Schönfärbung der Vergangenheit

Q

Quintus Fabius

Gast
Der Mensch erinnert sich lieber an gutes als an schlechtes und vergisst daher oft auch schlechtes leichter. Viele Menschen haben schon von ihrer eigenen Lebensgeschichte ein zu schön gefärbtes Bild, eine Erinnerung die nicht mit dem wahren Geschehen übereinstimmt.

Insbesondere in Bezug auf Geschichtswissenschaftler ist mir immer wieder aufgefallen, daß diese (insbesondere auf ihr Fachgebiet, "ihr Volk", ihren Zeitraum, ihre Lieblingskultur) die Vergangenheit "schönfärben".

Dies umso mehr, je länger zurück diese Vergangenheit liegt. Genau das was man Revisionisten in Bezug auf die jüngste Vergangenheit vorwirft wird selbst von seriösen Geschichtswissenschaftlern in Bezug auf andere frühere Kulturen betrieben.

Man will mit Gewalt das gute sehen und "böse" Handlungen werden entweder ignoriert, schöngefärbt, negiert und mit vielerlei Argumenten scheinbar als nicht existent wiederlegt,

oder wenn man sich gar nicht aushelfen kann wird allgemeiner moralischer Nihilismus heran gezogen, man dürfe in keinem Fall hier ethische/moralische Urteile fällen und man dürfe nicht etwas eindeutig böses als böse bezeichnen, es sei halt eben Kultur, damaliges Umfeld, usw

Aber über diesen allgemeinen moralischen Nihilismus in der Geschichtswissenschaft (der für die jüngere Vergangenheit aber genau umgekehrt scharf abgelehnt wird) wird allzu oft gegen jede wissenschaftliche Logik einfach die Vergangenheit

schöngefärbt.

Man will die verheerenden mongolischen Kriegszüge nicht verurteilen, über Massenabschlachtungen wird in einer Ausstellung in München vor einigen Jahren nur ganz am Rande und ziemlich relativiert gesprochen, es geht vielmehr um die Pax ! Mongolica, das tolle Postwesen, den Kulturaustausch, die wundervollen Funde in Kharkhorin. Jede Frage meinerseits was den nun mit den Kriegen und Massenmorden sei, wird mit massiven Relativierungen und schließlich mit Ablehnung bedacht.

Oder nehmen wir Karthago: die Antiken Autoren beschreiben übereinstimmend, das Kinder als Menschenopfer verbrannt worden seien, man findet verbrannte Kinderknochen, und kommt zu der Schlußfolgerung:

Es gab natürlich keine ! Menschenopfer. Die Kinder seien nur beerdigt worden. Jeder Einspruch dagegen wird massiv abgewehrt, die Karthager seien schließlich ein Kulturvolk und überhaupt solle man sich lieber mal mit den wundervollen Kunstwerken befassen, und nicht mit solchen nicht existierenden Lügen über dieses wundervolle Volk.

Das römische Reich, ein sondergleichen brutaler und menschenverachtender Staat, mit einer endlosen Liste von Massenmorden, Angriffskriegen und Gladiatorenspielen, einfach bewunderswert. Die Gladiatoren sind nicht abscheulich, eine kulturelle und gesellschaftliche Verirrung, nein sie sind interessant und toll, außerdem solle man sich lieber auf die wundervolle Organisation, die Aquädukte und Thermen konzentrieren.

Das Römische Reich sei wundervoll, weil wir es eben so sehen sollen.

Kein Wort davon das es ein extremst möglicher Unrechtsstaat war, vergleichbar einem heutigen Dritte Welt Land mit Massensklaverei und Massenelend. Bitte doch lieber einen Blick auf die herrlichen Wandmalereien in den Villen der Wohlhabenden...

Das Leben in früheren Zeiten wird beschönigt, Verbrechen und Übel aller Art die damals das Leben dominierten werden relativiert oder so lange schöngefärbt bis sie ins Bild passen. Und dieses Bild stimmt meiner Meinung nach nicht mit dem damaligen Geschehen überein.


Meiner Ansicht nach wird die Vergangenheit viel zu oft viel zu schön dargestellt. Sie wird vielleicht nicht negativ genug dargestellt.
 
Ein sehr interessanter Beitrag, in dem du aber ab und zu zwei Dinge durcheinander wirfst: Manchmal sprichst Du von der Forderung keine moralischen Wertungen vorzunehmen, um dann davon zu sprechen, dass Historiker oftmals "negative Erkenntnisse" ablehnen und die Vergangenheit schön reden. Dies sind zwei verschiedene Dinge.

Die Forderung keine moralischen Wertungen vorzunehmen ist ein kompliziertes Gebiet, wie ich finde. Denn du hast Recht, gerade zu den Weltkriegen gibt es viele moralische Wertungen von Historikern, doch umso weiter man in die Zeit zurückgeht, desto weniger sind moralische Wertungen erwünscht.
Ich glaube, das Problem liegt darin, dass es hier auch um verschiedene Ebenen der Wertung geht. Dem Historiker ist es meines Erachtens erlaubt Kriege kategorisch als grausam und unmenschlich abzulehnen und dies auch in seinem Text so zu äußern. Auf dieser Ebene sehe ich mit Wertungen also kein Problem in einer geschichtswissenschaftlichen Arbeit. Der Historiker kann auch darstellen, dass die damalige Kultur noch nicht soweit gereift war und dass man deshalb Kriege zum Beispiel für ein politisches Mittel hielt. Doch er sollte die damaligen Kulturen deshalb nicht in seinem Text verurteilen. Das fände ich auch sehr anmaßend, da ich nicht weiß, wie wir drauf wären, wenn wir in der Zeit und unter den Bedingungen unserer Vorfahren leben würden.

Aber Du hast Recht, es sollte öfter auch auf die negativen und nicht nur auf die glorreichen Seiten gesehen werden.
Es gibt aber auch Forschungsliteratur (auch für die Antike), die sich mit den Missständen auseinandersetzt und diese nicht versucht wegzureden.

Abzulehnen sind solche "Verschönigungen" durch Historiker, wie du sie teilweise beschreibst.
 
Der Mensch erinnert sich lieber an gutes als an schlechtes und vergisst daher oft auch schlechtes leichter. Viele Menschen haben schon von ihrer eigenen Lebensgeschichte ein zu schön gefärbtes Bild, eine Erinnerung die nicht mit dem wahren Geschehen übereinstimmt.

Insbesondere in Bezug auf Geschichtswissenschaftler ist mir immer wieder aufgefallen, daß diese (insbesondere auf ihr Fachgebiet, "ihr Volk", ihren Zeitraum, ihre Lieblingskultur) die Vergangenheit "schönfärben".

Dies umso mehr, je länger zurück diese Vergangenheit liegt. Genau das was man Revisionisten in Bezug auf die jüngste Vergangenheit vorwirft wird selbst von seriösen Geschichtswissenschaftlern in Bezug auf andere frühere Kulturen betrieben.

Man will mit Gewalt das gute sehen und "böse" Handlungen werden entweder ignoriert, schöngefärbt, negiert und mit vielerlei Argumenten scheinbar als nicht existent wiederlegt,

oder wenn man sich gar nicht aushelfen kann wird allgemeiner moralischer Nihilismus heran gezogen, man dürfe in keinem Fall hier ethische/moralische Urteile fällen und man dürfe nicht etwas eindeutig böses als böse bezeichnen, es sei halt eben Kultur, damaliges Umfeld, usw

Aber über diesen allgemeinen moralischen Nihilismus in der Geschichtswissenschaft (der für die jüngere Vergangenheit aber genau umgekehrt scharf abgelehnt wird) wird allzu oft gegen jede wissenschaftliche Logik einfach die Vergangenheit

schöngefärbt.

Man will die verheerenden mongolischen Kriegszüge nicht verurteilen, über Massenabschlachtungen wird in einer Ausstellung in München vor einigen Jahren nur ganz am Rande und ziemlich relativiert gesprochen, es geht vielmehr um die Pax ! Mongolica, das tolle Postwesen, den Kulturaustausch, die wundervollen Funde in Kharkhorin. Jede Frage meinerseits was den nun mit den Kriegen und Massenmorden sei, wird mit massiven Relativierungen und schließlich mit Ablehnung bedacht.

Oder nehmen wir Karthago: die Antiken Autoren beschreiben übereinstimmend, das Kinder als Menschenopfer verbrannt worden seien, man findet verbrannte Kinderknochen, und kommt zu der Schlußfolgerung:

Es gab natürlich keine ! Menschenopfer. Die Kinder seien nur beerdigt worden. Jeder Einspruch dagegen wird massiv abgewehrt, die Karthager seien schließlich ein Kulturvolk und überhaupt solle man sich lieber mal mit den wundervollen Kunstwerken befassen, und nicht mit solchen nicht existierenden Lügen über dieses wundervolle Volk.

Das römische Reich, ein sondergleichen brutaler und menschenverachtender Staat, mit einer endlosen Liste von Massenmorden, Angriffskriegen und Gladiatorenspielen, einfach bewunderswert. Die Gladiatoren sind nicht abscheulich, eine kulturelle und gesellschaftliche Verirrung, nein sie sind interessant und toll, außerdem solle man sich lieber auf die wundervolle Organisation, die Aquädukte und Thermen konzentrieren.

Das Römische Reich sei wundervoll, weil wir es eben so sehen sollen.

Kein Wort davon das es ein extremst möglicher Unrechtsstaat war, vergleichbar einem heutigen Dritte Welt Land mit Massensklaverei und Massenelend. Bitte doch lieber einen Blick auf die herrlichen Wandmalereien in den Villen der Wohlhabenden...

Das Leben in früheren Zeiten wird beschönigt, Verbrechen und Übel aller Art die damals das Leben dominierten werden relativiert oder so lange schöngefärbt bis sie ins Bild passen. Und dieses Bild stimmt meiner Meinung nach nicht mit dem damaligen Geschehen überein.


Meiner Ansicht nach wird die Vergangenheit viel zu oft viel zu schön dargestellt. Sie wird vielleicht nicht negativ genug dargestellt.

Es wäre im einzelnen vielleicht besser, statt eines unpersönlichen man Ross und Reiter zu nennen.
Ansonsten ist mir Deine Kritik zu simpel: Nehmen wir mal Dein Beispiel von den Kinderopfern der Karthager. Wir haben hier den Karthagern feindlich gesinnte Berichte und ein paar verbrannte Kinderknochen. Passt ja anscheinend gut zusammen. Ich weiß nicht, ob Anthropologen in der Lage sind anhand der Knochenfunde festzustellen, ob der betroffene Mensch durch Feuer umgekommen ist, oder ob erst sein Leichnam verbrannt wurde. Wenn die Anthropologie das kann, dann müssen wir der Anthropologie vertrauen. Wenn sie es aber nicht kann, sollten wir, bevor wir die voreilige Schlussfolgerung ziehen, die Römer (und die romseitigen Griechen) berichten die Wahrheit, erst einmal karthagische Bestattungsriten untersuchen. Von den Römern wissen wir z.B., dass sie ihre Toten verbrannten, wahrscheinlich nicht aus kultischen Gründen, sondern um er Hygiene willen. Wie gingen die Karthager mit ihren Toten um? Nun hat man in historischen Gesellschaften eine sehr hohe Kindersterblichkeit, verbrannte Kinderknochen allein sagen also, sofern hier voon Seiten der Anthropologen ncihts geanueres gesagt werden kann, im Grunde gar nichts aus.
 
Dies umso mehr, je länger zurück diese Vergangenheit liegt. Genau das was man Revisionisten in Bezug auf die jüngste Vergangenheit vorwirft wird selbst von seriösen Geschichtswissenschaftlern in Bezug auf andere frühere Kulturen betrieben.
Man will mit Gewalt das gute sehen und "böse" Handlungen werden entweder ignoriert, schöngefärbt, negiert und mit vielerlei Argumenten scheinbar als nicht existent wiederlegt,

Ich sehe das nicht so!

So werden z.B. die Kreuzzüge, die türkische Expansion auf dem Balkan, die Behandlung der unterworfenen Bevölkerung im Assyrischen Reich, die Judenverfolgung und anderes weder schöngefärbt noch schwarzgemalt. Die meisten Historiker bemühen sich um eine objektive Darstellung der Geschehnisse, was nicht ausschließt, dass fachfremde oder unseriöse Publizisten geschönte - oder besonders negative - Bilder historischer Prozesse oder Ereignisse präsentieren.

Man will die verheerenden mongolischen Kriegszüge nicht verurteilen, über Massenabschlachtungen wird in einer Ausstellung in München vor einigen Jahren nur ganz am Rande und ziemlich relativiert gesprochen, es geht vielmehr um die Pax ! Mongolica, das tolle Postwesen, den Kulturaustausch, die wundervollen Funde in Kharkhorin.

Das ist einfach nicht wahr!

Jede seriöse historische Publikation weist auf die Verheerungen mongolischer Kriegszüge hin und beschreibt ausführlich, dass dadurch ganze Stadtlandschaften und Kulturen vernichtet wurden.

Dass eine Publikation, die sich mit dem Reich der Mongolen beschäftigt, nicht bei Brandschatzungen verharren kann, sondern auch Verwaltung, Handel und Gesellschaft beschreiben muss, versteht sich von selbst.

Oder nehmen wir Karthago: die Antiken Autoren beschreiben übereinstimmend, das Kinder als Menschenopfer verbrannt worden seien, man findet verbrannte Kinderknochen, und kommt zu der Schlußfolgerung:
Es gab natürlich keine ! Menschenopfer. Die Kinder seien nur beerdigt worden.

Die Frage der Kindesopfer in Karthago und Phönizien wird kontrovers diskutiert, was man der Forschung zubilligen muss. Die Karthager hatten eine schlechte Presse und die Römer scheinen ihnen aus Propagandagründen manches angehängt zu haben, was nicht der Realität entspricht. Darüber diskutieren Historiker und das ist auch gut so!

Das römische Reich, ein sondergleichen brutaler und menschenverachtender Staat, mit einer endlosen Liste von Massenmorden, Angriffskriegen und Gladiatorenspielen ...Kein Wort davon das es ein extremst möglicher Unrechtsstaat war,

Du scheinst nur einseitige Veröffentlichungen gelesen zu haben. Die Literatur zum Römischen Reich bietet zahlreiche Facetten, in denen ganz unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Darin spielt die kulturelle und zivilisatorische Leistung Roms eine ebenso bedeutende Rolle, wie die ausführliche Beschreibung unablässiger Kriege und einer menschenverachtenden Staatsmaschinerie.
 
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