Die Äußerungen Jovanovic' scheinen tatsächlich die einzige Quelle für eine 1/2offizielle Warnung seitens der Serbenführung.
Das läuft schon in die Richtung.
Die diskursfreudigen Historiker haben da schon etwas mehr Indizien zusammengetragen - allen voran Albertini mit seinen zahlreichen Interviews, die er ergänzend zu den Aktensammlungen geführt hat. So gibt es etwa einen Tagebucheintrag beim französischen Botschafter, allerdings nach dem Attentat und ebenfalls kein hinreichender "Beweis". usw. usf.
Das ganze erinnert ein wenig an die No-Go-Area-Diskussion 2006, als der damalige Regierungssprecher Heye anlässlich der WM ausländische Besucher vor Gebieten in Ostdtld. insbesondere in Brandenburg warnte und damit eine mittelschwere Debatte auslöste.
Das trifft das "Hintergrundrauschen" im annektierten Bosnien. Die Geheimdienste der damaligen Welt befanden sich zwar in den Kinderschuhen, aber
das Hintergrundrauschen leitet zum nächsten Aspekt nahtlos über, der behaupteten russischen Mitwissenschaft:
Und was bisher gar nicht berücksichtigt wird, sind die Russen und deren Kenntnisstand.
Bei McMeekin ist das erneut angesprochen worden, gestützt (abgeschrieben von...) auf Albertinis Recherchen: "Did the Russians have something to hide?"
Ich zähle mal auf:
1. Artamonov habe sich am Attentatstag ein
Alibi verschafft - er sei abwesend gewesen, obwohl FF doch die so interessanten Manöver eröffnen sollte. - Kann alles mögliche heißen, vielleicht hat er den Vorabend versoffen.
2. Es gäbe Lücken in den russischen Dokumenten - das ist das übliche Verdachtsargument, mit dem man jede Verschwörung "belegen kann". McMeekin arbeitet mit diesem Hinweis an jeder Stelle, an der er nichts belegen kann.
3. Artamanov habe ausgesagt, "praktisch jeden Tag" mit Dimitrijevic Kontakt gehabt zu haben. Auch das taugt nicht mal indizienhalber, aber McMeekin konstruiert die Kette: jeden Tag gesprochen, da muss er was ausgeplaudert haben. Wenn die These von Pasic richtig ist (wenn ÖU uns angreift, helfen uns andere nur, wenn wir
nicht verwickelt sind und nicht provoziert haben), dann könnte man auch das genaue Gegenteil ableiten: der wäre schön blöd gewesen, so etwas "anzukündigen" und damit die Hilfe zu riskieren. Ist genau so wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie das Gegenteil.
4. das Hauptargument McMeekins ("smoking guns" - Rauchende Colts
): das Attentat hätten in den paar Kaffeehäusern, in denen sich die Radikalen tummeln und gegenseitig aufpeitschen, die Spatzen von den Dächern gesungen. Ja wie im Himmel: mit dem Argument braucht man auch keinen Nachweis mehr für die Mitwisserschaft von Österreich, dem Deutschen Reich, Groißbritannien, Frankreich und evt. noch den USA: ein paar nationalistische Jungbosnier sind von den Großmächten missbraucht worden, damit ein Attentat durchgeführt werden kann, um auf der globalen Mächtekarte tabula rasa zu machen.
5. und McMeekin packt noch einen drauf (so einen Unsinn hat er natürlich nicht von Albertini): es gibt zwei Berichte von österreichischen Konsultaten (zB Belgrad) über auffallend wenige russische Kondolenzbriefe ("distinct lack of condolences), was "bemerkenswert" sei. Und bestätigt wird das dadurch, dass die russische Botschaft in Rom "die einzige von den Großmächten" gewesen sei, die die Flagge nicht auf Halbmast gesetzt habe.
6. der Schlussbeweis: der russische Serbien-Minister habe am Tag des Attentats nach den Nachrichten eine Partie Bridge gespielt. Unglaublich (wobei ich persönlich nicht ausschließen würde, dass er darauf sogar noch angestoßen hat).
Für McMeekin, der sich von diesen russischen Antipathien gegenüber ÖU doch erheblich überrascht zeigt (warum eigentlich?), steht damit endgültig fest: die
müssen es gewusst haben.
Wie die Österreicher, und all die anderen, die ein paar kleine Verblendete für ihre Großmachtspielchen ausgenutzt haben.
Andere Historiker resümmieren: keine Beweise für russische Mitwisserschaft. Ist eben wie beim Kennedy-Attentat: vielleicht war Artamonov zwar auf der Jagd, aber auf einer speziellen und hat auch geschossen ...
Nichts Genaues weiß man nicht.