrisen entscheidend unterstützt.
 
Mit der Allianz mit Deutschland verbaute man sich aus Wiener Sicht die Möglichkeit den Versuch zu unternehmen das Ergebnis von 1867 und 1871 zu revidieren und vielleicht wenigstens in Süddeutschland wieder Fuß zu fassen, ab der Erweiterung zum Dreibund verbaute man sich damit auch Möglichkeiten verlorene Positionen in Italien zurück zu gewinnen.

Das Bündnis wurde im Jahre 1879 geschlossen. Die schwere Orientkrise wurde gerade durch den Berliner Kongress erfolgreich abgewendet. Wien und Petersburg standen dort nicht auf der gleichen Seite. Das sollte man im Hinterkopf haben.

Beim Abschluss den Bündnisses standen militärtpolitische ratio Pate. Der k.u.k. Das Bündnis war attraktiv, denn ansonsten hätte man im Falle eines Krieges gegen Russland nämlich ganz alleine gegen dessen gesamte militärische Macht gestanden.
Generalstabschef Feldmarschallleutnant Beck war sich der großen Schwäche des ÖU Aufmarsches voll bewusst. Beck errechnete, dass Deutschland die Eisenbahnkapazität hatte, um 31 Infanteriedivisionen und 8 Kavalleriedivisionen schon am 20. Mobilmachungstag in Osten operationsfähig bereitstehen können. Österreich-Ungarn hätte für seinen Aufmarsch ganze 10 Tage länger benötigt und würde damit schon früh gegenüber dem Zarenreich hinterherhinken. Das Bündnis hatte zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht nur Freunde. Erzherzog Albrecht und Kronprinz Rudolf waren alles andere als begeistert. Auch Kaiser Wilhelm I. Zustimmung zu erlangen, kostete Bismarck einiges an Überzeugungsarbeit.

Der Zweibund zeigte für die k.u.k. Armee jedenfalls rasch Wirkung. Nunmehr konnte in den parlamentarischen Körperschaften mit größeren Nachdruck argumentiert werden, um vor allem die zu lange Mobilmachung zu verkürzen.

Ach ja, Wien hatte ja auch 2 1/2 Jahre später zusammen mit Rom und Berlin den Dreibund begründet und damit vollkommen freiwillig auf die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete verzichtet.
 
Jetzt argumentiert du schon wie Holstein und Co.
Eher wie Caprivi, dem die Bismarck'sche Schaukeldiplomatie zuwider war, was die grundsätzliche Anschauung angeht, aber mit anderen Konsequenzen.

Giers und Lambsdorff waren aber überzeugte Anhänger des RV und deshalb sehr diskret und es bestand überhaupt gar kein Anlass eine Indiskretion zu befürchten.
Giers und Lambsdroff waren Funktionsträger innerhalb eines monarchischen Systems, die jederzeit durch eine Laune des Zaren verschwinden und durch Leute ersetzt werden konnten, die ganz anders tickten.

Davon abgesehen wusste niemand, wann die nächste politische Krise in Osteuropa kommen würde, dass sie kommen würde war angesichts der Probleme ds Osmanischen Reiches ziemlich wahrscheinlich und auch dass sie möglicherweise zum politischen Zusammenstoß der Donaumonarchie mit Russland geführt hätte.
Was wäre dann passiert?
Deutschland hatte sich zwar nicht darauf verpflichtet Wiener Positionen auf dem Balkan zu unterstützen, gleichwohl durfte man davon ausgehen, dass Wien genau das erwartete und sich andernfalls nach einem anderen Partner umsehen würde.
St. Petersburg erwartete vielleicht keine deutsche Unterstützung für die eigene Position, aber mindestens dass Berlin Wien nicht unterstützte.

In einer solchen Situation wäre der Rückversicherungsvertrag, bzw. die Möglichkeit seiner Veröffentlichung und der damit verbundenen Beschädigung des Verhältnisses Berlin-Wien für St. Petersburg der Hebel zur Durchsetzung der eigenen Interessen gewesen, den Schaden hätte Berlin gehabt, wenn Wien daraufhin den Zweibund infrage gestellt hätte.

Der RV war so lange für Deutschland relativ ungefährlich, so lange sich am Balkan die Ereignisse nicht überschlugen und es zu keiner Krise kam. Kam es doch dazu oder wären in Russland andere Köpfe ans Ruder der Außenpolitik gekommen, konnte der RV Deutschlands gesamte Außenpolitik über den Haufen werfen.

Noch ein paar Worte zu Italien, welches @Shinigami ja so nachsichtig betrachtet.

Ich habe Italien noch nie besonders nachsichtig betrachtet, ich gehe nur beim Ausmaß deines Misstrauens nicht mit.

Wenn, mal rein hypothetisch betrachtet, Frankreich Deutschland angegriffen hätte, nach Berlins Meinung natürlich unprovoziert, was von Paris selbstverständlich bestritten worden wäre, was bitte sehr hätte Rom dann gemäß seinen Verpflichtungen tun sollen?

Und warum genau hätte Frankreich, dass (wir sind inzwischen in 1902 und später) deutlich stärkere Deutschland unprovoziert angreifen sollen, wissend, dass keine der Großmächte, weder Großbritannien, noch Russland und schon gar nicht Österreich ein solches Unternehmen unterstützen würden?
Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios tendiert geegen 0% und das weißt du auch sehr gut.

Ein vollwertiges Bündnis mit Russland? Wie hätte das aussehen sollen? Russland war nicht bereit Berlin den Besitzstand des Frankfurter Frieden zuzusichern

Russland war nicht bereit dazu, so lange Berlin sich gegen russische Wünsche auf dem Balkan stellte und mit Russlands Balkanrivalen Österreich-Ungarn verbündet war.

Hätte sich Berlin allerdings auf einen anderen Standpunkt gestellt, nämlich z.B. denjeenigen sich auf dem Balkan darauf zu beschränken die territoriale Integrität den Donaumonarchie zu schützen, sonst aber die russischen Balkaninteressen zu stützen, sich gegebenfalls, unter der Voraussetzung, dass man mitbedacht wird auch auf eine Aufteilung des Osmanischen Reiches einzulassen, wäre St. Petersburg möglicherweise zu ganz anderen Schlüssen gekommen.
 
War das Problem nicht auch, dass die Außenpolitik und Bündnissysteme nur Stabilität bedeuteten, wenn es überall einzelne beständige Stabilitätsanker gab, wie die Saturiertheit Deutschlands und den Friedenswillen Englands zugunsten des Status Quo, die dann aber mit den Politikern verschwanden?

Der wichtigste Stabilitätsanker für Europa bestand eigentlich darin, dass bis 1905 Russland wenn es seine Interessen in Europa nicht durchsetzen konnte, sich Kompensation dafür in Asien verschaffen konnte und für St. Petersburg in diesem Sinne keine Notwendigkeit bestand zwecks Steigerung der eigenen Macht Interessen in Europa mit gewalt duchzuboxen und entsprechende Positionen einzunhnehmen.

Paradoxerweise findet ein großer Teil der Destabilisierung des europäischen Systems gar nicht in Europa statt, sondern im Fernen Osten durch den Russisch-Japanischen Krieg 1904 und 1905 so wie das britisch-japanische Bündnis.

Durch die Niederlage gegen Japan musste man in Russland zu der Erkenntnis kommen, dass weitere Expansion nach Osten bis auf weiteres, da von Japan blockiert nicht mehr möglich sein würde und die folgenden Verständigungen mit den Briten über Persien, Afghanistan und Tibet verbauten für Russland auch die Möglichkeit weiter in Richtung des indischen Ozeans und nach Südasien vorzustoßen.
Damit blieb für Russland nur noch das Osmanische Reich, bzw. der Balkan um seine Macht weiter auszubauen, entsprechend musste sich seine Position in Fragen, die diese Region betrafen drastisch verhärten, außerdem musste der russische Fokus nun in Europa liegen.

Wichtig für die Europäische Stbilität vorher war aber, dass sich Russland und Großbritannien in den 1880er Jahren auch Frankreich vorweigend außerhalb Europas beschäftigten, so dass insgesamt für die innereuropäischen Fragen weniger Energie aufgewendet werden musste/konnte, wodurch die Konflikte nicht über die Maßen eskalierten.

Auch die Entwicklung der Bündnissysteme selbst, ist zu einem nicht unwesentlichen Teil Produkt der Ereignisse in Asien.
Es war nicht zuletzt die Schwächung Russlands, durch die militärische Niederlage gegen Japan und die Revolution von 1905 und die Problemee die der 2. Burenkrieg in Südafrika offenglegt hatte, die Großbritannien dazu veranlasste sich wesentlich enger an Frankreich zu binden und eine Einigung mit Russland zu suchen.

Man muss sich vor Augenführen, dass dadurch, dass Russland 1905 durch militärische Niederlage und Revolution auf einige Zeit de facto handlungsunfähig war, was die europäische Politik angeht und in dieser Zeit Frankreich, relativ ungeschützt einem deutlich mächtigeren Deutschland gegenüberstand.
Mit anderen Worten die russische Niederlage im Fernen Osten hatte das Europäische Gleichgewicht gerade zu Gunsten Deutschlands gekippt, dass diesen Umstand jetzt hätte nutzen können um durch einen Krieg gegen Frankreich oder Russland aus seiner "halbhegemonialen Stellung" in Europa eine hegemoniale zu machen.

In diesem Augenblick band sich Großbritannien an Frankreich um dem entgegen zu wirken und das deutsche Übergechicht auszugleichen, damit kam dem europäischen System allerdings sein "Schiedsrichter" abhanden, der traditionell zwischen den Blöcken stand und vermitteln konnte.

Im Grunde genommen ging es seit diesem Zeitpunkt bergab, weil sich das tendenzielle Gleichgewicht zuvor nicht mehr herstellen ließ.
Die Erholung Russlands kehrte das Übergewicht der Zentralmächte in ein Übergewicht der Entente um und das unter der Prämisse, dass Russlands Aktionsradius durch Japan und die Einigungen mit Großbritannien in Asien auf den Balkan beschränkt wurde, wo es um so engstirniger agieren musste.

Das erhöhte die Gefahr eines europäischen Krieges strukturell drastisch, unabhängig davon, welche Politiker das Ruder in der Hand hatten.

Frankreich wollte eine 'Korrektur'. Oder mehr?
Berechtigte Frage und schwer zu beurteilen.
Allerdings hatte keine französische Regierung seit 1871 ernsthaft in Betracht gezogen einen Revanchekrieg zu beginnen um das herbei zu führen.

Italien lavierte, um das Bestmögliche aus dem offensichtlich erwarteten Konflikt zu erhalten?
Ja, aber zu beiden Seiten hin, jedenfalls gab es in Italien Strömungen, die gerne von beiden Blöcken etwas gehabt hätten.

Von Österreich: Das Trentino, Korrekturen am Isonzo, ggf. Teile von Istrien und Stützpunkte in Dalmatien, so wie freie Hand in Albanien.

Zielsetzung: Italienische Minderheiten (vor allem Trentino) nach Italien holen, darüber hinaus das adriatsiche Meer zur weitghend italienischen Einflusszone machen (Straße von Ottranto kontrollieren) und damit auch die Donaumonarchie handelspolitisch stärker in Abhängigkeit von Italien zu bringen, so wie Einfluss auf dem Balkan aufzubauen.

Von Frankreich und Großbritannien: Korsika, Tunesien, Malta, in geringerem Maße Savoyen und Nizza.

Zielsetzung: Italienische Minderheiten (vor allem Korsika) nach Italien holen, das Thyrrenische Meer zur italienischen Einflusszone machen und über Sizilien, Malta und Tunesien die Durchfahrt durch das zentrale Mittelmeer kontrollieren, was vor allem den britischen und den französischen Asien- und Ostafrikahandel betroffen hätte.

Von dem her war von Italien durch keine Seite Loyalität zu erwarten, sondern eine abwartende Haltung, die darauf hinaus lief im richtigen Moment das Zünglein an der Wage in einem Konflikt spielen und jedenfalls eines dieser Szenarien realisieren oder teilrealisieren zu können.
Das machte Italien allerdings berechenbar. Es würde nicht selbst als Antreiber auftreten, aber sein möglichstes dafür tun eine Lokalisierung eines Konflikts zu blockieren, weil Rom für die Realisierung seiner Interessen die große Auseinandersetzung brauchte zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien brauchte.

Russland, wenn ich es verstanden habe, strebte weiterhin nach Gebietserwerb?
Nicht zwangsläufig, jedenfalls nicht auf dem Balkan, da wäre seit der Gründung und Eigenständigkeit Rumäniens auch keine Landverbindung da gewesen.
Das Interesse am Balkan lag mehr auf Einfluss auf die sich herausbilenden Balkanstaaten, wenn Territorialwünsche bestanden, dann direkt an den Meerengen oder in Anatolien ggf. Mesopotamien.
 
Ging es England noch um Handel und ein Gleichgewicht oder trat ein Blockdenken ein?

England ging es vor allem um die Sicherheit seines Empire und im Besonderen Indien, dass es durch Russland bedroht sah.
Nachdem Russland sich in Zentralasien festgsetzt hatte, lag zwischen Russisch Turkestan und Britisch Indien nur noch ein Streifen Afghanistan von nicht mehr als 50 Km Breite, also kein ernsthaftes Hindernis.
Der Ausbau von Bahnlinien nach Zentralasien würde Russland künftig auch das Verlegen eines größeren Landheeres mehr oder weniger direkt an die indische Grenze erlauben.
Dagegen konnte die britische Flotte das Empire nicht schützten und das hatte London begonnen zu fürchten (nicht so sehr die deutsche Flotte).
Von diesem Standpunkt aus, war London der Meinung, dass die Kooperation mit Russland und der Bestand der Abkommen über Persien, Afghanistan und Tibet notwendig für die Sicherheit des Empire sei.

Das Frankreich nicht durch Deutschland als Großmacht marginalsiert und Deutschland nicht zum Hegemon Europas werden durfte, blieb für Großbritannien zwar auch Bedinung aber das allein band London nicht an die Entente, seit etwa 1910 hatte sich Russland von 1905 so weit erholt, dass es als Akteur in Europa wieder aktiv sein und zusammen mit Frankreich ein hinreichendes Gegegengewicht zu den Zentralmächten hätte stellen können.

Deutschland erscheint unter Wilhelm II. als unberechenbar. Wer den politischen und religiösen Hobbies des Monarchen entspricht, setzt sich durch?
Nein, wer als letztes eine Audienz beim Kaiser hat setzt seine Position durch. ^^

Deutschland war politisch sehr unberechenbar, als Bülow Kanzler war, der der Deutschland mitunter ohne klar ersichtliche Zielsetzung in politische Zusammenstöße hineinmanövrieerte (Marrokko).

Seitdem Bethmann-Hollweg Reichskanzler war, war die deutsche Außenpolitik durchaus wieder deutlich beerechenbarer und auch unspektakulärer geworden und eigentlich deutlich an Frieden und Ausgleich orientiert.

Berlin wirkte in den beiden Balkankriegen deeskalierend auf Österreich ein und arbeitete Blockübergreifend ganz gut mit Großbritannien zusammen, das Flottenwettrüsten wurde seit 1913 wenn auch ohne Abkommen stillschweigend mehr oder weniger ad acta gelegt, mit Großbritannien wurde in Sachen Bagdagbahn eine weitgehende Einigung erzielt, außerdem ein Abkommen über die eventuelle Aufteilung der portugiesischen Kolonien ausgearbeitet, dass 1914 im Prinzip unterschriftsreif war.
(Dabei ging es allerdings nicht um potentielle Eroberungen, sondern darüber was passierte, wenn Portugal, da es hochverschuldet und der portugiesische Staatshaushalt mehr oder minder von englischen Krediten abhängig war, seine Kolonien abstoßen müsste).

Das Problem für Berlin war dass:

1. Österreich-Ungarn das Tempo im Rüstungswettlauf nicht mithalten konnte, weil die Mittel dazu fehlten und sich damit das Gewicht zwischen den Blöcken immer weiter in Richtung er Entente verschob.
2. Die Annäherung an London nicht den Effekt hatte Großbritannien aus der Entente heraus zu lösen, was aus Londoner Sicht einfach daran lag, dass man auf die Kolonialabkommen mir Russland nicht verzichten wollte, in Berlin aber gänzlich anders aufgefasst wurde.
3. Das Berlin aus geheimdienstlichen Quellen wusste, dass Großbritannien und Russland an einer Marinekonvention arbeiteten, die auch den Eventualfall eines Krieges mit Deutschland beeinhaltete, während der britische Außenminister Grey gegenüber den deutschen Stellen die Existenz solcher Gespräche bestritt.
Das machte Berlin misstrauisch gegenüber der gesamten britischen Politik.
 
Eher wie Caprivi, dem die Bismarck'sche Schaukeldiplomatie zuwider war, was die grundsätzliche Anschauung angeht, aber mit anderen Konsequenzen.

Nein. Caprivi war ja nach eigenen Bekunden gar nicht in der Lage "Das Spiel mit den fünf Kugeln zu spielen". Er nahm mit zwei vorlieb. Also wohl eher eine Frage der Kompetenz. Caprivi hat übehaupt gar keine Erfahrung mit auswärtiger Politik. Woher sollte die auch kommen. Er war zuletzt Chef des X.Armeekorps, davor Chef der Admiralität. Ein Berufssoldat, der es gewohnt war Befehlen zu folgen und deshalb für Wilhelm II. 1890 erste Wahl.
Gleiches gilt ja auch für den Staatssekretär des Äußeren Adolf Marschall von Bieberstein, einen gelernten Juristen, der zuvor als Badischer Gesandter am Bundesrat. Auch ihm fehlte es an entsprechender Kompetenz. Beide waren wohl nicht in der Lage ein kompetentes Urteil über Bismarcks Außenpolitik abzugeben.

Die Außenpolitik wurde vor allem von Holstein, aber auch Raschdau und Kiderlen gemacht.

Giers und Lambsdroff waren Funktionsträger innerhalb eines monarchischen Systems, die jederzeit durch eine Laune des Zaren verschwinden und durch Leute ersetzt werden konnten, die ganz anders tickten.

Meinst du, das ist neu für mich. Alexander III. arbeitete gern mit vertrauten Gesichtern und wechselte eben nicht so ohne Weiteres sein Personal aus. Sowohl Giers als auch dessen Amtsvorgänger Gortschakow konnten am Ende ihrer dienstlichen Tätigkeit auf ein lange Amtszeit zurückschauen. Lambsdorff wurde 1897 der Stellvertreter des Außenminister und 1900 selbst Außenminister.

Was wäre dann passiert?

Darüber erteilen die Verträge eindeutige Auskunft. Petersburg war über den Zweibund im Bilde und wusste über die deutsche Verpflichtung im Falle eines russischen Angriffs auf Österreich-Ungarn. Das war ausreichend, um sicherzustellen, das genau dies nicht passiert.
Im Falle eines österreichisch-ungarischen Angriffs konnte Wien nicht auf dem Beistand Berlin rechnen, denn das gab der Zweibund nicht her.
Auch hier gilt, das diese Bestimmung Wien davon abhalten würde, Russland anzugreifen.


In einer solchen Situation wäre der Rückversicherungsvertrag, bzw. die Möglichkeit seiner Veröffentlichung und der damit verbundenen Beschädigung des Verhältnisses Berlin-Wien für St. Petersburg der Hebel zur Durchsetzung der eigenen Interessen gewesen, den Schaden hätte Berlin gehabt, wenn Wien daraufhin den Zweibund infrage gestellt hätte.

Du spekuliert schon wieder. Fakt ist, das es so nicht gekommen ist. Du suchst irgendwie das Haar in der Suppe.

Der RV war so lange für Deutschland relativ ungefährlich, so lange sich am Balkan die Ereignisse nicht überschlugen und es zu keiner Krise kam. Kam es doch dazu oder wären in Russland andere Köpfe ans Ruder der Außenpolitik gekommen, konnte der RV Deutschlands gesamte Außenpolitik über den Haufen werfen.

Sehe ich nicht so, denn beide Vertragspartner wussten ja wohl um die Bestimmungen der Verträge. Wo wäre hypothetische denn 1908/09 oder 1912/13 eine deutsche Verpflichtung gegenüber Wien gewesen. Es bestand keine.

Ich habe Italien noch nie besonders nachsichtig betrachtet, ich gehe nur beim Ausmaß deines Misstrauens nicht mit.

Also ich habe deine Ausführungen anders interpretiert und zwar engagiert für Italien und gegen Österreich. Vielleicht habe ich dich ja missverstanden.

Russland war nicht bereit dazu, so lange Berlin sich gegen russische Wünsche auf dem Balkan stellte und mit Russlands Balkanrivalen Österreich-Ungarn verbündet war.

Russland war generell nicht dazu bereit und das auch schon vor dem Bündnis mit Wien im Jahre 1879.
 
Beim Abschluss den Bündnisses standen militärtpolitische ratio Pate. Der k.u.k. Das Bündnis war attraktiv, denn ansonsten hätte man im Falle eines Krieges gegen Russland nämlich ganz alleine gegen dessen gesamte militärische Macht gestanden.
Und warum genau hätte es zu einem Krieg gegen Russland kommen sollen? Insofern Russland überhaupt keine Anstalten machte sich Österreichische oder deutsche Territorien einverleiben zu wollen und auch keine Anstalten machte sich aus dem polnischen Teilungskonsens zu verabschieden, konnte einzig der Balkan aus österreichischer Sicht ein Anlass zum Krieg gegen Russland sein.
Heißt Österreich hatte nur von einem Partner Nutzen, der seine Balkaninteressen stützte und wenn Deutschland qua Rückversicherungsvertrag mit Russland zu verstehen gab, dass es das im Zweifel nicht tun würde und das nach Wien durchsickerte, dann war Berlin für Wien als Bündnispartner nutlos.

Du argumentierst so als hätte man in Österreich ernsthaft die eigene territoriale Integrität bedroht sehen müssen.
Das war aber durch die russische Aktion gegen das Osmanische Reich nicht der Fall. Das bedrohte Österreich-Ungarns imperiale Machtinteressen, aber nicht Österreich-Ungarn selbst.

Du übergehst völlig, dass weder Russland noch Deutschland ein Interesse an der Zerschlagung der K.u.K.-Monarchie haben konnten.
Russland nicht, weil dann die Gefahr bestanden hätte, dass sich die deutschsprachigen Teile der Monarchie Deutschland anschließen und Deutschland noch mächtiger machen würden.
Deutschland nicht, weil es dann im Osten mit den Russen allein gewesen wäre und eine Koalition Russland-Frankreich, wäre eine solche zustande gekommen, dann noch gefährlicher gewesen wäre.

Selbst ohne Bündnis,und selbst wenn es Russland in einem anderen Szenario tatsächlich auf Österreich-Ungarn abgesehen gehabt hätte, wäre nicht zu erwarten gewesen, dass Deutschland einfach tatenlos danebengestanden und zugesehen hätte, wie die K.u.K.-Monarchie zerschlagen wird

Wien brauchte das Bündnis nicht zur Absicherung seines eigenen Territoriums, Wien brauchte das Bündnis als Instrument seiner Balkaninteressen.
Wenn sich diese Interessen damit nicht bearbeiten ließen, war das Bündnis für Wien nutzlos und es wäre sinnvoll gewesen sich nach einem anderen Bündnis umzusehen und ggf. das Spielfeld zu tauschen, z.b. das Spielfeld Balkan gegen das Spielfeld Süddeutschland oder Norditalien, in einem Bündnis mit Frankreich.
 
Nein. Caprivi war ja nach eigenen Bekunden gar nicht in der Lage "Das Spiel mit den fünf Kugeln zu spielen".
Eben.

Er nahm mit zwei vorlieb. Also wohl eher eine Frage der Kompetenz. Caprivi hat übehaupt gar keine Erfahrung mit auswärtiger Politik.
Unter Caprivi wurde eine wesentlich solidere Außenpolitik betrieben, als unter Bülow, der fälschlicherweise der Meinung war, dass er das "Spiel mit fünf Kugeln" behrerschte, was dann dazu führte, dass Deutschland außenpolitisch mehr oder minder vollkommen bankrott machte.

Du weißt so gut wie ich, dass gegen Ende seiner Amtszeit selbst Bismarck mit seinem Latein am Ende war und dass auch er wusste, dass ein Ausgleich zwischen Wien und St. Petersburg nicht mehr zustande zu bringen war und man sich im Prinzip einer Entscheidung zwischen beiden auf Dauer nicht entziehen konnte.

Der Rückversicherungsvertrag war keine Lösung dieses Problems, er schob nur dadurch Wien zu betrügen, in dem man Wien im Glauben ließ, es würde seinen potentiellen Trumpf, den Bluff mit dem deutschen Bündnis noch ausspielen können, den Augenblick hinaus.

Je länger man den Augenblick hinausschob, desto gefährlicher Wurde das aber, denn je länger Wien davon ausging, diesen Bluff gegebenenfalls einsetzen zu können, desto größer wurde auch die Wahrscheinlichkeit, dass es sich in Risiken einließ, die zu Situationen führen konnten, in denen das ggf. akut geworden wäre.
Früher oder später wäre die Sache aber aufgekippt und dann wäre zu erwarten gewesen, dass Wien sich nicht ganz zu unrecht hintergangen fühlte.

Das hat nichts mit außenpolitischer Fähigkeit oder Unfähigkeit zu tun, Täuschungen halten nicht ewig. Früher oder später kippen sie, möglicherweise durch einen dummen Zufall auf und dann haben sie Konsequenzen.


Alexander III. arbeitete gern mit vertrauten Gesichtern und wechselte eben nicht so ohne Weiteres sein Personal aus.

Ich denke nicht, dass wir darüber diskutieren müssen, wie immens risikoreich es ist seine Außenpolitik vor allem auf den Umstand abzustellen, dass bestimmte Personen auf der Gegenseite, denen man vertraut entsprechende Ministerämter innehaben.

Die Personen selbt konnten Ausfallen, im monarchischen System konnte auch der Zar ausfallen, denken wir an den Mord an Alexaner II.

Auch wenn es nicht zu solchen Extremereignissen kam, konnten politische Konjunkturen den Zaren möglicherweise zwingen seine Minister auszutauschen um innenpolitische Krisen zu entschärfen, selbst wenn er das eigentlich nicht wollte, genau so gut, konnte Dissens innerhalb der russischen Regierung zu Frustration und Demission von Positionen auf Schlüsselpositionen führen.

Darüber erteilen die Verträge eindeutige Auskunft.

Nein, darauf, wie Wien zu reagieren habe, wenn es erführe, dass sein Partner Deutschland hinter seinem Rücken mit seinem Erzfeind Russland kungelte, steht in den Verträgen nichts drinn.

Deine eigene Aufregung über das italienische Verhalten illustriert ganz gut, wie Wien im Extremfall hätte reagieren können, nämlich es als Verrat an seinen Interessen zu berachten.
In diesem Fall, wäre der Zweibund möglicherweise wertlos geworden.

Du spekuliert schon wieder.
Schreibt mir derjenige, der sich darann hochzieht, was im unwahrscheinlichen Fall, dass Frankreich in einer vollkommen schwachsinnigen Harakiri-Aktion das deutlich stärkere Deutschland angegriffen hätte, Italien möglicherweise seine Verpflichtungen nicht hätte erfüllen können? ;-)

Sehe ich nicht so, denn beide Vertragspartner wussten ja wohl um die Bestimmungen der Verträge. Wo wäre hypothetische denn 1908/09 oder 1912/13 eine deutsche Verpflichtung gegenüber Wien gewesen. Es bestand keine.

Nun, es bestand auch für Italien keine reale Verpflichtung, die es verboten hätte einen Neutralitätspakt mit Frankreich einzugehen.
Was dich nach wie vor nicht daran hindert das italienische Verhalten letztendlich als "Verrat" zu beurteilen.
Wie hätte Wohl Wien Deutschlands Verhalten bewertet, hätte es daran die gleichen Maßstäbe angelegt, wie du sie an das italiensiche Verhalten anlegst?

Also ich habe deine Ausführungen anders interpretiert und zwar engagiert für Italien und gegen Österreich. Vielleicht habe ich dich ja missverstanden.

Ich habe nur dahingehend eingelassen, dass gemäß des Dreibundvertrages Italien möglicherweise tatsächlich Kompensationsansprüche gegenüber Wien hatte und die Wiener Haltung davon in keiner Weise etwas wissen zu wollen und in dieser Sache nicht proaktiv auf Rom zuzugehen, nicht sonderlich geschickt war, wenn man Italien beim Dreibund halten wollte.

Russland war generell nicht dazu bereit und das auch schon vor dem Bündnis mit Wien im Jahre 1879.

Wann hatte Berlin Russland denn ein militärisches Bündnis unter expliziter Zusage aktiver Unterstützung für die russischen Balkanintressen, nötigenfalls auf Kosten Österreichs angeboten?
 
Und warum genau hätte es zu einem Krieg gegen Russland kommen sollen? Insofern Russland überhaupt keine Anstalten machte sich Österreichische oder deutsche Territorien einverleiben zu wollen und auch keine Anstalten machte sich aus dem polnischen Teilungskonsens zu verabschieden, konnte einzig der Balkan aus österreichischer Sicht ein Anlass zum Krieg gegen Russland sein.
Heißt Österreich hatte nur von einem Partner Nutzen, der seine Balkaninteressen stützte und wenn Deutschland qua Rückversicherungsvertrag mit Russland zu verstehen gab, dass es das im Zweifel nicht tun würde und das nach Wien durchsickerte, dann war Berlin für Wien als Bündnispartner nutlos.

Zunächst war in der Summe ein Bündnis mit Deutschland in Österreich durchaus populär. Andrassy ging es um deutsche Unterstützung gegen Russland. Das Dreikaiserbündnis war Andrassy geradezu peinlich und bei seinen Landsleuten, die mittlerweile allergisch auf eine Zusammenarbeit mit Russland reagierten, verhasst. Des Weiteren ging es darum nach dem Berliner Kongress nicht isoliert dazustehen.

Andrassy war aber nur zu einem Defensivbündnis bereit, das hieß jeden Angriffs den Russland allein oder im Bunde mit anderen Mächten gegen eine der beiden deutschen Mächte richten könnte.

Leider ist die Aktenlage zum Thema Verhandlungen mit Deutschland außerordentlich mager. Das Andrassy Archiv ist verschollen, das vorhandene Material ist in der GP abgedruckt.

Ich zitiere hier einmal Andrassy:

„[…] Ich muß gestehen, solange ich die Fackel nicht ausgelöscht sehe, die Kaiser Alexander halb unbewußt auf dem europäischen Pulverfasse herumschwingt, solange ich den Frieden Europas in den Händen eines Miljutin, eines Jomini, nächsten wohl eines Ignatiew weiß, kann ich keine Beruhigung finden. Ichglaube jeder Staat – wenn auch wir weniger als andere- hat heute genug zu tun, um die Autorität gegen subversive Elemente im Inneren zu schützen - , wie soll das aber geschehen, und wer soll es imstande sein, wenn der Staat die Hälfte seiner Kraft und Wachsamkeit gegen Gefahren richten muss, die nicht von innen, sondern von außen – nicht von unten, sondern von oben kommen.

Ich hege kein Zweifel in die persönlichen Absichten des Kaisers Alexander. Ich bin überzeugt, er will heute keinen Krieg. Aber als Minister eines Nachbarstaates, kann ich nicht vergessen, daß er auch nicht den Krieg gewollt hat, der eben zu Ende ist, und das er vom Anfang bis zu Ende nicht versucht hat, der Richtung Herr zu werden, die seiner immediaten Umgebung entsprungen war.

Das diese Gefahren irgendwie vorgebeugt werde, halte ich für eine europäische Norwendigkeit […]“

Die Motivlage Andrassys wird hier einigermaßen deutlich.
 
Die Motivlage Andrassys wird hier einigermaßen deutlich.
Ich denke, davon haben wir zwei verschiedene Deutungen.

Andrassy fürchtete, die Umgebung des Zaren könne diesen in einen Krieg treiben. Er schreibt allerdings nicht gegen wen und warum.

Was ist da gemeint? Ein Angriff Russlands auf die Donaumonarchie? Ein erneuter Angriff Russlands auf das Osmanische Reich? Ein Krieg der sich daran entzünden könnte, falls Russland zu einer Revision von San Stafano nicht bereit wäre? Ein Krieg, möglicherweise gar nicht von Russland sondern von einem der Balkanstaaten oder einem ganz anderen Akteur ausgelöst wird und in den sich Russland möglicherweise wegen inkompetenter oder böswilliger Minister hineinziehen lässt?

Das Andrassy explizit um die territoriale Integrität der Donaumonarchie fürchtete geht daraus nicht hervor.

Erschwerend hinzu kommt, dass Andrassy seine Befürchtungen hier auch auf die vermutete Manipulierbarkeit Zar Alexanders abstellte, sofern das Zitat von 1878 oder 1879 ist, handelt es sich hier aber um Alexander II. der wenige Jahre später Ermordet wird.
Womit wenn der als wankelmütig empfundene Monarch und seine Minister für Andrassy Anlass zur Sorge waren, nicht gesagt ist, dass diese Motivlage 5 Jahre später noch bestand.
 
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