Oppida und Wallanlagen in Mittelhessen

Stilicho

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Meine Auffassung ist, dass Herrschaft und Produktion nicht am selben Ort waren.
Bei Glauberg, Dünsberg, Donnersberg stelle ich mir die Frage: Was machte die Bedeutung dieses Ortes aus, warum gerade hier? Was wurde hier gehandelt? Bis wohin reichte der Einfluss- und Herrschaftsbereich?

Waren denn die genannten Orte denn so einzigartig?

Wenn ich mir nur das Mittelhessische Gebiet anschaue, haben wir hier dutzende von Wallanlagen und Oppida.
Der Erhaltungsgrad ist sehr unterschiedlich, der Forschungsstand auch, letzterer oft noch im Wandel.
Datierungen sind schwierig und werden häufig durch Einzelfunde auf den Kopf gestellt.

Was wir haben sind Anlagen die häufig auf markanten Erhöhungen am Rand stark landwirtschaftlich genutzter Gebiete lagen.
Oder in der Nähe metallischer Lagerstätten. Größere Anlagen häufig in Sichtweite voneinander, was Kommunikation über Feuer möglich machte.

Wie bedeutend letzlich etwa das Heidetränk-Oppidum, die Amöneburg oder der Christenberg waren, können wir kaum noch sagen.
Die wissenschaftlichen Aussagen sind auch gerne mal widersprüchlich. Da ist von Kupfer auf dem Heunstein oder Buntmetallen auf den Eisenköpfen die Rede, gleichzeitig wird von anderen die Förderung solcher Metalle verneint.
Die Datierungen wirken zum Teil auch eher ausgewürfelt als wissenschaftlich fundiert. Es scheint nicht immer zu stimmen, dass die Siedlungen zur Zeit der römischen Expansion längst verlassen waren. Der Brüler Berg bei Butzbach etwa war möglicherweise bis in die Karolingerzeit besiedelt.

Metallgewinnung vom Siegerland über Lahn-Dill-Bergland bis nach Wetzlar und Limburg, von Battenberg bis Dornburg, reiche Landwirtschaft vom Ohmbecken bis in die Wetterau, von Amöneburg bis Glauburg. Es war eine wohlhabende Gegend.
 
ich bin mir unsicher, wie ich auf die Fragen und Anmerkungen reagieren soll. Alles nicht ganz falsch, ich befürchte jedoch, letztlich bleibt das Gefühl übrig "Nix genaues weiß man nicht". Einerseits ist der Forschungsstand (zum Teil wirklich schmerzrzhaft und bedauerlich rudimentär. So schreiben Sabine Schade-Lindig und Frank Verse (2012, Latènezeitliche Siedlungsstrukturen zwischen Lahn und Sieg) zum Oppidum Dornburg (Frickhofen): "So ist zum Beispiel die Bedeutung der Dornburg für die Region noch überhaupt nicht einzuschätzen. Der Fund eines goldenen Haslringfragments aus der Frühlatènezeit sowei eines Eisenhortes deuten darauf hin, dass sie wahrscheinlich zu Unrecht im Schatten des Dünsbergs steht."
Damit haben die AutorInnen mit dem diametralen Gegensatz zwischen großem Fundverlust, fehlenden Grabungen auf der einen Seite (Dornburg - große Teile des Oppidums fielen dem Basaltabbau zum Opfer, letzte Grabungen fanden 1960 statt) und zahlreichen Grabungskampagnen und großes wissenschaftliches und öffentliches Interesse am Dünsberg die Situation der Forschung plastisch ausgedrückt.

Und trotzdem werden deine Aussagen Stilicho, Datierungen ausgewürfelt, wissenschaftliche Aussagen widersprüchlich, dem wissenschaftlichen Mühen um einen Fortschritt nicht gerecht. So gibt es z.B. Studien, um die Vermutung, dass die Mittelgebirgszonen z.B. ausgehend von den Altsiedelregionen (Beckenlandschaften in Rhein-Maingebiet/Wetterau und Lahntal) durch Migration aufgesiedelt wurden, aufwändig mit einer intensiven Strontiumisotopenanalyse nachzuweisen, was nach Aussage der Autoren gelungen ist.
Für die Diagnose der biologischen Individualdaten wurden 61 Leichenbrände sowohl makroskopisch als auch histologisch untersucht, und zwar 60 aus der Nekropole von Netphen-Deuz sowie jener aus Neunkirchen-Zeppenfeld.
oder in der wissenschaftlich ausführlicheren Fassung: "
M.Zeiler · S.Sebald · G. Grupe Die Berge rufen! Archäologisch-anthropologische Studie zur Migration in die eisenzeitliche Montanlandschaft Siegerland (Nordrhein-Westfalen) anhand von Brandbestattungen" 2017.
Das sind vielleicht mühselige kleine Schritte für einen Erkenntniszuwachs, und es fehlt ein wenig ein synthetisierender Überblick, doch meiner Ansicht nach reift dieser große Entwurf durch viele kleine neue Erkenntnisse langsam heran. Wir wissen , da uns die Schriftquellen fehlen, nicht, ob diese Migration ins Siegerland friedlich verlief, ob sie Folge kriegerischer Auseinandersetzungen und Eroberungen waren, manche Funde lassen einen ratlos zurück. Wie Grab 66 der o.g. Studie, das jüngste Grab von Netphen-Deuz , das anthropologisch bestimmt werden konnte, lässt alswahrscheinlichste Herkunftsregion des Toten den südlichen oder westlichen Taunus annehmen. Die Trachtbestandteile verweisen hingegen in die Wetterau. Die AutorInnen schreiben: "Die geographische Redundanz von Strontiumisotopien lässt potenziell sogar auch Herkunftsregionen in Frankreich, Österreich oder dem Nordschwarzwald zu – diejenigen Regionen (bis auf Frankreich), aus denen ältere oder gleichzeitige Rennofenbefunde bekannt sind, die formal denjenigen des Siegerlandesnahestehen. Es ist daher verlockend zu diskutieren, dass in Grab 66 ein Mensch begraben wurde, der über die Wetterau kommend am Technologietransfer beteiligt war. Allerdings ist hier wichtig zu wiederholen, dass dem Parsimonie-Prinzip folgend die nächstgelegene infrage kommende Region als die wahrscheinlichste anzusehen ist."
Also ein in den Rheingau eingewanderter Nordschwarzwälder, der dann zusammen mit anderen Wetterauern ins Siegerland migriert ist, und die Rennofentechnik mitgebracht hat? Für alles wird man heute keine Erklärung finden können.

Zur Frage nach den Bedeutungen der Siedlungen: Natürlich ist eine Siedlungshierarchie sehr wahrscheinlich, alleine die hoheitliche Aufgabe der Münzprägung (Heidetränk, Dünsberg) spricht dafür - kultische Opferplätze sind außerdem für Heidetränk, Dünsberg und Alteburg nachgewiesen - die Dornburg, kann auch einer der Zentralorte eines Pagus (Teilstamms) gewesen sein. Sehr wahrscheinlich, und das schreibt Schäfer zur Fundsituation an der Lahn bei Wetzlar, hat es "Industriestädte"/große offene Siedlungen an der mittleren Lahn gegeben, ähnlich wie in Bad Nauheim in der Wetterau - Nida bei Frankfurt könnte eine Vorläufersiedlung gehabt haben, auch wegen der Furt über den Main. Es gibt wahrscheinlich noch sehr viel zu entdecken. Vielleicht könnte Pardela konkretisieren, worauf seine Frage zielte, welchen Zeitraum z.B.? Sonst befürchte ich, verfallen wir möglicherweise ins Lamentieren.

Unten Reliefbild der Dornburg, nordöstlich ist der Verlust an Fläche (und Funden) durch den Basaltabbau zu sehen. Im Westen der bis 11 Meter hohe Abschnittswall "Rödches Mauer".
Dornburg_(Oppidum)_Digitales_Geländemodell.jpg
 
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Und trotzdem werden deine Aussagen Stilicho, Datierungen ausgewürfelt, wissenschaftliche Aussagen widersprüchlich, dem wissenschaftlichen Mühen um einen Fortschritt nicht gerecht. So gibt es z.B. Studien, um die Vermutung, dass die Mittelgebirgszonen z.B. ausgehend von den Altsiedelregionen (Beckenlandschaften in Rhein-Maingebiet/Wetterau und Lahntal) durch Migration aufgesiedelt wurden, aufwändig mit einer intensiven Strontiumisotopenanalyse nachzuweisen, was nach Aussage der Autoren gelungen ist.

Dem will ich gar nicht widersprechen, und ich will die Arbeit der damit beschäftigten Forscher gar nicht klein reden.
Wir haben allerdings eine sehr große Zahl von Anlagen, die entweder gar nicht ernsthaft erforscht sind, oder einen Forschungsstand von vor mindestens 100 Jahren haben. Und der stammt oft genug vom heimischen Dorflehrer oder Pfarrer, nicht von wirklichen Archäologen
 
Ich denke, dass dort, ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen, eine Kooperation wie zwischen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und dem Bergbaumuseum Bochum hilfreich wäre, vor allem in Bezug auf Metallurgie und Montanarchäologie, und die dabei eingesetzte Methodik.
 
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