Österreichische Nazis

@Ravenik,
innenpolitische Auseinandersetzungen in Österreich sind ja die eine Sache.
Die spielten in Bezug auf Waldheim scheinbar keine Rolle während seiner langen Amtszeit als Generalsekretär der UNO.
Mei, wer kannte schon das kleine Österreich auf der großen Bühne der Welt?
Und wenn, dann herrschte wohl die sehr gnädige Erzählweise vor, Österreich sei das erste Opfer des aggressiven 3.Reichs gewesen.

Die plötzlich eintretende außenpolitische Isolierung Waldheims nach seiner Wahl zum Präsidenten der Republik, lässt sich aber nicht einfach durch angenommene innenpolitische Ränkespiele auf der lokalen Bühne erklären.
Der Mann erfuhr geradezu eine Ächtung.
Unvermittelt wurde er zur Symbolfigur einer bislang geglaubten Lebenslüge Österreichs:
Ich habe nur meine Pflicht(!) erfüllt, ich habe ein reines Gewissen und habe von nichts gewusst.

Das Opfer-Mythos konnten Österreicher nun nicht mehr ohne Weiters vertreten.
Und dies kristallisierte sich unvermittelt zu der Zeit heraus, als Waldheim mit seinen unsäglichen Einlassungen auf die kleine Bühne zurückkehrte.
 
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Die innenpolitischen Ränke waren der Anstoß.

Als Kurt Waldheim 1970/1971 erstmals für die Bundespräsidentschaft kandidierte, thematisierte die SPÖ seine mutmaßliche/angebliche Vergangenheit noch nicht. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil er damals gegen den Amtsinhaber von der SPÖ antrat und ein Sieg gegen einen Amtsinhaber in Österreich ohnehin als unmöglich gilt; vielleicht, weil es doch ziemlich blöd ausgesehen hätte, wenn man dem Oppositionskandidaten seine Vergangenheit vorwirft, während man selbst vier Altnazis in der Regierung sitzen hat; vielleicht auch, weil es 1970/71 in Österreich noch mehr Menschen mit möglicherweise unrühmlicher Vergangenheit im 3. Reich gab als 1985/86 und man sie als Wähler nicht vor den Kopf stoßen wollte.
Während seiner zehnjährigen Amtszeit als UN-Generalsekretär (als er im Blick der gesamten Welt stand) war seine Vergangenheit auch kaum Thema.
1985 wollten Ex-Kanzler Kreisky und Kanzler Sinowatz (beide SPÖ) Waldheim als gemeinsamen parteiunabhängigen Kandidaten von SPÖ und ÖVP aufstellen. Damals hatte die SPÖ mit ihm also offenkundig noch kein Problem. Daraus wurde aber nichts, vor allem da die ÖVP zuversichtlich war, dass Waldheim einen SPÖ-Kandidaten schlagen würde, und sie sich diesen politischen Prestigeerfolg (nach 16 Jahren ununterbrochener Niederlagen bei Wahlen auf Bundesebene) nicht entgehen lassen wollte. Erst jetzt, als sich eine Niederlage abzeichnete, wurde Waldheims Vergangenheit für die SPÖ plötzlich zum Thema - und damit auch für ihr nahestehende österreichische Medien. Das setzte eine Welle in Gang, die rasch über die Landesgrenzen hinausschwappte und sich zu einer internationalen Affäre auswuchs.

Die Geschichte wäre vermutlich ziemlich anders verlaufen, wenn Waldheim tatsächlich als gemeinsamer Kandidat von SPÖ und ÖVP angetreten wäre.
 
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Die innenpolitischen Ränke waren der Anstoß.
Das kann man ja annehmen, wobei es wahrscheinlich schwierig bleibt den Zeitpunkt zu finden der den Stein schließlich ins Rollen brachte.
Im März 1986, rd. zwei Monate vor der Wahl sind es die Presse (Profil, New York Times) und der Jüdische Weltkongress (JWC) die Fakten aufzeigen nach denen die bisherigen Einlassungen des Waldheim zu seiner Vita im kritischen Zeitraum nicht stimmen können.
Das kann ebenso der Wendepunkt, oder der "Anstoß" gewesen sein.

Erst jetzt, als sich eine Niederlage abzeichnete, wurde Waldheims Vergangenheit für die SPÖ plötzlich zum Thema - und damit auch für ihr nahestehende österreichische Medien. Das setzte eine Welle in Gang, die rasch über die Landesgrenzen hinausschwappte und sich zu einer internationalen Affäre auswuchs.
Auch das scheint mir eine Spekulation zu sein.
Durchaus verwunderlich bleibt die unterstellte These Waldheim sei nicht etwa über seine entlarvten Lügen gestolpert, sondern über die Bösartigkeit der österreichischen Sozialdemokraten.
 
Durchaus verwunderlich bleibt die unterstellte These Waldheim sei nicht etwa über seine entlarvten Lügen gestolpert, sondern über die Bösartigkeit der österreichischen Sozialdemokraten.
Das eine schließt das andere ja nicht aus.

Immerhin bleibt doch verwunderlich, dass Waldheims Vergangenheit während seiner zehn Jahre als UN-Generalsekretär kaum thematisiert wurde, obwohl es doch naheliegend gewesen wäre zu hinterfragen, was dieser Typ aus Österreich eigentlich während des 2. WKs gemacht hat. Anscheinend fehlte es damals noch am nötigen Interesse und Anstoß.
 
Wie wenig Probleme die SPÖ übrigens in Wahrheit mit echten und vermeintlichen Ex-Nazis in der Politik hatte, hatte man bei ihrer ersten, unter Bruno Kreisky 1970 gebildeten, Alleinregierung gesehen, der gleich vier Minister mit NS-Vergangenheit angehörten, darunter ein ehemaliger SS-Untersturmführer. Letzterer musste nach Protesten zwar "freiwillig" zurücktreten, wurde aber prompt durch ein anderes ehemaliges NSDAP-Mitglied ersetzt.


Hier noch einige Informationen zu Ministern unter Kreisky, die eine Nazi-Vergangenheit hatten:

Kreiskys braune Minister
 
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