Weltgeistliche (Säkularkleriker) im Hochmittelalter
von Hans F. Blaß
Prolog:
Der Mensch im Mittelalter definierte sich über den Glauben, bzw. über seinen - glaubensbedingten - Platz in der göttlichen Ordnung. Dieses war im christlichen Abendland in aller Regel der christliche Glaube. Das Alltagsleben war von der Religiosität durchdrungen (dies beinhaltet ebenso volksreligiöse wie amtkirchliche Inhalte), was sich unter anderem in häufigem Gebet, in Alltagshandlungen - wie Grußformeln und sonstiger Bezugnahme auf religiöse Elemente, Heiligenkult, "Bilderstöcken" usw. ausdrückte. Ebenso wie in der Verehrung und Hochachtung gegenüber dem Klerus, in jeglicher Gestalt.
Die Intensität des religiösen Lebens erfasste im 12. Jahrhunderts neben den Ordensgeistlichen auch den Weltklerus. Das gemeinsame Leben nach einer bestimmten Regel wurde ein Ideal für die Seelsorger und konnte auch den höheren Klerus für eine Reform gewinnen. Unter dem Schutz der Päpste bildeten sich so zahlreiche, miteinander höchstens lose verbundene Gemeinschaften, deren Stifte unter den Bischöfen standen. Auch einzelne Benediktiner- und Benediktinerinnenklöster wandelten sich zu Stiften um. Die Augustiner - Chorherrenstifte pflegten in der ersten staufischen Zeit oftmals eine eigene, von der aufkommenden Scholastik noch unbeeinflusste Theologie.
Grundherrschaft, konnte in den deutschen Gebieten des Mittelalters sowohl ein weltlicher als auch ein geistlicher Eigentümer ausüben. Nicht unbeträchtliche Teile bäuerlich genutzten Landes befanden sich immer auch in der Hand einer Abtei oder eines Bistums. Der Grundbesitz der Kirche war jedoch nicht gemeinschaftlich zusammengefasst, sondern blieb in dem Besitz einer Abtei oder eines Bistums.
Die Kirche war und blieb eine große Institution des gesellschaftlichen Lebens neben der Adelsherrschaft.
Hierarchie und Struktur
Die Ausbildung der Geistlichen vollzog sich im Normalfall durch eine Art Lehre bei den Ortspfarrern, die auch Kandidaten aus den Familien auswählten. Nur die größeren Städte leisteten sich Domschulen mit einem geregelten Ausbildungsgang.
Bei den Weltgeistlichen finden wir eine erstaunlich breite Palette von Ausprägungen vor: Sie reichen vom "Einfache - Leute - Priester", dem "kleinen" Dorfgeistlichen, der eine vom Gutsherrn unterhaltene Eigenkirche versorgte. Der Dorfgeistliche war in der Regel schlecht ausgebildet. Er verstand es gerade die elementarsten liturgischen Handlungen vorzunehmen. Es handelt sich oft um einen einfachen Mann, der in seiner Kindheit eventuell als Ministrant bei der Eucharistiefeier geholfen hat und anschließend, nach einigen Unterweisungen in sein Amt entlassen wurde. Auch Unfreie konnten sich mit der Erlaubnis ihres Grundherrn einem geistlichen Amt zuwenden. Ihr Sozialprestige lag dann erheblich über dem des einfachen Bauern. Bei der Einsetzung eines Pfarrers in die Eigenkirche des Grundherrn war dessen Zustimmung nötig.
Der städtische Stiftskanoniker, konnte falls er nicht gemäß den ursprünglichen Regeln (als regulierter Chorherr) in einer Stiftsgemeinschaft lebte, in der Stadt ein großes Haus mit Gesinde bewohnen und von seelsorgerischen Aufgaben praktisch ganz freigestellt sein.
Neben den Herrschern stehen die Bischöfe des Reiches. Sie sind beinahe Teilhaber ihrer Macht; belehnt mit den Gebieten ihrer Hochstifte, leben sie einen großen Teil des Jahres am Hof. Sie sind an der Wahl des Königs mitbeteiligt, sie salben und krönen ihn, sie sind die Ratgeber und Kanzler der Herrscher. Die Bischöfe sind Diplomaten, Heerführer und Geschichtsschreiber der Herrscher. Ihre Stellung im Reich wird immer einflussreicher, schließlich wird sie verfassungsrechtlich abgesichert. Friedrich II. muss ihnen für die Wahl seines Sohnes Heinrich (VII.) zum deutschen König in den Privilegienbriefen von 1220 so viele Rechte einräumen, dass sie nunmehr den weltlichen Fürsten im Reich gleichgestellt sind. Aus den "Reichsbischöfen" werden die Geistlichen Fürsten. Einer von ihnen, Engelbert von Köln, wird vom Kaiser zum Vormund seines Sohnes und zum Reichsverweser bestellt. Im Denken der Zeit fielen Ausbreitung des Reiches und Verbreitung des Evangeliums, christliche Mission und neue Organisation der Kirche zusammen. In der Missionierung des Ostens fand der Deutsche Orden eine neue Aufgabe. Die Bistümer waren für die Seelsorge der dorthin zahlreich eingewanderten deutschen Bauern verantwortlich.
Neben den Bischöfen hatten die Äbte, die Reichsäbte vor allem, die Klöster und die Orden ihren festen Platz im Gefüge des Heiligen römischen Reiches.
Die Erzbischöfe entstammten dem Hochadel, neben ihren vielen Aufgaben geriet das geistliche Amt oft zu einer Nebensache. An den großen kirchlichen Feiertagen, hielt jedoch in der Regel ein Erzbischof den Gottesdienst für die Herrscherfamilie. Da für den hohen Klerus der Zölibat galt, hatten sie keine Nachkommen, zumindest keine legitimen. Die Nachfolge bei hohen Kirchenämtern musste immer wieder neu bestimmt werden; zwar besaßen die Domkapitel ein formelles Wahlrecht, nahmen es jedoch mit letzter Entschiedenheit nicht wahr. Maßgeblich blieb der Personalvorschlag des weltlichen Herrschers.
Hohe Kleriker waren fürstengleich und hielten Hof wie Fürsten. Sie vertraten die Ekklesia triumphans, die triumphierende Kirche. Die Macht, also auch die geistliche Macht, wurde über Insignien und Darstellung nach Außen auch durch aufwendige, prunkvolle Kleidung zur Schau gestellt. Bischofskirchen und Domschätze vermitteln einen weiteren Eindruck der Pracht, die der Hohe Klerus entfaltete.
Von besonderer Bedeutung ist auch die enge Verzahnung von Adel und Amtskirche. Es wird kaum eine adlige Familie gegeben haben, die nicht mindestens eines ihrer Mitglieder im kirchlichen Dienst untergebracht hatte...
Zusammengestellt von Carsten Baumann und Hans Blaß
Siehe auch:
Hierarchie der Geistlichen Hans Frerich Blaß und Carsten Baumann anno 2001
Quellenangaben:
Der Klerus in der höfischen Gesellschaft (Der Hofgeistliche) Carsten Baumann
Höfische Kultur Joachim Bumke
Brockhaus Lexikon
Das Zeitalter der Christenheit: Einblicke in das Leben der hochmittelalterlichen Christenmenschen
Thomas Ruster in Das Hohe Mittelalter Taschen Verlag
Formulierung von Urkunden
Nicolaj Thon, zitiert aus einem Thread in der TV im Tempus - vivit
Katalog: Die Zeit der Staufer, Band I, II, III, und V.
Die Kanzlei Friedrich Barbarossas, Heinrich Appelt, Katalog: Die Zeit der Staufer, Band V
Die Kirche oder die Christenheit, Hermann Tüchle, Katalog: Die Zeit der Staufer - Band III
Das Bischofsornat, Die Ordenstracht Hans Frerich Blaß anno 2000
Hierarchie der Geistlichen Hans Frerich Blaß und Carsten Baumann anno 2001
Hof (curia) und höfische Lebensführung (vita curialis) als Herausforderung an die christliche Theologie und Frömmigkeit Klaus Schreiner
In: Höfische Literatur Hofgesellschaft Höfische Lebensformen um 1200
HG Gert Kaiser und Jan-Dirk Müller STUDIA HUMANIORA Droste, 1986
Backmund, Norbert: Geschichte des Prämonstratenser Ordens Morsak Verlag, Grafenau, 1986.
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Le Goff, Jaques (Hg): Fischer Weltgeschichte Band 11. Das Hochmittelalter. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 1965
Heinrich Pleticha (Hg) Bertelmann Lexikon Verlag, Band 5, Kaiser und Kalifen, Gütersloh 1996
Ornamenta Ecclesiae (Katalog) Kunst und Künstler der Romanik in Köln