Wenn man drüber nachdenkt eine recht eigenartige Einstellung, auch wenn ich es emotional nachvollziehen kann; auch das, was thanepower weiter oben schrieb. Eigentlich hätten Artilleristen die Abneigung viel eher verdient, sieht man sich die Verlustzahlen an. Gut, Scharfschützen rufen Gegenmaßnahmen gegen den eigenen Graben hervor, aber ich vermute, das "persönliche" Töten des Feindes, den man sieht, im Gegensatz zum "unpersönlichen" Artilleriebeschuss, auch einen psychologischen Anteil daran hat.
Naja, als Scharfschützen werden Leute eingesetzt, bei denen die Vorgesetzten davon ausgehen, dass sie Leute töten können. Beim Durchschnittssoldaten, besonders in Wehrpflicht-Armeen, ist das nicht so sicher. Gibts mWn Untersuchungen zu, dass nur ein recht kleiner Teil der Menschen wirklich schießt, um zu töten, auch wenn es befohlen ist; zumindest ohne intensives Training, was tendenziell wieder eher Scharfschützen haben dürften.
Ob ich als Sniper töten muss oder als einfacher Soldat macht keinen Unterschied
Sicher, das Resultat ist das gleiche, psychologisch macht es aber doch einen großen Unterschied aus.
Als Artillerist schießt man auf Planquadrate, das Ziel selbst sieht man in der Regel gar nicht, der Artilleriebeobachter gibt das Ziel vor, und auch der sieht/sah in der Regel kein konkretes Ziel, sondern schoss auf eine Batterie, die dort liegen musste, auf einen Grabenabschnitt.
Die Artilleriegranate war verheerend, die meisten Verletzungen gingen auf ihr Konto-aber völlig unpersönlich. Ein Artillerist sieht nicht, was seine Granate anrichtet, ebenso wenig wie ein Bomberpilot. Die Granate trifft Soldaten, die man nicht sieht, abgefeuert von unsichtbaren Gegnern.
Im Feuergefecht der Infanterie wird es schon persönlicher, man sieht aus dem Niemandsland bewaffnete Gegner auf sich zukommen, man sieht und hört, ob man getroffen hat oder nicht, ob man gut getroffen hat, oder nicht. Man sieht Blut, Pulverdampf, Verwundungen. Man hört Verwundete schreien.
Dennoch trägt die Hektik der Situation, das handeln in der Gruppe, im Verband, die Entfernung dazu bei, das Töten unpersönlicher zu machen. Die Körperchemie pumpt den Körper voll mit Adrenalin und Stresshormonen. Man schießt, während alle schießen, wird selbst beschossen.
Im Handgemenge, auf Nahkampfdistanz Gegner mit Pistole, Handgranate, Spaten oder Grabendolch Gegner zu neutralisieren, ihnen auf doppelte Armlänge ins Gesicht zu schießen oder mit Spaten oder Gewehrkolben den Schädel zu spalten, ist psychologisch viel schwerer zu verarbeiten,
Ein Scharfschütze aber konzentriert sich auf einzelne Gegner, er handelt nicht unter akutem Stress, schießt wenn alle schießen, sondern er schießt idealerweise ohne jede Emotion aus dem Hinterhalt auf einen Artgenossen, der zum, Todeszeitpunkt arglos ist. Die Aufgabe erfordert quasi alle Merkmale des Mordes, und die Tötung eines Artgenossen ist sozusagen der größte nur denkbare Tabubruch. Das macht die Aufgabe eines Scharfschützen noch weit belastender, als die Tätigkeit eines regulären Soldaten.