Reichswehr und Machtergreifung 1933

silesia

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Reichswehr und Machtergreifung:
Oberst (später Generalfeldmarschall) Walter v. Reichenau

Reichenau war neben Schleicher der politisierte Exponent der Reichswehrführung.

In der Zeit vom Waffenstillstand bis zu seiner Übernahme in die Reichswehr war Reichenau Generalstabsoffizier beim Grenzschutz in Schlesien und Pommern.
Bis Anfang der 1930er Jahre wurde Reichenau dann in verschiedenen Stellungen verwendet, 1924 zum Major und 1929 zum Oberstleutnant befördert. Im Jahr 1931 erfolgte die Versetzung zur 1. Infanterie-Division, wo Reichenau am 1. Februar 1932 zum Oberst ernannt wurde. Am 1. Februar 1933 wurde er Chef des Ministeramtes im Reichswehrministerium, im folgenden Jahr, am 1. Februar 1934, wurde er dann im Zuge der Umstrukturierung der Reichswehr Chef des neu geschaffenen Wehrmachtsamtes unter Beförderung zum Generalmajor.
(wikipedia)

Reichenau war bereits vor der Machtübernahme durch Vermittlung eines Verwandten mit Hitler in Berührung gekommen, war fasziniert vom "revolutionären Charakter" des Nationalsozialismus und verfiel vor allem den Ideen. Möglicherweise ist er bereits an dem Gerücht beteiligt, Schleicher und Hammerstein hätten am 29.1.1933 die Möglichkeit eines Putsches mit der Potsdamer Garnison besprochen, was Schleicher sofort dementierte. Mit der überraschenden Besetzung Blombergs als Reichswehrminister avancierte er zum Chef des Ministeramtes als sein engster Berater, eine Funktion, die er schon zuvor in Ostpreußen ausgeübt hatte. Der VB kommentierte am 2.2.1933 wahrheitswidrig: „… der Stabchef des Generals von Blomberg in Königsberg war und als unpolitischer Soldat gilt.“ Reichenau war tatsächlich überzeugter Nationalsozialist, verehrte Hitler und unterstütze die NSDAP. Er versuchte gleichzeitig, die Sonderstellung der Reichswehr neben der Partei zu erhalten, woraus zahlreiche Streitereien mit Parteistellen resultierten. Er wollte diese „Machtergreifung“. Nachdem sich die Reichswehrführung für ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus entschieden hatte, forderte sie - damit auch Reichenau - in ihren Strukturen und Traditionen auch den gewohnten Gehorsam. Die Entscheidung zum Widerstand wurde damit frühzeitig auf den Einzelnen verlagert.

Hammerstein, Gegner des Nationalsozialismus und Chef der Heeresleitung, wurde von Blomberg Ende 1933 aus dem Amt gedrängt. Reichenau hoffte auf seine Nachfolge, wobei Hitler – und das zeigt die Reichswehr in dieser Phase noch als eigenständigen Faktor der Politik - keinen Einfluss nahm. Unter der Einwirkung älterer Offiziere entschied sich Hindenburg gegen Reichenau, wahrscheinlich, weil er das Heer nicht einem Nationalsozialisten überlassen wollte. Gerade bei den jüngeren Offizieren ließen sich aber Stimmen hören, die von einer Ernennung Reichenaus sich einen größeren Einfluss der NSDAP auf die Reichswehr erhofften. Hitler hatte zu dieser Zeit ständige persönliche Fühlung nur mit Blomberg und Reichenau. An seiner Stelle wurde jedoch Freiherr von Fritsch zum Chef der Heeresleitung ernannt, allgemein nicht als Freund des Nationalsozialismus bekannt, im Grund ein unpolitischer Offizier.

Blomberg und Reichenau versuchten zunächst, Wehrmacht und SA näher zu bringen. Es kam zu hochrangigen Treffen. Sie verlangten dann aber Abhilfe, als klar wurde, dass dieses nicht gelingen würde. Röhm erstrebte eine Armee der Revolution, und das sollte die SA darstellen. An Schlieffens Geburtstag hielt Hitler eine Rede, bei der er beide Organisationen klar abgrenzte. Zuvor war ein Abkommen von Blomberg und Röhm am 28.2.1934 unterzeichnet worden. Reichenau bekam später von Lutze einen Brief zugesteckt, in dem er Röhm vor „Durchführung seiner Absichten gegen die Reichswehr“ warnte. Damit wurde die Gerüchte über Putschabsichten für Reichenau bestätigt. Das Reichswehrministerium bereitete sich in großer Nervosität auf die Abwehr vor, es wurden nach Wehrkreisen Bedrohungsstudien bezüglich der SA erarbeitet. Auch dabei wird Reichenau mitgewirkt haben. Als Hitler am 21.6.1934 zur Audienz auf Hindenburgs Domizil Gut Neudeck erschien, traten ihm Reichswehrminister Blomberg und Generalmajor von Reichenau entgegen. Sie forderten ihn auf, gegen die SA vorzugehen.

Es folgte der 30.6.1934, die Niederschlagung des sog. Röhm-Putsches, mit Billigung und auf Drängen der Reichswehrführung. Reichenau sichert die Monopolstellung der Wehrmacht als einzigen Waffenträger der Nation und wirkt an der Ermordung Ernst Röhms mit.
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/ReichenauWalter/index.html

Als er später zum Generalleutnant ernannt wird und ein Kommando übernimmt, folgt ihm Keitel auf den Posten des Chefs des Wehrmachtsamtes nach.
http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_von_Reichenau

War die überraschende Ernennung Blombergs zum Reichswehrminister, Stunden vor der Ernennung des Hitler-Kabinetts, auch auf seinen „Berater“ Reichenau zurückzuführen: der Versuch, mittels Blomberg den politisierten Offizier und NSDAP-Anhänger Reichenau an die Schaltstellen der Reichswehr zu bringen?

u.a. Foertsch, Schuld und Verhängnis - Die Fritsch-Krise.
 
Nach Hürter, Hitlers Heerführer, befand sich keiner der späteren hochrangigen Generalität Hitlers vor dem 30.1.1933 an den Schaltstellen der Macht, also Politik und Reichswehr.

Spätestens seit 1930, bis 1933 war es weit verbreitete Ansicht in Spitze und Offizierskorps, dass die Reichswehr ggf. zur Stabilisierung der wirren politischen Verhältnisse eingreifen müsse. Gröner äußerte nach Abschluß der Herbstmanöver 1930, es dürften keine wesentlichen Weichenstellungen politisch mehr erfolgen, zu denen sich die Reichswehr nicht positioniert habe. Das war auch Meinung der jüngeren Offiziere: stellvertretend Model, der sich ebenfalls 1930 in Briefen zu den politschen Erschütterungen äußert und auf Eingriff der Reichswehr setzte.

Nun sollte man die Wirkung militärischer Planspiele auf das Verhalten der Generalität nicht unterschätzen. Das Kriegsspiel im November 1932 beschäftigte sich mit gewalttätigen innenpolitschen Unruhen, einem Bürgerkrieg mit Kommunisten und NSDAP, einschließlich SA, sowie Generalstreik. Niederschmetterndes Ergebnis war, dass die Reichswehr die Ordnung in einem solchen Revolutions- bzw. Putschszenario nicht würde wiederherstellen können.
Die Schlußfolgerung der Planstudie war dann, nachdem sie dem Reichswehrminister gemeldet worden war, "dass alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen seien, einen Ausnahmezustand in Gang zu setzen. Es habe sich aber bei sorgfältiger Abwägung gezeigt, dass die Ordnungskräfte des Reiches und der Länder in keiner Weise ausreichen, um die verfassungsmäßige Ordnung gegen Nationalsozialisten und kommunisten aufrecht zu erhalten und die Grenzen zu schützen. Es sei daher die Pflicht des Reichswehrministers, die Zuflucht der Reichsregierung zum militärischen Ausnahmezustand zu verhindern.
Schüddekopf, Heer und Republik.

Interpretieren ließe sich dieses als Empfehlung zur Aufnahme der NSDAP in die Regierung. Es würde zum Spaltungsversuch Schleichers für die NSDAP passen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Folgendes findet sich in den Notizen Liebmann über eine Ansprache von Reichswehrminister Blomberg am 3.2.1933 vor den Wehrkreis-Befehlshabern:

"Bei der Bildung des Kabinetts (Hitler) habe Frage des Reichswehrministers Hauptrolle gespielt. Eintritt der Nazi in Regierung sei entschieden gewesen, als sich aktiver General zur Mitarbeit unter Hitler bereit fand. Von Hitler für möglich gehaltene andere Lösung: Führender Nazi als Reichswehrminister wohl für Reichspräsident nicht annehmbar. Nach Einigung Hitler-Blomberg - Montag 8 Uhr - sei Frage entschieden gewesen und um 11.30 bereits vereidigt."

Blomberg wurde tatsächlich knapp zwei Stunden vor dem übrigen Kabinett Hitler von Hindenburg unter Umgehung der Verfassung vereidigt, es war für Hindenburg wohl die entscheidende Frage.

Zuvor waren aussichtsreich Stülpnagel und Fritsch ins Gespräch gekommen. Blomberg hatte Stülpnagel bereits am 26.1.1933 ein Glückwunschtelegramm von der Abrüstungskonferenz geschickt. Stülpnagel erschien aber Hindenburg als nicht zuverlässig genug. Als Blomberg von der Konferenz zurückgerufen wurde, sprach er am 30.1. morgens 8 Uhr kurz mit Hitler, eine Einigung (sein Chef des Stabes war Reichenau, der mit Hitler bereits im Dezember 1932 in Briefkontakt stand) muss sofort erfolgt sein.
 
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