Ein kleines Köln an der Lahn
Jahre hat es gedauert, aber nun ist es geschafft: Der Pferdekopf von Waldgirmes ist restauriert - und zeigt den römischen Expansionsdrang in Germanien. Bis auf weiteres muss sich die Öffentlichkeit aber mit Bildern des Sensationsfunds begnügen.
06.03.2015, von Karen Allihn
...
14 nach Christus war Schluss in Waldgirmes
Lahnau-Waldgirmes, rund 100 Kilometer östlich des Rheins gelegen, gehörte vor 2000 Jahren gar nicht zum Römischen Reich. Doch gerade deshalb wirft die Chronologie dieses Ortes, der als Vorposten einer geplanten Provinzialisierung angesehen werden kann, einen erhellenden Blick auf jene Zeit, in der die Römer das freie Germanien zu unterwerfen suchten. Zunächst, so Rasbach, wurde hier um das Jahr 4 vor Christus eine Händlersiedlung mit 150 bis 200 Bewohnern gegründet. Die Zusammensetzung dieser „multikulturellen Pioniergeneration“ spiegelt sich in den hier geborgenen Keramikfunden aus dieser Zeit: germanische Scherben, terra sigillata für Römer, Importe aus Gallien für Gallorömer, keltische Stücke für Keltogermanen aus dem direkten Umfeld – in dem nur drei Jahrzehnte zuvor noch, auf dem Dünsberg bei Gießen, ein Oppidum, eine befestigte Siedlung, bevölkert war.
Schriftliche Zeugnisse sind, abgesehen von zwei Graffiti auf Tonscherben, bislang nicht bekannt. Laut dendrochronologischen Untersuchungen wurde die Siedlung um sieben nach Christus „monumentalisiert“: siebeneinhalb Hektar, trapezförmig umwehrt, von Straßen durchzogen, mit mehr als 20 Gebäuden aus römischem Fachwerk bebaut, dazu zwei Brunnen, ein Forum, ein Verwaltungsgebäude auf steinernem Fundament, dem ersten, das aus augusteischer Zeit östlich des Rheins bekannt ist. Nur zwei Jahre später verlor Varus die Schlacht im Teutoburger Wald. In Waldgirmes wurden die Machtinsignien der Möchtegern-Eroberer zerschlagen.
„Der Zeitpunkt der Statuenzerstörung markiert einen Einschnitt“, sagt Gabriele Rasbach. Doch habe er nicht das Ende der Siedlung bedeutet. Hier besserte man anschließend die Straßen aus, wie archäologisch nachgewiesen werden konnte. Erst 14 nach Christus (mit dem Tod des Kaisers Augustus, der einen Aufstand am Rhein zur Folge hatte) oder zwei Jahre später (als Kaiser Tiberius beschloss, die Eroberungspolitik aufzugeben und die Germanen sich selbst zu überlassen) war Schluss. „Es war eine römische Metropole, aus der so etwas wie Köln hätte werden können“, sagte der damalige Präsident des DAI, Hans-Joachim Gehrke, bei der Eröffnung der Lahnau-Waldgirmes-Ausstellung „Bilder einer Ausgrabung“ 2010 in Frankfurt – aber dieser Ort wurde nun geschleift und niedergebrannt.
...