Norwegen - die letzten Imperialisten?

Ich will einfach mal noch einen Gedanken dazu einwerfen:

Ob die Norweger eventuell eine imperialistische Macht geworden wären, wenn sie früher unabhängig geworden wären, vermag ich nicht einzuschätzen.
Fest steht, daß die nordischen Stämme im Mittelalter, also auch die Vorfahren der heutigen Norweger, tatsächlich ein Imperium aufgebaut hatten, daß vom Kiewer Rus im Osten bis nach Grönland im Westen (und man vermutet ja, für einige Jahrzehnte auch bis Neufundland) und bis Süditalien im Süden reichte. Dabei eroberten sie nicht nur viele Ländereien sondern trieben auch mit allen Völkern, die ihnen etwas zu bieten hatten, Handel - z. B. auch mit Byzanz und mit den Arabern. Und sie blieben untereinander in Kontakt.
Der Imperialismus hat also bei den nordischen Völkern durchaus eine große Tradition.
Nur sehe ich eben nicht, daß Norwegen im 20. Jh. an diese Tradition angeknüpft hätte. Vielmehr übernahmen sie sofort die Vorreiterolle bei der Erforschung der Polargebiete.
 
Norwegen mag geschickt vorgegangen sein und Konflikte vermieden haben, aber es hat fremde Gebiete "okkupiert", da beißt die Maus keinen Faden ab.

"Bei einer Okkupation oder Besetzung wird in einem bevölkerten Gebiet die vorhandene Staatsmacht durch einen externen Machthaber auf dessen Initiative durch die seinige ersetzt." (Wikipedia)

Du kannst die Maus drehen wie du willst, der Faden ist schon aufgegessen. Weder auf Svalbard noch auf der Bouvetinsel hat Norwegen seine politischen Machtansprüche auf dortige Lebewesen zementiert.
Die ersten sesshaften Spitzbergener waren Anfang des 20.Jahrhunderts zudem Norweger, die Steinkohle abbauten. Svalbard gehörte völkerrechtlich niemanden. Und mit einem Svalbard-Vertrag wurde die Inselgruppe den Norwegern international zugesprochen. Da ist nichts imperiales daran.
 
Um 1900 rum war Spitzbergen wirklich Niemandsland.
Das sieht man unter anderem daran,daß jede Schiffahrtslinie seine eigenen Briefmarken gedruckt hat für Spitzbergen,um die Post zu befördern.
 
Der Imperialismus hat also bei den nordischen Völkern durchaus eine große Tradition.
Nur sehe ich eben nicht, daß Norwegen im 20. Jh. an diese Tradition angeknüpft hätte.


Danke, das ist eine differenzierte und nachvollziehbare Ansicht.

Vielmehr übernahmen sie sofort die Vorreiterolle bei der Erforschung der Polargebiete.


"Sofort" im Sinne von "in erster Linie" wohl aber nicht. Da wäre wohl eher der Wahlfang zu nennen, und eben Kohle.


Daß Spitzbergen unbewohnt war, habe ich doch an keiner Stelle bezweifelt! Aber zwei Anmerkungen hierzu. Erstens trifft das nicht auf alle von Norwegen beanspruchten Gebiete zu (Ostgrönland), und zweitens traf, um einen anderen Vergleich zu bemühen, das Prädikat "Niemandsland" auch auf eine Vielzahl von Südseeinseln Ende des 19. Jhdts. zu. Die Inbesitznahme dieser durch verschiedene Staaten wird aber schon als "imperialistisch" eingestuft.

Und wenn das Ausgreifen Norwegens nun nicht als imperialistisch anzusehen ist, wie sollte man seine territoriale Ausweitung dann klassifizieren?
 
Und wenn das Ausgreifen Norwegens nun nicht als imperialistisch anzusehen ist, wie sollte man seine territoriale Ausweitung dann klassifizieren?

Mach es nicht so kompliziert.
Wie würdest Du Dinge/Sachen nennen, die man Dir unentgeltlich überlässt?
 
Und wenn das Ausgreifen Norwegens nun nicht als imperialistisch anzusehen ist, wie sollte man seine territoriale Ausweitung dann klassifizieren?


Das finde ich nun schon eine interessante und auch berechtigte Frage.

Es müßte aber erst geklärt werden, ob noch weitere Staaten Ansprüche erhoben hatten und welches die genauen Gründe waren, daß Norwegen die Inseln zugesprochen bekam. Bei Wiki stand ja, daß auch andere Staaten das Recht haben, Bodenschätze abzubauen, Russland machte bisher als einziges Gebrauch davon. Aus norwegischer Sicht stellt das natürlich eine starke Einschränkung beim Zugriff auf das eigene Staatsgebiet dar.
 
Apropos Norwegen.
Heute ist der 17. Mai.
Das ist in Norwegen Nationalfeiertag.
Am 17. Mai 1814 wurde in Eidsvoll die norwegische Verfassung verabschiedet.

flaggen14.gif
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Um dies aufzugreifen...

Heute ist der 17. Mai.
Das ist in Norwegen Nationalfeiertag.
Am 17. Mai 1814 wurde in Eidsvoll die norwegische Verfassung verabschiedet.

Berechtigter Hinweis; und da wir ja hier im Geschichtsforum sind, gleich noch ein Abriß zum historischen Hintergrund dazu: http://www.nord-weg.de/geschichte/trennung_Danmark.htm

Und mir ist noch etwas aufgefallen... sorry @Barbarossa...
Fest steht, daß die nordischen Stämme im Mittelalter, also auch die Vorfahren der heutigen Norweger, tatsächlich ein Imperium aufgebaut hatten, daß vom Kiewer Rus im Osten bis nach Grönland im Westen (und man vermutet ja, für einige Jahrzehnte auch bis Neufundland) und bis Süditalien im Süden reichte.

Die Kiewer Rus - um es ein wenig zu differenzieren - wurde höchstwahrscheinlich durch schwedische Wikinger begründet, während die Fahrten sowohl der dänischen als auch der norwegischen Wikinger gen Westen führten (mit späterer dauerhafter Besiedlung in der Normandie, dem Danelag in England sowie in Irland bzw. zusätzlich noch der tatsächlichen später untergegangenen Besiedlung in Grönland und der vermuteten "Kurzbesiedlung" in Neufundland - daß sie dort gelandet sind, gilt als sicher).
Die späteren Normannenstaaten (England ab 1066, Süditalien, Fürstentum Antiochia) stehen jedoch in einem anderen Kontext, da die betreffenden Normannen zu jenen Zeiten bereits frankophon und ein in die (west-)europäische christliche Welt integriert waren (nicht nur religiös, sondern auch kulturell) - und zudem die Zeit der Wikinger (eben die Fahrten in großem Maßstab) vorüber war.

Aber das war jetzt genug Off Topic; und in die laufende Diskussion wollte ich mich auch gar nicht einmischen... :fs:
 
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Also, die reine Ausdehnung eines Machtbereiches schon als Imperialismus zu bezeichnen, halte ich mit Verlaub für abenteuerlich. Dann war das ganze Mittelalter und ie Neuzeit weithin imperialistisch, da sich dauernd die Staatsgrenzen änderten.
Was nun die Union Norwegen/Dänemark anbetrifft, so ist die Personalunion keine Ausdehnung des Machtbereiches eines Landes. Norwegen kam an Dänemark erst nach der Reformation und der Grafenfehde, als 1537 unter Christian III. der norwegische Reichsrat abgeschafft wurde und das Land unmittelbar aus Kopenhagen regiert wurde: "Wenn Christian die Macht in Norwegen oder über Teile des Reiches erhält, soll dieses in Zukunft unter Dänemarks Krone genauso wie anderes Land sein, Jylland, Fyn, Sjelland oder Schonen und nicht weiterhin ein Königreich für sich heißen, sondern ein Glied von Dänemarks Reich und unter Dänemarks Krone für ewige Zeit sein." (Handfestning König Christians III. bei der Krönung). Zu der Zeit übte noch Erzbischof Olav Engelbrektsson die Macht in Norwegen aus. Er floh 1537 aus Norwegen und starb in Holland. Da trat die Bedingung ein, dass Christan III. in Norwegen unangefochten war.
Aber auch das ließ sich nicht vollständig umsetzen. Der erste Traktat nach dieser Regierungserklärung wurde 1541 in Bromsö erlassen. Da wird Nowegen wieder besonders aufgeführt. Es hatte auch einen eigenen Haushalt.

Island war auch vorher nicht Teil Norwegens, sondern durch den "Alten Vertrag" an Norwegen gekoppelt - Personalunion. Auch unter dänischer Herrschaft behielt Island eine gewisse geringe Selbständigkeit, so z.B., dass Gesetze nur Gültigkeit hatten, wenn sie ins Isländische übersetzt und auf dem Althing verkündet worden waren. So behielten sie im Gegensatz zu Norwegen ihre Sprache. Das galt auch nach 1537. Der Zustand ähnelt dem der Besatzungszonen nach dem WK II. Bis zur Selbständigkeit war der König/die Königin auch Königin von Island, was dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, dass sie unter ihren Vornahmen auch einen isländischen hatten. Island wurde nie Teil Dänemarks wie ein Bundesland in Deutschland. Es hatte eher einen Kolonie-Status.
 
Es müßte aber erst geklärt werden, ob noch weitere Staaten Ansprüche erhoben hatten und welches die genauen Gründe waren, daß Norwegen die Inseln zugesprochen bekam.

Hier die Hintergründe des Vertrages. Da Svalbard kein norwegisches Staatsgebiet ist erübrigen sich "imperiale" Hintergrundgedanken. Es steht nur unter Oberhoheit, heisst Verwaltung und Gesetzgebung ist norwegisch.
http://www.spitzbergen.de/HTML-Dateien/Spitzbergen%20Geschichte/D%20Svalbard%20Vertrag.htm

So weit ich informiert bin, sind die Russen/Ukrainer zwar formal noch in Barentsburg, aber Steinkohle wird dort nicht mehr abgebaut. Der Ort verkommt.
 
Kolonien wurden nicht per internationalem Vertrag (wie Svalbard) abgeschlossen.
Mit "Schutzgebiete" meinst sicherlich nicht Tier-, Vogelschutzgebiete. Die entstehen weder imperial noch kolonistisch (wenn man den Begriff "Vogelkolonie" nicht missdeuten will).
Die sonstigen "Schutzgebiete" sind entweder auf Initiative der ansässigen Bevölkerung zum Schutz vor benachbarten übermächtigen Feinden entstanden oder der Inbesitznehmer erklärte das Land kurzerhand zum "Schutzgebiet" unter Flagge des Inbesitznehmers.
Bei Svalbard trifft beides nicht zu.
 
Verträge gab es ebenfalls in Bezug auf Abgrenzung von Kolonien. Die "einfache Inbesitznahme" trifft so auf Spitzbergen nicht zu, wohl aber auf Jan Mayen.
 
Verträge gab es ebenfalls in Bezug auf Abgrenzung von Kolonien. Die "einfache Inbesitznahme" trifft so auf Spitzbergen nicht zu, wohl aber auf Jan Mayen.

Jan Mayen war der einzige Fleck von Norwegen,der im zweiten Weltkrieg nicht von den Deutschen besetzt war.
Die Deutschen werden schon gewußt haben warum sie das nicht haben wollten.
 
Jan Mayen war der einzige Fleck von Norwegen,der im zweiten Weltkrieg nicht von den Deutschen besetzt war.
Die Deutschen werden schon gewußt haben warum sie das nicht haben wollten.


Na ja, es wird den Nazis zu weit abseits gelegen haben - sehr dicht an Grönland und Island, da werden gleich mehrere Gründe dagegen gesprochen haben, z. B. zu weite Wege für die Verpflegung, bei einem Gegenangriff zu entfernt, um schnell Verstärkung zu schicken und da man wohl (vorerst) nicht auf Grönland und Island landen wollte, war es strategisch auch nicht wichtig.
:grübel:
 
Na ja, es wird den Nazis zu weit abseits gelegen haben - sehr dicht an Grönland und Island, da werden gleich mehrere Gründe dagegen gesprochen haben, z. B. zu weite Wege für die Verpflegung, bei einem Gegenangriff zu entfernt, um schnell Verstärkung zu schicken und da man wohl (vorerst) nicht auf Grönland und Island landen wollte, war es strategisch auch nicht wichtig.
:grübel:
Die Deutschen wollten es nicht.
Das will schon was heißen.
Aber jetzt ist da eine Militärbasis.
 
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