Archäologische Untersuchungen zum I. Weltkrieg sind in Deutschland noch eher selten, das gilt jedoch auch für den II. Weltkrieg.
Ein deutscher Verein, der zusammen mit französischen Vereinen archäologische Untersuchungen im Argonnerwald und auf Vauquois durchführt:
Deutsches Erinnerungskomitee Argonnerwald 1914-1918 e.V.
Deutsches Erinnerungskomitee Argonnerwald 1914 - 1918 e.V.
Dazu der Zeitungsartikel von
Axel Vogel, Toter Mann am "Toten Mann". Der Freitag vom 17.02.2006
Toter Mann am "Toten Mann" - Freitag 2006/7
Vor 90 Jahren begann die Verdun-Schlacht, die zehntausende Soldaten unter der Erde zwang. Nun erforscht ein Deutscher Verein den Weltkriegstunnel
Vor 13 Jahren habe ich in den drei rheinischen Braunkohletagebauen zwischen Aachen und Köln mit ausgegraben. Da wurden in Zuge der Rettungsgrabungen auch immer mal wieder Schützengräben angetroffen, die quer über die Grabungsfläche liefen. Bisweilen wurden die ebenfalls geschnitten und dokumentiert, was unter anderem mit dem rheinischen Stellkartensystem zu tun hat. Es gab, wenn ich mich richtig erinnere, gelegentlich auch Funde wie Kondomdosen. Aber die waren zumindest nach meiner Erinnerung alle aus dem II. WK, was natürlich durch die Frontverläufe bedingt ist. Das dürfte auch der wesentliche Grund sein, warum es kaum Untersuchungen zum I. WK in Deutschland gibt.
Eine der wenigen Ausnahmen ist ein Kriegsgefangenlager, das im Zuge des Neubaus der Bundesstraße 6 im Nordharzraum während einer Rettungsgrabung durch das Landesamt für Denkmalpflege
und Archäologie Sachsen-Anhalt 2004 bei Quedlinburg untersucht wurde. Erste Ergebnisse wurden bei der Ausstellung "LEBENSWEGE. Archäologie & Straßenbau an der B6n im Nordharz" im Sommer letzten Jahres präsentiert:
http://www.lda-lsa.de/fileadmin/bilder/presse/Tagungen/B6_Flyer_RZ_280508.pdf
Informationen dazu im Netz sind noch spärlich und da keiner weiß, wie lange das Dokument noch online ist, stelle ich sie mal komplett ein:
„Vom Schlachtfeld an die Bode“. Ausstellung über ein Kriegsgefangenenlager aus dem Ersten Weltkrieg bei Quedlinburg in der französischen Partnerstadt Aulnoye-Aymeries 36. Europabrief Nr. 16 vom April 2005.
http://www.sachsen-anhalt.de/LPSA/fileadmin/Files/EB16.pdf
In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt präsentiert die Stadt Quedlinburg vom 7. Mai bis zum 10. Juni 2005 die Ausstellung „Vom Schlachtfeld an die Bode“ in der französischen Partnerstadt Aulnoye-Aymeries (Département Nord). Gezeigt werden Ergebnisse der Ausgrabungen eines Gefangenenlagers aus dem Ersten Weltkrieg. Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt hatten von März bis August 2004 umfangreiche Überreste des Lagers ausgegraben und dokumentiert. Das Kriegsgefangenenlager auf dem Quedlinburger Ritteranger, in dem bis zum Ende des Ersten Weltkrieges über 17.000 russische, französische, englische, belgische und italienische Soldaten gefangen waren, war bis dahin weitgehend in Vergessenheit geraten. Überhaupt ist die Geschichte der Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg 90 Jahre nach dessen Beginn weitgehend unerforscht. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass von den insgesamt 60 Millionen aktiven Kämpfern der Kriegsparteien zwischenzeitlich 8 Millionen in Gefangenschaft gerieten. Die 2,5 Millionen Gefangenen des Deutschen Reiches wurden auf etwa 175 Kriegsgefangenenlager aufgeteilt.
Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen ermöglichen neue, grundlegende Einblicke in den Aufbau eines dieser Lager und in das Alltagsleben der Kriegsgefangenen. Sie ergänzen die wenigen vorhandenen historischen Bildquellen und unterstützen einen kritischen Blick auf die zeitgenössischen Schriftquellen. Das Lager auf dem Quedlinburger Ritteranger wurde wohl für 10.000 bis 12.000 Gefangene geplant und bestand aus insgesamt 48 Baracken. Bis 1917 war es mit nur etwa 3.500 Gefangenen belegt; 1918 schwoll die Zahl auf über 17.000 Kriegsgefangene an. Dies entsprach fast der damaligen Einwohnerschaft der Stadt Quedlinburg. Das äußere Erscheinungsbild des Kriegsgefangenenlagers wurde durch die langgestreckten Grundrisse der Baracken bestimmt. Ihre Größe und Lage lässt sich anhand der zahlreichen Pfostenstellungen nachweisen: sie haben eine Grundfläche von 750 Quadratmetern. Kleinere Gebäude im Lager sind in Steinbauweise errichtet. Dazu zählen auch Waschhäuser mit Fundamenten für Schornsteine. Deutlich lässt sich die Umzäunung des Lagers mit Stacheldraht nachweisen. Mit archäologischen Methoden ist es so möglich, genaue Aussagen über den Aufbau und die Infrastruktur dieses Lagers zu machen.
Die archäologischen Befunde geben aber auch Einblicke in die alltäglichen Lebensbedingungen der Inhaftierten. Brunnen und Kanalisationsgräben beleuchten die Bereiche der Trinkwasserversorgung und der täglichen Hygiene: wichtige Aspekte bei der enorm hohen Belegungsdichte des Lagers. Gegenstände wie Zahnbürsten und Reste von Zahnpastaverpackungen weisen auf die persönliche Hygiene hin. Läusekämme zeigen, dass trotz diverser Maßnahmen der Befall mit Ungeziefer kaum zu vermeiden war. In den Abfallgruben des Lagers finden sich Hinweise auf die Ernährung der Gefangenen. Große Mengen stark zerkleinerter Tierknochen belegen, dass Brühe und Eintopf eine der wesentlichen Nahrungsgrundlagen bildeten. Mehrfach fanden sich französische Milchkaffeeschalen, die französische Frühstücksgewohnheiten repräsentieren. Einige Funde zeigen, dass die Gefangenen Pakete aus der Heimat erhielten, zum Beispiel die Flasche einer Brauerei aus der französischen Krönungsstadt Reims sowie weitere Fragmente nordfranzösischer Bierflaschen.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrten die Gefangenen in ihre Heimatländer zurück. Von den insgesamt 17.402 Gefangenen starben bis zur Auflösung des Lagers im Januar 1919 insgesamt 703 Kriegsgefangene. Noch vor Kriegsende, am 30. Juni 1918, wurde für die im Lager verstorbenen Kriegsgefangenen auf dem Quedlinburger Zentralfriedhof ein Denkmal eingeweiht. Es wurde von einem kriegsgefangenen französischen Bildhauer errichtet und trägt die Inschrift "IIS QUI PATRIAM NON REVISENT" (“Jenen, die das Vaterland nicht wiedersehen."). Das Denkmal steht heute zusammen mit Gräbern deutscher Soldaten, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg fielen, auf dem Quedlinburger Zentralfriedhof.
Informationen zu den Ausgrabungen im Internet
unter:
coswig (2001)
b6n (2003 bis 2005)
Kontakt mit der Möglichkeit von Führungen über die aktuellen Grabungen
(April bis Juni 2005):
Jens Brauer
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
Stützpunkt Quedlinburg
Wipertistraße 1a
D-06484 Quedlinburg
Ansonsten kenne ich aus Deutschland zum I. WK nichts, auch nichts aus Österreich, Tschechien und der Slowakei, was aber wie in Deutschland auch unmittelbar mit dem Frontverlauf zu tun hat.
Landkarte: Erster Weltkrieg: Frontverlauf 1914
Polen überblicke ich leider nicht und in der Ukraine, Belarus und Russland haben Archäolog_innen derzeit ganz andere Probleme, z.B. massive Beraubungen prähistorischer Fundstellen durch organisierte kriminelle Gruppierungen. Außerdem beschäftigen sich dort meist andere, nicht selten extrem dubiose Gruppen mit "Schlachtfeldarchäologie", so dass es mich eher wundern würde, wenn es dort wissenschaftliche Ausgrabungen gäbe.
Zum II. Weltkrieg und zur Schlachtfeldarchäologie der Frühen Neuzeit (ca. 16. bis Ende 19. Jh.) sollten wir noch mal eigene Threads aufmachen.