Reparation und Kapitulationsforderung des 2. Wk - Folge des Sezessionskrieges?

Tib. Gabinius

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Da im anderen Thema die Fragestellung zu weit zurück gelassen wird, das ganze nun in einem neuen Thema.

Zur Debatte dabei folgende Äußerungen:
Fest steht, dass die Beendigung des Krieges mit Deutschland und Japan ohne Beispiel in der Geschichte dasteht. Die Forderung nach einer "Bedingungslosen Kapitulation", praktisch vom ersten Tag des Krieges an, ist beispiellos. Außer eben dem Sezessionskrieg.

Zum 1. WK ist zu sagen, dass die USA im nachhinein diese Zurückhaltung als ihren größten Fehler betrachtet haben, und von daher schon auf der "Bedingungslosen Kapitulation" (Surrender) bestanden.

Die Europäer versuchten (mehr oder weniger) die Zivilbevölkerung zu schonen, die Amis machen möglichst alles platt, in der Meinung, dass dies am humansten sei, da es zür Verkürzung des Krieges dient.


Bei dieser Argumentationslinie stellt sich mir die Frage, wenn die US Amerikaner aus ihrem Bürgerkrieg die Lehren gezogen hätten:
- Fordere bedingungslose Kapitulation
- Schlage mit aller Härte zu und hinterlasse nur brennende Trümmer
- Nimm so viel als Reparation wie du tragen kannst und bau danach schleunigst Geschäfte mit den Besiegten auf

Warum taten sie es dann nicht in der Folge des "lehrenden Krieges"
Nehmen wir als Beispiel den spanisch-amerikanischen Krieg. Er endete mit der Niederlage Spaniens, diese traten umkämpfte Territorien an die USA ab, aber sie bekamen dafür 20 Millionen $ im Friedensvertrag zugesichert.
Während des Krieges kommt es immer wieder zu Kämpfen, die nur dem spanischen Ehrgefühl dienen und danach zu einer akzeptablen Kapitulation betreffender Truppen führen.

Im 1. Wk gehen die Amerikaner nicht rücksichtslos vor, und auch die Versailler Verträge wurden von ihnen harsch kritisiert....
Erst mit dem zweiten Weltkrieg können also die oben genannten Fakten in Zusammenhang gebracht werden, und dabei zeichnen sie sich nicht vom Verhalten anderer Nationen ab, außer in Hinsicht auf die Schaffung "neuer Märkte" für ihre Produkte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann will ich auch noch einige Anmerkungen loslassen.

Zum WK1: War der Waffenstillstand (11. November 1918) nicht auch bereits de facto eine bedingungslose Kapitulation? Und wie schon oben gesagt, hier war US Präsident Wilson eigentlich nicht so glücklich darüber ...

"Fest steht, dass die Beendigung des Krieges mit Deutschland und Japan ohne Beispiel in der Geschichte dasteht. Die Forderung nach einer "Bedingungslosen Kapitulation", praktisch vom ersten Tag des Krieges an, ist beispiellos. Außer eben dem Sezessionskrieg"

Hm, erstens gab es die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation nicht vom ersten Kriegstag an (vgl. die Atlantik-Charta mit den Beschlüssen der späteren Treffen der großen Drei).
Darüber hinaus scheinen gerade die Amerikaner nicht genau gewusst zu haben, wie sie mit den Besiegten umgehen sollten ... da wurden Pläne aufgestellt und wieder verworften (auch hier ein Blick auf die Konferenzen von Teheran, Jalta und Potsdam - und auf den Morgenthau-Plan).
Was ist mit der beispiellosen Beendigung des Krieges gemeint? Die Atombombe? Die bedingungslose Kapitulation? Gerade letztere empfinde ich nicht als so beispiellos (siehe WK1). Und egal ob mit oder ohne Beispiel, ich denke, dass die (Kriegs)Verbrechen der Deutschen und auch der Japaner zur Forderung nach bedingungsloser Kapitulation führten, nicht die Lehren aus dem Bürgerkrieg.

Dazu kommt noch, dass die Amerikaner wohl zuerst wirklich in Deutschland ein besetztes Feindesland sahen und die Entnazifizierung auch stark vorantrieben. Aber dann setzte ein Umdenken ein. Der Kalte Krieg wurde immer deutlicher, die westlichen Besatzungszonen damit zu strategisch wichtigen Gebieten. Und: Die Verwaltung brach durch die Entnazifizierung zusammen, viele aus dem öffentlichen Dienst entfernte "Nazis" mussten wieder eingestellt werden. Durch den Wunch, die Deutschen eher als Partner gegen den Kommunismus zu haben, verzichteten die Amerikaner auf weitere Entnazifizierung im großen Stil und begannen, für bessere Lebensverhältnisse (in allen Bereichen) zu sorgen. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass man da an den Verkauf von Cola dachte .... man denke nur an die Risiken und Kosten, die die Amerikaner bei der Luftbrücke nach Berlin auf sich geladen haben.
 
mit dem ergebnis von versailles war man in den usa auch deswegen nicht einverstanden, weil man sich auf siegerseite nicht an die 14-punkte gehalten hat. erst im rückblick aus sicht des 2. wk wurde bedauert, dass man nicht schon damals den deutschen militarismus zerschlagen hatte. und damit ich beim thema bleibe, eben nicht aus den erfahrungen des sezessionskrieges, der erstens viel zu lange vorbei war, als das politiker daraus noch hätten lehren ziehen können und zweitens als "bürger"krieg ganz anders geartet war als der 2. wk.

zur übernahme geistigen eigentums, da haben die amerikaner nach dem 2. wk einfach weiter gedacht. den sowjets gings zunächst um wiederaufbau des eigenen landes und der aggressor sollte so geschädigt werden, dass er so schnell nicht mehr auf die beine kommt. deshalb der abtransport der gleise, die demontage der industrien, auch wenn diese dann "systembedingt" in der su verrotteten (ähnlich sahen es ja auch die franzosen, die aber das "pech" hatten, nur im relativ klienen saargebiet nennenswerte industrie erhalten zu haben).

die usa waren vom krieg nicht selbst betroffen, im gegenteil, durch den krieg wurde eine riesige überkapazität geschaffen. sie interessierten sich deshalb vielmehr für das geistige eigentum, nicht nur patente, sondern auch für die wissenschaftler und techniker. das diese lieber halbwegs freiwillig in die usa als gezwungenermassen in die udssr gingen, ist nachvollziehbar.

man kann die nachkriegspolitik und -politiker der usa eigentlich nur bewundern: es ist ihnen gelungen, einen halben kontinent, der in trümmern lag, wieder aufzubauen und aus feindstaaten enge verbündete zu machen. vor allem, wenn man das mit der aktuellen situation vergleicht.
 
1. Zu den Reparationsforderungen:

Warum die nach dem Zweiten WK erhobenen Reparationsforderungen die Folge des amerikanischen Unabhängigskeitskrieges sein sollen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich würde sie eher als Folge der enormen von Deutschland im Zweiten WK verursachten Kriegsschäden bewerten. Immerhin kommt der Begriff "Reparation" vom lateinischen "reparare" (wiederherstellen) und kannte auch das damalige Völkerrecht Schadenersatzansprüche für rechtswidrige Kriegs- und Besatzungsmassnahmen. Aber vielleicht findet sich jemand, der mir diese etwas merkwürdige "Theorie" näher erläutern kann.


2. Zur bedingungslosen Kapitulation

Was die bedingungslose Kapitulation angeht, kam auch diese in der Geschichte schon vor dem amerikanischen Bürgerkrieg vor. Die Behauptung, dass die Idee der bedingungslosen Kapitulation im amerikanischen Bürgerkrieg geboren wurde, ist falsch:
  • Schon in der Bibel wird von einer bedingungslosen Kapitulation berichtet: Im 1. Samuel 18,1-4 schloss Jonathan einen Bund mit David (der für den Messias steht), weil er ihn wie sich selber liebte. Jonathan zog sein königliches Gewand aus und reichte es David und dazu seine Rüstung und sogar sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gurt. Dadurch brachte Jonathan zum Ausdruck, dass er bedingungslos kapitulierte (Lk 14,31-33), denn diese Gegenstände waren Symbole seiner königlichen Stellung. Jonathan besiegelte seinen Bund mit David durch einen Akt der völligen Kapitulation vor dessen zukünftiger Königsherrschaft und dessen Königreich und gab sich ihm ganz hin. Dadurch zeigte er, dass er David als kommenden König und Nachfolger Sauls anerkannte (1. Sam 20,31; 23,17; Offb 11,15).
  • Friedrich II. entging mit viel Glück der ihm zugedachten Kapitulation.
  • Napoleon Bonaparte musste am 8.4.1814 kapitulieren.
Dass Franklin Delano Roosevelt (FDR) 1943 die bedingungslose Kapitulation Deutschlands forderte, war keine Folge des über 70 Jahre sich zuvor auf dem nordamerikanischen Kontinent ereignenden Krieges, sondern basierte - worauf @Collo bereits zu recht hinwies - auf den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges:
  • So sprach sich FDR bereits im Ersten WK in seiner damaligen Rolle als Vizemarineminister dafür aus, Deutschland zu besetzen und in Berlin Frieden zu schließen. Er sah im preußischen Militarismus die eigentliche Kriegsursache, die durch die bedingungslose Kapitulation Deutschlands eleminiert werden müsste. Ansonsten befürchtete er, dass sich die Deutschen wegen ihrer militaristischen Tradition mit ihrer Niederlage nicht abfinden würden. Im Kabinett Wilson konnte er sich mit diesen Vorstellungen nicht durchsetzen. Als US-Präsident preschte er mit dieser Forderung ohne Rücksprache mit seinen Verbündeten vor. Im erstmöglichen Augenblick nach dem Sieg in Stalingrad stellte er im Januar 1943 in Anwesenheit des überrumpelten Churchills durch sein rüde vorgetragenes Kriegsziel Hitler als Verlierer dar.
  • Ferner kann die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation auch deshalb nicht überraschen, weil die Deutschen im Grunde bereits 1918 kapitulierten - worauf @Papa_Leo bereits hinwies. Damals wurde dieser Sachverhalt im Notwenwechsel mit dem amerikanischen Aussenminister Lansing aufgrund eines gewissen diplomatischen Respekts vor den neuen Verhältnissen in Berlin etwas kaschiert. Doch die Deutschen, insbesondere deren Aussenminister Brockdorff-Rantzau, versuchten 1919 prompt, aus dieser Rücksichtnahme Kapital zu schlagen. Brockdorff-Rantzau überstrapazierte diesen Sachverhalt, um so etwas wie einen Rechtsanspruch auf Abschluss eines bestimmten Friedens - eines Wilson-Friedens deutscher Vorstellung - zu begründen (Idee vom Rechtsfrieden). Als sich das Scheitern dieser Strategie abzeichnete, bezichtigte er die Alliierten des Rechtsbruchs, weil der Deutschland vorgelegte Entwurf eines Friedensvertrages diesen Vorstellungen nicht entsprach, und mobilisierte er die deutsche Bevölkerung gegen den Versailler Vertrag. Die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation stellte frühzeitig klar, dass es diesesmal ein solches Theater nebst dazugehöriger Emotionalisierung der Bevölkerung nicht geben wird.
Übrigens stellt es auch nichts ungewöhnliches dar, dass im amerikanischen Bürgerkrieg die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation erhoben wurde. Es liegt geradezu in der Natur und Logik von Bürgerkriegen - auch der europäischen-, dass zumindestens eine der Bürgerkriegsparteien die Auseinandersetzung mit dem Ziel der bedingungslosen Kapitulation bzw. der endgültigen Niederlage der anderen Seite führt. Ansonsten könnte man ja gleich zur Sezession übergehen.
 
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