Phol

Eine mE etwas abenteuerliche Betrachtung.../quote]

Etwas handfester vielleicht dieser Hinweis aus dem 1905er Meyer (Bd. 2, S. 250)?
Bealteine (irisch und gälisch, entstellt beiltine, beltein, belton, beltam), keltisches Frühlingsfest, das am 2. Mai begangen wurde, wobei Menschen und Haustiere zwischen zwei brennenden Scheiterhaufen schritten, wie beim römischen Palilienfest. Ihm entsprach wohl ein germanisches Balderfest, da am Rhein am selben Tag ein Phol-, Pful- oder Pulletag mit ähnlichen Gebräuchen gefeiert wurde.
 
Der keltische Bel oder Belenos (jedem Asterixleser bekannt) ist ein Licht- bzw. Feuergott. Interpretationsmäßig schon mit Balder und Apollo in Verbindung zu bringen...

Aber Pholtag bzw. Pulletag für Beltane finde ich interessant!
 
Wenn das "Ph-" als "p" zu sprechen ist, nicht als "f" (die Schreibweise "Pol" mit nachgeschobenem "h" scheint das zu bestätigen: Merseburger Zaubersprche), dann ist es jedenfalls kein germanisches Wort für das Füllen (germanisch *fulon, althochdeutsch und altsächsich folo, Verkleinerungsform fulin).

Es ist ja ein Charakteristikum der germanischen Sprachen (z.B. gegenüber den romanischen Sprachen), dass Okklusive (p, t, k) aspiriert werden. Die Schreibung Pʰol könnte auf ein Bewusstsein dafür hindeuten.
Beispiele: Tat ['tʰa:tʰ], König [ˈkʰøːnɪç], Paddel ['pʰadl]
Demnach wäre hier also nicht mit <ph> = /f/ als lateinischem Äquivalent zu φ zu rechnen.
 
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Phol-Fulla ? Ich muss da an die alte Bezeichung für ein junges Pferd denken, das Füllen. Ob da eine Verbindung gibt?
Nö. "Fulla" hat auf keinen Fall etwas mit einem jungen Pferd zu tun, sondern kommt von der "Fülle", also Fruchtbarkeit. Hier mal die genaue Herleitung der Volla/Fulla:

[FONT=Times German,Times New Roman]Aus dem indogerm. Adj. plÐno- = voll, gefüllt, (Pokorny 798)
(vgl. idg. pel- (1), *pelý-, *plÐ-, *p¢h1-, *pelh1-, gießen, fließen, schütten, füllen, schwimmen, fliegen, Pokorny 798);
entwickelten sich die germ. Begriffe für fullæ-, fullæn, fulnæ-, fulnæn, = nhd. Ausfüllung;
got., ahd.; fulla-;
got. ful-l-æ 10 = Fülle, Füllung, Flicken, Ausfüllung;
ahd. folla = Vollständigkeit, Fülle, Überfluss, Genügen;
mhd. volle = Fülle, Überfluss, Genüge, Vollkommenheit;
nhd. Volle, Völle, Fülle, (DW 26, 617, 618; L.: Heidermanns 220)
ne. filling (N.); RB.:
 
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Etwas handfester vielleicht dieser Hinweis aus dem 1905er Meyer (Bd. 2, S. 250)?

Ich mag diesbezüglich etwas paranoid sein, aber ich bin immer äußerst vorsichtig, was Aussagen zu Kultur, Religionspraxis etc. bei den Germanen - und übrigens auch bei den Kelten - betrifft, welche in Sekundärliteratur stehen, die in Deutschland zwischen etwa 1850 bis 1950 erschienen ist.
Da ist in sehr vielen Fällen arg viel Nationalromantik und später dann auch nationalsozialistisches Blut-und-Boden-Pathos mit im Spiel, zumal das Ganze auch erst danach auf die wirklich nachweisbaren historischen Fakten "abgeklopft" wurde.
 
Ich mag diesbezüglich etwas paranoid sein...
Das ist vielleicht etwas übertrieben;), aber jedenfalls schadet es nichts, genauer hinzugucken. Im Meyer war keine Quelle angegeben, aber der kleine Artikel geht wieder auf Grimm's Deutsche Mythologie zurück (S. 185 ff., 511 f., 832, 854 f., N.79 f. des Nachdrucks der Ausgabe 1835).

Der Begriff "Pulltag" - ich kannte den bis vor kurzem auch nicht - wird unter anderem auch im DRW (Pulltag (Deutsches Rechtswrterbuch - DRW)) und in Müllers altdeutscher Religionsgeschichte (1844 - via Googlebooks) aufgeführt.
 
Wobei sich die beiden Angaben nicht miteinander vereinen lassen:

Bealteine (irisch und gälisch, entstellt beiltine, beltein, belton, beltam), keltisches Frühlingsfest, das am 2. Mai begangen wurde, wobei Menschen und Haustiere zwischen zwei brennenden Scheiterhaufen schritten, wie beim römischen Palilienfest. Ihm entsprach wohl ein germanisches Balderfest, da am Rhein am selben Tag ein Phol-, Pful- oder Pulletag mit ähnlichen Gebräuchen gefeiert wurde.

Deutsches Rechtswörterbuch schrieb:
Pulltag - ursprünglich der Tag, an dem die Zinshühner (lat. pulli) abgeliefert werden und der zugleich der Tag des Jahrgedings ist, der auf den letzten Tag des Jahrmarkts fällt; dann der Tag, an dem der Jahrmarkt schließt und schließlich nur mehr der jährliche Hauptgerichtstag.
 
Wobei sich die beiden Angaben nicht miteinander vereinen lassen:
So ist es. Die zweite im DRW zitierte Quelle - alle sind eigenartigerweise hier aus meiner unmittelbaren Umgebung - legt den "pultag" auf "des negsten mentags nach dem heumendt [= Heumonat? = Juli] eynns jeglichen jars", während der "rheinische Feiertag" auf dem 2. Mai liegt.

Vollends unübersichtlich wird es, wenn hier (Grotefend, Glossar) alles aufeinander bezogen wird: "Pülltag. Uf den pülletag nach sant Walburgentag nach Zinkernagel der 2. Mai. Damit stimmt auch das Saarbrücken Beispiel (pfultag) von 1557 (Weisth. II, 8). i486 wird in Neunkirchen der 1. Montag im August als pultag bestimmt (ebd. 98)."
 
Ich bin gerade dabei, mich etwas einzulesen in:
Heiner Eichner und Norbert Nedoma, insprinc haptbandun - Referate des Kolloquiums zu den Merseburger Zaubersprüchen auf der XI. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft in Halle/Saale (17.-23. September 2000), in: Die Sprache, Band 41, Heft 2 (1999) und Band 42, Heft 1/2 (2000/01)

Dabei bin ich auf eine bislang von jschmidt beiläufig erwähnte, aber hier noch gar nicht diskutierte Deutung gestoßen (Teil II, S. 51ff.):

Heiner Eichner schrieb:
Während Jacob Grimm [...] in den MZ noch "wirkliche überreste heidnischer poesie" erblickte, brachte Sophus Bugge 1889, 301 ff. durch die - zwar im konkreten Detail zu modifizierende, aber für das Prinzipielle wegweisende - Identifikation von Phol mit dem Apostel Paulus christliche Vorstellungen ins Spiel. Gleichzeitig faßte er Balderes nicht mehr als Götternamen 'Balders', sondern als Appellativum Balderes 'des Herrn' (1889, 305). Die damit ausgelöste Diskussion zu heidnischem oder christlichen Ursprung der Merseburger Zaubersprüche ist bis heute unentschieden. Beide Seiten sind in der Lage, überzeugende, ja unabweisbare Argumente für ihre Position beizubringen. [...]
Der Verfasser von MZ II konnte gewiß sowohl auf christliche Schemata wie auf heidnisches Zauberpersonal zurückgreifen. Es ist also angeraten, für MZ II nicht bei der strikten Alternative "heidnisch oder christlich" zu verharren, sondern mit "Klitterungen" [...] zu rechnen, bei denen Heidnisches und Christliches, dann wieder Christliches und Heidnisches in raffinierter Weise zusammengeführt worden sind.
 
Dabei bin ich auf eine bislang von jschmidt beiläufig erwähnte, aber hier noch gar nicht diskutierte Deutung gestoßen (Teil II, S. 51ff.):...
Hm. Also nochmal ganz langsam zum mitschreiben:

Laut dieser Theorie würde Wodan mit dem (Apostel) Paulus (=Phol) in den Wald reiten, wobei dem Fohlen des Herrn (--> Gott="Balderes") der Fuß verrenkt wurde.
Da besprach ihn Sinthgunt („die den Weg Erkämpfende“)
usw.

So?
:grübel:
 
Hm. Also nochmal ganz langsam zum mitschreiben:

Laut dieser Theorie würde Wodan mit dem (Apostel) Paulus (=Phol) in den Wald reiten, wobei dem Fohlen des Herrn (--> Gott="Balderes") der Fuß verrenkt wurde.
Da besprach ihn Sinthgunt („die den Weg Erkämpfende“)
usw.

So?
:grübel:

Nach der "Substitionstheorie" handelte es sich um einen "christlichen" Spruch mit nachträglicher Einfügung heidnischer Namen:

Beim Zweiten Merseburger Zauberspruch hat die skandinavische Volkskunde im Anschluss an Sophus Bugge für einen christlichen Ursprung plädiert [...], da dessen zahlreiche Varianten aus dem germanischen Sprachgebiet und ihre ebenfalls zahlreichen finnischen bzw. slavischen Derivate fast ausnahmslos christliche Namen enthalten und auch sonst keine unbezweifelbar heidnischen Sprüche überliefert seien. Epischer Kern wäre eine Legende über den Einzug Christi auf dem Eselsfüllen in Jerusalem [...], die Götternamen wären (außer Pol = Paulus) substituiert, um den Gebrauch heiliger Namen in magischem Kontext zu vermeiden
Tatsächlich gibt es einen Trierer Spruch gegen eine Pferdekrankheit, der folgendermaßen beginnt:
"Quam Krist endi s(an)c(t)e Stephan zu ther burg zi Saloniun; thar uuarth s(an)c(t)e Stephan(es) hros entphangan" = "Es kam Christ und Sankt Stephan nach Salonia (wohl Jerusalem, Verballhornung von Hierosolyma), da wurde Sankt Stephans Roß verfangen"

Auffällig ist hier die Schreibweise "entphangan", mit dem unüblichen "ph" für "f", die dem Schreiber hier allerdings nach dem aus dem Griechischen stammenden Namen "Stephan" gewissermaßen auf der Hand lag. Hätte die ursprüngliche Vorlage des Merseburger Zauberspruchs ähnlich wie der Trierer Spruch gelautet, wäre allerdings eine Lesung "Fol" für "Phol" durchaus denkbar:

Spielt man die Substitutionstheorie an diesem Beispiel in zweckmäßiger Weise durch, so erhält man etwa das folgende Szenario:
A. Die Namenformel der Risikozeile wird zunächst auf *Krist endi Stephan reduziert (das christliche sancte muss wegfallen) und dann durch *Fol endi Wuodan substituiert. Dabei bleibt die Reihenfolge aus einsilbigem + zweisilbigem Namen erhalten, nur dass ein Platztausch stattfindet: An der Stelle des Namens Stephan steht jetzt der mit ihm endreimende des Wuodan, und an Christi Stelle steht ein heidnisches Namensäquivalent *Fol des Pferdeheiligen Stephan. Dieser vererbt dem *Fol - der seinerseits hippischen Bezug aufweisen wird (vgl. etwa folo 'Fohlen' [...]) seine typische Orthographie <ph> (also: *Fol bekommt das gräkolateinische <ph> des Stephan: Resultat Phol).
 
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Aha. Also kurz und bündig könnte man diese Theorie so zusammenfassen:

Eine andere Theorie besagt, dass der Spruch an sich christlichen Ursprungs mit nachträglicher Einfügung vorchristlicher Götternahmen wäre. So gibt es tatsächlich einen Trierer Spruch gegen eine Pferdekrankheit: ("...")
Nach dieser Theorie hätte der Verfasser lediglich die Namen ausgetauscht:
So wäre Stephan=Wuodan und Christi=Fol (in der griechischen Form, da auch der Name Stephan ursprünglich aus Griechenland stammt), also Phol.
 
So wäre Stephan=Wuodan und Christi=Fol (in der griechischen Form, da auch der Name Stephan ursprünglich aus Griechenland stammt), also Phol.
"Christi" (Genitiv) muß "Christus" (Nominativ) heißen; statt "Form" würde ich präziser "Schreibweise" sagen.

Aus der erwähnten Aufsatzsammlung möchte ich noch Stefan Schaffner, Die Götternamen des Zweiten Merseburger Zauberspruches, in: Die Sprache Band 41, S. 163f. zitieren:
Problemlos zu identifizieren sind allerdings nur Wuodan und Friia, dagegen werden Sinthgunt (Hs. Sinhtgunt), Sunna und Folla nur hier genannt, und bei Phol und Balder ist z. T. überhaupt bestritten worden , daß es sich um Götternamen handle. [...] Auch die Identifizierung und Deutung von Phol (= Fol?) und Balder (als Göttername [=aisl. Baldr] oder als Appellativum "Herr" [= ae. poet. bealdor], das inhaltlich auf Phol oder Wuodan zu beziehen ist?) sowie ihr gegenseitiges Verhältnis zueinander sind umstritten.
[...]
Fraglich ist allerdings, wie diese <ph>-Schreibungen im einzelnen zu beurteilen sind. Sollte <Phol> trotz der geäußerten Bedenken als /Fol/ zu lesen sein, dann könnte dieser Gott Fol nach einem Vorschlag von Felix Genzmer das männliche Gegenstück zu der in MZ II,4 als Schwester der Friia bezeichneten Göttin Folla darstellen.
 
Ich möchte dabei aber auf folgendes aufmerksam machen: Die MZ stammen ja aus einer Klosterhandschrift. Aber der Inhalt der MZ II ist ja viel älter. Denn das strauchelnde Pferd mit gebrochenem Bein ist bereits auf Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit abgebildet. Außerdem wird die gleiche Thematik in der altindischen Überlieferung Atharvaveda (Text IV 12 in der Saunaka-Version, IV 15 in der Paippalada-Version) behandelt.

Bei Sophus Bugge muss man ohnehin vorsichtig sein. Er gehörte zu den Begründern der "radikalen Quellenkritik" der altnordischen Literatur, und die wird heute nicht mehr so vertreten. Da war alles, was irgendwie im christlichen Raum Parallelen hatte, vom Christentum geklaut. Dass bestimmte Motive in verschiedenen Kulturkreisen parallel entstehen könnten, zog er nicht in Betracht. Schon seine Herleitung von der Legende über den Einzug Christi auf dem Eselsfüllen in Jerusalem ist ja ziemlich gewaltsam. Er ging einfach davon aus, dass es keine ursprünglich heidnischen Texte gebe und hat dann alles auf diese Prämisse hingebogen. Bei ihm ging also das Ergebnis der Analyse voraus. Sein Hauptangriffsobjekt war ja Snorri, dem er jegliche Überlieferung von Historischem, insbesondere Heidnischem absprach. Das sieht man heute anders, und man nimmt Snorri wieder ernst, wenn er Christen vor der Lektüre seiner überlieferten Texte warnt, was ja immerhin voraussetzt, dass er selbst seine Überlieferung als genuin heidnisch ansah und darin nichts Christliches sah.

Wenn die Geschichte vom gebrochenen Pferdebein bereits in der Völkerwanderungszeit in Skandinavien bekannt war, ist es unwahrscheinlich, dass dort jemand einen Bibeltext mit heidnischen Namen verändert, zumal es dort noch keine Bibeln gab.

Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass skandinavische Krieger in römischen Heeren, wo es bereits Christen gab, mit christlichen Erzählungen bekannt geworden sind. Aber diese Episode vom Einzug in Jerusalem ist gegenüber anderen Episoden im NT ziemlich unspektakulär und hat mit Heilzauber auch nichts zu tun. Daher halte ich es auch eher für unwahrscheinlich, dass ausgerechnet diese Story durch einen Beinbruch des Reittieres verfremdet zu skandinavischen Goldschmieden gekommen sein soll, die dieses Motiv für wert erachtet haben sollen, es auf Goldbrakteaten abzubilden.
 
So. Hab das jetzt mal so in meine Homepage eingebaut:
Die Germanen
:)
Also das mit dem Trierer Spruch ist nicht logisch. Denn der ist so viel später, dass eher umgekehrt ein Schuh draus wird, dass der Verfasser den heidnischen Spruch verchristlicht hat. Aber dass der Trierer Spruch Vorlage für eine Geschichte auf den Brakteaten aus dem 5. Jh. sein soll, die damals also bereits so Allgemeingut war, dass jeder, der das Bild sah, sofort wusste, was damit gemeint war (also wohl schon ein paar Generationen früher entwickelt worden ist) halte ich für abenteuerlich.
 
Ist das der Brakteat, der im Wikipedia-Artikel zu Phol abgebildet ist? Da kann ich nämlich gerade mit Mühe nur ein Pferd und eine ziemlich großköpfige zweite Figur erkennen - also quasi Oðin mit Sleipnir, wenn man so will - aber keinen Beinbruch.
 
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