Riothamus
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Ich habe mich ja schon oft dagegen ausgesprochen Einschätzungen als Gewissheit wiederzugeben. Mitunter ist das als Haarspalterei abgetan worden. Manchmal wurde auch gesagt, dass man so nicht zu befriedigenden Ergebnissen komme. Dem muss ich erwidern, dass man anders zu falschen Ergebnissen kommt.
Und im Geschichtsforum können wir es uns zweifellos leisten genauer hinzuschauen. Aber mitunter ist es essentiell, dass Einschätzungen nicht reichen. Daher habe ich mich entschlossen, zwei Beispiele darzustellen. Das Harzhorn ist ja nicht unendlich belastbar und insofern ein Sonderfall, als man bei der Historia Augusta oft raten muss, ob die Information stimmt.
Das erste Beispiel beschäftigt sich mit einigen Ortsnamen um Paderborn.
Zunächst ist da der Name Paderborn selbst. In der Schule hat man uns erzählt, dass Karl der Große den Namen geändert habe, weil der ursprüngliche Name zu heidnisch gewesen sei. Dabei sei der heidnische Bestandteil durch das lateinische Pater ersetzt worden.
Schauen wir genauer hin:
Gobelinus Person berichtet über die in Paderborn mündlich weitergegebene Tradition der Umbenennung durch Karl den Großen, bezieht den Namensbestandteil Pader aber auf den Po (lateinisch Padus). Dies schien der Gelehrsamkeit des 19. Jh. sehr unwahrscheinlich. Obwohl auch der Padus aus mehreren Quellen gespeist wird und die Pader der quellreichste (und kürzeste) deutsche Fluss ist, erschien ein Zusammenhang unwahrscheinlich.
Und um die Domburg schmiegte sich im Osten und Norden das Dorf ("villa") Aspethera. Zerlegt wurde der Name 'Aspethera' in 'As-' (Gott/Götzenbild/Balken) und '-pethera'. Der zweite Bestandteil wurde mit Quell und Gewässernamen in Verbindung gesetzt. Heute nimmt man 'Aspe-' und denkt an Espe. Auch das geht ganz und gar nicht so glatt, wie es hier klingt: 'Asapa' und 'Espa' sind aus altsächsischer Zeit überliefert. Aber, da der niederdeutsche Sprachraum nicht sehr einheitlich ist, wird man nicht gleich laut "nein" schreien. Nun, damals ergaben die Einschätzungen, dass der vermeintliche Asenborn wie die Faust auf's Auge passt. Schließlich sollte ja das Auge Wotans in eines der Quellbecken der Pader gestürzt sein, wo eine Vertiefung das Wasser blau erscheinen lies. Auch von dem Quellbecken der Lippe in Bad Lippspringe wird solches berichtet und das blaue 'Auge' ist dort heute noch zu sehen. Zudem soll Wotan unter der Domburg schlafen, wie Barbarossa unter dem Kyffhäuser. Es fragt sich nur, ob diese Sagen damals älter als ein paar Generationen waren.
(Einer der Quellarme der Pader heißt Dielenpader. Das hat aber damit zu tun, dass das Quellbecken früher bis an die Häuser reichte und man über eine Holzkonstruktion gehen musste. Noch heute ist da eine mittlerweile steinerne Querungshilfe. Dies sei gesagt, damit niemand von der Dielenpader auf eine falsche Spur geführt wird.)
(Es gibt einige sagenhafte Hinweise auf den Fund heidnischer Opfergaben und die Quelle unter dem Gebäude der Kaiserpfalz gilt als heilig. Aber die Analyse von Sagen und Märchen hat bekanntlich ergeben, dass so ziemlich jedes Gewässer in der/den westgermanischen Religion/en als Zugang zum Jenseits galt. Ein Heiligtum auszuschließen, weil man es nicht beweisen kann, wäre aber auch unvernünftig.)
Nun ist der Name Paderborn in über 100 verschiedenen Versionen überliefert, schon zu 777, bei der Ersterwähnung nutzen die verschiedenen Annalen 6 verschiedene Namen. War da 'Patrisbrunna' korrekt?
Z.B. beim Poeta Saxo sind nun die Fomen Pathelbrunnon und Padelbrunnon bezeugt. (Später wurde wie im Mittelniederdeutschen oft das 'd' ausgestoßen, was die Form Palborn, mitunter auch angeglichen Polborn.) Damit ist aber Paderbrunno wie in den Reichsannalen die richtige Wahl. Und damit sind wir beim Fluss Pader. (Die der Grund dafür ist, warum 'Pader-' sich immer wieder gegen 'Padel-' und 'Pal-' durchsetzte, da sie einen Anstoß für die Korrektur bildete.)
Woher kommt nun die 'Pader'? Anlautendes 'P' kommt in der deutschen und altsächsischen Sprache nur bei Lehnwörtern vor. In Süddeutschland gibt es mehrere Flussnamen 'Pfätter' und in Italien den schon erwähnten 'Padus'. ( , so einen Zusammenhang, hatten sie sich nicht vorgestellt. ) Es gibt hier wohl noch einige ähnliche Gewässernamen mehr, weshalb man einen vorgermanischen Ursprung vermutet.
Wenn Pader nun aber ein alter Gewässername ist, hat ihn Karl der Große auch nicht importiert.
Was ist mit '-brunnen', bzw. '-born'? '-born' soll ein Ingwäonismus sein, aber auch '-brunno' kommt im altsächsischen Wörterbuch vor. Nun kommen Ortsnamen mit '-born' und '-brunn' im niederdeutschen Gebiet erst in der 2. Hälfte des 9. Jh. vor. Beweist dies nun eine fränkische Benennung? Wie Aspthera zeigt, bezog sich Paderborn ja nur auf den Hof, auf dem Dom, Domkloster und Pfalz entstanden: Das Gebiet, was auf Karten als Domburg gekennzeichnet ist, zuzüglich dem Standort des späteren Abdinghof-Klosters. War es also schon der Name eines Adelshofes (oder eines Heiligtums über den Paderquellen)?
Nun legte Karl in die sächsischen Befestigungen fränkische Besatzungen. Das ist nicht nur vermutet, sondern wird auch mehrmals direkt berichtet, z.B. bezüglich der Gründung der Karlsburg, für die immer wieder Paderborn vermutet wird. Und die Annalisten waren Franken. Da gibt es schon 2 Möglichkeiten, wie aus einem '-born' ein '-brunn' wird. Und ein Ansatzpunkt für die Tradition/Legende von der Umbenennung wäre auch gegeben, obwohl wir die Tatsache, dass ein Ort in verschiedenen Sprachen einen unterschiedlichen Namen trägt, nicht als Umbenennung gelten lassen werden. Ist aber nun '-brunn' oder '-born' ursprünglich? Wer hält welche Argumente für stichhaltig?
Nun, noch weiter: Pader wird heute auf *Path(e)ra zurückgeführt. Da war doch was: die 'villa aspethera' kann auf einmal wieder mit den Quellen in Verbindung stehen. Das 'e' kann im altsächsischen durchaus angeglichen worden sein. Sollen wir jetzt von der 'Asenpader' reden? Oder weiter vollmundig verkünden, dass kein Zusammenhang besteht? Oder doch besser sagen, dass wir die Bedeutung des Namens nicht klären können ohne zu spekulieren?
Nun, geneigte Leserin, geneigter Leser, gehe in Dich: Umbenannt oder nicht? Was richtig ist, zeigt uns gleich das Licht - äh - der Poeta Saxo:
"Vor allem ist er [der Ort] überreich an mehreren glänzenden Quellen; und er hat daher in der Volkssprache den alten Namen. Damals war dort nur ein Dorf, nun erstrahlt der sehr berühmte Sitz der Bischofskirche."
Und noch einmal: Brunnen oder Born? Oder schrieb man etwa Latein Brunnen und sprach Born? Wer will das entscheiden. Der Poeta Saxo spricht von Volkssprache und schreibt '-brunnon'. Leider schrieb er auf Latein.
Hier hatten wir es mit so einigen Einschätzungen zu tun, die zur Gewissheit erklärt wurden, und die einer genaueren Prüfung nicht standhalten. Warum also nicht gleich sagen: "Beweisen können wir nichts, aber es scheint naheliegend zu sein, dass ..."? Ein Physiker antwortet doch auch mitunter: "Das ist ziemlich kompliziert. Und wir haben noch dazu 2 Möglichkeiten, was zutreffen kann. Vielleicht kann man es sich wie folgt vorstellen..." Ich verstehe nicht, was daran unbefriedigend sein soll.
EDIT: Ganz vergessen, Literaturangaben:
Karl Schoppe, Das karolingische Paderborn, Paderborn 1967, S.13-23.
Frank Göttmann, Karl Hüser, Jörg Jarnut (Hgg.), Paderborn Geschichte der Stadt in ihrer Region, Band 1, Paderborn 1999, S. 3-7.
Danach zitiere ich auch Namensformen und den Poeta Saxo.
Und im Geschichtsforum können wir es uns zweifellos leisten genauer hinzuschauen. Aber mitunter ist es essentiell, dass Einschätzungen nicht reichen. Daher habe ich mich entschlossen, zwei Beispiele darzustellen. Das Harzhorn ist ja nicht unendlich belastbar und insofern ein Sonderfall, als man bei der Historia Augusta oft raten muss, ob die Information stimmt.
Das erste Beispiel beschäftigt sich mit einigen Ortsnamen um Paderborn.
Zunächst ist da der Name Paderborn selbst. In der Schule hat man uns erzählt, dass Karl der Große den Namen geändert habe, weil der ursprüngliche Name zu heidnisch gewesen sei. Dabei sei der heidnische Bestandteil durch das lateinische Pater ersetzt worden.
Schauen wir genauer hin:
Gobelinus Person berichtet über die in Paderborn mündlich weitergegebene Tradition der Umbenennung durch Karl den Großen, bezieht den Namensbestandteil Pader aber auf den Po (lateinisch Padus). Dies schien der Gelehrsamkeit des 19. Jh. sehr unwahrscheinlich. Obwohl auch der Padus aus mehreren Quellen gespeist wird und die Pader der quellreichste (und kürzeste) deutsche Fluss ist, erschien ein Zusammenhang unwahrscheinlich.
Und um die Domburg schmiegte sich im Osten und Norden das Dorf ("villa") Aspethera. Zerlegt wurde der Name 'Aspethera' in 'As-' (Gott/Götzenbild/Balken) und '-pethera'. Der zweite Bestandteil wurde mit Quell und Gewässernamen in Verbindung gesetzt. Heute nimmt man 'Aspe-' und denkt an Espe. Auch das geht ganz und gar nicht so glatt, wie es hier klingt: 'Asapa' und 'Espa' sind aus altsächsischer Zeit überliefert. Aber, da der niederdeutsche Sprachraum nicht sehr einheitlich ist, wird man nicht gleich laut "nein" schreien. Nun, damals ergaben die Einschätzungen, dass der vermeintliche Asenborn wie die Faust auf's Auge passt. Schließlich sollte ja das Auge Wotans in eines der Quellbecken der Pader gestürzt sein, wo eine Vertiefung das Wasser blau erscheinen lies. Auch von dem Quellbecken der Lippe in Bad Lippspringe wird solches berichtet und das blaue 'Auge' ist dort heute noch zu sehen. Zudem soll Wotan unter der Domburg schlafen, wie Barbarossa unter dem Kyffhäuser. Es fragt sich nur, ob diese Sagen damals älter als ein paar Generationen waren.
(Einer der Quellarme der Pader heißt Dielenpader. Das hat aber damit zu tun, dass das Quellbecken früher bis an die Häuser reichte und man über eine Holzkonstruktion gehen musste. Noch heute ist da eine mittlerweile steinerne Querungshilfe. Dies sei gesagt, damit niemand von der Dielenpader auf eine falsche Spur geführt wird.)
(Es gibt einige sagenhafte Hinweise auf den Fund heidnischer Opfergaben und die Quelle unter dem Gebäude der Kaiserpfalz gilt als heilig. Aber die Analyse von Sagen und Märchen hat bekanntlich ergeben, dass so ziemlich jedes Gewässer in der/den westgermanischen Religion/en als Zugang zum Jenseits galt. Ein Heiligtum auszuschließen, weil man es nicht beweisen kann, wäre aber auch unvernünftig.)
Nun ist der Name Paderborn in über 100 verschiedenen Versionen überliefert, schon zu 777, bei der Ersterwähnung nutzen die verschiedenen Annalen 6 verschiedene Namen. War da 'Patrisbrunna' korrekt?
Z.B. beim Poeta Saxo sind nun die Fomen Pathelbrunnon und Padelbrunnon bezeugt. (Später wurde wie im Mittelniederdeutschen oft das 'd' ausgestoßen, was die Form Palborn, mitunter auch angeglichen Polborn.) Damit ist aber Paderbrunno wie in den Reichsannalen die richtige Wahl. Und damit sind wir beim Fluss Pader. (Die der Grund dafür ist, warum 'Pader-' sich immer wieder gegen 'Padel-' und 'Pal-' durchsetzte, da sie einen Anstoß für die Korrektur bildete.)
Woher kommt nun die 'Pader'? Anlautendes 'P' kommt in der deutschen und altsächsischen Sprache nur bei Lehnwörtern vor. In Süddeutschland gibt es mehrere Flussnamen 'Pfätter' und in Italien den schon erwähnten 'Padus'. ( , so einen Zusammenhang, hatten sie sich nicht vorgestellt. ) Es gibt hier wohl noch einige ähnliche Gewässernamen mehr, weshalb man einen vorgermanischen Ursprung vermutet.
Wenn Pader nun aber ein alter Gewässername ist, hat ihn Karl der Große auch nicht importiert.
Was ist mit '-brunnen', bzw. '-born'? '-born' soll ein Ingwäonismus sein, aber auch '-brunno' kommt im altsächsischen Wörterbuch vor. Nun kommen Ortsnamen mit '-born' und '-brunn' im niederdeutschen Gebiet erst in der 2. Hälfte des 9. Jh. vor. Beweist dies nun eine fränkische Benennung? Wie Aspthera zeigt, bezog sich Paderborn ja nur auf den Hof, auf dem Dom, Domkloster und Pfalz entstanden: Das Gebiet, was auf Karten als Domburg gekennzeichnet ist, zuzüglich dem Standort des späteren Abdinghof-Klosters. War es also schon der Name eines Adelshofes (oder eines Heiligtums über den Paderquellen)?
Nun legte Karl in die sächsischen Befestigungen fränkische Besatzungen. Das ist nicht nur vermutet, sondern wird auch mehrmals direkt berichtet, z.B. bezüglich der Gründung der Karlsburg, für die immer wieder Paderborn vermutet wird. Und die Annalisten waren Franken. Da gibt es schon 2 Möglichkeiten, wie aus einem '-born' ein '-brunn' wird. Und ein Ansatzpunkt für die Tradition/Legende von der Umbenennung wäre auch gegeben, obwohl wir die Tatsache, dass ein Ort in verschiedenen Sprachen einen unterschiedlichen Namen trägt, nicht als Umbenennung gelten lassen werden. Ist aber nun '-brunn' oder '-born' ursprünglich? Wer hält welche Argumente für stichhaltig?
Nun, noch weiter: Pader wird heute auf *Path(e)ra zurückgeführt. Da war doch was: die 'villa aspethera' kann auf einmal wieder mit den Quellen in Verbindung stehen. Das 'e' kann im altsächsischen durchaus angeglichen worden sein. Sollen wir jetzt von der 'Asenpader' reden? Oder weiter vollmundig verkünden, dass kein Zusammenhang besteht? Oder doch besser sagen, dass wir die Bedeutung des Namens nicht klären können ohne zu spekulieren?
Nun, geneigte Leserin, geneigter Leser, gehe in Dich: Umbenannt oder nicht? Was richtig ist, zeigt uns gleich das Licht - äh - der Poeta Saxo:
"Vor allem ist er [der Ort] überreich an mehreren glänzenden Quellen; und er hat daher in der Volkssprache den alten Namen. Damals war dort nur ein Dorf, nun erstrahlt der sehr berühmte Sitz der Bischofskirche."
Und noch einmal: Brunnen oder Born? Oder schrieb man etwa Latein Brunnen und sprach Born? Wer will das entscheiden. Der Poeta Saxo spricht von Volkssprache und schreibt '-brunnon'. Leider schrieb er auf Latein.
Hier hatten wir es mit so einigen Einschätzungen zu tun, die zur Gewissheit erklärt wurden, und die einer genaueren Prüfung nicht standhalten. Warum also nicht gleich sagen: "Beweisen können wir nichts, aber es scheint naheliegend zu sein, dass ..."? Ein Physiker antwortet doch auch mitunter: "Das ist ziemlich kompliziert. Und wir haben noch dazu 2 Möglichkeiten, was zutreffen kann. Vielleicht kann man es sich wie folgt vorstellen..." Ich verstehe nicht, was daran unbefriedigend sein soll.
EDIT: Ganz vergessen, Literaturangaben:
Karl Schoppe, Das karolingische Paderborn, Paderborn 1967, S.13-23.
Frank Göttmann, Karl Hüser, Jörg Jarnut (Hgg.), Paderborn Geschichte der Stadt in ihrer Region, Band 1, Paderborn 1999, S. 3-7.
Danach zitiere ich auch Namensformen und den Poeta Saxo.
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