Polnisches Kino: Katyń

El Quijote

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Andrzej Wajda hat über das Massaker von Katyń einen Film gedreht, der demnächst in die Kinos kommt mit dem Titel Post mortem. Opowiesc katynska. Nachdem was in den Tagesthemen zu sehen war, beschreibt der Film recht anschaulich, wie die polnische Oberschicht zwischen den anrückenden deutschen und sowjetischen Truppen aufgerieben wurde. Ich hoffe, dass er bald auch in den deutschen Kinos läuft.
 
Wie kann man Katyń ohne den Polenfeldzug der Deutschen thematisieren?

Ohne jetzt hoffentlich zu haarspalterisch zu wirken, würde ich weniger den deutschen Polenfeldzug, als vielmehr den dt.-sowjet. Nichtangriffspakt (als Verständigungsbasis zweier Diktatoren für den Überfall auf Polen) iVm. dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen in Zusammenhang mit Katyn thematisieren.

Insofern habe ich auch wenig Verständnis für den Versuch des sowjetischen Anklägers beim IMT, Katyn als deutsches Kriegsverbrechen darzustellen. Selbst wenn man noch die zweifelhaften stalinistischen Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche für den Nichtangriffspakt mal hinten anstellt, gibt es wohl eine Kausalkette zwischen dem Pakt, dem sowjetischen Einmarsch und dem sowjetischen Kriegsverbrechen.
 
Für Katyn können die Deutschen tatsächlich nichts. Selten genug in jenen Jahren.

Und Silesia hat schon recht, es ist die Frage wie die Weltgeschichte ohne den Hitler/Stalinpakt abgelaufen wäre.
Frühsommer/Sommer 1939 gab es ja durchaus britisch/deutsche Sondierungen und inoffizielle Gespräche, großzügige Kredite für Deutschland waren im Gespräch usw. (war ja schlicht Pleite trotz der Österr. und Tschechischen Beute)
Es ist die Frage ob sich Hitler nicht gezwungen gesehen hätte darauf einzugehen. Ohne den überraschenden Pakt mit Stalin.

Auch der Frankreich-Feldzug 1940 ist ohne Sowjetische Rückendeckung und Unterstützung undenkbar.
Als dann Stalin/Molotow im November 1940 die Faktura dafür auf den Tisch legten, ist Hitler dann Stalin "an die Gurgel gesprungen".
 
In der DDR wurde über Katyn überhaupt nicht gesprochen. Hier wurde über das Chatyn (in Weissrussland) in der offiziellen DDR-Geschichtsschreibung berichtet.
Chatyn - Wikipedia
Was hin und wieder bei mir zur Verwirrung bei selbstrecherchierter Arbeit ab Mitte der 80er Jahre führte. So war es sehr schwer, Chatyn und die Sache mit den Polen in Katyn auseinanderzuhalten. Wie käme man denn auch auf eine Namensgleichheit zweier Orte?
 
Man darf beim Hitler-Stalin-Pakt nicht vergessen, dass auch der Sowjetdiktator seine Vorteile aus dem Pakt zog. Auch die UdSSR mußte einen Zweifrontenkrieg fürchten, gegen das 3. Reich im Westen und gegen die Japaner im Fernen Osten. (die 1937 in China eingefallen waren)
Zudem konnte sich Stalin durch das geheime Zusatzprotokoll große Teile Osteuropas unter den Nagel reißen. Mit allen negativen Folgen für die betroffenen Völker.
Um einen solchen Pakt zu schließen, braucht es immer zwei. Die durch den Pakt ermöglichten Kriegsverbrechen der Sowjets sollten daher auf klar diesen (respektive den Russen) angelastet werden.
 
Fur mich ist am wichtigsten bei "Katyń", was Wajda gestern geschprochen hat - dass man wahrscheinlich diesen Film auch im Russland sehen konnen wird. Dank der Aktiovitat der russischen Intellektualisten aus der "Memorial"-Stifftung. "Memoriał" wurde von ehem. sovjetischen Opposition-Mitglieder geschafft. Sie bemuhen sich heute, um die Verbrechenen der Stallin-Zeit zu demaskieren und Moral-Genugtuung fur den Opfern zu erreichen. Fur sie ist also Katyń-Massaker nicht nur die Frage der russisch-polnischen Relation. Das Polen will, um Katyń, Ostaszkowo, Starobielsk, Kozielsk und Miednoje als das "Verbrechen gegen Menschheit" (genau wie Nazi-Lagern in der Vergangenheit) offiziel anzuerkennen. Russland wird das aber nie machen, weil es die zu ernsten internationallen Konsequenzen geben wuerde - die Massaker der 15 000 pol. Offiziere in Kantyń war doch keine Ausname. Was mit Familien der gemordeten russischen Adelinge zB ? Oder mit den tausenden Kriegsgefangenen der anderen Nationalitaten, die auch in den Lagern gemordet wurden, u.a. Ungarn und Rumanen, die auch in Ostblock nach dem Krieg waren und schweigen mussten. Auf diesem Grund ist der Film von Wajda ein guter Anfang, um die Disskussion uber diese Probleme auch in der Millieu der Intelektualisten, nich der Politikern, anzufangen.
 
Fur mich ist am wichtigsten bei "Katyń", was Wajda gestern geschprochen hat - dass man wahrscheinlich diesen Film auch im Russland sehen konnen wird.

Meinst du die Mehrheit der Russen heute haben Interesse über Katyn in einem polnischen Film im russischen Kino oder Fernsehen zu sehen?
In sogenannten kleinen Studiokinos könnte er in Russland laufen. Oder auch nur heimlich, um den Schlägertrupps der russischen Neo-Jung-Kommunisten (Neo-Nationalisten) zu entgehen.
Wajda wünscht sich, dass der Film auch in Russland zu sehen sein wird.
 
Wajda wünscht sich, dass der Film auch in Russland zu sehen sein wird.
Wobei man ebenso wie bei "Danton" nicht die persönliche Geschichte Wajdas vergessen darf. Ich befürchte eher dass der Film beklemmend realistisch sein wird. (Das hat Wajda mit Polanski gemein, aber die beiden arbeiten nicht umsonst bisweilen auch zusammen.)
Jedenfalls ist Wajda einer der ganz Großen des polnischen und somit des europäsischen Kinos.:anbetung:
 
Katyn

Der Film Katyn von Wajda wurde in Rußland gezeigt. Welche Reaktionen? "Das ist nicht wahr, es ist gelogen". Sogar in der Öffentlichkeit (TV) wurde diese wahre Geschichte verleugnet!!! Ich kann es einfach nicht glauben!!!
 
Der Film Katyn von Wajda wurde in Rußland gezeigt. Welche Reaktionen? "Das ist nicht wahr, es ist gelogen". Sogar in der Öffentlichkeit (TV) wurde diese wahre Geschichte verleugnet!!! Ich kann es einfach nicht glauben!!!

Ja, was hast du denn sonst erwartet? Es werden auch woanders dunkle Punkte in der Vergangenheit auf Deibel komm raus abgestritten (Stichwort: Türken-Armenier).
 
Man darf beim Hitler-Stalin-Pakt nicht vergessen, dass auch der Sowjetdiktator seine Vorteile aus dem Pakt zog. Auch die UdSSR mußte einen Zweifrontenkrieg fürchten, gegen das 3. Reich im Westen und gegen die Japaner im Fernen Osten. (die 1937 in China eingefallen waren)
Zudem konnte sich Stalin durch das geheime Zusatzprotokoll große Teile Osteuropas unter den Nagel reißen. Mit allen negativen Folgen für die betroffenen Völker.
Um einen solchen Pakt zu schließen, braucht es immer zwei. Die durch den Pakt ermöglichten Kriegsverbrechen der Sowjets sollten daher auf klar diesen (respektive den Russen) angelastet werden.

Nur mal kurz off-topic eingeworfen. Wenn ich mich als Alt- und mittelalterlicher Historiker richtig entsinne, dann hat Rußland erst kurz vor Kriegsende Japan den Krieg erklärt. Von einem Zweifrontenkrieg kann also keine Rede sein (wenn ich Recht habe).

Wir Deutschen tun uns auch nicht immer leicht mit der Aufarbeitung unserer Verbrechen, dennoch kann man durchaus sagen wir machen dies und teilweise auch recht gründlich. Was mich manchmal beschäftigt, ist die Frage, warum andere sich da so schwer tun. Liegt der Grund in der katastrophalen Niederlage oder woran liegt es?
 
Oder vielleicht können wir Deutschen uns seit Jahr und Tag nicht wirklich gut leiden und haben endlich genug Grund und Anlaß?
Wie auch immer, beschwerdefrei ging und geht die Beschäftigung mit der Vergangenheit auch in Deutschland auch heute nicht über die Bühne.
Wir sind meiner Meinung nach nicht sehr viel besser als andere Nationen, wir legen allenfalls die Schwerpunkte anders, wenn auch erst seit den 60er Jahren.
 
Nur mal kurz off-topic eingeworfen. Wenn ich mich als Alt- und mittelalterlicher Historiker richtig entsinne, dann hat Rußland erst kurz vor Kriegsende Japan den Krieg erklärt. Von einem Zweifrontenkrieg kann also keine Rede sein (wenn ich Recht habe).

Es ging ja auch um die Furcht eines Zweifrontenkrieges. Die Japaner waren schon einmal tief im russischem Festland 1918-1922.
 
Haben wir hier vielleicht polnische User, die den Film gesehen haben? Ich habe nur den Trailer (mit englischen Untertiteln) gesehen und fand ihn - vom Eindruck her - sehr sehenswert. Oder sogar russische User, die ihn auch gesehen haben? Was ist Eure Meinung dazu?

Mir ist noch in Erinnerung, dass sich etwa Telford Taylor in seinen Erinnerungen zum Nürnberger Prozess auf sowjetische Versuche berief, Katyn den Deutschen unterzujubeln..
 
Haben wir hier vielleicht polnische User, die den Film gesehen haben? Ich habe nur den Trailer (mit englischen Untertiteln) gesehen und fand ihn - vom Eindruck her - sehr sehenswert. Oder sogar russische User, die ihn auch gesehen haben? Was ist Eure Meinung dazu?

Der Film wird auf der Berlinale gezeigt und ist als einer besten ausländischen Film für den Oskar nominiert.
Zur Berlinale-Präsentation lief gestern im ZDF ein Beitrag. Ausschnitte aus dem Film kann man sich in der ZDF-Mediathek anschauen.
Das, was ich sehe, ist vielversprechend. Ich werde mir den Film so schnell wie möglich beschaffen bzw. ansehen. Beklemmende Szenen.

Ich hoffe, dass der Film in nächster Zeit mehr ins öffentliche Bewusstsein gedrängt wird. Zwar gibt es Besprechungen, Meinungen, Ankündigungen in Zeitungen und im Fernsehen, aber auch da wird der Film etwas stiefmütterlich behandelt. Der Masse ist er sicherllich unbekannt.
Und die Wahrnehmung und Bewertung in Russland ist erbärmlich.
 
Ich habe den Film gestern Abend auf DVD gesehen. Besonders gut fand ich ihn nicht. Um das Massaker herum sterben einfach zu viele Menschen, die kurz auftauchen und dann sofort wieder verschwinden.

Die so genannten "schrecklichen letzten 20 Minuten" wie es auf der DVD Hülle heißt werden zu einem Dilemma. Die fabrikmäßige Hinrichtung ist nicht grauenhaft dargestellt. Viele der Soldaten gehen fast gleichgültig zur Hinrichtungsstätte.

Einzig das Schicksal des jungen Piloten scheint mir glaubwürdig.

Aber noch etwas: Es gab zwischen Russen und Deutschen Gefangenenaustausche. Wer in den Gebieten Polens lebte, die sich die Russen einverleibt hatten, aber auf deutscher Seite in Gefangenschaft kam, wurde ausgetauscht und kam daraufhin in russische Gefangenschaft und umgekehrt.

Der aus Krakau stammende Hauptmann, dem der Fahneneid höher steht als seine Familie hätte also eigentlich in deutsche Gefangenschaft übergeben werden müssen.

Meiner Meinung nach stützt sich der Film nicht nur auf das Buch von Andrzej Mularczyk, sondern auch auf eine Veröffentlichung des polnischen Journalisten und Schriftstellers Jozef Mackiewicz, der an der Exhumierung in Katyn 1943 anwesend war und darüber schon 1946 ein Buch verfasste.

Bei ihm taucht zum ersten Mal der Tagebuchbericht des polnischen Offiziers auf, der dieses bis 5 Minuten vor seiner Hinrichtung geführt hatte.

Alles in Allem ein Film der mich schwer enttäuscht hat. Ich hatte mir mehr von der geschichtlichen Aufarbeitung in Filmform erwartet.

Der eindrucksvollste Moment ist eigentlich die Ansprache Wajdas vor dem Film. Es ist wichtig und richtig, dass der Film nach Deutschland gekommen ist. Lange genug hat es ja gedauert...

Aber ein Meisterwerk ist es nicht.
 
...Aber ein Meisterwerk ist es nicht.

Kommt darauf an, mit welchen Augen man ihn sieht.

Für die Polen ist der Film wichtig, da er ein nationales Trauma behandelt. Die Morde von Katyn waren ja bekanntlich in der Zeit des Kommunismus verschwiegen, bzw. den Deutschen in die Schuhe geschoben worden, obwohl die Polen es besser wussten. Der Umstand, dass man seiner Trauer, seiner Empörung und seinem Leid offiziell nicht Ausdruck geben durfte, war besonders schlimm, wie mir übereinstimmend mehrere polnische Bekannte erzählten. Insofern hat der Film eine ganz besondere Rolle für die Nation.

Aus Anlass des 60. Jahrestags wurde dieses Thema auch in der deutschen Presse intensiver behandelt, nicht nur wegen des Flugzeugabsturzes des polnischen Präsidenten Kaczyński.

Interessant auch, dass das russische Fernsehen diesen Film im April 2010 gezeigt hat, was in Russland große Betroffenheit gervorgerufen hat.
 
Also Mensch mit polnischen Wurzeln sehe ich den Film schon als die Verarbeitung eines nationalen Traumas.
Aber er ist mir zu überladen mit dem Tod von Gegnern der offiziellen Theorie.
Es gefällt mir nicht, daß der junge Student sterben muss, weil er ein Plakat abreißt.
Nunja, der Tod des Offiziers der Armia Ludowa, der mit Andrzej in Smolensk gewesen war ist ergreifend und verständlich.

Aber nein, mich überzeugt der Film nicht. Ich habe viel über Katyn gelesen, verehre Jozef Mackiewicz für sein Buch.
Aber dieser Film...

Vielleicht auch, weil ich ihn gestern auf Deutsch gesehen habe. Ich werde ihn mir heute Abend nochmal auf Polnisch anschauen und dann noch einmal posten.

Übrigens: Der 70. Jahrestag von Katyn und das damit verbundene Unglück von Smolensk waren doch die Auslöser für die Ausstrahlung des Films Katyn im russischen TV, oder irre ich mich?
 
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