Eigentlich wollte ich ja nicht, aber ich kann gerade nicht aus meiner Haut...
So langsam gewinne ich den Eindruck, du möchtest gar nicht verstehen. Ich fasse mich möglichst kurz.
Lieber @Turgot, verzeih mir, wenn ich Deinem fundierten Fachwissen nicht den gebührenden Respekt gezollt haben sollte. Aber ich meinerseits habe auch langsam den Eindruck, dass Du nicht verstehen willst. Deshalb werde auch ich mich möglichst kurz fassen:
Ausgangspunkt unserer Diskussion war Deine Behauptung, dass für Bismarck als Bündnispartner Deutschlands nur Russland und Österreich-Ungarn in Frage kamen. Und das ist nunmal einfach falsch. Nicht umsonst haben Zeitgenossen dem ollen Bismarck vorgehalten, dass er auf einem Pferderücken sitzend mit FÜNF Bällen zu jonglieren versuche, nicht etwa mit zweien.
Bismarcks Nachfolger haben sich auf ganz bestimmte Partner festgelegt. Das genau meinte Salisbury, als er öffentlich den "Scharfsinn des alten Mannes" vermisste. Jener "alte Mann" hatte Deutschland nämlich genau NICHT durch Bündnisse an eine oder zwei ganz bestimmte Mächte gebunden. Verzeih die Großbuchstaben. ICH fand sie hier wichtig, auch wenn Du das anders sehen solltest.
Es bedarf keiner Großbuchstaben!
Offensichtlich doch. Ich sprach nämlich von Spannungen zwischen Russland und Österreich und Du merktest spitzfindig an, dass Dir von einer Feindseligkeit zwischen England und Deutschland nichts bekannt sei. Hierzu merke ich spitzfindig an, dass Du vielleicht nochmal Deine Literaturempfehlungen durchstöbern solltest. Dann findest Du ganz sicher Hinweise auf deutsch-britische Spannungen, auf die ich in dem Zusammenhang gar nicht angespielt hatte.
Du argumentiert an den entscheidenden Punkt einfach vorbei. Es ging darum, das ÖU nicht allein auf dem Balkan und der Meerengenfrage ist und britische Unterstützung genießt.
Die "
britische Unterstützung" hatte aber ihren Preis. Sie war nur zu bekommen, indem man den Briten Zugeständnisse machte. Und zwar Zugeständnisse auf Kosten Russlands! Zugeständnisse, die überwiegend nichtmal Österreich nutzten! Welches Interesse hatte Österreich denn an den Dardanellen, am Bosporus oder an der Kap-Kairo-Linie? Warum machte Bismarck das, obwohl Russland doch Deiner Ansicht nach neben Österreich der einzige in Frage kommende Bündnispartner Deutschlands war?
Ganz gewiss nicht. Und ja, du verstehst wirklich nicht. Wenn das Deutsche Reich seinen Draht nach Moskau freiwillig löst, damit also Russland in Frankreich Arme treibt, wozu bedarf es dann aus britischer Sicht eines indirekten Bündnisses mit dem Deutschen Reich?
Verzeih mir meine Dummheit. Ich bin beschämt.
Obwohl: Hat das Deutsche Reich denn überhaupt seinen Draht nach Moskau freiwillig gelöst? War es nicht eher so, dass MOSKAU unter den gegebenen Bedingungen keinen Bock mehr hatte, in den alten Bündnissen zu verbleiben?
Aber zu Deiner Frage: Als die Mittelmeerentente geschlossen wurde, war sie für Großbritannien ein Mittel, in einem möglichen Konflikt mit Russland deutsche Neutralität, vielleicht sogar "wohlwollende" deutsche Neutralität zu bekommen. Wieso sollte das "überflüssig" geworden sein, nachdem das deutsch-russische Verhältnis abkühlte? Das war doch geradezu der Sinn der Übung für die Briten. Hätten sie ihr indirektes Bündnis mit dem Deutschen Reich nicht eher stärken müssen, nachdem ihre Politik Erfolge zeigte?
Die Mittelmeerentente wurde für Großbritannien nicht verzichtbar, weil Deutschland und Russland sich "zerstritten" haben, sondern weil Großbritannien und Russland sich einander annäherten. An Deutschland vorbei und am Ende sogar unter Beteiligung Frankreichs (Triple Entente). Genau das war es, was Bismarck stets zu verhindern versucht hatte.
MfG