Römische Besatzungspolitik in Germanien

Tejason und Wilfried: Ihr habt wesentliche Aspekte sehr schön beschrieben - die Römer wollten Steuern erheben, aufgrund der niedrigen Monetarisierung klappte das nicht so richtig, und dann mussten sie auch noch haufenweise Einzelgehöfte und Streusiedlungen abklappern, wo die Einwohner ihre Wertsachen und Vorräte in weiser Voraussicht schon mal versteckt hatten. Die in Germnanien üblichen Vorratskeller unter dem Haus, z.B., sind ja im Mittelmeerraum nicht sehr verbreitet. Spinnrad drüber, Oma drauf, den Rümern was vom schlechten Wetter erzählen, und hoffen, dass Sohnemann die Kühe und Schweine weit genug in den Hudewald getrieben hat...

Ein wesentlicher Aspekt kommt hinzu: Die Germanen erwirtschafteten landwirtschaftliche Überschüsse, ganz ordentliche sogar, sonst hätten sich weder Metallverarbeiter in der archäologisch dokumentierten Breite, noch die von Tacitus beschriebenen "Kriegsgefolgschaften" ansonsten müßiger junger Männer entwicklen können. Bloß konnten die Römer mit dem Zeugs nicht viel anfangen:
Zur Landwirtschaft der Kelten, Römer und Germanen im Gebiet von Nordrhein-Westfalen ? Kontinuität oder Wandel? | Tanja Zerl - Academia.edu
In den drei älteren (rechtsrheinischen) Siedlungen (scheinen) Ölpflanzen für die Ernährung der ansässigen Bevölkerung wichtig gewesen zu sein. Nachgewiesen sind hier Leindotter, Lein und Schlafmohn jeweils mit zahlreichen Belegen. Letzterer hat in Emstetten-Isendorf einen Anteil von etwa 22 Prozent. (..) In vier der sechs Siedlungen sind aus der Gruppe der Hülsenfrüchte sowohl Erbse als auch Linse gefunden und daher sicherlich auch ehemals angebaut worden. (..)
Die Bevorzugung von Echter Hirse und gegebenenfalls Gerste lässt möglicherweise Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten der germanischen Bevölkerung zu. Beide Getreide eignen sich auf Grund geringer Klebereiweißanteile nicht gut zum Brotbacken, so dass sie in der Regel zu Brei, Suppeneinlage oder Bier verarbeitet werden.(..) Neben diesen beiden den Sommerfrüchten zugehörigen ökologischen Gruppen sind Wintergetreideunkräuter belegt, die wohl mit dem Dinkel zu parallelisieren sind.(..)
In der (linksrheinischen) klassischen Villenphase seit der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus (..) sind die Gerstenbelege so gering, dass hier eineigenständiger Anbau nicht mehr angenommen werden kann. Anhand des hohen Dinkelwerts von über 85 Prozent lässt sich eine Spezialisierung auf den Anbau dieser Wintergetreideart postulieren, was als Hinweis auf eine auf Überproduktion ausgerichtete Wirtschaftsweise interpretiert werden kann. (..)
Der Beleg von rund 1400 Kichererbsen (Cicer arietinum), über 270 Reiskörnern (Oryza sativa), 130 Teilfrüchten von Koriander (Coriandrum sativum) sowie vereinzelte Funde von Olive (Olea europaea), Feige (Ficus carica) und wohl Pfirsich (cf. Prunus persicaria) unterstreicht den Eindruck, dass die in Neuss erfasste Versorgungslogistik nicht auf lokalen Produkten basierte, sondern dass die römischen Soldaten ihre Verpflegung in das fremde Land mitbrachten. (..)
Aus der Gruppe der Ölpflanzen liegen nur wenige Belege von Leindotter, Lein sowie Schlafmohn vor. Der in römischer Zeit übliche Import von Olivenöl aus dem mediterranen Raum könnte eine Erklärung für den Bedeutungsverlust einheimischer Ölpflanzen sein.

So ein Mist - da wollen die Germanen einem doch tatsächlich Bier und Leinöl andrehen, wo doch jeder anständige Rümer Wein und Olivenöl zu sich nimmt. Gerste ist was für Pferde. Zum Brot backen taugt das alles nix. Bestenfalls ein paar Linsen kann man noch einpacken. Ihr Opium sollen die mal schön selbst nehmen, ist schlecht für die soldatische Moral...

Womit dann nebenbei auch klar wird, warum die Römerlager relativ wenig ökonomische Impulse in agrarische Regionen (Börde und Ebene) setzen konnten. Im Mittelgebirgsraum mit seiner intensiven Metallverarbeitung war das schon anders. Auch das Salz vom Hellweg dürfte Abnehmer gefunden haben - das Pariser Becken und große Teile Mittelfrankreichs sind praktisch salzlos, Viehzucht und Fleischverabeitung (Pökelei) mit entsprechendem Salzbedarf dort jedoch traditionell wichtig. Aber Salz hinterlässt halt keine archäologischen Spuren.

Wer sich etwas mit Landwirtschaft auskennt, weiss, dass Getreideanbau in Monokultur den Boden schnell auslaugt. Hülsenfrüchte und Ölsaaten dagegen sind Stickstoffanreicherer, und erhöhen den Ertrag nachfolgender Getreideanpflanzungen. Insofern bin ich ziemlich sicher, dass der bei den Germanen offenbar praktizierte Fruchtwechsel mittelfristig zu höheren Erträgen als die römische Monokultur mit ausschließlich Wintergetreide führte. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Dreifelderwirtschaft in Teilen Germaniens ab dem 3. Jahrhundert praktiziert wurde, finde die Quelle aber nicht wieder. Wie auch immer - alle Voraussetzungen dazu (abwechselnder Anbau von Sommergetreide, Wintergetreide und Hülsenfrüchten/ Ölsaaten) waren in der rechtsrheinischen frühkaiserzeitlichen Landwirtschaft bereits present.

Was die Tierproduktion angeht: Plnius sagt (N.H. 17,3):
nam quid laudatius germaniae pabulis.. =

Was wird mehr gelobt als Germaniens Weiden...
Tacitus fand die germanischen Rinder zwar häßlich, so gefleckt und ohne Horner, aber ordentlich Milch sollten sie schon gegeben haben. Die (hornlosen) Schwarzbunten gelten heutzutage ja nicht grundlos als die besten Milchkühe der Welt.
Der Schinken der Menapier (ursprünglich rechtsrheinisch, dann in den linksrheinischen Raum umgesiedelt) war in Rom begehrt und hoch bezahlt, Germanischer Käse war den Römern bekannt (Tacitus), ob sie ihn auch schätzten, ist eine andere Frage. Vermutlich nicht, sonst hätten die Römer die Steuern wohl in Käse erhoben..
 
auch wenn die Germanen Wintergetreide angebaut hätten, hätte es keine 2 Ernten im Jahr gegeben. Egal ob Winter oder Sommergetreide, die Erntereife unterscheidet sich höchstens um 1 Monat.
Also Ernte im Juli/August. Und der Rest der Vegetationszeit reicht nicht, um eine Nachfrucht reifen zu lassen
Hülsenfrüchte , Raps , Senf und Getreide sind allerdings eine gute Kombination für sehr hohe Erträge.
 
In wie weit eine Kombination Getreide /Liguminosen auf einem Acker zur selben Zeit stattgefunden hat, mögen die Archäologen klären.
 
Ich bezweifele, dass rechtsrheinisch in der Antike ein großer Technologietransfer stattfand. Germanische Städte gab es nicht. Sämtliche Stadtgründungen im freien Germanien stammen erst aus dem frühen Mittelalter.

Ich bezweifle das nicht.

Es gibt dazu einige Theorien, die ich für durchaus plausibel halte. Diese versuchen zu erklären, wie es zur Bildung der Großverbände der Franken und Alemannen kam. Eine wesentlicher Faktor dabei war ungewollte römische Entwicklungshilfe, durch Finanztransfer im Rahmen des divide et impera, und Wissenstransfer durch Handel, Auxiliarsoldaten und Auswanderung. Dadurch veränderten sich die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft und mit ihr die Bevölkerungsdichte. Ebenso infolge des Kapitalzuflusses die Sozialstruktur der Germanen und ihrer Stämme und Verbände, sowie ihr Ausrüstungs- und Ausbildungsstand.
 
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Welchen Wissenstransfer? Was wußten die Römer, was die Germanen nicht wußten, aber anwenden konnten? Gut, die Römer kannten der Räderpflug, nutzten ihn aber auch nicht überall, Wein und spezielle Obstsorten ...
Ansonsten? Bauen mit Stein und Ziegel war einfach nicht sinnvoll im germ. Klima ...
 
Welchen Wissenstransfer? Was wußten die Römer, was die Germanen nicht wußten, aber anwenden konnten? Gut, die Römer kannten der Räderpflug, nutzten ihn aber auch nicht überall, Wein und spezielle Obstsorten ...
Ansonsten? Bauen mit Stein und Ziegel war einfach nicht sinnvoll im germ. Klima ...

Wenn die Germanen wirklich nur die 1-Felderwirtschaft kannten, dann wäre die Übernahme der 2-Felder-Wirtschaft eine landwirtschaftliche Revolution gewesen. Dazu kämen handwerkliches Wissen, etwa in der Metallbearbeitung. Die Ausrüstung der fränkischen und alemannischen Krieger 250 Jahre nach der Varusschlacht scheint doch um Einiges konkurrenzfähiger gewesen zu sein. Dann hätten wir noch militärische Ausbildung und Taktik, die durch ehemalige Auxiliarsoldaten in den Diensten des germanischen Adels verbreitet wurde. Die Wirkung des Kapitalzuflusses auf die Sozialstruktur hatte ich schon erwähnt.

Ich kann nicht glauben, daß die Entwicklung der West-Germanen von einigen Dutzend verfeindeter und subsistenzwirtschaftender Stämme zu wenigen gut organisierten und schlagkräftigen Großverbänden einfach so passiert ist.

Nicht umsonst gerieten die Stämme an Rhein und Donau bald unter Druck durch östlichere bzw. nördlicher Stämme, was den Konsolidierungsprozess sicher weiter verstärkte. Ich glaube hier weit weniger an eine Klimaveränderung als einfach an die Gier nach Beute bei den durch die Nähe zum römischen Reich wohlhabenderen Stämme.

Wenn an der "Schocktheorie" eines Peter Heather etwas dran ist, daß das römische Reich nicht durch einen Niedergang, den es so nie gegeben haben soll, unterging, sondern durch den wirtschaftlichen, militärischen und politischen Aufstieg seiner Nachbarn, dann darf man eine, wenn auch unabsichtliche, römische Entwicklungshilfe nicht ausschließen.
 
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sorry, 1 Felderwirtschaft heißt, jede Sorte jedes Jahr auf jeweils den selben Acker und wenn nichts mehr gescheit wächst , umziehen.

Die waren doch nicht doof damals, höchstens bequem. Und dazu gehört, das man eben bewußt oder unbewußt eine Fruchtfolge praktiziert. Die Germanen müßten aber bar jeder "landwirtschaftlichen Intelligenz" gewesen sein, wenn sie im Laufe von mehreren tausend Jahren Landwirtschaft nicht bemerkt hätten, das Fruchtfolge bzw gemeinsamer Anbau von Gräsern und Liguminosen den Ertrag steigern.
Abgesehen davon, das neu beackern von Opas alten Äckern ist schließlich auch eine Art der Mehrfelderwirtschaft, und nicht die verkehrteste. Zumal ja wohl die aufgegebenen Äcker beweidetes Brachland wurden und die Weiden Ackerland.
 
So, ich werde jetzt detaillierter auf die lanwirtschaftliche Situation eingehen anhand der Forschung an der Ausgrabung Mardorf, denkt dran, ich bin interessierter Laie, und als Chef eines kleinen Betriebs manchmal nicht die Zeit zu lesen und mich auf dem Laufenden zu halten. Ich zitiere jetzt einfachhalber jetzt aus dem Forschungsbericht von Frau Prof.Dr.Angela Kreuz, Archäobotanikerin, bekannt aus vielen Publikationen, z.B. der DFG:
Zu Beginn der Arbeiten im Romanisierungs- und Germanisierungsprojekt nahmen wir an, daßetwa die Beschreibung der germanischen Landwirtschaft durch Tacitus eine Verzerrung der Realität aus politischen Gründen darstelle. Seine negative Haltung schien einer allgemein üblichenAbwertung nördlicher Bevölkerungsgruppen und Landschaften durch die antiken Autoren zuentsprechen. Die archäobotanischen Untersuchungen von keltischen, germanischen und römischenFundstellen im Rahmen der genannten Forschungsschwerpunkte zeigten jedoch gravierendeUnterschiede der Landwirtschaft. Überraschenderweise bestätigen die botanischen Ergebnisse in vielen Punkten die Aussagen der antiken Autoren (KREUZ
1994–1995; 2000).Hier nimmt der Fundplatz Mardorf 23 eine Schlüsselstellung für die archäobotanischen Untersuchungen ein
Mardorf 23 ist der bisher einzige gegrabene Platz, an dem an einem Ort die archäologischen Sachkulturen aufeinander folgen, die wir mit Kelten beziehungsweise Germanen verbinden. In den Jahren 1993 bis 1999 sind unter der Leitung von M. Meyer, Humboldt-Universität Berlin, 13.000 qm des am Rande der Ohmaue in der fruchtbaren Ebene des Amöneburger Beckensgelegenen Fundplatzes archäologisch untersucht worden (vgl. die Vorberichte bei MEYER 1992–93;1994–95).Die besondere Bedeutung des Fundplatzes ergibtsich aus seiner Besiedlung von der Mittellatènezeit bis zur Stufe C1a der Römischen Kaiserzeit, demfrühen 3. Jh. n. Chr. Auf die latènezeitliche Besiedlung, die einer keltisch geprägten Mittelgebirgsgruppe zugewiesen werden kann, folgen germanische Siedlungsphasen (M EYER
1992–93;1998; 2000). Der erste germanische Fundniederschlag in der ausgehenden Spätlatènezeit zeigtdeutliche Einflüsse aus der Przeworsk-Kultur im Osten (MEYER 1994). Darauf folgen im Keramikspektrum der zweiten Hälfte des 1.Jhs.v.Chr. zunächst elbgermanische Einflüsse,die sicham besten mit dem Stichwort „Horizont Großromstedt“ umschreiben lassen. Die spätere kaiserzeitliche Besiedlung der ersten beiden Jahrhunderte nach Christi Geburt ist dann durch einrhein-weser-germanisches Fund- und Formenspektrum geprägt (MEYER
1994–95, 54 Abb. 8; 2000,Abb. 4, 5–12; 5–8). In der Kaiserzeit treten außerdem in geringem Umfang römische Importkeramik sowie einheimische Imitate von römischen Kragenrandschüsseln bzw. Reibschalen auf (MEYER
2000, 149 Abb. 10 u. 11). Mit etwa 600 Bodenproben aus rund 100 sicher datierbaren Befunden liegtvon Mardorf ein großes, repräsentatives Probenmaterial für die botanischen Analysen vor. ...
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß sich das latènezeitliche Kulturpflanzenspektrum von Mardorf nicht vondemanderer keltischer Siedlungen in Hessen und in Süd- sowie Südwest-deutschland unterscheidet.Dagegen zeigen sich deutliche Veränderungen im Zuge der germanischen Besiedlung. Die Wintergetreide Dinkel und Nacktweizen und der arbeitsintensive Schlafmohn sind nur in der latènezeitlichen Siedlungsphase von Bedeutung. Diese Unterschiede geben deutliche Hinweise auf Diskontinuität zwischen der keltischenund der germanischen Landwirtschaft.Kontinuität ist dagegen bei der Lage der Anbauflächen und der Feldbewirtschaftung zu vermuten.Die mit Mardorf an einer einzigen Fundstelle festgestellte Entwicklung entspricht auch unserenErgebnissen aus 15 weiteren keltischen und 16 germanischen Fundstellen in Hessen und Mainfranken.In keltischen Siedlungen finden sich stets Hinweise auf eine differenzierte Landwirtschaft mit Wintergetreideanbau und vereinzelten Importen wie Feige, Koriander und Wein. Dieses keltische Landwirtschaftssystem, das wir auch aus den Siedlungslandschaften Süd- und Südwestdeutschlands kennen, bot gute Voraussetzungen für eine Überschußproduktion. Interessanterweise finden wir es auch in den Bereichen des hessischen Mittelgebirgsraumes.... Mit dem Auftreten frühgermanischer Funde geht außerhalb des Limes ein Wechsel in der Landwirtschaft einher. Es handelt sich nun um eine einfache Subsistenzwirtschaft mit geringstmöglichem Aufwand und Risiko. Sie ist geprägt durch den schwerpunktmäßigen Anbau von Sommerfrüchten kombiniert mit Brach-Weidewirtschaft. Mediterrane Nutz- oder Gartenpflanzen fehlen. Es könnte sein, daß das frühgermanische Landwirtschaftssystem einen stärkeren Schwerpunkt bei der Viehzucht besaß. Diese Arbeitshypothese muß noch gemeinsam mit Archäozoologen und Archäologen diskutiert werden.
 
Ein zusätzlicher Hinweis, Quelle ist übrigens der Band Mardorf 23, Archäobotanische Ergebnisse der eisenzeitlichen und kaiserzeitlichen Siedlung ist die Veränderung in der Vorratshaltung:
Die archäologischen Befunde weisen auf eine interessante Änderung der Vorratshaltung zwischen der keltischen und der germanischen Siedlungsphase hin. In der latènezeitlichen Siedlung wurden neben Vierpfostenspeichern kegelstumpfförmige and zylindrische Speichergruben festgestellt. Sie dienten dazu, größere Vorräte langfristig sicher zu lagern. In der Römischen Kaiserzeit wurden dagegen keine großen Speichergruben mehr angelegt (M. Meyer, pers. Mitt.). Für den Vergleich zwischen keltischer und germanischer Landwirtschaft ist deshalb von Bedeutung, daß in Mardorf 23 germanische Vorratsfunde fehlen.Auch die Fundkonzentration,angegeben in Stück/Liter pflanzlicher Reste,ist inden latènezeitlichen Gruben achtmal höher als in den Gruben der Römischen Kaiserzeit. Daraus können wir schließen, daß während der germanischen Besiedlung erheblich weniger Erntegut in der Siedlung verarbeitet wurde. In der keltischen Siedlungsphase spielte eventuell die Nähe zum möglichen Zentralort auf der Amöneburg eine wesentliche Rolle. Er mußte vermutlich aus den offenen Siedlungen des Umlandes versorgt werden (vgl.WEIßHAAR
1984;MEYER 1992–93, 87).
 
@Wilfried: du hast recht, ich meinte auch nicht zwei Ernten auf dem selben Feld, sondern wenn man so will die differenziertere Möglichkeit einer rythmisierten Landwirtschaft und Fruchtfolge bzw. des Brachfallens. Das Wintergetreide benötigt nach der Aussaat und der Keimung eine Frostperiode, um dann im Frühjahr schossen zu können. Es kann daher schon ab September gesät und dann je nach Getreideart ab Juli des nächsten Jahres geerntet werden. Durch die längere Vegetationszeit und insbesondere die bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit und Frühlingswärme liegen die Erträge der Wintergetreidearten weit über denen der Sommerformen, was zur überwiegenden Verbreitung von Wintergetreide führte.
 
@Augusto: nach Lesen des Textes von A.Schäfer (den ich schon kannte, allerdings nicht mehr richtig erinnert habe) bin ich überrascht, anscheinend ging die Verhüttung an dieser Stelle auch nach der clades variana weiter. Nachgeschaut habe ich noch einmal Salzproduktion in Bad Nauheim, anscheinend lässt sich dort bisher keine römische Nutuzng der Saline nachweisen, sie bricht mit Spätlatene nach 3 Jahrhunderten ab.
 
@Biturigos: Danke für Deine schönen Beiträge.
Wenn ich Mittelhessen auf der einen Seite, und Wetzlar/ Westfalen auf der anderen Seite vergleiche, gewinne ich den Eindruck, dass die "Germanisierung" in den beiden letzteren Gebieten weniger stark fortgeschritten war. Die von mir verlinkte Studie zu Westfalen schildert zwar Änderungen zwischen "keltischer" und "germanischer" Landwirtschaft, jedoch weniger abrupt (z.B. Rückgang, aber kein vollständiger Abbruch des Anbaus von Mohn und Wintergetreide) als in Mardorf. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass unterschiedliche "Germanen" für die Verdrängung der "Kelten" verantwortlich waren - in Mittelhessen offensichtlich Sueben (Przeworsk-Kultur), in Westfalen wohl eher Elbgermanen (Jastorf-Kultur). Zusammengenommen heißt das wohl, das wir uns vor allzuviel Verallgemeinerungen über "die Germanen" hüten sollten, und einzelne Regionen / Gruppen durchaus differenziert betrachten müssen.

Ein wesentlicher Faktor scheinen mir andere "germanische" Ernöhrungsgewohnheiten zu sein:

  • Bevorzugung von Futter, Brei-und Braugetreide, d.h. Sommergetreide wie Hafer, Hirse und Sommergerste, gegenüber Brotgetreide (üblicherweise Wintergetreide);
  • Stärkere Ausrichtung auf Viehzucht, vermutlich sowohl Fleisch- als auch Milchvieh, und damit einhergehende stärkere Weidenutzung von Brachflächen und (Hude-)wäldern.
  • Wechsel von Baum-zu Strauchobst (in Westfalen z.B. bis zu 8% Haselnussanteil, eine schon für die nordelbische Jungsteinzeit belegte Kultur). Hiermit zusammenhängend könnte man die systematische Anlage von Hecken als Schutz vor Viehverbiss vermuten, Heckenfrüchte wie Brombeere, Hagebutte, Schlehe und Weissdorn waren schon in der Steinzeit wichtige Vitamin C-Lieferanten.
  • Wenig gefunden habe ich zu Feldgemüse (vielleicht steht in der Mardorfer Studie mehr dazu). Kohl und Rüben sind traditionell Hauptlieferanten von Vitamin C, und Winternahrung (Lagerung in Erdkellern, bzw. als Sauerkraut / Salzgurken konserviert).
Bei einer solchen Ernährungsstruktur sagt das Fehlen von Getreidespeichern wenig über Subsistenz bzw. Überschussproduktion aus. Die Wintervorräte bestanden dann eher aus Käse, Schinken bzw. Pökelfleisch, Würsten, Nüssen, Salzkonserven und eingelagertem Feldgemüse, vielleicht auch Bier, wenn man es damals schon ausreichend haltbar bekam. Hat mal jemand die germanische Keramik nach Nahrungsanhaftungen untersucht?

Zu Bad Nauheim
Durch eine zuletzt freigelegte römische Quellfassung (Dendrodatum 87 n. Chr.) und eine Anzahl von Dendrodaten aus den letzten Jahrzehnten v. Chr., zeichnet sich ganz offensichtlich ein neues Bild bezüglich der Übergangsprozesse von der Latènezeit in die frührömische Zeit und für die Vorgänge während des frühen römischen Ausgreifens über den Rhein ab. Hier besteht in den nächsten Jahren noch Forschungsbedarf.
 
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Ich habe zwei Grafiken aus der Studie Mardorf 23 kopiert, allerdings sind sie eine Zusammenfassung von Fundstellen in ganz Hessen und Mainfranken.
Zum Gemüse: außer Hülsenfrüchten wurde in Mardorf Sellerie nachgewiesen. Sonstige Besonderheiten: ein mineralisiertes Feigenfrüchtchen, Tannenholz (eventuell Weinfass).
Die erwähnten Gemüse Kohl und Rüben gab es als Kulturpflanzen in Mitteleuropa noch nicht, oder erst mit dem Beginn römischen Wissenstransfers (Wildkohl, Strand - und Klippenpflanze hauptsächlich aus dem Mittelmeerraum).
Zur Bereicherung der Ernährung /Vitaminzufuhr dienten so A.Kreuz im Ausstellungsband "Die Welt der Kelten" bisher 129 nachgewiesene Sammelfrüchte / Pflanzen wie Feldsalat, wilde Möhre,Himbeere oder schwarzer Holunder, Haselnüsse, Schlehe, Minze. Interessant ist, dass sich im gleichen Band Autoren wiedersprechen: A.Kreuz sagt, dass die Kelten noch keinen Gartenbau betrieben, obwohl Samen von Dill, Gartenmelde, Petersilie, Sellerie, Fenchel oder Koriander nur auf eine bewusste Kultivierung nicht einheimischer Arten hinweisen müssten. Importnachweise gibt es auch für Pflaume, Süßkirsche und Birne. Manfred Rösch und Elske Fischer behaupten einige Artikel weiter, dass die Kelten Gartenbau kannten.


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Wenn die Germanen wirklich nur die 1-Felderwirtschaft kannten, dann wäre die Übernahme der 2-Felder-Wirtschaft eine landwirtschaftliche Revolution gewesen.
Nur war dem nicht so, siehe Wilfrieds und meine Beiträge.

Dazu kämen handwerkliches Wissen, etwa in der Metallbearbeitung.
Als beste eisenzeitliche Schmiede galten selbst den Römern die keltischen (oder illyrischen?) Noriker (Österreich, Nordslowenien, SO-Bayern). Technologietransfer zu den Germanen hat es wohl gegeben, aber eher durch die Kelten denn die Römer.

Die Ausrüstung der fränkischen und alemannischen Krieger 250 Jahre nach der Varusschlacht scheint doch um Einiges konkurrenzfähiger gewesen zu sein. Dann hätten wir noch militärische Ausbildung und Taktik, die durch ehemalige Auxiliarsoldaten in den Diensten des germanischen Adels verbreitet wurde.
Auch zu Varus Zeiten waren die Germanen militärisch schon "konkurrenzfähig". Natürlich haben sich dann über die Jahrhunderte auf beiden Seiten Ausrüstung und Strategie weiterentwickelt. Die Germanen waren hier sicherlich dadurch im Vorteil, dass sie ziemlich schnell mitbekamen, was sich bei den Römern so tat.

Die Wirkung des Kapitalzuflusses auf die Sozialstruktur hatte ich schon erwähnt.
Das ist eine genauere Analyse wert. Soziale Differenzierung bestand aber auch schon zu Varus Zeiten, wie an Personen wie Arminius oder Segestes deutlich wird. Die Monetarisierung wurde sicherlich durch die Römer verstärkt. Einige Kelten, z.B. die Ubier, hatten jedoch in vorrömischer Zeit schon ein eigenes Münzwesen, so dass auch ohne die Römer eine Monetarisierung der Germanen hätte erfolgen können. Hier ist auch das Hacksilber der Wikinger, also die Nutzung ungemünzten Edelmetalls als Währung, zu beachten. Vorläufer hierzu gab es schon in der Bronzezeit, als in Mitteleuropa kupferne "Ösenringe" als Zahlungsmittel dienten.

Ich kann nicht glauben, daß die Entwicklung der West-Germanen von einigen Dutzend verfeindeter und subsistenzwirtschaftender Stämme zu wenigen gut organisierten und schlagkräftigen Großverbänden einfach so passiert ist.
Ist sie wohl auch nicht. Keltischer Einfluss und römischer Druck haben hier sicher wesentliche Rollen gespielt. Die ersten dieser Großverbände entstanden um Arminius Cherusker und Marbods Markomannen herum, sofern man nicht schon Cimbern und Teutonen als einen solchen Großverband ansieht. Bei der Ethnogenese der Goten war römischer Einfluß eher von untergeordneter Bedeutung.

Nicht umsonst gerieten die Stämme an Rhein und Donau bald unter Druck durch östlichere bzw. nördlicher Stämme, was den Konsolidierungsprozess sicher weiter verstärkte. Ich glaube hier weit weniger an eine Klimaveränderung als einfach an die Gier nach Beute bei den durch die Nähe zum römischen Reich wohlhabenderen Stämme.
Über die Migrationsprozesse der späten Eisenzeit und der Kaiserzeit wissen wir viel zu wenig. Nach neueren Forschungen scheint der Anstieg der Nordsee ab 200 v. Chr. wieder eingesetzt zu haben, so dass die Migration der Kimbern und Teutonen durchaus ökologische Gründe gehabt haben kann. Die Boji zogen zur frühen Latenezeit nach Böhmen, aber auch Norditalien. Von wo aus? Wen verdrängten sie? Lösten sie vielleicht einen Domino-Effekt aus - böhmische Gruppen weichen nach Schlesien aus, setzen dort Sueben in Bewegung, die in das ehemalige Siedlungsland der Bojer am Main ausweichen?
Die Verdrängung von Germanen über die Elbe durch die Römer ist gut belegt (u.a. Pollenanlysen). Ab Christi Geburt erfährt Brandenburg erhebliche Siedlungsverdichtung, zwischen etwa 80 und 160 n.Chr. wird Pommern intensiv von Westen her aufgesiedelt. Die Markomannenkriege führen zu Massenflucht nach Westschlesien, v.a. aber zur Unterbrechung der jahrtausendealten Bernsteinroute. In der Folge beginnen die Goten ihren Vormarsch zum Schwarzen Meer (Bernsteinhandel?), gleichzeitig entsiedelt sich aus bisher ungeklärten Gründen Niederschlesien. Dann kommen die Hunnen. Im 5. Jh. entvölkern sich Pommern, Westpolen und Ostdeutschland, Siedlungen an der Nordseeküste werden, vermutlich nach Sturmfluten, aufgegeben. Das durch die Römer entvölkerte Münsterland wird sächsisch besiedelt, Angeln und Warnen erscheinen in Thüringen, Angeln und Sachsen in Britannien, v.a. aber nimmt die Bevölkerungsdichte im westlichen Holstein deutlich zu. Viele dieser Prozesse sind nur in Umrissen bekannt, und ihre Zusammenhänge erst wenig erforscht. "Beutegier" alleine erklärt sie kaum.

Alles in allem sehe ich die Germanen meist als Getriebene der römischen Expanison, wohl auch der Hunnen. Ironischerweise erobern gerade die von Drusus über die Elbe getriebenen Langobarden nach 500 Jahren nur rudimentär bekannter Migration, meist außerhalb des römischen Sichtfelds, schließlich Rom.
 
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Ich habe zwei Grafiken aus der Studie Mardorf 23 kopiert, allerdings sind sie eine Zusammenfassung von Fundstellen in ganz Hessen und Mainfranken.
Ganz so dramatisch wie im Text beschrieben wirkt dier Unterschied nicht. Die wesentlichsten Änderungen scheinen die Verdrängung von Dinkel durch Hirse, sowie beginnender germanischer Roggenanbau auf Kosten des Weizens zu sein. Für Brandenburg ist Roggenanbau flächendeckend ab der Zeitenwende pollenanlytisch dokumentiert, ein Zeichen, dass die germanische Landwirtschaft durchaus innovativ war.
http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/serien/qa/GeoRS/01.pdf
Ebenfalls in sämtlichen Pollendiagrammen ist ab der Römischen Kaiserzeit (ca. 0 A.D.) ein regelmässiges Vorkommen des Roggens zu vermerken. Durch die Einführung einer neuen Erntemethode, dem bodennahen Schnitt mit der Eisensichel, wurde der Roggen, der vorher nur als Unkraut in den Getreidefeldern stand, zu einer Kulturpflanze (Behre 1992)​
Weniger Erbsen und Linsen, dafür mehr Ackerbohne, Lein (wohl auch als Textilpflanze) verdrängt den auch vorher nur sporadisch angebauten Mohn. Brennessel als Textilpflanze (und Stickstoffanreicherer) wäre hier interessant, ist aber vemutlich unter "Unkraut" abgeheftet worden.

Die erwähnten Gemüse Kohl und Rüben gab es als Kulturpflanzen in Mitteleuropa noch nicht, oder erst mit dem Beginn römischen Wissenstransfers (Wildkohl, Strand - und Klippenpflanze hauptsächlich aus dem Mittelmeerraum).
Wildkohl wächst heute noch wild auf Helgoland. Die heute kultivierten Kohlarten stammen meist von atlantischen, nicht den mediterranen Varietäten ab. was Erstkultivation nördlich der Alpen nahelegt. Das Wort "Kohl" kommt von lat. "caulis", die Steckrübe (ebenfalls ein Kohlgewächs) ist jedoch auch bekannt als "Schwedische Rübe", in England als "swede".
Gemäß der nachfolgenden Quelle ist in England für die Bronzezeit Kohlanbau belegt, für die Eisenzeit auch Speiserüben und Karotten.
Handbook to Life in Prehistoric Europe - Jane McIntosh - Google Books
In Südschweden scheint Kohl- und Rübenanbau während der römischen Kaiserzeit nachgewiesen.
Uppkra - a prehistoric central place
 
kannst du für die Nichtlateiner das Pliniuszitat übersetzen?
Wir kennen als einzige von den Völkern die Ubier, die den äußerst fruchtbaren Acker, den sie bebauen, mit Erde welcher Art auch immer, die drei Fuß tief ausgegraben und mit einer Dicke von einem Fuß aufgetragen wird, düngen. Aber diese nützt nicht länger als 10 Jahre.
 
Was bei der ganzen schönen Betrachtung der Landwirtschaft vergessen wird, die Norddeutsche Tiefebene und die Börden unterscheiden sich deutlich sowohl vom Böden als auch vom Klima von den südlicheren Regionen.

Desweiteren , die Lagerung von Getreidevorräten in Gruben ist ziemlich unpraktisch, da isses Feucht, weswegen ja bis in die späte Neuzeit das Getreide am Halm auf dem Balken gelagert wurde und im Winter gedroschen wurde. Warum wurden das Stroh mit "eingefahren? Naja, Germanen sind schon lang, Weizen und Rogenhalme auf halbwegs ausgeruhtem Boden der Magdeburger/Hildesheimer Börde sind mit 1,8-2,2 m doch noch etwas länger. Was Winter versus Sommergetreide angeht, Wintergetreide bringt zwar höhere Erträge war aber noch in meiner Jugend risikoreicher im Anbau. Sind doch ganze Schläge durch Kahlfrostschäden und zuviel Wasser im Frühling bar jeder Vegetation.

Die schneefreien Flächen , vom Wind freigeblasen, erfroren und anschließend der Rest mangels Drainage ersoffen. Dagegen hilft eben Sommergetreide auf im Herbst "geschälten" Flächen. Also Flachpflügen nach der Ernte, Aussaat im Frühjahr in das vom Frost aufbereitete Saatbett. Besonders hilfreich ist dabei, das Stroh vom Acker zu entfernen, zumal Weizen und vorallem Roggenstroh "ewig" braucht, um Humus zu werden.
Also eine ganz andere Art des Ackerbaus als z.B. südlich der Mittelgebirge.
 
Guten Morgen, langsam wird es zum Landwirtschaftsthread, hm ;), aber gut, es ging soweit ich mich erinnere darum, auf welche wirtschaftlichen Verhältnisse eine römische Besatzungspolitik stieß, und die Gefahr ist, dass wir uns in vielen Seitenarmen und Nebenaspekten verlieren - z.B. Roggenanbau, das Ackerunkraut Roggen, schau mal in die Pollendiagramme, Augusto, wird wohl erst in der Völkerwanderungszeit zu einer Brotfrucht. Die Verdrängung des Dinkels und Nacktweizens durch die Echte Hirse ist nicht nebensächlich - offensichtlich kein Anbau von Wintergetreide und einer Brotfrucht.
Einverstanden bin ich damit, dass wir keine allgemeine Aussage treffen, ich denke auch, dass es eine Rolle spielt, welche "germanische" Gruppe wo gesiedelt hat. Mir erscheint das landwirtschaftliche System, dass mit elbgermanischen Siedlungsspuren in Hessen auftaucht, ein traditionelles System aus Gegenden mit regenreichen, kurzen Sommern zu sein, daher der Anbau der robusten Pflanzen Sommergerste und Echte Hirse mit kurzen Vegetationszeiten, Leindotter ist zusätzlich frostunempfindlich, und kann daher auch als Ersatzsaat bei Frostschäden dienen. Das dieser Bruch im landwirtschaftlichen System nicht mit Klimaverschlechterung zu tun hat, sieht man auch daran, dass innerhalb des Limes das romanokeltische System weiterbetrieben wurde (z.B. nach der römischen Okkupation der Wetterau 85 AC unter Domitian, Dinkel und Nacktweizen Hauptkulturpflanzen).
Der Kohl, ich fand jetzt auch einen Hinweis auf den Anbau eines Rübenkohls, scheint mir noch keine Anbaupflanze gewesen zu sein, die als Feldfrucht Basis einer Überschussproduktion gewesen ist. Kannst du da noch Quellen benennen? Ich kopiere aus Wiki zum Kohl:
Wann und wo die Wildformen in Kultur genommen wurden, lässt sich nicht nachvollziehen. Noch 1980 wurde etwa auf Samos die dort wild vorkommende Brassica cretica von den Einheimischen auf den Äckern gezogen. Alle Wildformen und Kulturformen sind miteinander kreuzbar. Der Grüne Krauskohl lässt sich zumindest für das Griechenland des 3. Jahrhunderts v. Chr. nachweisen, ebenso für Italien. In Deutschland findet er sich in den Kräuterbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. Kohlrabi und Markstammkohl werden von Plinius dem Älteren erwähnt, in Deutschland lässt er sich ab dem 16. Jahrhundert nachweisen. Die festen Kohlköpfe sind auch erst aus dieser Zeit nachgewiesen, dürften aber schon zur Zeit Hildegards von Bingen im 11. Jahrhundert existiert haben. Brokkoli und Karfiol (Blumenkohl) dürften aus Südgriechenland stammen. Über Genua (um 1490) dürften sie nach Frankreich, Flandern und Deutschland gekommen sein.
Die Speiserübe stammt aus Pakistan, und war in der Antike den Römern und Griechen bekannt, in Europa wäre die Pastinake ein Ersatz (die Römer liebten sie), allerdings werte ich sie auch nur als Gartenfrüchte, nicht als Feldfrucht, die Basis einer Landwirtschaftlichen Überproduktion sind, die in der Lage ist Zentralorte, Handwerkersiedlungen oder Militär zu versorgen.
Zum Thema Brot: Brot für die Salinenarbeiter ? das Keltenbrot von Bad Nauheim aus archäobotanischer Sicht | Andreas G. Heiss - Academia.edu
Die Latene-Landwirtschaft ist den Römern sicher näher gewesen, Brot als Basis für die Grundversorgung mit Kohlehydraten auch für das Militär praktikabler -leicht zu transportieren, haltbar, schnell zu verzehren. Cäsar liebte anscheinend seinen Puls zum Frühstück, dazu brauchte es aber Kochzeit, haltbar und transportabel war der Getreidebrei natürlich nicht, war also nur etwas fürs Winterquartier oder ein Standlager. Die Gerste war auch bei "den Kelten" gut für Eintöpfe, Suppen und Brei, bekannt ist das Ritschertrezept, dass offensichtlich schon in der Hallstattzeit existierte (Fund im Salzbergwerk in Hallstatt - Eintopf mit Gerstengraupen, Hirse, Saubohnen, zugesetzt Schweinefleisch, zb. Haxen). Bier (kurmi, cervesa) wird auch angenommen, so werden bestimmte Funde angemalzter gedörrter Gerstekörner interpretiert - auch dies keine "germanische" Eigenart
Alllmählich bekomme ich Hunger...
 
Allgemein: Eine interessante Diskussion zum Agrarwesen;)
Wäre das einen eigenen Thread wert?
Als beste eisenzeitliche Schmiede galten selbst den Römern die keltischen (oder illyrischen?) Noriker (Österreich, Nordslowenien, SO-Bayern). Technologietransfer zu den Germanen hat es wohl gegeben, aber eher durch die Kelten denn die Römer.
[FONT=&quot]Entscheidend ist mit dem Sieg Caesars über Gallien, das ein eigenständig keltisches Element (wenigstens politisch) weder in Germanien noch südlich oder westlich davon kaum noch fassbar ist. Durch die römische Eroberung wurden keltische und römische Sphäre quasi deckungsgleich. Wenn danach also von „Römern“ und ihrem wirtschaftlich-kulturellen Kontext die Rede ist, sind die „Kelten“ indirekt subsumiert. …Bleibt dieser Fakt nicht maßgeblich, ist eine klare Diskussion kaum noch möglich. Wo hätten auch die vielen „stadtrömischen Schmiede etc.“ alle herkommen sollen? [/FONT]

[FONT=&quot]Aber auch umgekehrt befand sich unter dem Etikett „Germanisch“ ein gewisses, „keltisches Substrat“. Weitgehend ging aber „keltisches Know-How“ in der gallorömischen Zivilisation südlich und westlich von Donau und Rhein auf… Weniger greifbar bleibt es im „Barbaricum“. Meine grobe Charakterisierung gilt für alle Arten des Handwerks und der Landwirtschaft.

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[Geld]Das ist eine genauere Analyse wert. Soziale Differenzierung bestand aber auch schon zu Varus Zeiten, wie an Personen wie Arminius oder Segestes deutlich wird. Die Monetarisierung wurde sicherlich durch die Römer verstärkt. Einige Kelten, z.B. die Ubier, hatten jedoch in vorrömischer Zeit schon ein eigenes Münzwesen, so dass auch ohne die Römer eine Monetarisierung der Germanen hätte erfolgen können. Hier ist auch das Hacksilber der Wikinger, also die Nutzung ungemünzten Edelmetalls als Währung, zu beachten. Vorläufer hierzu gab es schon in der Bronzezeit, als in Mitteleuropa kupferne "Ösenringe" als Zahlungsmittel dienten.
[FONT=&quot]Germanien wurde in erheblichem Umfang durch die Kontakte mit Rom beeinflusst und verändert. Besonders in Hinsicht auf die barbarischen Eliten und ihre Machtmittel. Um das zu erkennen, reicht beispielsweise ein kurzer Blick auf den Machtbereich Marbods und die Entwicklung in diesem Raum bis etwa Vannius. Rom mischte sich direkt oder indirekt, immer in die Verhältnisse im Barbaricum ein und versuchte sie zum eigenen Besten zu beeinflussen. Das konnte bei den gigantischen Asymmetrien zwischen den Möglichkeiten eines Großreiches und relativ wenig strukturierten „Stammesgesellschaften“ nicht ohne Folgen bleiben! Leider habe ich den Ursprung einer modernen Charakterisierung vergessen, die etwa sagte: Die „germanische Welt“ sei eine großartige Leistung des Römischen Reiches gewesen. Diese Zuspitzung ist weniger drastisch, wenn man sich die Entwicklungen mit dem Höhepunkt der Völkerwanderungszeit und dem „allmählichen Sterben des germanischen Europas“ (sinngemäß bei: Peter Heather) nach dem Ende des Weströmischen Reiches ansieht. [/FONT]

[FONT=&quot]Die spannende, bis heute nicht überzeugend beantwortete Frage zum frühen Mittelalter hin ist ja, wie es möglich wurde, dass die organisatorisch wie wirtschaftlich durchaus entwickeltere, germanische Lebensweise in Osteuropa durch die Anfangs relativ primitivere, slawische Welt, so gründlich ersetzt werden konnte? Es handelte sich um riesige Räume die, obwohl kaum durchgehend germanisch besiedelt, aber zumindest politisch für mehrere Jahrhunderte germanisch dominiert worden waren… Aber das ist eine andere Frage![/FONT]

[FONT=&quot]Die Monetarisierung keltischer Gesellschaften in Süddeutschland oder am Rhein steckte weitgehend noch in einer sehr frühen Phase, als Rom dieser politisch unabhängigen Entwicklung ein Ende setzte. Von einem keltischen Münzwesen alleine gingen zu schwache Impulse an die Germanen weiter. Das Hacksilber der Wikinger ist ein schlechter Vergleich. Große Teile des Hacksilbers entstanden durch zerschlagene Münzen. Als Handelswert war nicht nur Edelmetall wohl sicher als Wertmaßstab bereits längst akzeptiert, bevor die Germanen in das Licht historischer Berichte traten. Überlegungen, wie es zu einer Monetarisierung Germaniens ohne römischen Einfluss hätte kommen können, sind daher nicht hilfreich.[/FONT]
[Gesellschaftliche Umformung] Ist sie wohl auch nicht. Keltischer Einfluss und römischer Druck haben hier sicher wesentliche Rollen gespielt. Die ersten dieser Großverbände entstanden um Arminius Cherusker und Marbods Markomannen herum, sofern man nicht schon Cimbern und Teutonen als einen solchen Großverband ansieht. Bei der Ethnogenese der Goten war römischer Einfluß eher von untergeordneter Bedeutung.
[FONT=&quot]Das Nachwirken der Kelten verbirgt sich seit Caesar meist unter römischem Etikett. Ihre Leistungskraft stand seither in Diensten Roms! Sehr wesentlich für eine Betrachtung der frühen Germanen ist die Rolle von Ariovist und seiner Germanenscharen westlich des Rheines! Ehe Caesar seinem „Experiment“ ein Ende bereitete. [/FONT]

[FONT=&quot]Weiterhin zu nennen ist der wissenschaftlich wechselhaft interpretierte „Übergangsbereich“ zwischen Kelten und Germanen auch westlich des Rheines. Etwa betreffs der Belger, Treverer oder Ubier… Stämme wie diese wurden mal als Kelten, mal als Germanen angesprochen. Bekanntlich sollen sich die Aduatuker selbst als Nachfahren der Kimbern und Teutonen bezeichnet haben. [/FONT]

[FONT=&quot]Aber spätestens jetzt habe ich Aspekte von mindestens etwa 700 Jahren Geschichte in einen Beitrag gepresst und die römische Zeit endgültig hinter mir gelassen. Mit den Wikingern und den neuen, slawischen Großverbänden kommen wir dann auf bis zu 1000 Jahre. Roms Zeit östlich des Rheins war dabei ein Wimpernschlag, seine Dominanz am Rhein lag dann schon lange zurück. Ich hatte die Überschrift bislang im Wesentlichen auf eine „Provinz Germania Magna“ und e.v. auf die „Limeszeit“ bezogen…:winke:[/FONT]
 
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