Römische Klientelstaaten

K

Klientroemer

Gast
Hallo,

gibt es eine gute wissenschaftliche Arbeit über die römischen Klientelstaaten?
Insbesondere interessieren mich die ehemaligen griechischen Stadtstaaten. Sie scheinen über eine gewisse Unabhängigkeit zu verfügen.
In Plinius Korrespondenz mit Kaiser Trajan, bat dieser um die römischen Bürgerrechte für seinen Masseur und freigelassenen Sklaven, was er auch bekam, jedoch anschließend zur Rüge führte, der besagte Masseur hätte als "Bürger" der Stadt Alexandria zunächst die Bürgerrechte dieser Stadt erhalten müssen.
Das impliziert, dass es so etwas wie eigenständige Bürgerrechte gab und anscheinend Rom mit seiner Bürgerschaft nicht einfach in diese Einmischen wollte.
Auch soll Plinius in seinen Kunstbriefen (Episteln) geschrieben haben, dass er die griechischen Städte nach ihren Gesetzen verwalten wolle.

Die Römer sollen die lokalen Bräuche respektiert haben.

Meine Frage daher: Wie kann man sich die Selbstständigkeit eines römischen Klientelstaates vorstellen? Waren die Bürger sich überhaupt bewusst, zum Imperium der Römer zu gehören oder sahen sie sich eher als quasi unabhängige Bürger mit eventuell eingeschränkter Außenpolitik?

Sah man sich als Bürger 2. Klasse eines römischen Imperiums oder als Bürger seines Staates, der aber von Rom kontrolliert wurde oder als tewas völlig anderes?
 
Eine wiss. Arbeit zu deiner Frage weiß ich nicht.
Ab 212 stellte sich die Frage nicht mehr. Davor scheint es schrittweise eine Ausweitung des anfangs sehr begrenzten römischen Bürgerrechts gegeben zu haben. Sobald eine Stadt/Region den Status einer Colonia hatte, waren ihre freien Einwohner quasi automatisch römische Bürger.
Aber das spielte sich innerhalb der Grenzen des Imperiums mit seinen Provinzen ab - ein Klientelstaat scheint mir rechtlich außerhalb dieser Grenzen (was sich ändern konnte, wenn er annektiert wurde) und außerhalb der Grenzen galten andere Regeln.
Wer innerhalb der Grenzen freier Bürger war, aber nicht zu den auf Italien und die Coloniae begrenzten römischen Bürgern zählte, galt als peregrini (höhere Steuern etc) - das galt wohl auch für die griech. Städte so lange sie nicht als Colonia eingestuft waren bis 212 alle freien Bürger innerhalb der Grenzen des Imperiums das römische Bürgerrecht erhielten.
 
Angelos Chaniotis, Die Öffnung der Welt - Eine Globalgeschichte des Hellenismus. wbg Theiss 2019.
Chaniotis verlängert die hellenistische Epoche bis Hadrian und behandelt auch die griechische Kultur und imperiale Verflechtung unter römischer Herrschaft.
 
Man muss unterscheiden zwischen den Klientelstaaten und den Städten innerhalb des Reiches. Städte innerhalb des Reiches gehörten zu einer Provinz (in Plinius' Fall zu Bithynien), unterstanden also trotz lokaler Autonomie der Aufsicht eines Statthalters. Klientelstaaten gehörten zu keiner Provinz.

Die Klientelstaaten waren formal unabhängige Staaten mit eigenen Regierungen, wenngleich sie faktisch unter römischer Hegemonie standen. Allerdings war Klientelstaat nicht gleich Klientelstaat; ihre Anbindung an das Reich war unterschiedlich stark ausgeprägt. Z. B. stand Iudaea in seiner Zeit als Klientelstaat unter der Oberaufsicht des Statthalters der Provinz Syria und war vorübergehend auch schon ins römische Steuersystem (Steuerpächter) eingebunden. Andere Klientelstaaten waren deutlich freier. "Klientelstaat" ist einfach nur ein moderner Sammelbegriff für Staaten, die formal selbstständig waren, faktisch aber (mehr oder weniger) unter römischer Oberhoheit standen, jedenfalls ständige römische Einmischung erdulden mussten.

Die Städte innerhalb des Reiches gehörten zu einer Provinz (unterstanden also direkt der Aufsicht eines Statthalters) und waren insofern trotz lokaler Autonomie Teile des Reiches. Allerdings gab es auch hier Abstufungen.
Vor allem die griechischen Städte hatten oft formal Verträge mit Rom geschlossen, in deren Rahmen sie die römische Herrschaft akzeptierten, im Gegenzug aber eigene Rechte und Freiräume (auch gegenüber dem Statthalter, wie der gute Plinius erfahren musste) behielten. (Es wurde also fingiert, dass es sich um Stadtstaaten handelte, die sich auf vertraglicher Basis Rom unterstellten.) Das ging so weit, dass sie wie Stadtstaaten in begrenztem Rahmen sogar noch eine eigene "Außenpolitik" betreiben konnten, z. B. Gesandtschaften verschicken. Wenn sie etwas von Rom wollten, schickten sie wie ein fremder Staat Gesandte nach Rom an den Senat und den Kaiser. Sparta unterhielt sogar noch nach seiner Unterwerfung durch Rom diplomatische Beziehungen mit den jüdischen Makkabäern. Es gab auch noch im Rahmen des Reiches Städtebünde; zum Teil wurden sogar neue gegründet. Vor allem die griechischen Städte prägten auch eigene Münzen. Auch dass sie eigene "Bürgerrechte" hatten, ist richtig. So hielten manche vornehmen Römer viel darauf, nicht nur römische Bürger, sondern auch Bürger Athens zu sein und dort lokale Ämter zu bekleiden. (Ein Mensch konnte also zugleich römischer Bürger und Bürger einer anderen Stadt sein.)
Andere Städte waren eingeschränkter, verfügten aber ebenfalls über lokale Autonomie mit selbstgewählten Organen, außerdem verwalteten sie auch das Umland. Das war überhaupt ein Kennzeichen der römischen Provinzverwaltung, dass sie sich auf die (autonomen) Städte stützte und sich weitgehend darauf beschränkte, diese zu beaufsichtigen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen, solange die Abgaben flossen.

Diese Stadtbewohner sahen sich, solange sie noch kein römisches Bürgerrecht hatten, durchaus als Reichsbewohner 2. Klasse. Das hatte sich schon in der späten Republik in Italien gezeigt, als die (formal "selbstständigen") Bundesgenossen nach dem römischen Bürgerrecht strebten (und es nach dem Bundesgenossenkrieg auch erhielten). Auch bei den Provinzstädten war die Verleihung des römischen Bürgerrechts (mitunter nur einer abgestuften Form) ein begehrtes Privileg. Ihrer Zugehörigkeit zum Reich waren sie sich schon bewusst, zumal auch dann und wann der Statthalter vorbeischaute.

Bei Städten konnte der Übergang zwischen einer Klientel-Stadt und einer Provinz-Stadt übrigens durchaus nahezu fließend sein. So erklärten die Römer immer wieder Städte für "frei", was bedeuten konnte, dass sie formal keiner Provinz angehörten, aber faktisch trotzdem eng ans Reich angebunden waren. Oder die proklamierte "Freiheit" war überhaupt nur ein Schlagwort.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ab der Neuordnung des Ostens durch Pompeius 63 v. Chr., als Pompeius Jerusalem eroberte und im Thronstreit zwischen den hasmonäischen Brüdern Iohannes Hyrkanos II. und Aristobulos II. zugunsten des ersteren entschied, dieser sich aber nicht mehr "König" nennen durfte. Das Hasmonäerreich wurde damals zum Klientelstaat.
Ein paar Jahre später (nach drei gescheiterten Aufständen) führte Aulus Gabinius als Statthalter von Syrien eine Reform der Reform durch und ging u. a. gegen die bereits im Hasmonäerreich wütenden römischen Steuerpächter vor (was ihm die Feindschaft der römischen Ritterschaft und auch heftige Kritik Ciceros eintrug).
 
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